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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.11.2000
Aktenzeichen: 7 U 195/99
Rechtsgebiete: ZPO, VVG, AKB


Vorschriften:

ZPO § 448
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
VVG § 1 Abs. 1 S. 1
VVG § 38 Abs. 1 S. 1
AKB § 1 Abs. 2 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 195/99 4 O 8/99 Landgericht Limburg/Lahn

Verkündet laut Protokoll am 29.11.2000

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg/Lahn vom abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger im Hinblick auf das Unfallereignis vom Versicherungsschutz im Rahmen der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Fahrzeugversicherung zu gewähren.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung von 110.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beklagte ist mit 100.000,00 DM beschwert.

Tatbestand:

Der Kläger hat die Beklagte auf Versicherungsschutz für ein Unfallereignis vom im Rahmen einer abgeschlossenen Kraftfahrzeughaftpflicht- und Fahrzeugversicherung in Anspruch genommen. Am hatte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Antrag auf Abschluß einer Kraftfahrzeughaftpflicht-Versicherung und einer Fahrzeugversicherung gestellt, den die Beklagte mit Schreiben vom annahm. In dem Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger nach Errechnung des Erstbeitrages von DM mit, er möge den Erstbeitrag innerhalb von 14 Tagen überweisen. Dem Annahmeschreiben war der Versicherungsschein beigefügt. Der Sohn des Klägers, hatte den Antrag und den Abschluß des Vertrages über eine von im betriebene Agentur der Beklagten vermittelt. Am richtete der Kläger einen Änderungsantrag bezüglich der Versicherung an die Beklagte, der über die Agentur seines Sohnes eingereicht wurde. Der inzwischen zugelassene Wagen sollte danach ausschließlich von dem Kläger und seinem Sohn gefahren werden, wobei der Kläger eine ausschließliche private Nutzung angab, eine unbegrenzte Deckung begehrte und eine Vollversicherung mit 1.000,00 DM Selbstbeteiligung beantragte. Das Fahrzeug war über die BMW-Bank AG und durch Zahlungen des Sohnes des Klägers finanziert worden.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom das dem Kläger am zuging, die Zahlung angemahnt hatte, überließ der Kläger das Schreiben seinem Sohn, der ein hinsichtlich seines Inhalts zwischen den Parteien streitiges Gespräch mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten, der Zeugin führte. Der Sohn des Klägers verunglückte am mit dem versicherten PKW tödlich Drei Tage vor dem Tode des Sohnes des Klägers hatte die Beklagte ein Schreiben an den Kläger gerichtet, das bei diesem am einging und eine Mahnung und einen Rücktritt enthielt. Der Kläger überwies die Erstprämie, die am von seinem Konto abgebucht wurde an die Beklagte, und erhielt später den Bescheid, dass die Geschäftsstelle der Beklagten in Düsseldorf den Versicherungsschutz im Hinblick auf die ausgebliebene Zahlung des Erstbeitrages versage.

Mit der Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten verfolgt, ihm im Hinblick auf das Unfallereignis vom Versicherungsschutz im Rahmen der Kraftfahrzeughaftpflicht- und Kraftfahrzeugversicherung zu gewähren. Er hat behauptet, nach Eingang der Mahnung am hinsichtlich der zu zahlenden Erstprämie seinen Sohn hiervon unterrichtet zu haben. Dieser habe sich mit der Sachbearbeiterin Binder der Beklagten in der Geschäftsstelle Düsseldorf telefonisch in Verbindung gesetzt, die mit ihm vereinbart habe, dass aufgrund des neuen Kennzeichnens, das auch Veranlassung für den Änderungsantrag gewesen sei, erst abgewartet werden solle, bis ein neuer Versicherungsschein ausgestellt und erst dann die Erstprämie gezahlt werden sollte. Da ihm auch im Zusammenhang mit der anderweitigen Zulassung eine vorläufige Deckungskarte seitens der Beklagten erteilt worden sei, hierfür eine Einlösungsprämie nicht angemahnt worden sei, und die Beklagte keinerlei Tätigkeit hinsichtlich der Ausfertigung des Vertrages unternommen habe, hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass jedenfalls von einer vorläufigen Deckung auszugehen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm im Hinblick auf das Unfallereignis vom Versicherungsschutz im Rahmen der Kraftfahrzeughaftpflicht-Versicherung und der Fahrzeugversicherung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat in Abrede gestellt, dass bei dem Gespräch zwischen dem Sohn des Klägers und der Sachbearbeiterin der Beklagten eine abweichende Vereinbarung über die Einzahlung der Erstprämie zustande gekommen sei. Vielmehr habe die Sachbearbeiterin erklärt, dass die Beiträge nach Wirksamkeit der Änderung des Kennzeichens günstiger berechnet würden. Damit habe zum Unfallzeitpunkt kein Versicherungsschutz bestanden, was der Kläger auch deshalb zu vertreten habe, weil sein Sohn vorrangig als Repräsentant des Klägers aufgetreten sei.

