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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 17.01.2007
Aktenzeichen: 9 W 38/05
Rechtsgebiete: BGB, HWiG, VerbrKrG


Vorschriften:

BGB § 488
BGB § 494 Abs. 2
HWiG § 2
VerbrKrG § 4
VerbrKrG § 6 Abs. 2
1. Zur Abgrenzung einer bloßen Verlängerung eines Darlehensvertrages von dem Abschluss eines neuen selbstständigen Darlehensvertrages, mit dem die Darlehensschuld des ersten Vertrages getilgt wird.

2. Zu den Auswirkungen eines nach dem HWiG erklärten Widerrufs des ursprünglichen Vertrages auf den zweiten.


Gründe:

Die nach § 127 II 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch zu Recht zurückgewiesen.

1. Die Antragsteller können die erhobenen Ansprüche nicht auf einen Widerruf des Darlehensvertrags aus dem Jahr 1997 stützen. Ihr Recht zum Widerruf dieses Vertrags ist nach § 2 I 4 HWiG einen Monat nach Abschluss des zweiten Darlehensvertrags am 1.3.2003 erloschen, da mit diesem der erste Darlehensvertrag beiderseits vollständig erfüllt war.

Der Abschluss des zweiten Darlehensvertrags stellte sich nicht lediglich als Prolongation des ersten Darlehensvertrages dar, sondern ist rechtlich als selbstständiger Darlehensvertrag anzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, ist von einer bloßen Fortsetzung des ursprünglichen Darlehensvertrages auszugehen, wenn unter Fortdauer des ursprünglich vereinbarten Kapitalnutzungsrechts lediglich neue Konditionen vereinbart werden. Eine solche sog. "unechte Abschnittsfinanzierung" liegt vor, wenn dem Verbraucher von Anfang an ein langfristiges Recht zur Nutzung des überlassenen Kapitals eingeräumt wird, die Nutzungskonditionen aber nur für einen Teil dieses Zeitraums verbindlich vereinbart werden, so dass absehbar die Notwendigkeit besteht, vor Ablauf der Gesamtlaufzeit des Darlehens über diese Konditionen eine neue Vereinbarung zu treffen. Kennzeichnend für das Vorliegen einer Prolongation ist damit, dass das Darlehen zum Ende des Finanzierungsabschnitts nicht ohne weiteres fällig wird, sondern nur dann, wenn der Darlehensnehmer der vorgeschlagenen Änderung der Konditionen widerspricht (BGH, Urteil vom 8.6.2004, XI ZR 150/03).

Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Darlehensvertrag aus dem Jahr 1997 beruhte nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einer endfälligen, unbedingten Tilgung des Darlehens in voller Höhe zum 30.6.2002. Ein Recht zur Nutzung der überlassenen Valuta über diesen Zeitpunkt hinaus sah der Vertrag nicht vor. Hierzu bedurfte es vielmehr einer neuen Einigung der Parteien. Damit ist von einer sog. "echten Abschnittsfinanzierung" auszugehen, bei der zwar der Zweck der Darlehensinanspruchnahme mit dem Ende des Darlehensvertrags noch nicht erreicht ist, bei dem aber das Darlehen ohne weiteres zurückzuzahlen ist, der Darlehensnehmer sich um eine neue Anschlussfinanzierung bemühen muss und er das Risiko des Zustandekommens eines solchen Vertrages allein trägt (BGH, Urteil vom 7.10.1997, XI ZR 233/96). Dass dies dem Willen der Beteiligten bei Abschluss des Vertrages 1997 entsprach, folgt unmissverständlich aus Ziffer 4.2 des Vertrages, in der es heißt, dass das Darlehen "in voller Höhe am 30.6.2002 zurückzuzahlen ist.

Eindeutig gegen eine bloße Prolongation des Ursprungsvertrages spricht auch, dass für den zweiten Vertrag völlig andere Sicherheiten verlangt und gestellt wurden. Anders als der im Jahr 1997 geschlossene Vertrag wurde der 2003 geschlossene Vertrag nämlich grundpfandrechtlich abgesichert. Zudem wurde bei Abschluss des zweiten Vertrages eine neue Belehrung über das Widerrufsrecht erteilt, was bei bloßer Fortsetzung der Finanzierung nicht erforderlich gewesen wäre.

