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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: 8 U 267/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der am ...1991 geborene Kläger verlangt von dem beklagten Hals-Nasen-Ohren-Arzt Schmerzensgeld und Schadensersatz nach einer Mandeloperation vom 17. März 1998.

Der Kläger befand sich seit 1993 in Behandlung der Kinderärztin Dr. A. Im Dezember 1994 stellte er sich erstmals wegen wiederkehrender Mandelentzündungen bei dem Beklagten vor, der ihm empfahl, die Mandeln zu entfernen. Im darauffolgenden Jahr wurde der Kläger von dem HNO-Arzt Dr. B behandelt, der im November 1995 ebenfalls empfahl, die Mandeln zu entfernen. Am 3. Januar 1996 führte Dr. B ambulant eine sogenannte Adenotomie, d.h. die Entfernung der Rachenmandeln (Polypen) durch. Im Verlauf des Jahres 1996 trat eine akute Tonsillitis auf, es wurden vergrößerte Mandeln diagnostiziert. Nachdem die Mandeln im Dezember 1997 wieder stark vergrößert waren, verwies die Kinderärztin die Eltern des Klägers an den Beklagten.

Am 4. März 1998 fand ein Gespräch zwischen der Mutter des Klägers und dem Beklagten statt, im Rahmen dessen u. a. Atembeschwerden des Klägers geschildert wurden. Der weitere Inhalt dieses Gesprächs ist streitig. Die Eltern unterzeichneten am 15. März 1998 eine Einwilligungserklärung (Ablichtung Bl. 103 d. A.). Zwei Tage später operierte der Beklagte, der über Belegbetten in der X-Klinik verfügte, den Kläger durch eine Adenotonsillektomie und Paracentese. Der Kläger verblieb stationär in der X-Klinik. Am frühen Morgen des 21. März 1998 trat eine massive Nachblutung auf, die zu einer hypoxischen, irreparablen Hirnschädigung des Klägers führte.

Der Kläger hat dem Beklagten vorgeworfen, unsachgemäß operiert zu haben. Die Mandelentfernung sei nicht indiziert gewesen. Die Eltern des Klägers seien weder über die mit der Operation verbundenen Risiken noch über Behandlungsalternativen aufgeklärt worden. Die Nachsorge des Beklagten sei unzureichend gewesen.

Das Landgericht hat den in einem vorangegangenen Ermittlungsverfahren tätigen Sachverständigen Dr. SV1 zur Indikation der Operation befragt. Der Beklagte und die Mutter des Klägers sind zum Aufklärungsgespräch angehört worden. Dazu ist ebenfalls die damalige Sprechstundenhilfe des Beklagten, Frau Z1, vernommen worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Anhaltspunkte für einen Operationsfehler lägen ausweislich der im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Frankfurt eingeholten medizinischen Gutachten nicht vor. Es sei auch nicht bewiesen, dass dem Beklagten Fehler bei der Nachsorge unterlaufen wären. Wegen der erheblich vergrößerten Mandeln des Klägers (sogenannte Tonsillenhyperplasie) sei die Operation indiziert gewesen. Der Beklagte habe die Eltern des Klägers über das Risiko einer Nachblutung aufklären müssen. Es sei zwar fraglich, ob das Aufklärungs- und Einwilligungsformular dieses Risiko hinreichend beschreibe. Darauf komme es jedoch nicht an, weil die Mutter des Klägers in einem Vorgespräch vom 4. 3. 1998 ausreichend darüber unterrichtet worden sei. Der Beklagte habe mit der Mutter des Klägers auch über den damals kurz zurückliegenden Fall eines anderen Kindes gesprochen, das auf Grund einer Nachblutung verstorben sei. Insoweit hat sich das Landgericht auf die Aussage der Zeugin Z1 gestützt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 535-547 d.A.).

