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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 09.08.2000
Aktenzeichen: 7 U 50/00
Rechtsgebiete: AKB, ZPO


Vorschriften:

AKB § 1
ZPO § 448
ZPO § 91
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 713
Mit Aushändigung der Doppelkarte kommt auch hinsichtlich der Teilkaskoversicherung ein Vertrag über den vorläufigen Deckungsschutz zustande, wenn der Versicherungsnehmer auch diesbezüglich Deckung beantragt hat und der Versicherer nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass Deckungsschutz nur hinsichtlich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung gewährt wird.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 50/00

2 O 426/98 Landgericht Limburg

Verkündet am 9.8.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung des Klägers gegen das am 23. Februar 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09. August 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.400,- DM nebst 4 Zinsen seit dem 14. Juni 1997 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird unter Zurückweisung der Berufung abgewiesen. Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 39% die Beklagte 61% zu tragen, die Kosten der Berufung fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt für den Kläger 50,- DM, für die Beklagte 7.400,- DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg, denn die Klage ist im jetzt noch verfolgten Umfange bis auf die begehrte Kostenpauschale begründet.

Dem Kläger steht aufgrund vorläufigen Deckungsschutzes aus der Teilkaskoversicherung ein Anspruch auf Erstattung des am Abend des 22. August 1997 eingetretenen Schadens zu, der durch einen Zusammenstoß mit einem Reh entstanden, ist (§ 12 Nr. 1 Abs. 1 Ziffer d AKB i.V.m. §§ 1, 49 VVG). Zwar ist weder in der Versicherungsbestätigung (Doppelkarte wie Bl. 56 d.A.) und in den von dem Bezirksleiter der Beklagten, dem Zeugen D. ausgefüllten Versicherungsantrag (Bl. 8 d.A.) die für die Beantragung bzw. Zusage des vorläufigen Deckungsschutzes in der Teilkaskoversicherung vorgesehenen Kästchen angekreuzt, doch kommt gleichwohl mit Aushändigung der Doppelkarte auch hinsichtlich der Teilkaskoversicherung ein Vertrag über den vorläufigen Deckungsschutz zustande, wenn der Versicherungsnehmer für beide Versicherungen Deckung beantragt und der Versicherer nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass vorliegend Deckungsschutz, nur hinsichtlich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung gewährt wird (vgl. BGH in NVersZ.2000.233; OLG Koblenz in VersR 1998.311 und Senatsentscheidung vom 28. Februar 1996 - 7 U 96/95 -). Diese Rechtsprechung, an der der Senat festhält, beruht darauf, dass die Aushändigung der Deckungskarte an den Versicherungsnehmer, der beide Versicherungen abschließen will, bei diesem nach Treu und Glauben die Vorstellung erweckt, der Versicherer behandele die kombinierten Versicherungen entgegen dem Regelfall des § 1 AKB im Stadium des vorläufigen Deckungsschutzes einheitlich, solange nicht das Gegenteil erklärt wird.