Die Fälle der echten Abschnittsfinanzierung werden auch nicht dadurch zu einer unechten Abschnittsfinanzierung, dass der Anschlussdarlehensvertrag zwischen denselben Beteiligten zustande kommt. Muss das erste Darlehen (unvorhergesehen) aus den Mitteln eines zweiten Darlehens getilgt werden, so steht es dem Darlehensnehmer frei, ob er einen solchen neuen Vertrag mit dem bisherigen Darlehensgeber oder einem Dritten abschließt. Indem die Parteien als Zweck des Darlehensvertrags 2003 Verlängerung des Darlehensvertrags 1997 angaben, haben sie nicht lediglich die ursprüngliche Vereinbarung verlängert, sondern eine neue Vereinbarung getroffen. Zum einen konnte im Jahr 2003 die Vereinbarung über die Dauer der Kapitalnutzung nicht mehr abgeändert, sondern nur eine neue Nutzungsvereinbarung geschlossen werden. Zum anderen wollten die Parteien mit dieser Formulierung nur den Verwendungszweck der Darlehensvaluta beschreiben und nicht etwa zum Ausdruck bringen, dass dieser neue Vertrag als Prolongation des alten zu verstehen ist.

Auch der Umstand, dass beide Verträge die gleiche Kreditnummer erhielten und eine förmliche Umbuchung nicht erfolgte, zwingt nicht zur Annahme einer Vertragsfortsetzung. Die Angabe des Vertragszwecks war allein für die Frage der Mittelverwendung von Bedeutung. Die Beibehaltung der Vertragsnummer erleichterte der Antragsgegnerin die verwaltungstechnische Abwicklung und eine ausdrückliche Umbuchung wäre eine bloße Förmelei gewesen.

Ein (unterstelltes) Recht zum Widerruf des Vertrages aus dem Jahr 1997 erfasst auch nicht den Folgevertrag aus dem Jahr 2003. Mit dem Abschluss eines neuen Darlehensvertrags griffen auch die Verbraucherschutzrechte der Antragsteller neu, d.h. der neue Darlehensvertrag musste den Anforderungen des Verbraucherkreditgesetzes genügen und die Umstände seines Abschlusses konnten ein neues Widerrufsrecht nach dem HWiG begründen. Solche Rechte indes machen die Antragsteller nicht geltend. Die Auffassung, ohne die Überrumpelung bei Abschluss des Darlehensvertrages im Jahr 1997 wäre es auch zum Abschluss des Darlehensvertrages 2003 nicht gekommen, verkennt, dass die Ursächlichkeit nicht alleine nach den Grundsätzen der äquivalenten Kausalität zu beurteilen ist. Schon der zeitliche Abstand zwischen der (behaupteten) Haustürsituation im Jahr 1997 und dem Abschluss des zweiten Darlehensvertrags macht deutlich, dass ein ursächlicher Zusammenhang unter wertenden Gesichtspunkten nicht gegeben sein kann. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers besteht bei Haustürgeschäften nur, wenn ihre Willenserklärung im entscheidenden Beweggrund durch die Haustürsituation veranlasst worden ist. Dabei genügt zwar eine Mitverursachung, doch ist erforderlich, dass der Vertrag ohne die Überrumpelung nicht oder zumindest nicht so zustande gekommen wäre. Ist die Vertragserklärung nicht unmittelbar in der Haustürsituation abgegeben worden, so muss im Einzelfall geprüft werden, ob das durch die Verhandlungen in der Privatwohnung geschaffene Überraschungsmoment noch fortgewirkt hat. Dazu ist enger zeitlicher Zusammenhang nicht unbedingt erforderlich. Liegt er aber vor, so kann auf das Fortwirken zwingend geschlossen werden. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand jedoch nimmt die Indizwirkung ab und entfällt schließlich gänzlich. Eine mehr als fünf Jahre nach dem Hausbesuch abgegebene Willenserklärung kann - wenn nicht ganz besonders außergewöhnliche Umstände vorliegen, die hier nicht vorgetragen sind - nicht mehr auf der Überrumpelung beruhen.

2. Soweit sich die Antragsteller darüber hinaus auf die Formunwirksamkeit des Darlehensvertrages aus 1997 gemäß § 4 I 4 b VerbrKrG berufen, kommt es hierauf nicht mehr an, weil die Antragsteller aus dem neuen Darlehensvertrag von 2003 verpflichtet sind. Im Übrigen wäre der geltend gemachte Formverstoß nach § 6 II VerbrKrG (neu: § 494 II BGB) geheilt gewesen. Dies würde im Übrigen auch für den Darlehensvertrag von 2003 gelten.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nach § 127 IV ZPO entbehrlich.

Ende der Entscheidung

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