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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 12.04.2006
Aktenzeichen: 7 U 88/05
Rechtsgebiete: BGB, VGB 88, VVG


Vorschriften:

BGB § 1127
BGB § 1128
VGB 88 § 12 Nr. 1
VVG § 102
1. Ist das versicherte Gebäude mit einem Grundpfandrecht belastet, erstreckt sich dieses gemäß § 1127 Abs. 1 BGB auf die Forderung des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer mit der Folge, dass der Grundpfandgläubiger mit Haftungsbeginn an der mit Eintritt des Versicherungsfalls entstandenen Entschädigungsforderung ein die Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers einschränkendes Pfandrecht erwirbt.

2. Zweck der dinglichen Surrogation ist sicher zu stellen, dass dem Realgläubiger der Haftungsgegenstand vollwertig erhalten bleibt und nach Anmeldung seines Grundpfandrechtes nur mit seiner Zustimmung an den Versicherungsnehmer gezahlt werden darf.

3. Das Pfandrecht an den Entschädigungsforderung erlischt jedoch, sobald das versicherte Gebäude wieder hergestellt ist.


Gründe:

Die aus 53 Wohnungseigentümern bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft des Wohngebäudes ...straße ... in O1 schloss durch ihre Wohnungseigentumsverwalterin eine Wohngebäude-Versicherung zum gleitenden Neuwert unter Einschluss der VGB 88 ab. Am 24. Januar 2003 entstand an den beiden im Eigentum des A stehenden Wohneinheiten ... und ..., für die als Realgläubigerin die Bank... B im Wohnungsgrundbuch eingetragen ist, durch einen Wohnungsbrand erheblicher Schaden, den der von der Beklagten beauftragte Sachverständige S1 mit 43.625,-- € feststellte. Auf Aufforderung der Wohnungseigentumsverwalterin leistete die Beklagte an diese eine Abschlagszahlung von 10.000,-- € und teilte im August 2003 mit, die Zahlung des restlichen Betrages von 33.625,-- € an die Bank... B veranlasst zu haben. Die Kläger widersprachen dem und verlangten Zahlung eines Betrages von 30.910,-- € (33.625,-- € abzüglich des Mietausfallschadens von 2.715,-- €) an die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Begründung, diese habe die Kosten der Wiederherstellung in Höhe von insgesamt 40.910,-- € getragen.

Die Beklagte behauptet, der Schaden sei ausschließlich, jedenfalls aber ganz überwiegend, am Sondereigentum eingetreten, weshalb die Realgläubigerin, die unstreitig ihr Grundpfandrecht am 6. November 1995 bei der Beklagten angemeldet hatte, zu Recht Zahlung an sich verlangt habe.

Das Landgericht hat der Klage lediglich in Höhe von 9.998,37 € nebst Zinsen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, soweit Schäden und deren Behebung das Gemeinschaftseigentum beträfen, sei Zahlung an die Kläger zu leisten, soweit Sondereigentum betroffen gewesen sei, habe die Beklagte mit befreiender Wirkung an die Realgläubigerin gezahlt. Den vorgelegten Rechnungen sei zu entnehmen, dass auf das Gemeinschaftseigentum Teilbeträge in Höhe von insgesamt 19.998,37 € entfielen, so dass über die Abschlagszahlung von 10.000,-- € hinaus noch 9.998,37 € an die Kläger zu zahlen und die restlichen 20.911,63 € als auf das Sondereigentum entfallend abzuweisen seien. Soweit der Beklagten die Abgrenzung zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum Schwierigkeiten bereitet haben sollte, hätte diese sich dem durch Hinterlegung der Entschädigungssumme entziehen können.

Mit ihrer gegen die Abweisung gerichteten Berufung halten die Kläger an ihrer Auffassung fest, auch bezüglich der am Sondereigentum entstandenen Schäden als Versicherungsnehmer forderungsberechtigt zu sein, da insoweit Versicherung für fremde Rechnung bestehe, auf eine Unterscheidung zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum komme es deshalb nicht an.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zur Zahlung weiterer 20.911,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit dem 16. September 2003 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und im Wege der Anschlussberufung,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie räumt ein, dass zur Vermeidung der oft schwierigen Abgrenzung zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum die Entschädigung zwar grundsätzlich an den Versicherungsnehmer zu zahlen sei, doch habe vorliegend die Realgläubigerin bereits im Jahr 1995 ihr Grundpfandrecht angemeldet, was ihr im Versicherungsfall "..." eine enorm starke Stellung einräume, weshalb auf deren Anforderung hin an sie mit befreiender Wirkung zu zahlen gewesen sei. Für eine Hinterlegung habe deshalb keine Veranlassung bestanden.