Der Kläger hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgt. Er wirft dem Landgericht eine fehlerhafte Beweiswürdigung vor. Die Aufklärung des Beklagten sei unzureichend gewesen. Das Landgericht habe sich nicht auf die Aussage der Zeugin Z1 stützen dürfen, weil sie unglaubhaft und die Zeugin unglaubwürdig sei. Unabhängig davon könne nach der Aussage der Zeugin nicht von einer zutreffenden Aufklärung ausgegangen werden. Die Eltern des Klägers hätten die Belehrungen des Beklagten so verstehen können, dass die mit der Operation verbundenen Risiken durch einen stationären Aufenthalt beherrschbar seien. Die Mandeloperation sei nicht - zumindest nicht zwingend - indiziert gewesen. Das habe der Beklagte den Eltern des Klägers nicht hinreichend verdeutlicht.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

1. an den Kläger zu Händen seiner Eltern ein angemessenes Schmerzensgeld (mindestens 500.000,-- €) nach richterlichem Ermessen zu zahlen und

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der Operation vom 17.3.1998 entstanden ist und noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist, sowie dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weitere immaterielle Schäden zu ersetzen, die aus der vorgenannten Operation entstehen können.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit seinem erstinstanzlichen Vorbringen. Er vertritt die Auffassung, dass die Operation indiziert gewesen sei und beruft sich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. SV1.

Der Senat hat die Mutter des Klägers und den Beklagten angehört und die Zeugin Z1 nochmals vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 27. 5. 2008 (Bl. 608 ff. d. A.) verwiesen.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Dem Kläger stehen weder aus einer positiven Verletzung des Behandlungsvertrages noch aus Delikt Schadensersatzansprüche bzw. Schmerzensgeldansprüche gegen den Beklagten zu.

1. Behandlungsfehler während oder nach der Operation hat das Landgericht mit Recht nicht feststellen können. Der vom Landgericht ausgewertete Prozessstoff einschließlich der erhobenen Beweise rechtfertigt ebenso wie die Berufungsbegründung keine Zweifel an der Richtigkeit und der Vollständigkeit der dortigen entscheidungserheblichen Feststellungen. Der Kläger greift die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts auch nur insoweit an, als es zu dem Ergebnis gekommen ist, die Operation sei indiziert und die Aufklärung des Beklagten über die Risiken des Eingriffs und etwaige Behandlungsalternativen sei ausreichend gewesen. Der Senat gelangt jedoch auch in diesen Punkten zu dem gleichen Ergebnis wie das Landgericht. Dazu im Einzelnen:

2. Der Eingriff war medizinisch indiziert. Das Landgericht hat sich mit Recht auf die entsprechende gutachterliche Äußerung des Sachverständigen Dr. SV1 gestützt (Bl. 371 d. A.). Es hat die Krankenbefunde herangezogen, die von 1994 bis zum Frühjahr 1998 von der Kinderärztin Dr. A, dem Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. B und dem Beklagten erhoben worden waren. Danach litt der Kläger an stark vergrößerten - hyperplastischen - Gaumenmandeln (Tonsillen), die eine sich chronifizierende Mandelentzündung und die vor allem auch Atembeschwerden hervorgerufen hatten. Die exzessive Tonsillenhyperplasie wird neben rezidivierenden Mandelentzündungen (Tonsillitiden) als Indikator für die Tonsillektomie behandelt (vgl. die Zusammenstellung im Gutachten von Prof. Dr. SV2 - S. 15, Bl. 61 d. A.).

Neben dem Beklagten hatte auch der Facharzt Dr. B schon im Januar 1996 zu einer Mandeloperation geraten, was ausweislich der Eintragung in dessen Karteikarte von den Eltern des Klägers zunächst abgelehnt worden war (Bl. 306 d. A.). Es ist somit ohne Weiteres nachvollziehbar, wenn der Sachverständige Dr. SV1 angibt, auch er hätte in der Situation des Beklagten die Operation empfohlen (Bl. 372 d. A.).

3. Der Beklagte hat nachweisen können, dass er die Mutter des Klägers hinreichend über die Operationsrisiken, namentlich über das Risiko der Nachblutung und die damit verbundenen schwerwiegenden Gesundheitsgefahren aufgeklärt hat.

