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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 24.06.2003
Aktenzeichen: 8 U 52/03
Rechtsgebiete: GG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 25
ZPO § 148
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Arrestkläger ist Inhaber von 10,25 % Inhaberteilschuldverschreibungen des beklagten Landes mit einem Nennwert von insgesamt 50.000, -- DM sowie von 11,75 % Inhaberteilschuldverschreibungen des Landes Argentinien von insgesamt 260.000,--DM. Für den Inhalt der Anleihebedingungen wird auf Bl. 4 d. A. verwiesen, mit denen sich das Land der ausschließlichen Gerichtsbarkeit jedes deutschen Gerichts mit Sitz in Frankfurt am Main unterwirft (§ 11 Ziffer 2).

Außerdem verzichtet es unwiderruflich auf seine Immunität in Bezug auf seine Verpflichtung aus den Teilschuldverschreibungen (11 Ziffer 5 ALB).

Seit Jahren ist das Land mit wirtschaftlichen Problemen belastet, die es dazu veranlaßt haben, am 12.12.2001 per Gesetz den nationalen Notstand "auf sozialem wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet" auszurufen. Mit Verordnung vom 6.2.2002 setzte das beklagte Land die Bedienung von Auslandsschulden aus, um im Wege von Verhandlungen eine Umschuldung zu erreichen. Die Zahlungen auf die von ihm gegebenen Anleihen wurden eingestellt; auf die streitgegenständlichen Wertpapiere sind bisher keinerlei Zahlungen erbracht worden.

Mit Einschreiben vom 7.8.2002 kündigte der Arrestkläger bei der A Bank AG die vorgenannten Anleihen. Die Prozeßbevollmächtigten des Landes Argentinien zeigten mit Schriftsatz vom 25.10.2002 dessen anwaltliche Vertretung vor dem Landgericht Frankfurt am Main in der Hauptsache 2-21 0 93/02 an.

Durch Beschluß des erkennenden Senats (8 W 68/02) vom 28.10.2002 (Bl. 46-49 d.A.) ist der dingliche Arrest über das Vermögen des Landes wegen 25.564,59 € nebst 10,25 % Zinsen seit dem 6.2.2001 aus den lnhaberteilschuldverschreibungen mit der Wertpapierkennnummer ... sowie wegen weiterer 132.935,88 € nebst 11,75 % Zinsen seit dem 20.5.2001 aus den Inhaberteilschuldverschreibungen mit der Wertpapierkennnummer ... sowie wegen einer Kostenpauschale von 18.000,-- € angeordnet worden.

Völkerrechtliche Fragen werden dabei nicht angeschnitten. Die Zustellung des Arrestbeschlusses erfolgte am 30.10.2002.

Einen am 4.11.2002 gestellten Antrag des Arrestklägers beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Bonn auf Eintragung einer Sicherungshypothek betreffend ein Grundstück des beklagten Landes hat das Amtsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, das Grundstück diene für diplomatische Zwecke Argentiniens. Über eine hiergegen erhobene Beschwerde ist noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 4.11.2002 übersandte der Anwalt des Arrestklägers dem Vertreter des beklagten Landes den Beschluß vom 28.10.2002 zum Zwecke der Zustellung von Anwalt zu Anwalt. Der Empfänger bestätigte den Inhalt des Schreibens mit Brief vom 5.11.2002, sandte jedoch das Empfangsbekenntnis nicht zurück.

Gegen den Arrestbeschluß hat das beklagte Land am 19.11.2002 Widerspruch erhoben. Es hält einen Arrestanspruch nicht für gegeben. Ansprüche aus den streitgegenständlichen Inhaberschuldverschreibungen seien aus Gründen des Völkerrechts sowie der Regeln des internationalen Privatrechts suspendiert. Wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit könne es sich auf einen völkerrechtlichen Notstand berufen. Die Zahlungsunfähigkeit könne nur durch geordnete Verhandlungen mit allen Gläubigern beseitigt werden. Bei einer Verurteilung müsse es sich auf breiter Front gegen Vollstreckungen wehren, womit eine Gesamtlösung mit allen Gläubigern nicht mehr möglich sei. Es liege ein völkerrechtlicher Notstand vor, der nach Artikel 25 GG von jedem Gericht zu beachten sei.

