Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.12.2004
Aktenzeichen: 8 U 194/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 831 I
1. Die Anwendung des computerunterstützen Fräsverfahrens ("Robodoc") am coxalen Femur (Hüft-Oberschenkelknochen) bei Implantation einer Hüftgelenksendprothese stellt nicht bereits als solche einen Arztfehler dar.

2. Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes (BGH NJW 1988, 765, 766 = VersR 1988, 190, 191). Hier handelt es sich aber darum, ob die beklagten Ärzte der Klägerin das roboterunterstützte Verfahren angesichts seiner Neuheit und der damit verbundenen Risiken überhaupt vorschlagen durften. Diese Frage ist zu bejahen, da die neue Methode dem herkömmlichen manuellen Verfahren bei Abwägung der Vor- und Nachteile nicht unterlegen war. Daher konnten die Ärzte der Beklagten zu 1) ihrer Patientin die neue Methode zur Behandlung ihrer Hüftgelenkserkrankung als Alternative vorschlagen.

3. Die Anwendung des neuen Verfahrens setzt voraus, dass die Ärzte die Patienten darüber aufklären, dass es sich um eine neue Methode handelt, die noch nicht lange praktiziert wird und dass es daneben noch das herkömmliche Verfahren mit ausschließlich manueller Technik gibt. Der Patient muss außerdem auf die wesentlichen Unterschiede beider Verfahren hingewiesen werden, insbesondere darauf, dass die Operation mit der neuen Methode länger dauert und dass eine Voroperation zur Anbringung von Pins (Markierungsstifte) am Oberschenkelknochen erforderlich ist.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 194/03

Verkündet am 7. Dezember 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.8.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main in der Form des Berichtigungsbeschlusses vom 16.1.2004 - Az. 2-21 O 362/98 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz für eine ihrer Auffassung nach fehlerhaft und ohne die erforderliche Aufklärung durchgeführte computergestützte Implantation einer Totalendoprothese des linken Hüftgelenks mit vorausgegangener Pin-Implantation. Sie macht ein angemessenes Schmerzensgeld, das ihrer Vorstellung nach 50.000,00 DM = 25.564,59 € betragen sollte, einen materiellen Schaden von 11.379,19 DM = 5.818,09 € sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihr den Zukunftsschaden aus den Operationen vom 12. und 13.09.1995 zu ersetzen, geltend.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil erster Instanz vom 29.8.2003 Bezug genommen (Bl. 444-447 d. A.). Das Landgericht hat durch diese Entscheidung die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beweisaufnahme durch Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. A vom 19.06.2000 sowie durch dessen Ergänzungsgutachten vom 17.04.2001 und seine mündliche Anhörung am 30.01.2003 habe einen Behandlungsfehler der beklagten Ärzte nicht ergeben. Auch ein Aufklärungsmangel sei nicht festzustellen, denn über diejenigen Risiken, die sich verwirklicht hätten - Beinvenenthrombose und Nervenschaden - sei die Klägerin aufgeklärt worden.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin in zulässiger W eise Berufung eingelegt. Sie behauptet wie in erster Instanz, der Beklagte zu 3. habe die Operation vom 13.09.1995 grob fehlerhaft durchgeführt, was eine Überdehnung des Ischiadicusstammes und damit die Peronaeusschädigung zur Folge gehabt habe. Die Dauer der Operation von 5 1/2 Stunden sei außergewöhnlich lang, was auf Komplikationen hindeute. Der Sachverständige Prof. Dr. A habe die übliche Zeit beim Pin-Verfahren mit cirka 2 Stunden angegeben. Bei seiner mündlichen Anhörung habe er diesen Zeitraum auf 3 Stunden relativiert. Für die Erforderlichkeit von 5 1/2 Stunden habe er keine einleuchtende Erklärung abgeben können. Dies sei auch den Beklagten bisher nicht gelungen. Die Operationsberichte wiesen die Dauer des Eingriffs und das Datum ihrer Abfassung nicht aus. Dies bewirkt nach Ansicht der Klägerin eine Umkehr der Beweislast zu ihren Gunsten. Die lang anhaltende Überdehnung des Nervs führe eher zu einer Schädigung als eine kurzzeitige. Das Setzen der Pins sei ebenfalls grob fehlerhaft. Sie, die Klägerin, habe vier Narben, und zwar eine am Oberschenkel und drei am Knie. Der Sachverständige habe aber lediglich drei Pins festgestellt. Es sei ungeklärt, warum sie vier Narben habe. Die Klägerin beruft sich für die medizinische Problematik der computergestützten Implantation der Hüftgelenksprothese auf ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Orthopädie Dr. B vom 11.3.2003 (Bl. 410-417 d. A.) und eine wissenschaftliche Abhandlung von Dr. C vom X e. V., Stand 2004 (Bl. 692-813 d. A.). Die Klägerin wiederholt ihre Behauptung, die Aufklärung über den Eingriff sei mangelhaft erfolgt. Sie, die Klägerin, sei am 11.09.1995, einen Tag vor der Operation, nur über Anästhesie und allgemeine Operationsrisiken aufgeklärt worden. Speziell für die Hüftoperation sei eine Aufklärung über verschiedene Operationsmethoden, deren Gefahren und Risiken, nicht vorgenommen worden. Es sei kein Hinweis auf das erhöhte Risiko bei Eingriffen mit dem Computersystem Robodoc bezüglich Nervenschäden und das Thromboserisiko erfolgt. Sie sei lediglich gefragt worden, ob sie die herkömmliche Methode oder diejenige mit Robodoc bevorzuge. Näheres habe man ihr nicht erklärt. Auch die Erforderlichkeit von Pins sei ihr nicht dargelegt worden. Davon habe man sie erst am 11.09.1995 ohne weitere Aufklärung informiert. Auch von Nervenschäden sei ihr nichts mitgeteilt worden, ebenso wenig von Lähmungen. Nach Auffassung der Klägerin ist es erforderlich gewesen, sie über die computergestützte Operationsmethode mit Robodoc besonders aufzuklären. Diese Art der Operation sei erst 1994 bei der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik eingeführt worden. Sie sei dort 1995 erst als cirka 150. Patientin nach diesem Verfahren operiert worden. Die Auffassung des Landgerichts, dass sich in ihrem Fall Risiken verwirklicht hätten, über die sie aufgeklärt worden sei, treffe nicht zu. Die computergestützte Methode bedeute ein größeres Risiko im Hinblick auf Nervenschäden und Beinvenenthrombosen als bei dem herkömmlichen Verfahren. Die weite Freilegung des Operationsfeldes und die mechanische absolute Fixierung auf dem Operationstisch über längere Zeit bewirkten eine Minderdurchblutung, Druckschäden der Weichteile, insbesondere von Muskeln und Nerven. Es handele sich bei der Robodoc-Technik um eine Neulandmethode, über die auf jeden Fall aufzuklären sei.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 12 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit (09.09.1998) zu bezahlen,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 11.379,19 DM = 5.818,09 € nebst 12 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit (9.9.1998) zu bezahlen,