Wie sich aus dem vom Zeugen D. ausgefüllten und weitergeleiteten Antrag sowie aus dem von ihm erstellten Computerausdruck über die Prämienbeträge von Haftpflicht- und Teilkaskoversicherungen ergibt, hatte der Kläger den Abschluss beider Versicherung beantragt und durch Aushändigung der Deckungskarte vorläufigen Versicherungsschutz zugesagt erhalten, den er auf beide Versicherungen beziehen durfte, es sei denn, die Beklagte hätte ihn durch den Zeugen D. ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass sich der vorläufige Deckungsschutz nur auf die Haftpflichtversicherung und nicht auf die Teilkaskoversicherung bezieht. Diesen ihr obliegenden Beweis hat die Beklagte indes nicht geführt. Zwar hat der Zeuge D. bekundet, den Kläger wegen des bestehenden Direktionsvorbehaltes hinsichtlich des zu versichernden Pkws darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass er ihm vorläufigen Deckungsschutz für die Teilkaskoversicherung nicht gewähren könne, doch vermochte diese Aussage den Senat nicht davon zu überzeugen, dass der Zeuge D. den Kläger bei Antragstellung mit der erforderlichen Klarheit auf einen lediglich auf die Haftpflichtversicherung beschränkten vorläufigen Deckungsschutz hingewiesen hat. Auf Nachfrage muß der Zeuge D. einräumen, dem Kläger den eigentlichen Grund der angeblichen Einschränkung, nämlich den für die Typenklasse 36 bestehenden Direktionsvorbehalt, nicht expressis verbis genannt, sondern nur auf das für diese Typenklasse bestehende erhöhte Diebstahlsrisiko hingewiesen zu haben, was in Ansehung des Alters des zu versichernden Fahrzeuges (10 Jahre) nicht zu überzeugen vermag. Gegen eine ausdrückliche Beschränkung des vorläufigen Deckungsschutzes spricht das Verhalten des Zeugen D. am darauffolgenden Tage, als der Kläger den Kaskoschaden meldete. Wenn er am Tage zuvor auf den nur für Haftpflicht- schäden beschränkten vorläufigen Versicherungsschutz hingewiesen hätte, hätte es nahe gelegen, den Kläger bei Aufnahme der Schadenmeldung entsprechend zu bescheiden und lediglich den Versuch einer kulanzweisen Regelung vorzuschlagen. Dies ist jedoch nicht geschehen, vielmehr hat der Zeuge D. nach eigenem Bekunden die Schadenmeldung kommentarlos aufgenommen, ohne den Kläger davon zu unterrichten, dass er insoweit "schwarz sehe".

Soweit der Zeuge D. auf das im Senatstermin überreichte, an die Kundenservice-Stelle in Wiesbaden gerichtete Schreiben vom 23.,April 1997 (Anlage 1 zum Protokoll vom 09. August 2000) verweist, stellt dies kein verlässliches Indiz für einen ordnungsgemäßen und ausreichenden Hinweis am Vorrage dar, da das Ersuchen um wohlwollende Erledigung auch dann plausibel ist, wenn ein Hinweis nicht erfolgt war und der Zeuge deshalb dem Kläger helfen wollte", wie dies die Ehefrau des Klägers bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht auch zum Ausdruck gebracht hat.

In Ansehung dieses Beweisergebnisses hielt der Senat einen Anfangsbeweis für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers für erbracht, so dass die Voraussetzungen seiner Vernehmung nach § 448 ZPO gegeben waren. Der Kläger hat überzeugend und anschaulich geschildert, dass er von Anfang an eine Teilkaskoversicherung mit einem Selbstbehalt von 300,- DM gewünscht, der Zeuge D. ihm durch Computerausdruck die entsprechenden Prämienbeträge aufgezeigt und den Antrag mit Haftpflicht- und Teilkaskoversicherung ausgefüllt habe, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass vorläufiger Versicherungsschutz nur bezüglich der Haftpflichtversicherung bestehe. Gegen die Richtigkeit seiner Aussage spricht nicht, dass er auf Befragen einräumen musste, heute - naturgemäß - nicht mehr jedes Wort der Unterredung erinnern zu können, doch kann dem Kläger geglaubt werden, dass ihm ein ausdrücklicher Hinweis auf einen nicht bestehenden vorläufigen Kaskoversicherungsschutz in Erinnerung geblieben wäre. Auf diesen Umstand will er nach seiner Aussage vom Zeugen D. erstmals nach Wochen oder gar Monaten hingewiesen worden sein, was von der Ehefrau des Klägers bei ihrer Vernehmung als zutreffend bestätigt wurde. Da der Senat keinen verlässlichen Anlass hat, entweder dem Zeugen D. oder aber den Klägern mehr zu glauben als dem anderen, ist von einem non liquet auszugehen, das sich prozessual zum Nachteil der insoweit beweisbelasteten Beklagten auswirkt.

Der Klage war daher unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung in Höhe des nicht angegriffenen Wiederbeschaffungswertes abzüglich des unbestrittenen Restwertes stattzugeben, eine Rechtsgrundlage für die Erstattung einer Unkostenpauschale besteht in der Teilkaskoversicherung nicht (§ 13 AKB), der Zinsanspruch ergibt sich in der gesetzlichen Höhe aus Verzug (§§ 284, 286 BGB), die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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