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugin und Anhörung des Klägers die Klage in dem angefochtenen Urteil vom wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 63 ff. d.A. verwiesen wird, abgewiesen.

Gegen dieses, dem Kläger am zugestellte Urteil richtet sich seine am eingelegte Berufung, die der Kläger nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum am begründet hat. Mit der Berufung verfolgt der Kläger die Abänderung der angefochtenen Entscheidung und die Verurteilung der Beklagten entsprechend dem erstinstanzlich gestellten Antrag. Der Kläger meint, dass unabhängig von dem Inhalt der Unterhaltung zwischen dem Sohn des Klägers und der Zeugin sich der Anspruch auf Versicherungsschutz des Klägers hinsichtlich beider Versicherungsarten bereits aus der Auskunft des verstorbenen Sohnes des Klägers in seiner Eigenschaft als Versicherungsagent der Beklagten gegenüber dem Kläger ergebe. Da der Sohn des Klägers dem Kläger gegenüber angegeben habe, dass eine Zahlung zunächst nicht geleistet werden müsse, da wegen des neuen Kennzeichens ein neuer Versicherungsschein ausgestellt und die dann erst errechnete zutreffende Versicherungsprämie gezahlt werden solle, sei Versicherungsschutz wirksam entstanden. Unter Berücksichtigung des tragischen Todes seines Sohnes habe sich der Kläger in einer erheblichen psychischen Zwangslage befunden, in deren Verlauf er sich auch in ärztliche Behandlung habe begeben müssen. Das erkläre, dass der Kläger zunächst die an ihn gestellte Frage nach dem Verlauf seiner Unterhaltung mit seinem Sohn nicht habe beantworten können. Hinzu komme, dass der Kläger von Anfang an in einer schriftlichen und mehreren mündlichen Stellungnahmen gegenüber seinem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten den Inhalt der Unterredung so dargestellt habe, wie dies erstinstanzlich schriftsätzlich vorgetragen worden sei. Da sich der Kläger hinsichtlich des Inhalts der Unterredung mit seinem Sohn in Beweisnot befinde, beantragte der Kläger, ihn als Partei gemäß § 448 ZPO zu vernehmen. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung des Klägers hinsichtlich der Angaben seines Sohnes ihm gegenüber bezüglich der Zahlung der Erstprämie folge daraus, dass der Kläger in seiner Vergangenheit Zahlungsverpflichtungen, insbesondere der Zahlung fälliger Versicherungsbeiträge, stets nachgekommen sei. Weiterhin habe der verstorbene Sohn des Klägers auch gegenüber seiner Mutter gesprächsweise bestätigt, dass die Zeugin ihm gegenüber angegeben habe, dass die Prämie erst gezahlt werden solle, wenn der neue Versicherungsschein gefertigt sei (Beweis: Vernehmung der Ehefrau des Klägers). Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Repräsentanteneigenschaft seines Sohnes dazu führe, dass eine Zurechnung der Handlung des Sohnes als Agent zu unterbleiben habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass eine Auskunft des Sohnes des Klägers in seiner Eigenschaft als Versicherungsagent hinsichtlich der Fälligkeit der Prämienzahlung und damit hinsichtlich des vorläufigen Versicherungsschutzes nach Maßgabe der gewohnheitsrechtlichen Grundsätze der Vertrauenshaftung einen Schadensersatzanspruch begründe. Diese Auskunft sei erkennbar in der Eigenschaft als Agent der Beklagten erfolgt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteil die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger im Hinblick auf das Unfallereignis vom Versicherungsschutz im Rahmen der Kraftfahrzeughaftpflicht- und der Kraftfahrzeugversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie meint, dass der Sohn des Klägers schon deshalb als Repräsentant des Klägers anzusehen sei, weil das Fahrzeug lediglich als Zweitwagen des Klägers und damit ausschließlich für den Sohn des Klägers zur Verfügung habe stehen sollen. Da die Zeugin in Abrede gestellt habe, mit dem verstorbenen, Sohn des Klägers eine Vereinbarung getroffen zu haben, dass wegen des neuen Kennzeichens ein neuer Versicherungsschein ausgestellt und erst dann die neue Versicherungssumme gezahlt werden solle, sei davon auszugehen, dass ein Zahlungsaufschub hinsichtlich der Erstprämie nicht vereinbart worden sei. Mangels Einlösung des Versicherungsscheins durch Zahlung des Erstbeitrages habe der Versicherungsschutz deshalb nicht beginnen können. Da die Zeugin dem Sohn des Klägers nicht erklärt habe, die Erstprämie müsse noch nicht geleistet werden, habe auch kein nachvollziehbarer Grund für den Sohn des Klägers bestanden, seinem Vater etwas derartiges abweichendes zu erzählen. Damit komme eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO nicht in Betracht. Die Behauptung des Klägers, der verstorbene Sohn des Klägers habe seinerzeit auch gegenüber seiner Mutter gesprächsweise bestätigt, dass nach einer Unterredung mit der Zeugin die Prämie erst nach Eingang des neuen Versicherungsscheines gezahlt werden solle, sei unrichtig. Selbst wenn der Sohn des Klägers gegenüber seinem Vater oder seiner Mutter unzutreffende Angaben gemacht haben solle, was die Zahlung der Erstprämie betreffe, hätte dies der Kläger als Versicherungsnehmer zu vertreten. Das Landgericht habe auch mit Recht das Eingreifen der Grundsätze der gewohnheitsrechtlichen Vertrauenshaftung verneint. Der Sohn habe seinen Vater wegen seiner Repräsentantenstellung tatsächlich sowie im versicherungsrechtlichen Sinne praktisch verdrängt gehabt, so dass die Nichtzahlung der Prämie zu Lasten des Versicherungsnehmers, damit des Klägers gehe, da die Repräsentanteneigenschaft des Sohnes eindeutig im Vordergrund stehe. Es liege jedenfalls überwiegendes Eigenverschulden des Versicherungsnehmers bei der Handhabung der Prämienzahlung vor, da er trotz Vorlage der Prämienmahnung auf eine bloße mündliche Mitteilung des Versicherungsagenten hin davon ausgegangen sei, dass die Prämie auch nicht bezahlt werden müsse.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat auch Erfolg.