Im übrigen sei der Arrest nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 II ZPO vollzogen und nicht innerhalb der Wochenfrist des § 929 III ZPO zugestellt worden.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 14.3.2003 hat sich das Landgericht auf den Immunitätsverzicht des beklagten Landes bezogen sowie darauf, dass den Forderungen aus den Anleihen kein hoheitliches Handeln zugrunde liege. Dem Arrestverfahren stehe auch nicht die Unklagbarkeit nach Artikel VIII 2 (b) S. 1 des IWF-Übereinkommens (BGBI. 1978 II 13, 34 f, Bretton-Woods-Abkommen-IWF-Ü) entgegen. Danach seien Forderungen aus Devisenkontrakten unklagbar, nicht aber Zahlungen im Rahmen des internationalen Kapitalverkehrs. Die Inhaberschuldverschreibungen seien als traditionelle Anlagetitel dem Kapitalmarkt zuzurechnen.

Das Bestehen eines völkerrechtlichen Notstandes könne das beklagte Land nicht einwenden. Im Zusammenhang mit dem Bau eines Staudamms habe der IGH auf diesen Begriff Bezug genommen; es bleibe aber zweifelhaft, ob es sich dabei um eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrecht handele. Selbst wenn man dies aber bejahe und auch eine, mögliche Wirkung gegenüber einer Privatperson annehme, seien nach der Überzeugung des Gerichts die tatbestandlichen Voraussetzungen des völkerrechtlichen Notstandes nicht gegeben.

Von einer dazu erforderlichen unmittelbaren Gefährdung wichtiger Interessen des Landes Argentinien sei in diesem Arrestverfahren nicht auszugehen. Denn mit der Anordnung des dinglichen Arrests drohe noch keine unmittelbare Gefahr für wichtige Interessen des Landes.

Anders sei es allenfalls dann, wenn mit konkreten Zwangsvollstreckungmaßnahmen unmittelbar gegen den Staat vorgegangen werde. Die Abwägung zwischen den beiderseitigen Interessen verlange, dass dem Arrestkläger zumindest die Sicherung seiner bestehenden Ansprüche möglich sein müsse. Ein Schutz im Vollstreckungsverfahren dürfe sich nur auf Vermögensgegenstände erstrecken, die das Land zur Erfüllung seiner staatlichen Zwecke benötige.

Schließlich komme eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Artikel 100 II GG wegen der besonderen Eilbedürftigkeit des Arrestverfahrens nicht in Betracht.

Eine Aufhebung des Arrestbeschlusses wegen veränderter Umstände nach § 927 ZPO komme nicht in Frage. Zwar stellten sowohl die Versäumung der Vollstreckungsfrist nach § 929 II als auch der Zustellungsfrist nach § 929 Abs. 3 ZPO einen veränderten Umstand dar. Die Monatsfrist des § 929 II sei jedoch durch den Antrag des Arrestklägers vom 4.11.2002 auf Eintragung einer Sicherungshypothek gewahrt. Die darin liegende Vollziehung des Arrestwahre die Frist des § 929 II, auch wenn eine fehlerhafte Vollstreckungsmaßnahme vorliegen sollte, worüber jedoch noch nicht entschieden sei.

Die Wochenfrist des § 929 III ZPO habe der Arrestkläger eingehalten, indem er über seinen Prozeßvertreter den Arrestbeschluß den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten Landes mit Schreiben vom 4.11.2002 übermittelte. Da diese sich bereits mit Schriftsatz vom 25.10.2002 für das Hauptsacheverfahren (2-21 0 393/02) legitimiert gehabt hätten, seien sie auch nach §§ 81, 82 ZPO für das vorliegende Arrestverfahren bevollmächtigt gewesen. Der in der fehlenden Rücksendung liegende Zustellungsmangel sei gemäß § 189 ZPO geheilt, weil der Beschluß vom 28.10.2002 ausweislich des Schreibens des Arrestbeklagtenvertreters vom 5.11.2002 diesem spätestens zu diesem Zeitpunkt zugegangen gewesen sei.

Gegen das am 20.3.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.3.2003 bei Gericht eingegangene Berufung des Landes Argentinien, die mit am 19.5.2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet worden ist.