Die Kläger beantragen,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Sie halten daran fest, dass zum Zeitpunkt der Zahlung an die Realgläubigerin das Gebäude bereits auf Kosten der Kläger vollständig wiederhergestellt gewesen sei, so dass sie als Versicherungsnehmer gemäß § 12 Ziff. 1 S. 1 VGB 88 Zahlung allein an sich beanspruchen konnten mit der Folge, dass die Zahlung an die Realgläubigerin keine befreiende Wirkung gehabt habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der Kläger hat auch in der Sache Erfolg, denn die Klage ist in vollem Umfang begründet. Nach § 12 Nr. 1 VGB 88 steht eine aus der Gebäude-Versicherung zu leistende Entschädigungssumme grundsätzlich dem Versicherungsnehmer zu. Dies ist vorliegend die Eigentümergemeinschaft, die den Wohngebäude-Versicherungsvertrag für fremde Rechnung im Sinne der §§ 74 ff VVG abgeschlossen hat. Der einzelne Wohnungseigentümer ist lediglich Mitversicherter (vgl. hierzu OLG Hamm in VersR 1996, 1234; Prölss/Martin, 27. Aufl., § 74 VVG Rn. 3 a), der den materiell-rechtlich ihm zustehenden Versicherungsanspruch nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers (Wohnungseigentümergemeinschaft) gegenüber dem Versicherer geltend machen kann (§§ 75 VVG, 12 Abs. 2 S. 2 VGB 88), und zwar selbst dann, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist (§ 12 Abs. 2 S. 1 VGB 88).

Da jedoch das versicherte Gebäude mit einem Grundpfandrecht belastet war, erstreckt sich gemäß § 1127 Abs. 1 BGB das Grundpfandrecht auf die Forderung des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer. Das bedeutet, dass der Realgläubiger mit Haftungsbeginn an der mit Eintritt des Versicherungsfalles entstandenen Entschädigungsforderung ein die Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers einschränkendes Pfandrecht erwarb. Zweck der dinglichen Surrogation ist sicherzustellen, dass dem Realgläubiger der Haftungsgegenstand vollwertig erhalten bleibt und - wenn er wie hier sein Grundpfandrecht angemeldet hat - nur mit seiner Zustimmung an den Versicherungsnehmer gezahlt werden darf (§ 1128 Abs. 2 BGB). Das Pfandrecht an der Entschädigungsforderung erlischt jedoch, sobald das versicherte Gebäude wiederhergestellt ist (§ 1127 Abs. 2 BGB). Dies war zum Zeitpunkt der Zahlung der restlichen Entschädigungssumme an die Realgläubigerin der Fall. Die dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten S1 beigefügten Rechnungskopien (Bl. 81-120 d. A.) belegen, dass die zur Wiederherstellung der brandgeschädigten beiden Wohneinheiten erforderlichen Sanierungsarbeiten Ende Mai 2003 abgeschlossen und abgerechnet waren, die Zahlung der restlichen Entschädigungssumme ausweislich des Schreibens der Beklagten Bl. 11 d. A. aber erst im August 2003 veranlasst worden ist. Da zu diesem Zeitpunkt der Realgläubigerin kein Pfandrecht an der Entschädigungsforderung mehr zustand, erfolgte die Zahlung nicht an den Gläubiger im Sinne des § 362 BGB, sondern an einen Dritten, so dass befreiende Wirkung gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht eingetreten ist, vielmehr war allein diese als Versicherungsnehmerin verfügungsbefugt, und zwar ohne Zustimmung der mitversicherten Wohnungseigentümer und ohne Rücksicht darauf, ob sie im Besitz des Versicherungsscheines war (§ 12 Nr. 1 VGB 88). Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat auch nicht - was ebenfalls befreiende Wirkung hätte - einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Realgläubigerin zugestimmt, sondern dem ausdrücklich mit Schreiben vom 2. September 2003 (mit Ausnahme der nicht beanspruchten Mietausfallentschädigung) widersprochen.

Soweit die Beklagte auf eine enorm starke Stellung des Realgläubigers abhebt, vermag dies ihren Rechtsstandpunkt nicht zu stützen, denn der sich aus § 102 VVG ergebende eigene und eigenständige Anspruch des Realgläubigers besteht nur im sogenannten gestörten Versicherungsverhältnis. Zum Schutze des Realgläubigers und zur Förderung der Bereitschaft zur Ausreichung von Realkrediten erhält der Realgläubiger einen eigenen Anspruch auf die Versicherungsleistung gegen den Versicherer, wenn dieser gegenüber dem Versicherungsnehmer (z. B. gemäß § 61 VVG) leistungsfrei ist, doch liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor.

Da somit die Realgläubigerin keinen Anspruch auf die Zahlung der Entschädigungsleistung hatte, stand diese allein der Versicherungsnehmerin, also der Wohnungseigentümergemeinschaft, zu, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob nun im Einzelnen Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum beschädigt war, so dass es auf die vom Landgericht vorgenommene Differenzierung nicht ankommt.

Auch der von der Beklagten angeführte dolo-agit-Einwand greift nicht ein, denn zum einen hat der geschädigte Wohnungseigentümer A im Innenverhältnis keinen Anspruch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Auszahlung der Entschädigungsleistung, da diese, wie durch die Rechnungskopien belegt, von der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Wiederherstellung des Gebäudes verwendet worden war. Zum anderen würde der Einwand nur greifen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft die von der Beklagten geforderte Entschädigung an diese wieder zurückzahlen müsste.

Mit dem Erfolg der Berufung der Kläger erweist sich die Anschlussberufung der Beklagten als unbegründet, so dass, wie erkannt, mit den Nebenfolgen aus §§ 91 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO zu entscheiden war.

Ende der Entscheidung

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