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr alle aufgrund der Operationen vom 12./13.09.1995 in Zukunft entstehenden Schäden zu ersetzen, soweit kein Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte stattgefunden hat.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stellen einen Behandlungsfehler in Abrede, da sich nur typische Komplikationen verwirklicht hätten und berufen sich auf die sachverständigen Äußerungen von Prof. Dr. A ebenso wie der Privatgutachterin der Klägerin, PD Dr. D. Die Beklagten bestreiten Dokumentationsmängel. Die Dauer der Operation ergäbe sich aus dem Anästhesieprotokoll, ihr Datum aus der Kopfzeile und das Datum der Erstellung der Berichte befinde sich am unteren Rand der Schriftstücke. Die Dauer des Eingriffs sei bei computergestützten Operationen länger. Hier habe auch erschwerend gewirkt, dass bei der Operation eine 15 cm starke Fettschicht habe überwunden werden müssen. Außerdem sei das Freipräparieren des Nervus Ischiadicus erforderlich geworden.

Die vierte Narbe rühre daher, dass sich eine Hilfsinzision als notwendig erwiesen habe, was auch in dem OP-Bericht erklärt werde. Dies gehe zudem aus dem Sachverständigengutachten hervor.

Die Aufklärung der Klägerin sei ordnungsgemäß erfolgt, wie sich aus dem Arztbrief von Dr. E über das Beratungsgespräch mit der Klägerin in der endoprothetischen Sprechstunde vom 23.2.1995 ergebe. Hier sei die Klägerin nicht nur über die neue Operationsmethode informiert worden, sondern auch über die Risiken der endoprothetischen Operation überhaupt. Eine erneute Aufklärung der Klägerin sei zwei Tage vor dem Eingriff am 13.09.1995 durch die Ärztin F am 11.09.1995 vorgenommen worden. Diese habe der Klägerin den Eingriff nach Art, Schwere und Bedeutung, und zwar auch bezüglich des Robotereinsatzes, erläutert. Sie habe als Risiken Nervschäden, Thrombose und bleibende Einschränkung der Kniegelenks- oder Hüftgelenksbeweglichkeit genannt. Demnach habe sich ein Risiko bei der Klägerin verwirklicht, über das sie aufgeklärt worden sei. Bei der Robodoc-Methode sei ein erhöhtes Risiko im Hinblick auf Nervenläsionen nicht gegeben. Dieser Schaden hätte bei konservativer Operationsmethode ebenso eintreten können. Die längere Operationsdauer bedeute für sich allein auch noch kein höheres Risiko bezüglich Lähmungs- und Empfindungsstörungen oder Thrombosen. Die Stellungnahme von Dr. B betreffe eine andere Komplikation, die bei der Klägerin nicht eingetreten sei. Außerdem habe dieser Arzt keine Erfahrung mit dem Einsatz von Robodoc.

Im übrigen bestreiten die Beklagten die Höhe des geltend gemachte Schadens ebenso wie die Zinsforderung.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Verfügung vom 8.4.2004 (Bl. 537 d. A.) durch Vernehmung der Zeugen Z 1, F und Dr. E. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Senatstermine vom 6.7. (Bl. 815-819 d. A.) und 2.11.2004 (Bl.861-866 d. A.) ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen eines ärztlichen Fehlverhaltens der Beklagten nicht zu.

Eine positive Verletzung des Behandlungsvertrages liegt ebenso wenig vor wie eine unerlaubte Handlung der Beklagten (§ 823 I BGB, bezüglich der Beklagten zu 1) § 831 I BGB).

Die Klägerin hat ihren damaligen Ärzten einen Behandlungsfehler bei den Operationen am 12. und 13.9.1995 nicht nachgewiesen.