Darin bestreitet das beklagte Land die wirksame Vollziehung der Zustellung des Arrestbefehls und bejaht eine Vorlagepflicht nach Artikel 100 II GG, weil rechtsfehlerhaft ein Staatsnotstand des beklagten Landes abgelehnt worden sei. Die Bindungswirkung des Völkergewohnheitsrechtes sei verkannt. Desweiteren sei die Unterscheidung nach .Erkenntnis und Vollstreckungsverfahren zu mißbilligen. Anders als durch die beschlossene Zahlungseinstellung habe das Land Argentinien auf einen eingetretenen Staatsnotstand nicht reagieren können. Schließlich sei auch die Unklagbarkeit des Anspruchs nach Artikel VIII Abschnitt 2 (b) des Abkommens von Bretton-Woods (IWE-Ü) gegeben.

Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung gemäß §§ 719 I, 707 ZPO sei geboten, weil das Land zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage sei und das Urteil an gravierenden Rechtsfehlern leide. Der Arrestkläger vollstrecke in diplomatisch geschützte Vermögenswerte des Staates, wodurch die Aufrechterhaltung der diplomatischen Vertretung in Deutschland erheblich gefährdet werde. Im übrigen beabsichtige der Arrestkläger auch, Vollstreckungsmaßnahmen im Ausland gegen das Land Argentinien auszubringen.

Das arrestbeklagte Land beantragt,

das am 14.3.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main abzuändern, den Arrestbefehl des OLG Frankfurt am Main vom 18.10.2002 aufzuheben und den Arrestantrag vom 26.8.2002 zurückzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil sowie den Arrestbefehl aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen, vorab, die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil ohne Sicherheitsleistung einzustellen.

Der Arrestkläger beantragt,

die Berufung sowie den Einstellungsantrag zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem nach mündlicher Verhandlung bestätigten Arrestbefehl sei nur in extremen Aunahmefällen möglich. Mit der Abwendungsbefugnis nach § 923 ZPO seien die Rechte des Landes Argentinien hinreichend gewahrt. Unrichtig sei die Behauptung, es sei zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage. Vielmehr habe es im Jahre 2002 mehr als 4 Milliarden Dollar an "offizielle" Kreditgeber gezahlt, während die in einer schwächeren Position befindlichen privaten Kreditgeber leer ausgegangen seien. Im einzelnen wird dargelegt, dass sich die wirtschaftliche Situation Argentiniens in letzter Zeit deutlich gebessert habe.

Er verteidigt im übrigen das angefochtene Urteil und bestreitet das Vorliegen eines staatlichen Notstandes sowie die Anerkennung eines solchen als einer völkerrechtlich zu berücksichtigenden Regel.

II.

1. Der Senat hält es für zulässig, aber auch vorliegend für geboten, im Wege einer gemäß § 924 III 2 ZPO vorgesehenen einstweiligen Anordnung die Vollstreckung aus dem Arrestbefehl gegen Sicherheitsleistung einzustellen.

Von einem verspäteten oder gar unterbliebenen Vollzug des Arrestbeschlusses oder einer nicht fristgemäßen Zustellung (929 II, III ZPO), womit der Arrest ohne Rücksicht auf die sich stellende völkerrechtliche Frage nach § 927 ZPO aufzuheben wäre, ist nicht auszugehen.

Bedenklich ist allerdings die Auffassung des Landgerichts, die Frist des § 929 II ZPO werde auch durch ein fehlerhafte Vollstreckungsmaßnahme gewahrt. Mit der Einreichung des Antrages auf Eintragung einer Arresthypothek beim Grundbuchamt ist der Gläubiger an sich seiner Handlungspflicht nach § 928 ZPO nachgekommen.

Die rechtzeitige Einreichung beim Amtsgericht genügt zur Fristwahrung (Zöller-Vollkommer, § 932 RJN 7, BGH NJW 01.1134). Dies muß allerdings mit der Einschränkung versehen werden, dass der Eintragung kein Hindernis entgegensteht und der Vollstreckungsakt sofort vorgenommen werden kann (Zöller-Vollkommer, § 732 ZPO RN 10). Das steht aber nicht fest, weil das Amtsgericht Bonn von einer diplomatischen Zwecken dienenden Nutzung des Botschaftsgrundstücks ausgegangen: ist und über die Beschwerde noch nicht entschieden wurde. Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Vollstreckungsakt noch vollzogen wird.