Dem Landgericht ist zunächst darin beizupflichten, dass von der Beklagten angeführte Bedenken gegen die Bestimmtheit des Klageantrages nicht gegeben sind.

Dem Kläger ist eine Bezifferung des Umfanges des begehrten Versicherungsschutzes derzeit nicht möglich, so dass das Stellen eines unbezifferten Klageantrages, dessen Grundlage dargelegt, dessen Größenordnung umrissen ist und hinsichtlich dessen ein Mindestbetrag angeführt wird, nicht zu beanstanden ist (vgl. auch BGH NJW 1982, 340).

Das Landgericht ist auch mit Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Anspruch aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 VVG i.V.m. den zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung aufgrund des am 17.04.1998 zustande gekommenen Vertrages deshalb nicht besteht, weil die Beklagte insoweit mit Recht gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 VVG wegen ausgebliebener Zahlung der Erstprämie zurückgetreten ist.

Indessen folgt der Deckungsanspruch des Klägers aus einer von der Beklagten gegenüber dem Kläger erteilten vorläufigen Deckungszusage, hinsichtlich beider Versicherungszweige (Haftpflicht- und Kaskoversicherung), hinsichtlich deren die Beklagte nicht leistungsfrei geworden ist. Der Senat geht davon aus, dass vorläufige Deckung für beide Versicherungszweige gewährt worden ist, unbeschadet dessen, dass der Passus in dem Antragsformular über vorläufige Deckung nicht ausgefüllt worden ist. Das ergibt sich daraus, dass nach der Erwartung des durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine einheitliche Behandlung beider Versicherungszweige anzunehmen ist, für beide damit vorläufige Deckung gewährt worden ist (vgl. BGH VersR 1986, 542; OLG Frankfurt VersR 1993, 1347; OLG Hamm VersR 1990, 83; Prölss/Martin/Knappmann "Versicherungsvertragsgesetz", 26. Aufl., § 1 AKB Rn. 9).

Der danach bestehende Deckungsanspruch aus einer vereinbarten vorläufigen Deckung der Risiken beider Versicherungszweige ist nicht nach § 1 Abs. 2 S. 4 AKB deshalb entfallen, weil eine fristgerechte Einlösung des Versicherungsscheines nicht erfolgt ist. Hiervon ist deshalb auszugehen, weil die rückwirkende Leistungsfreiheit wegen Nichteinlösung des Versicherungsscheins bei vorläufiger Deckung zusätzlich voraussetzt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer über die Rechtsfolgen nicht fristgerechter Einlösung des Versicherungsscheins zutreffend belehrt hat (vgl. BGH VersR 1985, 981; OLG Hamm VersR 1991, 220; OLG Hamm VersR 1995, 1085). Eine solche Belehrung ist weder dem Antragsformular noch dem Annahmeschreiben der Beklagten vom zu entnehmen und auch ansonsten nicht vorgetragen worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten war eine solche, im Interesse des Versicherungsnehmers zu erteilende Belehrung auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Sohn des Klägers gegebenenfalls als dessen Repräsentant anzusehen ist, der Sohn des Klägers gegebenenfalls auch gewußt haben mag, welche Folgen die Nichteinlösung des Versicherungsscheines hinsichtlich der vorläufigen Deckung haben werde. Vielmehr gebietet es der Schutzzweck der dargestellten zusätzlichen Belehrungspflicht, dass diese gegenüber dem Versicherungsnehmer erfolgen muß, der ansonsten die einschneidenden Folgen eines Ausbleibens des Einlösungsbeitrages nicht mit der erforderlichen Gewißheit abschätzen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Bemessung der Beschwer orientiert sich am Ausmaß des Unterliegens der Beklagten in der Berufung.

Ende der Entscheidung

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