Durch die präoperative Aufklärung soll der Arzt seinem Patienten oder dessen gesetzlichem Vertreter ein zutreffendes Bild über das Rangverhältnis zwischen den Folgen der Nichtbehandlung und dem Gewicht der mit dem Eingriff verbundenen Risiken vermitteln. Der Patient muss eine zumindest ungefähre Vorstellung von der Risikohöhe und deren Umfang haben (BGH VersR 1992, 960, 961). Die mit dem Eingriff verbundenen Risiken dürfen nicht vom Arzt verharmlost werden (vgl. OLG Stuttgart VersR 1988, 832, 833; weitere Nachweise bei Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., Kapitel C, Rn. 90 ff.).

Der erforderliche Umfang der Aufklärung bemisst sich einerseits an der Dringlichkeit des Eingriffs, andererseits an den damit verbundenen Risiken (vgl. Geiß/ Greiner a.a.O., Kapitel C, Rn. 8 f.). Da die Nachblutung ein typisches Risiko der Tonsillektomie ist, und in Einzelfällen schwere, lebensbedrohliche Formen mit der Notwendigkeit einer Nachoperation haben kann, hat der Sachverständige Dr. SV1 gefordert, dass der behandelnde Arzt gesondert darauf hinweist (Bl. 63 d. A.).

In dem von beiden Eltern unterzeichneten Einwilligungsformular wird unter den Rubriken "Seltene Folgen und Risiken" sowie "Extrem seltene Risiken" auf die Gefahr von Nachblutungen und massiven Blutungen hingewiesen (Bl. 105 d. A.). Die Sachverständigen Prof. Dr. SV2 und Dr. SV1 haben in dem für die Staatsanwaltschaft Frankfurt erarbeiteten Gutachten diese Hinweise bereits als ausreichend erachtet (Bl. 69/70). Der Senat teilt allerdings die Bedenken des Landgerichts, dass sich ein unbefangener Patient allein aus diesen Hinweisen noch kein korrektes Bild von den schweren und sogar lebensbedrohlichen Ausmaßen dieses Risikos machen kann. Es kam deshalb darauf an, ob der Beklagte die Mutter des Klägers im Gespräch vom 04.03.1998 hinreichend auf die Gefahr von Nachblutungen und die damit einhergehenden schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken hingewiesen hat, bzw. ob der Beklagte dieses Risiko verharmlost haben könnte. Der Senat hat durch die eigene Beweisaufnahme keine Erkenntnisse gewinnen können, die eine vom Landgericht abweichende Beurteilung rechtfertigen würden:

a) Der Beklagte und die Mutter des Klägers haben sinngemäß ihre früheren Einlassungen wiederholt.

Der Beklagte hat angegeben, er habe die Mutter des Klägers schon während des Beratungsgesprächs in seinem Arztzimmer darauf hingewiesen, dass das Risiko lebensbedrohlicher Nachblutungen bestehe. Bei dem anschließenden Gespräch am Empfang seiner damaligen Sprechstundenhilfe Z1 sei nochmals die Frage aufgeworfen worden, warum der Kläger (und seine Mutter) stationär aufgenommen werden müssten. Darauf habe er Frau Z1, deren eigenes Kind kurze Zeit vorher operiert worden sei, aufgefordert, die Geschichte des ... Mädchens zu erzählen, dass wenige Monate vorher nach einer von ihm durchgeführten Mandeloperation von seiner Mutter nach Hause geholt und dort an einer massiven Nachblutung verstorben sei.

Die Mutter des Klägers hat demgegenüber ihre frühere Einlassung wiederholt, wonach der Beklagte das Risiko der Nachblutung überhaupt nicht erwähnt und den Fall des verstorbenen Kindes nicht angesprochen habe. Wenn sie davon gehört hätte, wäre sie weder mit einer ambulant, noch mit einer stationär durchgeführten Tonsillektomie einverstanden gewesen. Es sei lediglich gesagt worden, dass man bei Mandeloperationen ins Krankenhaus gehen müsse, was sie nicht mehr im Einzelnen hinterfragt habe.

b) Der Senat folgt der Einlassung des Beklagten. Sie wird durch die glaubhafte Aussage seiner damaligen Sprechstundenhilfe, der Zeugin Z1, gestützt und sie ist inhaltlich überzeugend.