Mit dem Landgericht ist anzunehmen, dass der Arrestkläger die Wochenfrist des § 929 III ZPO dadurch gewahrt hat dass er über seinen Prozeßvertreter den Beschluß vom 28.10.2002 den Prozeßbevollmächtigten der Arrestbeklagten mit Schreiben vom 4.11.2002 übersandte. Es ist richtig, dass, worauf das beklagte Land zu Recht hinweist, der in der verweigerten Unterschrift liegende mangelnde Empfangswille nicht nach § 189 ZPO heilbar ist (BGH NJW 89, 1154, 1155; Zöller-Vollkommer, § 174 RN 6). Das zuzustellende Schriftstück ist aber in den Besitz der Rechtsanwälte des Zustellungsempfängers gelangt, weil sie es im Zeitpunkt ihrer Bevollmächtigung noch in ihrem Besitz hatten. Bei Postzustellung ist für eine Heilung nach § 189 ZPO die Empfangsbereitschaft nicht erforderlich (BGH NJW 89, 1155). Somit besteht kein Grund, den Arrestbefehl gemäß § 927 ZPO aufzuheben. Einer Einstellung der Zwangsvollstreckung stehen nicht die Prinzipien des Eilverfahrens, spezieller des Arrestverfahrens, entgegen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass wegen des Schutzzweckes des Arrestverfahrens für den Gläubiger, des Grundsatzes bestehender Eilbedürftigkeit, des in der Hand des Schuldners liegenden Rechts, durch Hinterlegung der Lösungssumme etwa in Form einer Bankbürgschaft gemäß §923 ZPO die Aufhebung des Arrestes beantragen zu können und schließlich auch wegen § 921 S. 2 ZPO (Anordnung einer durch den Gläubiger zu erbringenden Sicherheit) eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in Ausnahmefällen möglich ist (vgl. Musilak-Huber, § 924 ZPO RN 10, Zöller-Vollkommer, § 924 RN 13 - nur unter besonderen Umständen - OLG Frankfurt am Main, JurBüro 92.196 - nur in extremen Ausnahmefällen).

Gleichwohl ist vorliegend eine Einstellung der Zwangsvollstreckung geboten, weil die Arrestsache zugleich mit dem ebenfalls beim Senat anhängigen Hauptverfahren (8 U 59/03), dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung der völkerrechtlichen Frage, ob sich das Land Argentinien. auf den von ihm verkündeten Notstand berufen darf, vorgelegt wird. Es erscheint nicht vertretbar, die Zwangsvollstreckung in dem Arrestverfahren weiter zu ermöglichen, obwohl der - vorrangige - Hauptprozeß ausgesetzt ist.

Aus dem selben Grund kann auch der Senat sich der Auffassung des Landgerichts, eine Vorlage an das Bundesverfassungsgerichts komme wegen der Eilbedürftigkeit des Arrestverfahrens und der durch eine Aussetzung bedingten Zeitverzögerung nicht in Betracht, nicht anschließen.

Fehlt es, worüber das Bundesverfassungsgericht zu befinden hat, an einer Sachurteilsvoraussetzung, weil völkerrechtliche Grundsätze eine Entscheidung deutscher Zivilgerichte über die streitgegenständliche Forderung verbieten, wäre es sinnwidrig und nicht nachvollziehbar, gleichwohl die Vollstreckbarkeit des Arrestbefehls beizubehalten.

Indessen ist der Senat nicht der Auffassung, dass dem Land Argentinien die Aufbringung einer Sicherheit nicht oder nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten möglich ist. Das Land hat an institutionelle Gläubiger in erheblichem Umfang Darlehensrückzahlungen geleistet, die Interessen privater Gläubiger jedoch völlig vernachlässigt. Auch wenn man vermuten darf, dass Argentinien nur schwerlich die Bürgschaft einer deutschen Bank beschaffen könnte, dürfte ihm die Zahlung des hier maßgeblichen verhältnismäßig geringen Betrages ohne größere Probleme möglich sein.

Es ist auch nicht zu befürchten, dass mit der Verweigerung einer Einstellung ohne Sicherheitsleistung eine Sogwirkung entstünde. Es dürften kaum in erheblicher Zahl Vollstreckungstitel gegen Argentinien vorliegen, während weitere mit Rücksicht auf die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichtes nicht mehr erlassen werden. Auch wenn vorliegend dem Kläger eine Sicherheit zuteil wird, die anderen Gläubigern versagt bleibt, wäre doch der Arrestbefehl und damit auch die Vollstreckbarkeit aufzuheben; wenn das Bundesverfassungsgericht der Auffassung Argentiniens folgend die Klagbarkeit der geltend gemachten Ansprüche verneinen würde.