Zunächst ist festzustellen, dass die Anwendung des computerunterstützten Fräsverfahrens ("Robodoc") am coxalen Femur (Hüft-Oberschenkelknochen) bei Implantation einer Hüftgelenksendoprothese nicht bereits als solche einen Arztfehler darstellt.

Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes (BGH NJW 1988, 765, 766 = VersR 1988, 190, 191). Hier handelt es sich aber darum, ob die beklagten Ärzte der Klägerin das roboterunterstützte Verfahren angesichts seiner Neuheit und der damit verbundenen Risiken überhaupt vorschlagen durften. Diese Frage ist zu bejahen, da die neue Methode dem herkömmlichen manuellen Verfahren bei Abwägung der Vor- und Nachteile nicht unterlegen war und im Streitfall noch hinzukommt, dass das Operations-Team der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (im folgenden BGU) aus besonders trainierten Ärzten bestand, die an einer hochspezialisierten Klinik arbeiteten, so dass die Komplikationsrate hier niedriger war als an anderen Krankenhäusern. Unter diesen Umständen konnten die Ärzte der Beklagten zu 1) ihrer Patientin die neue Methode zur Behandlung ihrer Hüftgelenkserkrankung als Alternative vorschlagen.

Dies ergibt sich im einzelnen wie folgt: Bei dem computerunterstützten Fräsverfahren ("Robodoc") bei Implantation einer Hüftgelenksendoprothese handelte es sich 1995 um eine neue Operationsmethode. Das Verfahren wurde von der Fa. Y ... O 1/USA seit Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit dem Ziel eines größtmöglichen Knochen-Prothesen-Kontakts und der Vermeidung von Implantationsproblemen entwickelt. 1992 wurde das System erstmals in den USA klinisch erprobt (von der Klägerin vorgelegtes Gutachten Dr. C, Bl. 27, Bl. 718 d. A.). In der BGU ist Robodoc seit 1994 im Einsatz. Der Zeuge Dr. E, der seinerzeit mit diesem Verfahren an der BGU gearbeitet hat, hat bekundet, bis zum Eingriff bei der Klägerin am 12./13.9.1995 seien etwa 600 bis 800 oder auch 1000 Operationeen auf diese Weise durchgeführt worden (Vernehmung am 2.11.2004, Bl. 865 d. A.). Die Klägerin hat demgegenüber zuletzt vorgetragen, sie sei als 100. Patient nach diesem Verfahren operiert worden. Es kann hier offen bleiben, wie viele solcher Eingriffe mit Robodoc bei der BGU seinerzeit bereits durchgeführt wurden. Es handelte sich in jedem Fall um eine Methode, die noch nicht allgemein etabliert war, denn sie ist, wie aus der Untersuchung des Sachverständigen Dr. C hervorgeht, bis zum heutigen Zeitpunkt umstritten. Allerdings kann nach einer Zahl von mindestens 100 Eingriffen mit Unterstützung des Gerätes Robodoc aber auch nicht mehr von einer experimentellen Methode gesprochen werden, die noch nicht ausreichend erprobt war, um bei einem Patienten überhaupt angewandt zu werden, zumal das Verfahren in den USA bereits seit Mitte der achtziger Jahre entwickelt und seit 1992 klinisch erprobt wurde (Gutachten Dr. C, Bl. 27 Bl. 718 d. A.).

Der Sachverständige Prof. Dr. A, der die Kliniken Z ... GmbH in O 2 leitet, wo das computergestützte Verfahren ebenfalls genutzt wurde, hat in seinem Hauptgutachten vom 19.6.2000 festgestellt, dass durch medizinisch-wissenschaftliche Publikationen zwischenzeitlich bewiesen sei, dass die roboterassistierten Operationen mit einem konventionellen Operationsschnitt, der Präparation des Hüftbereichs und der Lagerung bei verstärkter Abduktion des Beines mit keinem höheren Komplikationsrisiko behaftet seien als die herkömmlichen Verfahren. Insbesondere ergäben sich aus der neuen Methode keinerlei Risiken, die eine erhöhte Schädigungsrate für den Nervus ischiadicus oder Nervus peroneus erklären könnten. Der Unterschenkel werde auf einer gepolsterten Schiene gelagert bzw. angewinkelt. Auch hier seien keine vermehrten Peroneus-Läsionen beobachtet worden. Eine Beinvenenthrombose sei ein bekanntes Risiko jeder Operation bzw. der postoperativen Phase (Bl. 19 des Gutachtens, Bl 218 d. A.). Da der Patient nach roboterassistiertem Eingriff sofort am nächsten Tag aufgestellt werde, die operierte Hüfte mit vollem Körpergewicht belasten dürfe und unter krankengymnastischer Anleitung sofort sein Gehprogramm aufnehme, liege das theoretische Risiko eher niedriger als bei einer konventionell durchgeführten Operation (Bl. 20 des Gutachtens, Bl. 219 d. A.). Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Orthopädie Dr. B vom 11.3.2003 steht diesen Feststellungen nicht entgegen.