Die Zeugin Z1 hat vor dem Senat die Einlassung des Beklagten bestätigt, wonach sie von ihm in sein Arztzimmer gerufen worden sei und mitbekommen habe, wie er die Mutter des Klägers über den Operationsverlauf und deren Risiken informiert habe. Dabei sei auch die Gefahr von Nachblutungen angesprochen worden und der Beklagte habe erklärt, dass die Kinder deswegen im Krankenhaus bleiben müssten. Möglicherweise sei auch Gefahr eines durch Nachblutungen bedingten Sauerstoffmangels zur Sprache gekommen. Sie - die Zeugin - habe unaufgefordert das Zimmer verlassen, weil der Beklagte sie nicht mehr benötigt habe. Bei dem anschließenden Gespräch am Sprechstundenempfang sei es nochmals um die Frage gegangen, ob man das nicht ambulant machen könne. Der Beklagte habe der Mutter des Klägers klarmachen wollen, dass ihr Kind noch acht bis zehn Tage im Krankenhaus verbleiben müsse. Auf deren Rückfrage, ob das notwendig sei oder auch kürzer "gehe", habe der Beklagte sie - die Zeugin - aufgefordert, nochmals den Fall des kurz vorher an einer Nachblutung verstorbenen ... Kindes zu schildern, was dann auch geschehen sei.

Die Angaben des Beklagten und die Aussage seiner Sprechstundenhilfe stimmen in ihrem Kerngehalt überein und korrespondieren mit den früheren Angaben bzw. Bekundungen vor dem Landgericht. Sie weichen nur in unerheblichen Details voneinander ab, vermitteln aber nicht den Eindruck, abgesprochen zu sein. Die Zeugin Z1 hat erklären können, warum sie sich noch an die wesentlichen Inhalte des Gesprächs erinnern konnte. Sie hat bereits das Landgericht davon überzeugen können. Auch der Senat hat den Eindruck gewonnen, dass sie das tragische Geschehen tief bewegt hat, und dass sie im Rahmen der späteren Diskussionen dieses Falles die Vorgänge eindringlich und zutreffend verarbeitet hat.

Die Erwähnung eines Todesfalles im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs über eine Tonsillektomie ist sicherlich eine besonders "krasse" Form der Risikoaufklärung, weil der Arzt damit das Risiko eingeht, seinen Ansprechpartner von der Operation gänzlich abzuschrecken. Frau Z1 hat das in ihrer Aussage problematisiert, aber auch erläutert, warum der Beklagte so vorgegangen ist. Sie hat erklärt, warum dieser dramatische und tragische Tod des ... Mädchens, an dem der Beklagte keine Schuld trug, ihm trotzdem besonders nahe gegangen ist und ihn deshalb bewogen hat, ihn als besonders krasses Beispiel anzuführen, um den Eltern seiner Patienten die Notwendigkeit einer engmaschigen Überwachung nach der Operation besonders deutlich vor Augen zu führen.

Der Senat hat keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Zeugin zu zweifeln. Dass sie erst mehrere Jahre nach Prozessbeginn vom Beklagten benannt worden ist, lässt sich damit erklären, dass das Landgericht erst durch Beschluss vom 6. 6. 2006 seine Rechtsauffassung zur Aufklärung geändert und dem Beklagten einschlägige Hinweise erteilt hat (Bl. 403 d. A.). Die Zeugin hat nicht den Eindruck hinterlassen, dass sie ihre Aussage dahingehend ausgerichtet hat, den Beklagten zu entlasten. Es gibt auch keine konkreten äußeren Anhaltspunkte, die dies belegen könnten. Die Zeugin ist schon vor vielen Jahren aus der Praxis des Beklagten ausgeschieden. Sie hält zwar nach wie vor Kontakt zu ihm, indem sie ihre Kinder von ihm behandeln lässt. Vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, dass sie nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens bei dem Beklagten angerufen und ihn nach dem Ausgang des Rechtsstreits gefragt hat. Allein hieraus und aus den weiteren vom Kläger angesprochenen Umständen kann man aber noch nicht darauf schließen, dass sie eine persönlich begünstigende Zeugenaussage abgeben wollte.

