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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 9 W 30/06
Rechtsgebiete: BGB, HWiG


Vorschriften:

BGB c.i.c.
BGB pVV
HWiG § 1
1. Kein Fortbestehen der Überrumpelung, wenn zwischen der Haustürsituation und der Willenserklärung des Verbrauchers 3 Wochen liegen.

2. Zu den Voraussetzungen eines schadensersatzauslösenden Wissensvorsprungs der Bank bei einer sittenwidrigen Überteuerung der finanzierten Immobilie.


Gründe:

Die nach § 127 II 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch aus den im Nichtabhilfe-Beschluss vom 27.10.2006 ausgeführten Gründen zu Recht zurückgewiesen.

1. Die Antragsteller können sich nicht auf einen Widerruf des Darlehensvertrages vom 30.12.1996 berufen. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die behauptete Haustürsituation für den Abschluss des Darlehensvertrages jedenfalls nicht mehr ursächlich gewesen sein kann.

Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers aus § 1 I Nr. 1 HWiG besteht nur, wenn er durch mündliche Verhandlungen in einer Haustürsituation zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt es, dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war (BGH Urteil vom 20.1.2004, XI ZR 460/02; Urteil vom 8.6.2004, XI ZR 167/02; Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05). Die Willenserklärung des Verbrauchers muss im entscheidenden Beweggrund durch die Haustürsituation veranlasst worden sein. Auch wenn dabei eine Mitverursachung genügt, so ist doch erforderlich, dass der Vertrag ohne die Überrumpelung nicht oder zumindest nicht so zustande gekommen wäre. Ist die Vertragserklärung nicht unmittelbar in der Haustürsituation, sondern zeitlich danach abgegeben worden, muss im Einzelfall geprüft werden, ob das durch die Verhandlungen in der Privatwohnung geschaffene Überraschungsmoment noch fortgewirkt hat. Dazu ist enger zeitlicher Zusammenhang nicht unbedingt erforderlich (BGH Urteil vom 26.10.1993, XI ZR 42/3; Urteil vom 16.1.1996, XI ZR 116/95; Urteil vom 20.5.2003, XI ZR 248/02). Mit zunehmendem zeitlichen Abstand aber nimmt die Indizwirkung ab und entfällt schließlich ganz (BGH Urteil vom 21.1.2003, XI ZR 125/02; Urteil vom 20.5.2003, XI ZR 248/02; Urteil vom 22.10.2003, IV ZR 398/02; Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05). In diesen Fällen kann auf die Kausalität der Überrumpelung nur noch durch Würdigung aller Umstände im Einzelfall geschlossen werden. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalles (BGH Urteil vom 21.1.2003, XI ZR 125/02; Urteil vom 18.3.2003, XI ZR 188/02; Urteil vom 20.5.2003, ZR 248/02; Urteil vom 22.10.2003, IV ZR 398/02; Urteil vom 20.1.2004, XI ZR 460/02; Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05). Der BGH hat bislang offen gelassen, ob ein Anscheinsbeweis zugunsten des in einer Haustürsituation geworbenen Verbrauchers nach der allgemeinen Lebenserfahrung gewöhnlich schon nach einer Woche entfällt (BGH Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05). Er hat aber einen Zeitraum von knapp drei Wochen hierfür jedenfalls dann ausreichen lassen, wenn weitere, den Kausalverlauf infrage stellende Umstände hinzutreten (BGH Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung kann im vorliegenden Fall von einer Kausalität der Haustürsituation für den späteren Abschluss des Darlehensvertrages nicht mehr ausgegangen werden. Nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller haben die beiden Berater A und B ihre Vermittlungsbemühungen in der Zeit vom 9. bis 29.10.1996 entfaltet und die Antragsteller überzeugt, die streitbefangene Immobilie zu erwerben. Der Abschuss des Darlehensvertrages ist aber erst rund zwei Monate später erfolgt, nämlich am 31.12.2006.

Dass sich die Antragsteller schon vorher - unmittelbar im Anschluss an die Vermittlerbemühungen - entschlossen hatten, den Kaufvertrag abzuschließen, hat keine Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung, da Kauf- und Darlehensvertrag hier nicht als verbundenes Geschäft angesehen werden können. Auf den Einwendungsdurchgriff nach § 9 III VerbrKrG können sich die Antragsteller nämlich schon deshalb nicht berufen, weil es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Kreditvertrag um einen Realkreditvertrag handelt, für den gemäß § 3 II Nr. 2 VerbrKrG § 9 III VerbrKrG nicht gilt.

Eine teleologische Reduktion des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG ist weder nach nationalem Recht noch aufgrund europarechtlicher Auslegung angezeigt (BGH Urteile vom 23.9.2003, XI ZR 135/02 ; Urteil vom 12.11.2002, XI ZR 25/00; Urteil vom 16.9.2003, XI ZR 447/02). Mit den beiden Entscheidungen vom 25.10.2005 (C 350/03 und C 229/04) hat der EuGH ausdrücklich anerkannt, dass die Ausgestaltung der Rechtsfolgen eines Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz dem nationalen Recht überlassen ist.