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten sich nicht mit dem Fall der Klägerin befasst, sondern eine andere Patientin betrifft. Auch den Ausführungen des Gutachters, wonach bei dem computergestützten Verfahren ein neues Komplikationsbild auftrete, das sich als Schwäche der Beckenmuskulatur darstelle, die durch die Schädigung der Muskulatur und/oder des Nervus gluteus medius hervorgerufen werde, kann nicht ohne weiteres gefolgt werden, weil der Gutachter diese Feststellung ohne nähere Begründung trifft. Auch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. C kommt letztlich zu keinem grundsätzlich anderen Ergebnis. Er hat in seinem Gutachten für die X e. V., Stand April 2004, sämtliche zum Thema computerunterstützte Fräsverfahren am coxalen Femur bei Hüftgelenkstotalendo-prothesenimplantation erschienenen wissenschaftlichen Abhandlungen überprüft und im Ergebnis festgestellt, dass das neue Verfahren der herkömmlichen Methode nicht unterlegen ist. Vielmehr weist das Robodoc-System gegenüber der konventionellen manuellen Verfahrensweise Vor- und Nachteile auf, aus deren Abwägung weder eine Überlegenheit der alten noch der neuen Verfahrensweise resultiert (S. 6, 7 des Gutachtens, Bl. 697, 698 d. A.). Der Sachverständige legt zunächst dar, dass das roboterunterstützte Fräsverfahren letztlich eingeführt wurde, um einerseits eine exakte präoperative Planung für die Schaftimplantation bei Hüftendoprothesen durchführen zu können und andererseits durch den Einsatz des Roboters einen präziseren Fräsvorgang zu ermöglichen. Der Vorteil ist die passgenaue Schaftimplantation mit großer Kontaktfläche Schaft zu Knochen. Dies könnte eine frühere Belastbarkeit und eine verlängerte Standzeit der Prothese ergeben. Das verbesserte Einwachsverhalten könnte bewirken, dass lockerungsbedingte Revisionsoperationen vermieden werden (Bl. 49 des Gutachtens, Bl. 740 d. A.). Eine der beiden von C untersuchten repräsentativen wissenschaftlichen Studien (Bagar 1998, USA/Deutschland) zeigt, dass prinzipiell keine Unterschiede in Funktion, Lebensqualität und Komplikationsrate zwischen den beiden Methoden bestehen. Bei den Komplikationen findet sich lediglich ein Unterschied im Hinblick auf die Häufigkeit einer Femurfraktur (drei bei manuellem Vorgehen, keine bei Robodoc).Die radiologische Auswertung zeigte eine signifikant bessere Passform der Robodoc-Hüften. Andererseits wurde über eine statistisch signifikant längere Operationszeit berichtet (Bl. 49 des Gutachtens, Bl. 740 d. A.).

Nach der ebenfalls repräsentativen wissenschaftlichen Studie von Honl (2003, USA) ergeben sich bei den Robodoc-Patienten initial (bis zu 12 Monate postoperativ) bessere Werte bei der Funktionalität, während sich dagegen eine höhere Komplikationsrate bei dem neuen Verfahren mit größerem Blutverlust zeigt. Die Vorteile hinsichtlich der Funktionalität bei der Robodoc-Gruppe haben sich nach zwei Jahren im Verhältnis zu der Vergleichgruppe statistisch ausgeglichen (B. 7 und 50 des Gutachtens, Bl. 698 und 741d. A.). Das Ergebnis weiterer Studien (Fallserien, Fall-Kontroll-Studien) ist ähnlich uneinheitlich wie das der oben mitgeteilten Veröffentlichungen (vgl. C Bl. 39-48, Bl. 730- 739 d. A.). Der Sachverständige hat im Rahmen dieser Untersuchung auch drei Publikationen des Beklagten zu 1) und Mitarbeitern von 1997 und 1999 ausgewertet. Danach waren relevante Komplikationen bei Robodoc-Patienten auch im Verhältnis zu einem Vergleichskollektiv nicht aufgetreten (Bl. 43, 44 des Gutachtens, Bl. 734, 735 d. A.). Der Sachverständige führt die unterschiedlichen Ergebnisse dieser Fallserien im Vergleich zu landes- oder bundesweit erhobenen Daten darauf zurück, dass die BGU eine hochspezialisierte Klinik ist, wo mit einer kleinen Anzahl hochtrainierter Operateure gearbeitet wird (Bl. 58 des Gutachtens, Bl. 749 d. A.).

Nach alledem ist festzustellen, dass das neue Verfahren gegenüber der herkömmlichen Methode Vor- und Nachteile aufweist, die, wenn man sie gegeneinander abwägt, weder eine Überlegenheit der alten noch der neuen Methode ergibt. Im Fall der Klägerin ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die BGU als hochspezialisierte Klinik und die auf diesem Gebiet tätigen Ärzte als besonders trainiert anzusehen sind. Die Ärzte der Beklagten zu 1) durften der Klägerin daher die neue Methode zur Behandlung ihrer Dysplasie-Coxarthrose als Alternative zum herkömmlichen Verfahren vorschlagen.

Auch ein konkreter Behandlungsfehler ist den Beklagten bei den Operationen am 12./13.9.1995 nicht nachgewiesen worden. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. A hat ergeben, dass dem Operateur Dr. G kein Fehler unterlaufen ist.