c) Der Kläger hat keine erheblichen Widersprüche oder Ungereimtheiten in der Aussage der Zeugin Z1 aufdecken können. Die Zeugin hat lediglich angegeben, dass sie im Arztzimmer ein Aufklärungsgespräch bzw. Teile davon mitverfolgen konnte und dass bei dem abschließenden Gespräch am Sprechstundenempfang wegen der Rückfragen der Mutter nochmals die Notwendigkeit des postoperativen Aufenthalts und der Fall des ... Mädchens angesprochen worden sei. Eine "dreifache" Risikoaufklärung kann man daraus nicht herleiten.

Der Senat sieht keine Veranlassung, dem Beweisangebot des Klägers auf Vernehmung seines Vaters nachzukommen. Dabei kann offen bleiben, ob dieses Beweismittel überhaupt noch zuzulassen wäre (§ 531 Abs. 2 ZPO). Die in dessen Wissen gestellte Behauptung, die Mutter des Klägers habe am Abend des 4.03.1998 bei ihrem Bericht über das Arztgespräch nichts von einem Nachblutungsrisiko erwähnt, ist ohnehin unerheblich, weil damit nicht belegt werden kann, was im Einzelnen in der Praxis des Beklagten besprochen worden ist.

d) Der Senat ist davon überzeugt, dass die Erläuterungen des Beklagten in dem vorgenannten Aufklärungsgespräch in Zusammenschau mit dem von beiden Eltern unterzeichneten Einwilligungsformular ausgereicht haben, um der Mutter des Klägers ein zutreffendes Bild von den Operationsrisiken zu verschaffen. Der Beklagte hat die Risiken nicht verharmlost, in dem er den Eindruck vermittelt hätte, dass die mit der Nachblutung verbundenen Gefahren durch eine stationäre Überwachung ausgeschlossen oder beherrscht werden könnten. Die Mutter des Klägers hat sich zu dieser Frage gar nicht eingelassen, denn sie will von einem Nachblutungsrisiko und schon gar von lebensbedrohlichen Gefahren nichts gehört haben. Die Zeugin Z1 hat bekundet, dass der Beklagte seine Gesprächspartnerin nicht durch eine beschwichtigende Wortwahl "in Sicherheit" gewiegt hat, sondern dass er einen besonders "krassen" Weg gewählt hat, um seinen Patienten dieses Risiko zu verdeutlichen.

4. Das Landgericht hat mit Recht nicht verlangt, dass die Eltern des Klägers über die Möglichkeit des sogenannten "Zuwartens" aufgeklärt wurden. Dies wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn die konservative und gegebenenfalls medikamentöse Behandlung bei dem Krankheitsbild des Klägers eine echte Behandlungsalternative, d. h. eine gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethode gewesen wäre, die den Eltern des Klägers eine echte Wahlmöglichkeit eröffnet hätte (vgl. dazu Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht aktuell, 2. Aufl., Rn. 166, u. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., Kapitel B, Rn. 21 m. w. Nachw.).

Das Krankheitsbild des Klägers hat jedoch eine derartige Behandlungsalternative nicht ermöglicht. Der Sachverständige Dr. SV1 hat vielmehr überzeugend dargelegt, dass nach einer Hyperplasie keine Möglichkeit der Gewebesanierung besteht, und dass hyperplastische Mandeln ihre Aufgabe der Immunabwehr nicht mehr wahrnehmen können (Bl. 371 d. A.). Man könne auch nicht vorhersehen, ob sich hyperplastische Mandeln bis zum 14. Lebensjahr eines Kindes zurückbilden können. Unter diesen Umständen hat das Landgericht mit Recht festgestellt, dass die konservative und medikamentöse Behandlung der Mandelentzündungen angesichts der Krankenvorgeschichte des Klägers und des zu erwartenden Krankheitsverlaufs keine echte Behandlungsalternative dargestellt hätte.

Da das Rechtsmittel des Klägers erfolglos bleibt, hat er gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Schuldnerschutzanordnung beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weswegen die Revision nicht zuzulassen ist (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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