2. Der Senat halt sich für verpflichtet, die Arrestsache zusammen mit dem Hauptsacheverfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung darüber vorzulegen, ob es eine Regel des Völkerrechts gibt, die unmittelbar auf den Anspruch des Klägers dahin einwirkt, dass er ihn bis zur Beendigung des von Argentinien erklärten Notstandes nicht mehr bei Gericht durchsetzen kann (Art. 100 II GG). Nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers obliegt die Entscheidung über die Geltung allgemeiner Regeln des Völkerrechts im Sinne des Artikel 25 GG dem Bundesverfassungsgericht (v. Mangoldt-Klein-Sieckmann, Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. Art. 100 II GG, RN 67, Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 14 RZ 2). Zwar ist ein Verstoß gegen Art. 101 I 2 GG nur bei willkürlicher Fehlbeurteilung durch das Gericht geboten (BvErfGE 19, 38, 42 f). Andererseits bleibt für lediglich rechtsirrtümliche Verstöße gegen eine objektiv bestehende Vorlagepflicht nur ein geringer Raum (BVerfGE 64, 1, 21). Einsehbarer Zweck ist die Gewährleistung der Einhaltung völkerrechtlicher Regeln durch deutsche Fachgerichte. Anderenfalls bestünde die Gefahr divergierender Entscheidungen über völkerrechtlich relevante Fragen, worin eine ernsthafte Gefährdung der Rechtssicherheit zu sehen wäre. Nur dem Bundesverfassungsgericht obliegt es zu entscheiden, ob es einen völkerrechtlich anerkannten Grundsatz gibt, wonach ein Staat den Notstand ausrufen, sich für zahlungsunfähig erklären und mit Rücksicht darauf die Erfüllung eingegangener Verpflichtungen sowohl gegenüber Staaten und Institutionen als auch gegenüber privaten Anlegern bis zur Beendigung des Notstandes - von wem das auch festzustellen wäre - suspendieren kann.

Vorlagegegenstand sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG sowohl hinsichtlich deren Existenz als auch ihres Rechtscharakters, der Tragweite und der Bindungskraft (von Mangoldt-Klein-Sieckmann, a. a. O., RN 72).

Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind das universell geltende Völkergewohnheitsrecht sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze (BVerfGE 96; 68, 86). Zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ist grundsätzlich eine ausreichende Staatenpraxis, d. h. eine dauernde und einheitliche Übung unter weit gestreuter und repräsentativer Beteiligung erforderlich. Völkergewohnheitsrecht kann sich aus privatrechtlichen Abkommen, aus Gerichtsentscheiden und auch aus völkerrechtlichen Lehrmeinungen ergeben (BVerf GE 96,87 unter Hinweis auf Art. 38 I d IGH-Statut).

Der erkennende Senat wäre auch dann an einer Entscheidung über die vorgreifliche völkerrechtliche Frage gehindert, wenn objektiv ernst zu nehmende Zweifel an der Geltung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts bestünde (BVerfGE 23, 288, 319). Das Fachgericht darf solche Zweifel nicht selbst beseitigen, sondern muß dies dem Bundesverfassungsgericht überlassen (BVerfGE 96, 68, 77).

Nach Auffassung des Senats sprechen erhebliche Gründe für die Existenz einer völkerrechtlichen Regel, wonach ein Staat befugt sein kann, bestimmte in internationalen Abkommen (vgl. Art. 4 des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1996, BGBI. 73 II, 1534 - IPbürgR -) verankerte Grundrechte im Falle eines Notstandes einzuschränken. Eine Notstandsklausel befindet sich auch in Art. 15 EMRK (Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - BGBI 95 II, 579). Man wird auch zu berücksichtigen haben, dass der internationale Gerichtshof im Haag in einer einen Streit zwischen Ungarn und der Slowakei betreffenden Entscheidung erklärt hat, er erachte den Notstand als einen durch das Völkergewohnheitsrecht anerkannten Grund, der die Rechtswidrigkeit einer nicht im Einklang mit einer internationalen Verpflichtung stehenden Handlung ausschließe (IGH, Urteil v. 29.9.1997 - abgedruckt Anlage B 25). Der IHG führt aus (Übersetzung bei Thomas Pfeiffer ZVgIRW ISS 102 (2003), 141-194, 149), der Notstand müsse hervorgerufen sein durch ein "essentielles lnteresse" des Verletzerstaates, es müsse eine schwere und unmittelbar bevorstehende Gefahr bestehen und die fragliche Handlung müsse das einzig mögliche Mittel zum Schutz dieses Interesses sein. Zusätzlich erforderlich ist, dass kein essentielles Interesse desjenigen Staates in ernsthafter Weise beeinträchtigt ist, demgegenüber die Verpflichtung besteht. Hat zusätzlich der Urheber der fraglichen Handlung das Auftreten des Notstandes nicht mitverschuldet, sei damit ein Völkergewohnheitsrecht definiert.