Der Sachverständige stellt fest, dass die Röntgenaufnahmen einen einwandfreien Sitz der Pins (Markierungsstifte) im innenseitigen und außenseitigen Oberschenkelknochen zeigten. Der vierte Einschnitt ist kein Indiz für einen Fehler, denn hierbei handelt es sich um eine Hilfsinzision, wie sich aus dem Operationsbericht des Beklagten zu 3) vom 13.9.1995 (Bl. 103 d. A.) ergibt. Der Sachverständige hat zudem festgestellt, der Nervus peronaeus könne bei Anbringung der Pins nicht verletzt worden sein, sonst hätte sich dies bereits vor der zweiten Operation am 13.09.1995 zeigen müssen.

Auch das Auftreten eines Nervenschadens, wie er bei der Klägerin in Form einer Schädigung des Nervus ischiadicus zu verzeichnen ist, stellt kein Indiz für einen Operationsfehler dar. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass beim Einsetzen einer neuen Hüftpfanne wegen der engen räumlichen Verhältnisse die Möglichkeit einer Überdehnung des Nerven bestehe, was der Operateur nicht vermeiden könne. Hierbei könne es zu einem Nervenschaden kommen (Hauptgutachten S. 16, 17, Bl. 215, 216 d.A.).

Die Dauer des Eingriffs am 13.9.1995 von 5 1/2 Stunden ist ebenfalls nicht als Anzeichen eines Behandlungsfehler anzusehen. In dieser Hinsicht hat der Sachverständige festgestellt, dass die Operationszeit beim roboterassistierten Verfahren bereits allein aufgrund des Einsatzes des Robodoc-Systems durch die Installation der Geräte, das Ausmessen und die Datenermittlung verlängert wird (Ergänzungsgutachten vom 17.4.2001, Bl. 3, Bl. 282 d. A.). Die Operationsdauer von 5 1/2 Stunden könne durchaus erforderlich sein. Im Fall der Klägerin habe noch eine Pfannendachplastik hergestellt werden müssen, die zusätzliche Zeit in Anspruch nehme (mündliche Anhörung des Sachverständigen vom 30.1.2003, Bl. 384, 385 d. A.). Aus dem Operationsbericht vom 13.9.1995 ergibt sich außerdem, dass wegen des verkürzten Schenkelhalses und der Subluxationsstellung im Hüftgelenk die Darstellung des Nervus ischiadicus notwendig erschien. Es kam hinzu, dass bei der Klägerin eine fast 15 cm dicke Fettgewebsschicht durchtrennt werden musste (Bl. 102, 103 d. A.). Beide Maßnahmen erfordern erfahrungsgemäß zusätzlich Zeit. Im Übrigen hat der Sachverständige festgestellt, dass die Operationsdauer auf die Entstehung eines Nervenschadens keinen Einfluss habe (Hauptgutachten S. 18, Bl. 217 d.A.).

Demnach kann aus der langen Dauer des Eingriffs nicht auf Fehler der Operateure geschlossen werden. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob die Beweislast durch etwaige Dokumentationsmängel der Beklagten auf diese verlagert wurde.

Die Verwendung einer Hüftendoprothese mit Metallkopf stellt ebenfalls keinen Operationsfehler dar. Der Sachverständige hat ausgeführt, das Einsetzen einer Hüftprothese mit Metallkopf könne nicht beanstandet werden. Die im Fall der Klägerin verwendete Prothese Typ Osteolock der Fa. ... habe einen Metallkopf mit besonders geringem Reibungskoeffizienten. Die Klägerin habe eine Verlängerung des linken Beines durch die Operation gewünscht. Um trotz der sehr schwierigen anatomischen Verhältnisse mit linksseitiger Beinverkürzung eine gewisse Verlängerung zu erzielen, habe man einen Metallkopf mit überlangem Hals (10 mm) gewählt. Ein Keramikhüftkopf mit überlangem Hals habe nicht zur Verfügung gestanden (Bl. 18, 19 des Hauptgutachtens, Bl. 217, 218 d.A.).

Auch das Auftreten einer Beinvenenthrombose links bei der Klägerin am 11.10.1995 ist nicht als Folge eines Behandlungsfehler zu werten. Der Sachverständige hat hierzu festgestellt, dass die verlängerte Operationszeit bei der roboterassistierten Methode das Thromboserisiko nicht erhöhe. Vielmehr bewirke die Fräsung eine geringere Mikroembolisation als dies bei der zementierten oder der per Hand implantierten Hüfte der Fall sei. Die Patienten seien nach der roboterassistierten Operation viel schneller stabil und könnten sich viel rascher bewegen, was das postoperative Thromboserisiko reduziere. Bei der Klägerin sei dieses Risiko allerdings wegen der Nervenverletzung erhöht gewesen. Diese Läsion sei aber unabhängig von der Operationsmethode aufgetreten. Sie hätte ebenso gut bei einem manuellen Eingriff eintreten können (mündliche Anhörung des Sachverständigen am 30.01.2003, Bl. 384 - 388 d.A.). In der postoperativen Phase seien seitens der Klinik alle Sicherheitsmaßnahmen zur Verhütung einer Thrombose getroffen worden, die dem medizinisch-wissenschaftlichen Standard entsprächen.

Die Beweisaufnahme hat demnach das Vorliegen eines Behandlungsfehler bei den beiden Operationen nicht gegeben.

Ein Aufklärungsmangel liegt ebenfalls nicht vor. Die Klägerin ist vor den Eingriffen ausreichend auf die Risiken derselben hingewiesen worden. Dies haben die Beklagten durch Vorlage von Urkunden und die Vernehmung der Zeugen F und Dr. E nachgewiesen.

