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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.03.2008
Aktenzeichen: 8 U 146/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 793
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Nennbeträge und Zinsen aus Inhaber - Teilschuldverschreibungen, die sie im Jahr 1996 unter der Wertpapierkennnummer (WKN) ... emittiert hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen (Bl. 294 ff. d. A.).

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.022.583,76 € gegen Aushändigung der Inhaber - Teilschuldverschreibungen zu zahlen und der Beklagten vorbehalten, ihre Rechte im Nachverfahren auszuführen. Die Klägerin habe nachgewiesen, Inhaberin der Schuldurkunden zu sein. Die Beklagte sei verpflichtet, die in den Urkunden verbrieften Nenn- und Zinsbeträge auszuzahlen. Die Beklagte könne ihre Zahlungsverweigerung nicht mit einem auf Zahlungsunfähigkeit gestützten Staatsnotstand verweigern. Eine Zug-um-Zug Verurteilung komme nicht in Betracht, weil die Verpflichtung zur Aushändigung der Schuldurkunden keine Gegenleistung darstelle sondern nur eine besondere Form der Quittung.

Die Beklagte hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie wirft dem Landgericht vor, verkannt zu haben, dass es sich bei der L1 Notstandsgesetzgebung um international-privatrechtliche Eingriffsnormen handele, die von deutschen Gerichten zwingend zu beachten seien. Die Klage hätte wegen eines Verstoßes gegen das so genannte IWF - Abkommen als unzulässig abgewiesen werden müssen. Die Beklagte befinde sich nach wie vor in einem völkerrechtlich beachtlichen Staatsnotstand. Eine Verurteilung könne nur Zug um Zug erfolgen, weil der Beklagten bis zur Aushändigung ein Zurückbehaltungsrecht zustehe (§§ 797, 273, 274 BGB).

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen

hilfsweise im Wege der Anschlussberufung die Beklagte zu verurteilen, wie erkannt.

Die Klägerin habe bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hilfsweise die in der Klageschrift angekündigten (und nun zuerkannten) Anträge gestellt. Sie habe die Schuldurkunden am 9. März 2007 bei der Hauptzahlstelle, der X-Bank, O1 vorgelegt. Dort seien sie nicht eingelöst worden.

II.

Die Berufung hat in der Hauptsache keinen Erfolg. Die Beklagte schuldet der Klägerin Nennwert und verbriefte Zinsen in zuerkannter Höhe. Der Anspruch ergibt sich aus § 793 BGB in Verbindung mit den Anleihebedingungen (Bl. 33 d. A.). Die Anschlussberufung der Klägerin ist unzulässig, weil sie schon erstinstanzlich mit ihrem Hauptantrag erfolgreich war (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl.,Rn 3 zu § 524 ZPO). Das hindert den Senat nicht daran, ihr die Hilfsanträge zuzusprechen, weil sie nicht über den Hauptantrag hinausgehen. Dazu im Einzelnen:

Die Aktivlegitimation der Klägerin ist bereits vor dem Landgericht nachgewiesen worden. Sie wird mit der Berufung nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen. Die Beklagte kann die Rückzahlung der Nominal- und Zinsbeträge nicht mit Hinweis auf den vermeintlichen Staatsnotstand verweigern. Ihr Sachvortrag reicht nicht aus, um von der gefestigten Senatsrechtsprechung abzuweichen. Der Senat vertritt - ausgehend von seiner Entscheidung vom 13. 6. 2007 (Az.: 8 U 107/03, veröffentlicht in: NJW 2006, 2931) - in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Beklagte schon aus tatsächlichen Gründen nicht mehr auf den Einwand des Staatsnotstands berufen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat zwischenzeitlich entschieden, dass ein Staat die Erfüllung privatrechtlicher Zahlungsansprüche gegenüber Privatpersonen nicht unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand verweigern darf (BVerfG - Beschluss vom 8. Mai 2007 - 2 BvM 1-5/03, 1,2/06 = NJW 2007, 2610 = WM 2007, 1315 ff.). Damit ist dem zentralen Argument der Rechtsverteidigung der Beklagten auch in rechtlicher Hinsicht der Boden entzogen worden.

