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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 9 U 5/06
Rechtsgebiete: BGB, HWiG


Vorschriften:

BGB § 488
BGB § 4901
HWiG § 2
1. Zur Frage, wann der Abschluss eines Darlehensvertrages als bloße Prolongation eines vorausgegangenen Darlehensvertrages angesehen werden kann.

2. Zur Unterscheidung von "echter" und "unechter" Abschnittsfinanzierung.


Gründe:

I.

Der Kläger verlangt Rückzahlung von Leistungen, die er auf ein Darlehen erbracht hat, mit dem er seine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu Steuersparzwecken finanziert hat.

Der Kläger unterzeichnete am 3.12.1996 eine Beitrittserklärung zu einer Fondsgesellschaft mit einer Beteiligungssumme von 31.500,- DM und am 9.12.1996 einen Darlehensvertrag über 35.796,- DM mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Das Darlehen war endfällig auf fünf Jahre abgeschlossen und durch Abtretung einer am 20.12.1996 abgeschlossenen Lebensversicherung abgesichert. Der Darlehensvertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung.

Am 30.11.2001 schlossen der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten einen weiteren Darlehensvertrag über 35.678,69 DM und vereinbarten als Darlehenszweck "Verlängerung Darlehen ...". Dieses Darlehen war zum 30.11.2016 endfällig und wurde durch erneute Abtretung der Lebensversicherung sowie anteilig durch eine Gesamtgrundschuld des Grundstücks der Fondsgesellschaft abgesichert.

Mit Schreiben vom 17.2.2005 widerrief der Kläger den ersten Darlehensvertrag. Er behauptet, dieser sei - wie auch die Fondsbeteiligung - bei einem Hausbesuch des Vermittlers zustande gekommen. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Leistungen in Höhe von 7.310,70 €, Rückabtretung der Lebensversicherung, beides hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung der Fondsbeteiligung, sowie Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen der Beklagten aus dem Darlehensverhältnis.

Mit Urteil vom 28.9.2005, auf das wegen des weiteren Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehr weiter verfolgt.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch wenn der Kläger in der Berufungsbegründung entgegen § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO keine Berufungsanträge ausformuliert hat, kann Ziel und Umfang seiner Urteilsanfechtung im Wege der Auslegung festgestellt werden. Diese Auslegung deckt sich mit dem von ihm in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag. Der Darstellung eines Sachverhalts bedarf es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, die Berufungsangriffe erfassen auch die Hilfsbegründungen des Landgerichts.

1. Der Kläger kann die erhobenen Ansprüche nicht auf einen Widerruf des Darlehensvertrags aus dem Jahr 1996 stützen. Sein Recht zum Widerruf dieses Vertrags ist nach § 2 Absatz 1 Satz 4 HTWG einen Monat nach Abschluss des zweiten Darlehensvertrags am 30.11.2001 erloschen, da mit diesem der erste Darlehensvertrag beiderseits vollständig erfüllt war.

Der Abschluss des zweiten Darlehensvertrags stellte sich nicht bloß als Prolongation des ersten Darlehensvertrages dar, sondern ist rechtlich als selbstständiger Darlehensvertrag anzusehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, ist von einer bloßen Fortsetzung des ursprünglichen Darlehensvertrages auszugehen, wenn unter Fortdauer des ursprünglich vereinbarten Kapitalnutzungsrechts lediglich neue Konditionen vereinbart werden. Eine solche sog. "unechte Abschnittsfinanzierung" liegt vor, wenn dem Verbraucher von Anfang an ein langfristiges Recht zur Nutzung des überlassenen Kapitals eingeräumt, die Nutzungskonditionen aber nur für einen Teil dieses Zeitraums verbindlich vereinbart werden, so dass absehbar die Notwendigkeit besteht, vor Ablauf der Gesamtlaufzeit des Darlehens über diese Konditionen eine neue Vereinbarung zu treffen. Kennzeichnend für die bloße Prolongation ist damit, dass das Darlehen zum Ende des Finanzierungsabschnitts nicht ohne weiteres fällig wird, sondern nur dann, wenn der Darlehensnehmer der vorgeschlagenen Konditionenänderung widerspricht (BGH Urteil vom 8.6.2004, XI ZR 150/03).

Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Darlehensvertrag aus dem Jahr 1996 beruhte nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einer endfälligen, unbedingten Tilgung des Darlehens in voller Höhe zum 30.11.2001. Ein Recht zur Nutzung der überlassenen Valuta über diesen Zeitpunkt hinaus sah der Vertrag nicht vor. Hierzu bedurfte es vielmehr einer neuen Einigung der Parteien. Damit ist von einer sog. "echten Abschnittsfinanzierung" auszugehen, bei der zwar der Zweck der Darlehensinanspruchnahme mit dem Ende des Darlehensvertrags noch nicht erreicht ist, bei dem aber das Darlehen ohne weiteres zurückzuzahlen ist, der Darlehensnehmer sich um eine neue Anschlussfinanzierung bemühen muss und er das Risiko des Zustandekommens eines solchen Vertrages allein trägt (BGH Urteil vom 7.10.1997, XI ZR 233/96). Dass dies dem Willen der Beteiligten bei Abschluss des Vertrages 1996 entsprach, folgt unmissverständlich aus Ziff. 4 des Vertrages, in der es heißt "Darlehensrückzahlung: in voller Höhe am 30.11.2001". Die Ergänzung "(Nur bei Tilgungsersatz durch LV oder Bausparvertrag)" stellt insoweit keine Beschränkung oder Bedingung dar, sondern soll nur die tatsächlichen Voraussetzungen beschreiben, unter denen eine solche Form der Darlehensgewährung wirtschaftlich Sinn macht. Obwohl die Lebensversicherung des Klägers erst mit dem Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, ist nicht ersichtlich, dass diese durch rasche Ansparung oder eine andere Lebensversicherung bzw. ein Bausparvertrag nicht zur Tilgung des Darlehens hätte Verwendung finden können.