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin über die verschiedenen Operationsmethoden, nämlich das herkömmliche Verfahren mit manueller Technik und das robotergestützte Vorgehen, aufzuklären war. Wie bereits ausgeführt, ist die Auswahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Stehen jedoch mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte Behandlungsmethoden zur Verfügung, die unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht also eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, muss diesem durch entsprechende vollständige ärztliche Belehrung die Entscheidung darüber überlassen bleiben, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (BGH NJW 1988, 765 f.= VersR 1988, 190 f.; NJW 1982, 2121 ff.= VersR 1982, 771 f.). Nach diesen Kriterien war im Streitfall eine Aufklärung der Klägerin über die beiden verschiedenen Operationsverfahren geboten. Dies hat hier bereits deswegen zu gelten, weil das robotergestützte Vorgehen eine Methode war, die sich im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Eingriffs 1995 noch nicht allgemein etabliert hatte, wie oben bereits festgestellt wurde. Begibt sich aber ein Arzt mit der von ihm vorgeschlagenen Behandlungsmethode auf Neuland mit noch nicht vollständig geklärten Risiken, muss der Patient über diese Tatsache sowie die Vor- und Nachteile dieser und alternativer Verfahren aufgeklärt werden (OLG Karlsruhe MedR 2003, 229; OLG Oldenburg, VersR 1997, 75-77, NJW-RR 1997, 533-535; OLG Köln, NJW-RR 1992, 986, 987).

In solchen Fällen kann der vom Landgericht angewandte Grundsatz nicht gelten, wonach es auf die Aufklärung von Risiken nicht ankommt, die nicht eingetreten sind, wenn über die Gefahren aufgeklärt wurde, die sich verwirklicht haben. Die Aufklärung über Behandlungsalternativen ist dogmatisch betrachtet ein Bestandteil der Risikoaufklärung. Die Einwilligung des Patienten in eine Verletzung seiner körperlichen Integrität durch den Arzt kann nur dann wirksam sein, wenn der Betroffene die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs versteht. Der Grundsatz der Selbstbestimmung erfordert, dass der Patient weiß, was mit ihm geschehen soll und er sich ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des Eingriffs machen kann. Dazu gehört auch, dass er in der Lage ist, die Vor- und Nachteile einer geplanten Behandlung abzuwägen, was auch die Kenntnis von Alternativen voraussetzt (Rehborn, MDR 2004, 374 m.w.N.). Dabei kann es nicht darauf ankommen, welche Risiken im einzelnen sich später verwirklicht haben.

Im Streitfall ist allerdings eine solche Information der Patientin in ausreichendem Maße erfolgt. Der erste Beleg, der die Aufklärung der Klägerin betrifft, ist der Vermerk des Zeugen Dr. E vom 23.02.1995 (Bl. 94, 95 d. A.) und sein Arztbrief an Dr. H, den Orthopäden der Klägerin, vom 03.03.1995 (Bl. 96-98 d. A.), der mit dem ersten Schriftstück weitgehend wortgleich ist. Dort heißt es, nachdem die Indikation zum totalen alloartroplastischen Hüftgelenkersatz gestellt wurde:

"In Anbetracht des Alters wird hier insbesondere auch von der Patientin, die in Begleitung ihres Ehemannes hier zur Untersuchung erschienen ist, die zementfreie Implantation der Hüftgelenktotalendoprothese mit Robodoc favorisiert. Bei bestehender Hüftdysplasie ist hier zusätzlich noch die Indikation zur Durchführung einer Pfannendachplastik gegeben. In aller Ausführlichkeit wird die Operationsmethode insbesondere auch hinsichtlich ihrer Risiken erläutert. Angesprochen werden u. a. Infektion, Gefäß-Nervenschaden, Thrombose, Embolie, vorzeitige Materialauslockerung, verbleibende Beinlängendifferenz.

Erläutert wird auch die Möglichkeit der Eigenblutspende, die von der Patientin ebenfalls gewünscht wird. Die OP wird für den Spätsommer 1995 ins Auge gefasst (eventuell September)." <Hervorhebung durch Senat> Dem entspricht auch die Aussage des Zeugen Dr. E, der bei seiner Vernehmung vor dem Senat am 2.11.2004 angegeben hat, dass er die Erstuntersuchung der Klägerin vorgenommen hat. Diese finde in der Regel vor der stationären Aufnahme des Patienten statt. An der BGU sei eine spezielle Sprechstunde für Hüft- und Knieerkrankungen eingerichtet. Die Beratungen seien immer nach dem gleichen Schema abgelaufen. Zunächst werde der Patient nach seiner bisherigen Behandlung befragt. Dann folge die körperliche Untersuchung. Sodann würden die Röntgenbilder ausgewertet, die der Patient mitgebracht habe. Er, der Zeuge, habe zunächst eine Beurteilung dahingehend vorgenommen, dass bei der Klägerin eine Prothese in Betracht komme. Dann müsse entschieden werden, ob eine Zementierung der Prothese erfolgen solle oder nicht. Schließlich seien für das Verfahren bei der Operation zwei Methoden in Frage gekommen, nämlich die konventionelle Methode mit manueller Technik und die neue Methode, bei welcher der Roboter eingesetzt werde. Er habe Frau L., an die er sich jetzt noch erinnern könne, darauf hingewiesen, dass die Methode mit Robodoc neu sei und noch nicht lange praktiziert würde. Für dieses Verfahren gebe es noch keine Langzeitstudien. Er habe die Patientin auch darüber informiert, dass eine Voroperation erforderlich sei, bei der sog. Pins eingebracht würden. Außerdem habe er darauf hingewiesen, dass die Operationszeit bei Einsatz des Roboters verlängert werde. Schließlich habe er die Patientin darauf aufmerksam gemacht, dass bei der konventionellen Methode in der manuellen Raspelung des Knochens ein Verletzungsrisiko liege. Bei dieser Methode könne der Patient das operierte Bein erst wieder nach 6 bis 8 Wochen belasten, während dies bei dem Eingriff mit Robodoc sofort möglich sei. Der Zeuge hat weiter bestätigt, dass er der Klägerin auch die in seinem Vermerk vom gleichen Tage aufgeführten Hinweise gegeben habe. Diesen Text habe er in ihrer Gegenwart diktiert. Er habe ihr insbesondere auch die Konsequenzen einer Nervschädigung im einzelnen erklärt, was der Zeuge bei seiner Vernehmung eingehend erläutert hat (Bl. 864 d. A.).