Muß man annehmen, dass damit jedenfalls im Grundsatz der IGH die Befugnis von Staaten, sich auf einen Staatsnotstand zu berufen, nicht anzweifelt, dürfte es sich nicht nur um einen völkerrechtlichen Programmsatz, der einer Transformation durch nationales Recht bedürfte, sondern um einen unmittelbar anwendbaren Rechtssatz handeln, über den der erkennende Senat nicht entscheiden darf.

Ein maßgeblicher Unterschied besteht vorliegend allerdings insoweit, als sich die hier zu beurteilende Maßnahme des Landes Argentinien nicht nur gegen einen Staat, sondern maßgeblich auch gegen private Gläubiger richtet. Das könnte die Annahme eines Staatsnotstandes für den vorliegenden Fall in Frage stellen.

Indessen hat der Berichterstatter des Bundesverfassungsgerichts in der Vorlagesache des Amtsgerichts Frankfurt am Main 2 BvM 1-3/03 mit Schreiben vom 2.4.2003 ausgeführt, normalerweise könne ein zahlungsunfähiger Staat Schuldbefreiung nur im Wege einer Vereinbarung erlangen. Dies geschehe regelmäßig im Pariser Club oder im Rahmen einer G-7-lnitiative zur Entschuldung von 36 hauptverschuldeten Entwicklungsländern (Heavy indebted Poor Countries, hicp-Initiative). Da mit solchen Koordinationsverfahren kein wirksamer Schuldnerschutz verbunden sei, der den betreffenden Staat dem Zugriff seiner Gläubiger entzieht, böten zuverlässigen Schutz nur die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln über die Staatenimmunität. Auch wenn der Kläger nicht Träger eines im Völkerrecht verankerten Rechts sei, wäre es doch denkbar, dass sich eine möglicherweise existierende Rechtsfigur des völkerrechtlichen Staatsnotstandes auf jegliche, zu dem betroffenen Staat bestehenden Rechtsbeziehungen auswirke.

Sicher ist auch das Argument nicht von der Hand zu weisen, dass möglicherweise auch im Völkerrecht der Grundsatz, dass der Schuldner nicht befugt ist, sich mit der Ausrufung des Staatsnotstandes von der Begleichung übernommener Zahlungspflichten zu befreien oder ihre Erfüllung nach Belieben bis zur Erklärung, dass nun der Staatsnotstand beendet sei, hinauszuschieben.

Die Frage ist zu stellen, ob solche Feststellung im Belieben eines Landes liegen, oder ob eine Beurteilung durch ein unabhängiges Gremium dazu erforderlich ist.

Desweiteren ist zu bedenken, dass mit Sicherheit das Land Argentinien an dem Entstehen der Zahlungsunfähigkeit nicht schuldlos ist. Hat früher die Bindung des Peso an den Dollar die Wirtschaft gelähmt, ist durch den nach Aufgabe dieses Prinzips eingetretenen Wertverfall des Pesos die Erfüllbarkeit der drückenden Staatsschulden von zirka 140 Milliarden Dollar in noch weitere Ferne gerückt. Es kann nicht zweifelhaft sein; dass eine verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik mitursächlich für das Entstehen des Desasters geworden ist.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht die Vorlagefrage umformulieren, einschränken und ausdehnen kann, um entsprechend dem Zweck des Verifikationsverfahrens eine möglichst umfassende Klärung des Bestandes der allgemeinen Regeln des Völkerrechts herbeizuführen (BVerfGE 23.288, 317; 46.342, 363).

3. Die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 148 ZPO.

Ende der Entscheidung

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