Eindeutig gegen eine bloße Prolongation des Ursprungsvertrag spricht auch, dass für den zweiten Vertrag völlig andere Sicherheiten verlangt und gestellt wurden. Anders als der im Jahr 1996 geschlossene Vertrag wurde der 2001 geschlossene Vertrag grundpfandrechtlich abgesichert.

Dafür, dass auch die Parteien selbst von einem neuen Vertragsschluss ausgegangen sind, spricht auch, dass der Kläger bei der Bank nach einem neuen Vertrag anfragte, die Bank darauf hinwies, dass mit Ablauf der ursprünglichen Endfälligkeit eine ungenehmigte Überziehung vorliege. Zudem wurde bei Abschluss des zweiten Vertrages eine neue Belehrung über das Widerrufsrecht erteilt, was bei bloßer Fortsetzung der Finanzierung nicht erforderlich gewesen wäre.

Die Fälle der echten Abschnittsfinanzierung werden auch nicht allein dadurch zu einer unechten Abschnittsfinanzierung, dass der Anschlussdarlehensvertrag zwischen denselben Beteiligten zustande kommt. Muss das erste Darlehen (unvorhergesehen) aus den Mitteln eines zweiten Darlehens getilgt werden, so steht es dem Darlehensnehmer frei, ob er einen solchen neuen Vertrag mit dem bisherigen Darlehensgeber oder einem Dritten abschließt. Indem die Parteien als Zweck des Darlehensvertrags 2001 Verlängerung des Darlehensvertrags 1996 angaben, haben sie nicht bloß die ursprüngliche Vereinbarung verlängert, sondern eine neue Vereinbarung getroffen. Zum einen konnte im Jahr 2001 die Vereinbarung über die Dauer der Kapitalnutzung nicht mehr abgeändert, sondern nur eine neue Nutzungsvereinbarung geschlossen werden. Zum anderen wollten die Parteien mit dieser Formulierung auch nur den Verwendungszweck der Darlehensvaluta beschreiben und nicht etwa zum Ausdruck bringen, dass dieser neue Vertrag lediglich als Prolongation des alten verstanden wurde.

Auch der Umstand, dass im zweiten Vertrag als Verwendungszweck die "Verlängerung" des ersten Vertrages genannt ist, beide Verträge die gleiche Kreditnummer erhielten und eine förmliche Umbuchung nicht erfolgte, zwingt nicht zur Annahme einer Vertragsfortsetzung. Die Angabe des Vertragszwecks war allein für die Frage der Mittelverwendung von Bedeutung, die Beibehaltung der Vertragsnummer erleichterte der Beklagten die verwaltungstechnische Abwicklung und eine ausdrückliche Umbuchung wäre eine bloße Förmelei gewesen.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers erfasst ein (unterstelltes) Recht zum Widerruf des Vertrages aus dem Jahr 1996 den Folgevertrag aus dem Jahr 2001 nicht. Mit dem Abschluss eines neuen Darlehensvertrags griffen auch die Verbraucherschutzrechte des Klägers neu, d.h. der neue Darlehensvertrag musste den Anforderungen des Verbraucherkreditgesetzes genügen, die Umstände seines Abschlusses konnten ein neues Widerrufsrecht nach dem HTWG begründen. Solche Rechte indes macht der Kläger ausdrücklich nicht geltend. Seine Ansicht, ohne die Überrumpelung bei Abschluss des Darlehensvertrages im Jahr 1996 wäre es auch zum Abschluss des Darlehensvertrages 2001 nicht gekommen, verkennt, dass die Ursächlichkeit nicht allein nach den Grundsätzen der äquivalenten Kausalität zu beurteilen ist. Allein der zeitliche Abstand zwischen der (behaupteten) Haustürsituation im November 1996 und dem Abschluss des zweiten Darlehensvertrags macht deutlich, dass ein ursächlicher Zusammenhang unter wertenden Gesichtspunkten nicht gegeben sein kann. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers besteht bei Haustürgeschäften nur, wenn ihre Willenserklärung im entscheidenden Beweggrund durch die Haustürsituation veranlasst worden ist. Dabei genügt zwar eine Mitverursachung, doch ist erforderlich, dass der Vertrag ohne die Überrumpelung nicht oder zumindest nicht so zustande gekommen wäre. Ist die Vertragserklärung nicht unmittelbar in der Haustürsituation abgegeben worden, so muss im Einzelfall geprüft werden, ob das durch die Verhandlungen in der Privatwohnung geschaffene Überraschungsmoment noch fortgewirkt hat. Dazu ist enger zeitlicher Zusammenhang nicht unbedingt erforderlich: Liegt er vor, so kann auf das Fortwirken zwingend geschlossen werden. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand aber nimmt die Indizwirkung ab und entfällt schließlich gänzlich. Eine fünf Jahre nach dem Hausbesuch abgegebene Willenserklärung kann - wenn nicht ganz besonders außergewöhnliche Umstände vorliegen, die hier nicht vorgetragen sind - nicht mehr auf der Überrumpelung beruhen.

III.

Die Kosten des Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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