Der Zeuge Z 1, der die Klägerin bei dieser Beratung begleitete, hat demgegenüber ausgesagt, der beratende Arzt habe lediglich gute Eigenschaften der vorgeschlagenen Operationsmethode, bei welcher der Name Robodoc genannt worden sei, mitgeteilt. Eine Alternative zu diesem Verfahren habe er nicht angegeben. Die Robodoc-Methode sei lediglich als "anderes" Verfahren dargestellt worden. Er, der Zeuge, habe aber schon verstanden, dass die Operationsmethode noch nicht so lange angewandt worden sei, denn "es kam noch keiner zurück, wo man hätte sagen können, dass die Prothese länger gehalten hat" (Bl. 818 d. A.). Da der Zeuge Dr. E seinerzeit den Inhalt des Beratungsgesprächs teilweise in einem Vermerk niedergelegt hat, der eine ganze Reihe von Risikohinweisen an die Patientin enthält, ist dieser Aussage der größere Beweiswert beizumessen, denn zum damaligen Zeitpunkt herrschte kein Streit zwischen den Parteien. Das Schreiben diente lediglich der Information des überweisenden Orthopäden und der Patientin sowie der Dokumentation in der Krankenakte. Es kann daher angenommen wer den, dass der Zeuge keine unzutreffenden Angaben in das Schriftstück aufgenommen hat.

Die von der Klägerin gegen die Aussage des Zeugen Dr. E erhobenen Einwände überzeugen nicht. Zwar ist durchaus vorstellbar, dass er in Anbetracht des zeitlichen Abstands zu der Beratung am 23.3.1995 keine konkrete Erinnerung mehr an den Termin mit der Klägerin hat. Es genügt jedoch in solchen Fällen, wenn der Arzt eine allgemein übliche Praxis schildert, die seinerzeit regelmäßig stattfand. Dies ist hier der Fall. Der Zeuge hat nämlich ausgesagt, dass die Beratungen damals immer nach dem gleichen Schema abliefen. Er habe diese Beratungen bis zu drei- und viermal in der Woche durchgeführt (Bl. 862 d. A.). Außerdem ist auch hier wieder der Vermerk des Zeugen vom gleichen Tag zu berücksichtigen, der das Beratungsgespräch in Teilen wiedergibt, was für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage spricht. Auch wenn die Zahlenangaben des Zeugen über die damals bereits nach dem neuen Verfahren durchgeführten Operationen zu hoch gegriffen sein sollten, ist dies im Hinblick auf den zeitlichen Abstand zu den damaligen Vorgängen durchaus verständlich und deutet für sich allein nicht auf eine ergebnisorientierte Aussage hin.

Die Klägerin hat zudem vor den Eingriffen am 12.9.1995 zwei Einwilligungsformulare, unterzeichnet, und zwar das erste für eine Eigenblutspende, die hier ohne Belang ist. Eine weitere Einwilligungserklärung betrifft dann sowohl die Pin-Implantation als auch den computergestützten Einsatz einer Totalendoprothese des linken Hüftgelenks. Das Formular wurde am 11.09. 1995 von der Klägerin und der aufklärenden Ärztin F unterzeichnet (Bl. 100 d.A.). Als besondere Risiken sind handschriftlich in die dafür bestimmte Rubrik eingetragen:

"Infektion, Thrombose, Embolie, Gefäß- Nervenschaden, Wundheilungsstörungen, Prothesenlockerung/Bruch, Knochenbruch, Beinlängendifferenz, Rotationsfehler, Nachblutung, Luxationsneigung, Infektion durch Blutprodukte (z.B. HIV, Hepatitis B, C, D usw.) bleibende Einschränkung der Kniegelenks- oder Hüftgelenksbeweglichkeit, Entwicklung periartikulärer Verkalkungen". Die Zeugin F hat bei ihrer Vernehmung vor dem Senat am 6.7.2004 (Bl. 815-817 d. A.) bekundet, dass sie 1995 als Stationsärztin an der BGU gearbeitet habe. Zu ihren Aufgaben habe es gehört, Patienten vor ihrer Operation aufzuklären. Sie habe das Formular vom 11.9.1995, Bl. 100 d. A., ausgefüllt. Es trage auch ihre Unterschrift. Die Zeugin hat ausgesagt, dass sie die handschriftlichen Eintragungen der Klägerin alle mündlich erläutert habe. Sie habe nichts in das Formular aufgenommen, was sie der Klägerin nicht erklärt habe. Das gelte zunächst für die Angaben zu den vorgesehenen Maßnahmen, nämlich der Pin-Implantaion und der Implantation einer Totalendoprothese des linken Hüftgelenks, wobei auch angegeben worden sei, was bei Ausfall des Roboters geschehe. Zu den Hinweisen auf die Risiken des Eingriffs hat die Zeugin bestätigt, dass sie über die Infektion der Operationswunde, Thrombose, Lungenembolie, Gefäß- Nervenschäden sowie auf Knochenbrüche im Sinne von Fissuren aufgeklärt habe.