Mit den weiteren Argumenten der Beklagten hat sich der Senat bereits in der o. g. Entscheidung sowie in den folgenden Entscheidungen vom 29. 9. 2006 (8 U 60/03 u. a.) auseinandergesetzt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Die dagegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden sind vom Bundesgerichtshof am 25. 9. 2007 zurückgewiesen worden (Az.: XI ZR 346/06 u. a.).

Die Klägerin kann Zahlung der Nennbeträge aus den Inhaber - Teilschuldverschreibungen und der verbrieften Zinsen nur Zug um Zug gegen Aushändigung der Urkunden verlangen, nachdem die Beklagte die Einrede nach § 797 BGB erhoben hat. Der Senat orientiert sich an der in der bürgerlichrechtlichen Literatur zu § 797 BGB vertretenen Auffassung, wonach diese Vorschrift dem Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht gewährt, weswegen er nur Zug um Zug gegen Aushändigung der Urkunden verurteilt werden kann (Palandt-Sprau, BGB, 66. Aufl. Rn 1 zu § 797 BGB; Staudinger - Marburger, BGB, Rn 2 zu § 797; Bamberger/Roth, Rn 1 zu § 797; Prütting - Buck-Heeb Rn 1 zu § 797).

Es trifft zu, dass die Aushändigungspflicht nach § 797 ZPO in der zivilprozessualen Literatur und Rechtsprechung lediglich als besondere Form der Quittungserteilung verstanden wird, mit der Folge, dass § 756 ZPO nicht eingreift (Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., Rn 4 zu § 756 BGB; Stein-Jonas - Münzberg, ZPO, 22. Aufl., Rn 18 zu § 726 BGB; Wiezcorek/Schütze/Salzmann, ZPO, Rn 3 zu § 756; Gottwald, Zwangsvollstreckung, 5. Aufl., Rn 14 zu § 726 ZPO; Schuschke-Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., Rn 2 zu § 756 ZPO; Baumbach/ Hefermehl, WechselG, 22. Aufl., Rn 3 zu Art. 39 WG; OLG Frankfurt - 20. ZS - Rechtspfleger 1979, 144; DGVZ 1981, 261, 264; OLG Celle WM 1965, 984). Es sei aber auf jeden Fall erforderlich, dem Gerichtsvollzieher den Besitz der Urkunden zu verschaffen, weil der Schuldner nur gegen Aushändigung der Urkunde leisten müsse (Stein-Jonas a. a. O. "..mit dem Wechsel in der Hand").

Der Senat sieht hier auch aus praktischen Gründen keinen Sinn, von der im bürgerlich-rechtlichen Schrifttum vertretenen rechtsdogmatischen Einordnung des § 797 BGB abzuweichen. Es lässt sich nämlich feststellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Urkunden in Verzug befindet, so dass die Voraussetzungen für vollstreckungsgerichtliche Anordnungen nach §§ 756, 765 ZPO gegeben sind.

Die Beklagte ist durch ein wörtliches Angebot der Klägerin in Verzug mit der Annahme der Urkunden geraten (§ 293, 295 BGB). Das Angebot liegt in dem auf Zug - um - Zug Leistung gerichteten Antrag aus der Klageschrift (vgl. BGH NJW 1997, 581, 582). Das war ausreichend, weil die Beklagte durch ihr Zahlungsmoratorium und die von ihr selbst herangezogene Notstandsgesetzgebung bestimmt und eindeutig klargestellt hatte, dass sie ihre Gegenleistung nicht erbringen werde (BGH a. a. O.). Der Senat hat das schon in einem früheren parallel gelagerten Verfahren gegen die Beklagte so gesehen (Entscheidung vom 15. Januar 2008 - Az.: 8 U 247/06).

Die Zinsforderung ab Fälligkeit der Inhaberschuldverschreibungen ergibt sich aus § 2 der Anleihebedingungen in Verbindung mit § 288 Abs. 3 BGB. Auf die Begründung in dem angefochtenen Urteil wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 ZPO, die Entscheidung zur Vollstreckung auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Für die Feststellung des Annahmeverzugs kann kein eigener Wert angesetzt werden, da diesem Begehren neben dem Zahlungsantrag jede selbstständige wirtschaftliche Bedeutung fehlt (vgl. OLG Jena v. 15. 5. 2006, Az.: 4 U 763/05 = RVGReport 2006, 360; KG MDR 2005, 526, jeweils mit weiteren Nachweisen).

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