Die Antragsteller haben sich auch nicht wie überrumpelte Verbraucher verhalten. Sie haben das ihnen vorgeschlagene Steuersparmodell nicht bereits beim ersten Besuch des Vermittlers am Arbeitsplatz des Antragstellers zu 1) akzeptiert, sondern sich mit der Vereinbarung eines weiteren Beratungstermins am 22.10.1996 sowie des Notartermins am 29.10.196 weitere Überlegungszeit verschafft. Zudem haben die Antragsteller über Jahre hinweg aus dem Steuersparmodell resultierende Rechte wahrgenommen und ihre Pflichten erfüllt, ohne dass sich ihrem Verhalten irgendein Anzeichen dafür entnehmen ließe, dass sie sich bei Eingang der Verpflichtungen überrumpelt und in ihrer Entschließungsfreiheit beeinträchtigt gefühlt hätten. Sie haben an ihrer Absicht, von der angebotenen Möglichkeit einer steuersparenden Kapitalanlage Gebrauch zu machen, uneingeschränkt über den Zeitraum hinaus festgehalten, für den eine Überrumpelung angenommen werden kann. Erst über neun Jahre nach dem Vertragsschluss haben sie einen Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz erklärt.

Weitere relevante Umstände, die für eine Kausalität der Haustürsituation für den Abschluss des Darlehensvertrags sprechen, haben die Antragsteller nicht vorgetragen.

2. Die Antragsteller können auch keine Schadensersatzansprüche gegenüber der Antragsgegnerin wegen einer angeblichen sittenwidrigen Überteuerung der Immobilie geltend machen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine finanzierende Bank nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen (BGH NJW 2000, 3558; BGH NJW-RR 2000, 1576 - beide mit weiteren Nachweisen). Die Verwendung des Kredits ist allein Sache des Kreditnehmers. Ihm allein obliegt es, sich über die damit verbundenen speziellen Gefahren zu informieren und die Entscheidung darüber, ob er sie eingehen will, eigenverantwortlich zu treffen. Das mit der Verwendung des Darlehens verbundene Risiko hat der Darlehensnehmer grundsätzlich allein zu tragen. Bei finanzierten Kapitalanlagen darf die darlehensgebende Bank deshalb regelmäßig davon ausgehen, dass der Kreditnehmer Konzeption und Wirtschaftlichkeit der geplanten Anlage hinreichend geprüft hat, gegebenenfalls unter Einschaltung besonderer Fachberater. Dies gilt auch und in besonderem Maß bei geschäftsunerfahrenen Kunden (OLG Stuttgart WM 2000, 292).

Nur ausnahmsweise und in besonderen Fallgruppen kommt eine Aufklärungs- und Beratungspflicht der Bank in Betracht. Dem Vortrag der Antragsteller lassen sich indes keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Ausnahmefälle - Überschreiten der Kreditgeberrolle, Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestandes, Bestehen einer Interessenkollision oder Vorliegen eines konkreten Wissensvorsprunges - entnehmen.

Ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung folgt nicht daraus, dass die von den Antragstellern erworbene Wohnung möglicherweise sittenwidrig überteuert war und die Antragsgegnerin dies wusste, wie die Antragsteller behaupten. Der erkennende Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH, der eine Aufklärungspflicht der Bank über die Unangemessenheit des Kaufpreises ausnahmsweise dann annimmt, wenn die Bank bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss (Urteile vom 20.5.2003, XI ZR 248/02 und vom 18.11.2003, XI ZR 322/01). Erforderlich dazu ist zum einen substantiierter Vortrag zum Wert der Wohnung im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses, der - um als sittenwidrig überteuert angesehen werden zu können - nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs knapp doppelt so hoch sein muss wie der Wert der Wohnung (BGHZ 146, 298, 302 ff. und Urteil vom 20.5.2003, XI ZR 248/02 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Überdies notwendig ist in subjektiver Hinsicht die Kenntnis der Bank von der Überteuerung, wobei auf diese Kenntnis nicht im Wege einer tatsächlichen Vermutung allein aus der objektiven Überteuerung geschlossen werden kann.

Dass dies so war, müssen die Antragsteller darlegen und beweisen. Es fehlt jedoch bereits an einem substantiierten Vortrag zum Wert der Immobilie im Jahr 1996, worauf schon das Landgericht zutreffend hingewiesen hat.

Auch zur angeblichen Kenntnis der Antragsgegnerin von der Überteuerung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages fehlt relevanter Vortrag. Soweit sich die Antragssteller insoweit auf die Einschätzung der Antragsgegnerin im Schreiben vom 1.12.2004 berufen, ist dies als Indiz unbrauchbar, weil es eben nicht aus der Zeit des Vertragsschlusses stammt.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nach § 127 IV ZPO entbehrlich.

Ende der Entscheidung

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