Nach alledem ist festzustellen, dass die sowohl mündlich erfolgte als auch schriftlich niedergelegte Aufklärung ausreichend war, weil die Klägerin über alle wesentlichen konkreten Operationsrisiken informiert wurde.

Die Klägerin behauptet allerdings, dass ihr der Begriff Nervenschaden nicht klar gewesen sei, weil sie sich darunter keine Lähmungen vorgestellt habe. Der Zeuge Dr. E hat aber angegeben, dass er die Klägerin bereits am 23.3.1995 bei der ersten Beratung über Nervenschäden im einzelnen unterrichtet hat. Er habe ihr erklärt, welche Nerven im einzelnen betroffen sein könnten und wie sich dies auswirke. Er habe dargestellt, dass die Bewegung und Belastung der Beine betroffen sein könne, dass es zu Verrenkungen des Gelenks kommen könne und dass auch die Streckung des Knies beeinträchtigt werden könne, je nachdem welcher Nerv geschädigt werde ( Bl. 864 d. A.). Da auch in dem Schreiben des Zeugen vom 23.3.1995 "Nervenschaden" als Komplikation aufgeführt ist, kann davon ausgegangen werden, dass seine Angaben als Zeuge zutreffend sind.

Der Klägerin wurde auch mitgeteilt, dass es sich um eine neue Operationsmethode handelt. Dies hat der Zeuge Dr. E bekundet. Er hat ausgesagt, dass er der Klägerin mitgeteilt habe, dass das Verfahren mit Robodoc neu sei und noch nicht lange praktiziert würde. Es lägen noch keine Spät- und Langzeituntersuchungen vor (Bl. 869 d. A.). Zwar hat der Zeuge L dies anders dargestellt, jedoch folgt auch aus seiner Aussage, dass ihm damals klar gewesen ist, dass es sich um ein neues Verfahren handelt, da er bekundet hat, dass er schon verstanden habe, dass die Methode noch nicht lange praktiziert worden sei, "... denn es kam noch keiner zurück, wo man hätte sagen können, dass die Prothese länger gehalten hat" (Bl. 818 d. A.).

Außerdem ist hier auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich mit ihrem Ehemann in die BGU in Frankfurt a. M. begeben hat, um hier mit einer Methode behandelt zu werden, die anderweitig noch nicht praktiziert wurde. Es muss ihr auch aus diesem Grund klar gewesen sein, dass es sich nicht um ein übliches Verfahren handelte. Unter diesen Umständen kann der Entscheidung durchaus zugrundegelegt werden, dass auch der Klägerin bekannt war, dass die vorgeschlagene Operationsmethode neu gewesen ist.

Der Zeuge Dr. E hat der Klägerin seiner Aussage zufolge auch mehrere Unterschiede zwischen den beiden Operationsmethoden erklärt, etwa die schnellere Mobilisation bei dem robotergestützten Verfahren und die Möglichkeit einer längeren Haltbarkeit der Prothese. Andererseits habe er auch auf die verlängerte Operationszeit hingewiesen (Bl. 869 d. A.). Damit ist zwar nur ein Teil der unterschiedlichen Vor- und Nachteile beider Methoden benannt. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass seinerzeit noch keine repräsentativen wissenschaftlichen Studien existierten, die verlässliche Vergleiche der beiden Methoden erlaubten. Zudem ist zu beachten, dass die BGU im Vergleich zu anderen Krankenhäusern als hochspezialisierte Klinik zu gelten hat, wo mit einer kleinen Zahl hochtrainierter Operateure gearbeitet wird, so dass weniger Komplikationen auftreten als beim Durchschnitt der übrigen Krankenhäuser. Diese Umstände reduzierten die dahingehende Aufklärungspflicht, weswegen die von dem Zeugen Dr. E insgesamt bekundeten Angaben zu den Unterschieden beider Verfahren ausreichend sind. Nach alledem ist festzustellen, dass auch ein Aufklärungsmangel nicht gegeben ist.

Somit musste die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO vorläufig vollstreckbar. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 II ZPO nicht vorliegen. Der Fall hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es geht zwar nicht nur um eine Einzelfallentscheidung, weil dem Vernehmen nach noch mehrere gleichgelagerte Fälle in der ersten Instanz anhängig sind. Es ist im Streitfall jedoch keine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne von § 543 II Nr. 1 ZPO zu entscheiden, da der Senat mit seiner Rechtsanwendung weder von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch von derjenigen der anderen Oberlandesgerichte abweicht. Aus diesem Grund entfällt gleichzeitig der Tatbestand des § 543 II Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück