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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: WpÜG 3/03
Rechtsgebiete: FGG, GG, GWB, VwGO, VwVfG, WpÜG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 34 I
GG Art. 14 I
GWB § 54
GWB § 71
VwGO § 42 II
VwGO §§ 68 ff
VwGO § 113 I
VwVfG § 13
VwVfG § 18
VwVfG § 29
WpÜG § 3 IV
WpÜG § 4 II
WpÜG § 10
WpÜG § 35
WpÜG § 37
WpÜG § 41
WpÜG § 48
WpÜG § 56
WpÜG § 57
ZPO § 299 II
1. Die einseitige Erledigungserklärung des Beschwerdeführers führt gegen den Widerspruch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) jedenfalls dann nicht zu einer Erledigung des Beschwerdeverfahrens nach dem WpÜG, wenn die BaFin geltend machen kann, dass es sich um eine wesentliche rechtliche Fragestellung handelt, die sich auch in Zukunft bei einer Vielzahl von Verfahren vor der BaFin stellen kann.

2. Ein Aktionär hat im Verfahren des Bieters nach den §§ 35, 37 WpÜG vor der BaFin regelmäßig kein Recht auf Hinzuziehung. Das WpÜG entfaltet insoweit keine drittschützende Wirkung (Bestätigung der Eilentscheidung WpÜG 1/03).

3. Für ein Akteneinsichtsrecht des Aktionärs in die Akten des Verwaltungsverfahrens reicht ein allgemeines Interesse an der Überprüfung des Befreiungsverfahrens regelmäßig nicht aus.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

WpÜG 3/03

Entscheidung vom 09.10.2003

In dem Beschwerdeverfahren nach dem WpÜG ...

hat der Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die befristete Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Widerspruchsbescheide der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 19.05.2003 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2003 am 09.10.2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Wert: 500.000.-

Gründe:

Die Beschwerdeführerin, Aktionärin der X... Y... AG, hat Beschwerde gegen die Bundesanstalt für F... (im Folgenden: B...) auf Hinzuziehung zu einem Befreiungsverfahren erhoben, das die S...-Gruppe im Zuge eines geplanten Übernahmeverfahrens bei der B... mit dem Ziel der Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und Abgabe eines Pflichtangebots angestrengt hatte. Ein zuvor gestellter Antrag der Beschwerdeführerin, die B... im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes zur Hinzuziehung zu verpflichten, war vom Senat zurückgewiesen worden (Beschluss vom 27.05.2003, WpÜG 1/03 = ZIP 2003, 1297 ff = DB 2003, 1371 ff m. Anm. Zschoke/Rahlf).

Die Beschwerdeführerin hat zunächst beantragt, die Beschwerdegegnerin unter Aufhebung der Punkte 1., 2. und 4. des Bescheides der Beschwerdegegnerin vom 29.April 2003 in Gestalt der insoweit ergangenen Widerspruchsbescheide vom 19. Mai 2003 (WA 12-W 1865 - 03/03, WA 12 ­ W 1865 ­ 04/03) dazu zu verpflichten:

1. die Beschwerdeführerin zum Verfahren der Bieterin zur Befreiung (i) von der Verpflichtung nach §§ 35 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 10 Abs. 3 S. 1 und 2 WpÜG, eine Pflichtveröffentlichung vorzunehmen und (ii) von der Verpflichtung gem. §§ 35 Abs. 2 S. 1, 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG, der Beschwerdegegnerin eine Angebotsunterlage zu übermitteln und zu veröffentlichen, hinzuzuziehen;

2. der Beschwerdeführerin Akteneinsicht zu gewähren;

3. nach erfolgter Hinzuziehung der Beschwerdeführerin deren Antrag, der darauf gerichtet ist, den Antrag der Bieterin auf Befreiung im Befreiungsverfahren nach § 37 Abs. 1 WpÜG wegen der Kontrollerlangung an der X.... Y... AG, U., abschlägig zu bescheiden, nach pflichtgemäßem Ermessen neu zu bescheiden.

Nachdem die B... mitgeteilt hat, dass nach Rücktritt vom Kaufvertrag und Rücknahme des Befreiungsantrags ein Verwaltungsverfahren nicht mehr anhängig sei, hat die Beschwerdeführerin die Erledigung der Hauptsache erklärt.

Die Beschwerdeführerin beantragt unter Aufrechterhaltung ihrer Erledigungserklärung, der B... die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die B... beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die B... ist der Ansicht, die Beschwerde sei von Anfang an ohne Aussicht auf Erfolg gewesen. Bei der hier streitigen Frage, inwieweit Aktionäre zum Befreiungsverfahren hinzuziehen seien, handele es sich um eine wesentliche Fragestellung, weswegen der Erledigungserklärung nicht zugestimmt werden könne, sondern zur Klärung der Rechtsfrage eine Entscheidung über das einstweilige Anordnungsverfahren hinaus herbei geführt werden müsse.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen.

Durch die Rücknahme des Befreiungsantrags der Bieterin, die zur Beendigung des Verwaltungsverfahrens bei der B... geführt hat, ist keine Erledigung der Beschwerde eingetreten. Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob im WpÜG-Verfahren ein enger Erledigungsbegriff wie in der ZPO gilt, wonach das Gericht zu prüfen hat , ob die eingereichte Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Anhängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist (Zöller/ Herget/ Vollkommer, ZPO 23. Aufl. 2002, § 91 a Rn 34 ff, 34, 43, 44, 51) oder ob an die verwaltungsprozessuale Praxis anzuknüpfen ist, wonach bei einem erledigenden Ereignis die frühere Begründetheit der Klage nur geprüft wird, sofern der Beklagte über ein analog § 113 I S.4 VwGO zu bestimmendes Feststellungsinteresse verfügt (vgl. hierzu und zum Spektrum der vertretenen Auffassungen Kopp/ Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 161 Rn 23 ff; ; vgl. für das FGG-Verfahren, Keidel/ Kuntze/ Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 19 Rn 81 ff, 86). Dabei bejaht das BVerwG auch ein Feststellungsinteresse, wenn der Beklagte ausschließlich an der Klärung prozessualer Fragen (etwa der Klagebefugnis) interessiert ist (Kopp/ Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 161 Rn 27). Letzteres ist hier der Fall, denn die Frage der Beteiligungsrechte der Aktionäre beim Befreiungsverfahren des Bieters kann sich auch in der Zukunft bei einer Vielzahl von Verfahren vor der B... stellen.

Die Zulässigkeit der Beschwerde beruht - abgesehen von den im übrigen vorliegenden formalen Voraussetzungen - allein darauf, dass die Anträge (Hinzuziehung, Abweisung des Befreiungsantrags und Akteneinsicht) der Beschwerdeführerin durch den Bescheid der B... vom 29.04.2003 und die Widerspruchsbescheide vom 19. Mai 2003 (jeweils hinsichtlich der Hinzuziehung bzw. der Akteneinsicht) zurückgewiesen worden sind, denn nach § 48 II WpÜG eröffnet die Beteiligung am Verfahren vor der B... die gerichtliche Beschwerdemöglichkeit. Die Beschwerde war aber von Anfang an unbegründet. Die Beschwerdeführerin hatte keinen Anspruch darauf, zum Befreiungsverfahren der Bieterin hinzugezogen zu werden. Gleiches gilt für ihren Antrag auf abschlägige Bescheidung des Befreiungsantrags. Der Bescheid der B... und der entsprechende Widerspruchsbescheid wären ohne das unstreitige erledigende Ereignis nicht aufzuheben gewesen. Der Senat bleibt insoweit bei seiner bereits in der oben genannten Eilentscheidung geäußerten Rechtsauffassung, auf die Bezug genommen wird. Es sind bislang keine Gesichtspunkte ersichtlich geworden, die eine andere Beurteilung der Beteiligungsfrage von Aktionären in Verfahren vor der B... erforderlich machten. Es lag ­ wie nachfolgend und im wesentlichen ergänzend noch zu begründen sein wird - weder ein Fall der notwendigen Hinzuziehung (§ 13 II S. 2 VwVfG) vor, noch hat die B... ihr Ermessen bei der Ablehnung der (einfachen) Hinzuziehung fehlerhaft ausgeübt (§ 13 II S. 1 VwVfG) ausgeübt.

Es ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, auf die die Beschwerdeführerin einen im Verfahren nach dem WpÜG durchsetzbaren Beteiligungs- bzw. Untersagungsanspruch stützen könnte.

Nach der sog. "Schutznormlehre" ist ein subjektiv-öffentliches Recht anzunehmen, wenn ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts erstens die Verwaltung verpflichtet, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ihr Ermessen auszuüben, wenn der Rechtssatz zweitens zumindest auch der Befriedigung von Individualinteressen und nicht ausschließlich der Verwirklichung öffentlicher Interessen dient, und wenn der Rechtssatz schließlich darauf gerichtet ist, dem Träger der als schützenswert angesehenen Interessen die Rechtsmacht zur Durchsetzung dieses Interesses einzuräumen (Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rn 31; vgl. auch Senatsbeschluss vom 04.07.2003, WpÜG 4/03 = ZIP 2003, 1392 m. w. N.). Wann ein Interesse zur eigenen Wahrnehmung zugewiesen wird, ist durch die Auslegung der Norm zu klären, wobei im Grundsatz die üblichen Auslegungsgesichtspunkte wie Normtext, Entstehungsgeschichte, Systematik und Schutzzweck zur Anwendung kommen (Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rn 40).

Wie der Senat in den zu dem Fragenkreis der Aktionärsbeteiligung am Verfahren vor der B... bereits ergangenen Beschlüssen (Senatsbeschlüsse vom 27.05.2003, WpÜG 1/03 = ZIP 2003, 1297 ff = DB 2003, 1371 ff m. Anm. Zschoke/ Rahlf; WpÜG 2/03 = DB 2003, 1373 ff = ZIP 2003, 1251; Senatsbeschluss vom 04.07.2003, WpÜG 4/03 = ZIP 2003, 1392 ff) entschieden hat, ergibt sich weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus Ziel und Zweck des WpÜG-Verfahrens, dass der einzelne Aktionär die Rechtsmacht haben sollte, zur Durchsetzung seiner Interessen als Verfahrensbeteiligter auf das Verwaltungsverfahren einzuwirken. Der Senat hält an diesen Bewertungen fest. Die Verpflichtung der B..., ihr durch § 37 WpÜG eröffnetes Ermessen fehlerfrei auszuüben, stellt kein subjektives öffentliches Recht der Aktionäre auf eine Versagung der Befreiung dar. Das Ermessen der B... dient nicht dazu, Individualinteressen der Aktionäre rechtlich abzusichern, sondern das Ermessen dient nach der Anlage des WpÜG, wie es im Gesetzgebungsverfahren verabschiedet wurde, dem Interesse der Allgemeinheit an verlässlichen Marktbedingungen. Zwar war im Regierungsentwurf der Kreis der Beteiligten im Verwaltungsverfahren vor der B... umfassender angelegt, dieser Ansatz wurde jedoch nach Erörterung im Finanzausschuss zurückgeschnitten. Da der Gesetzgeber sich im WpÜG dafür entschieden hat, dass mit dem kapitalmarktrechtlichen Funktionenschutz subjektiv-öffentliche Rechte Dritter nicht einhergehen sollten, ist dies bei der Auslegung der einzelnen WpÜG-Normen zu berücksichtigen (von Riegen, Verwaltungsrechtsschutz Dritter im WpÜG, Der Konzern 2003, 583 ff, 588).

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie habe nach einfachgesetzlicher Auslegung der §§ 37, 35 WpÜG Anspruch auf Hinzuziehung zum Befreiungsverfahren nach § 13 II S. 2 VwfG ist ihr deshalb nicht zu folgen. Entgegen ihrer Ansicht hilft der Beschwerdeführerin hier auch das Instrument der verfassungskonformen Auslegung nicht weiter. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 I GG schreibt dem Gesetzgeber für den Anwendungsbereich des WpÜG, also bei Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 1 WpÜG), keinen speziellen Aktionärsschutz vor. Der Bereich des Pflichtangebots war in der Vergangenheit gesetzlich nicht geregelt, ohne dass dieser Zustand als verfassungswidrig angesehen worden wäre (Cahn, Verwaltungsbefugnisse der Bundesanstalt für F... im Übernahmerecht und der Rechtsschutz Betroffener, ZHR 167 (2003), S. 262 ff, 286, 287; Hecker, Die Beteiligung der Aktionäre am übernahmerechtlichen Befreiungsverfahren, Nr. 116, Arbeitspapiere, Institut für Bankrecht (Lehrstuhl Prof. Dr. Theodor Baums) der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, S. 19). Durch die Einführung des WpÜG hat der Gesetzgeber durch die Einschaltung der B... den Minderheitenschutz zugunsten der Aktionäre bereits verstärkt. Es lag in seinem gesetzgeberischen Ermessen, wie er seine Intention, den Finanzplatz Deutschland zu stärken, umsetzte. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung war es im Hinblick auf die zu beachtenden Rechte des Bieters und der Zielgesellschaft jedenfalls sachgerecht, die Beteiligung im Verfahren vor der B... zu beschränken. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin schließt der Schutzbereich des Grundrechts das Pflichtangebot i.S.d. § 35 WpÜG nicht von vornherein ein, denn der Gesetzgeber ist mit der Schaffung eines Pflichtangebots und der Sanktionsnormen der §§ 38, 59 WpÜG über den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz hinausgegangen. Die dem Aktionärsschutz dienenden Sanktionen runden das Aktieneigentum auch nicht von vornherein als Eigentumsbestandteil ab und werden durch die Befreiung aberkannt, sondern die den Aktionären günstigen Sanktionen stehen unter dem Vorbehalt, dass keine Befreiungsverfügung vorliegt (vgl. von Riegen, Verwaltungsrechtsschutz Dritter im WpÜG, Der Konzern 2003, 583 ff, 588, 591, 592). Europarechtliche Vorschriften, die den Spielraum des Gesetzgebers hier eingeengt hätten, gibt es bislang nicht (vgl. Senatsbeschluss WpÜG 4/03, von Riegen, je a.a.O).

Der Senat verkleinert mit dieser Auffassung entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch nicht den Schutzbereich des Art. 14 I GG im Verhältnis zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Macroton- Entscheidung (DB 2003, 544 ff). In dieser Entscheidung zum Delisting hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass das reguläre Delisting wegen der damit verbundenen erheblichen Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit der Aktien das Aktieneigentum beeinträchtige. Der Bundesgerichtshof hat deswegen ein Pflichtangebot für erforderlich gehalten, dessen Angemessenheit entsprechend den Regeln des Spruchverfahrens im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu überprüfen ist. Um die Börsennotierung geht es hier jedoch nicht. Die Beschwerdeführerin wäre auch nach einer Befreiungsentscheidung weiterhin Mitglied einer börsennotierten Gesellschaft geblieben. Der Gesetzgeber hat ­ wie oben schon erwähnt - mit der grundsätzlichen Verankerung eines Pflichtangebots im WpÜG gegenüber der früheren Rechtslage den Aktionärsschutz in Übernahmefällen erweitert. Er hat die Ausnahmen von sachgerechten Kriterien abhängig gemacht, deren Überprüfung er der B... überlassen durfte. Der Senat stimmt deswegen mit der Beschwerdeführerin auch nicht dahin überein, dass ­ ausgehend von den jetzigen Regeln des WpÜG ­ eine fehlende Beteiligung im Befreiungsverfahren die Untermaßverbotsgrenze überschreitet.

Ebenso wenig teilt er die Einschätzung, dass sich im Falle einer Vielzahl von Aktionären, die sich am Verwaltungsverfahren beteiligen wollen, eine ausreichende Beschleunigung dadurch erreichen lässt, dass die B... zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gem. § 18 VwVfG auffordert. § 18 VwVfG erlaubt die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nur bei Personen, die keinen Bevollmächtigten i. S. v. § 14 VwVfG bestellt haben (Kropp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000; § 18 Rn 4). Diese Möglichkeit löst also im Zweifel nicht das Problem, dass bei Beteiligungsrechten der Aktionäre im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren einer Mehrzahl von Bevollmächtigten in kurzer Zeit hinsichtlich des Tatsachenvortrags rechtliches Gehör zu gewähren wäre, ganz abgesehen davon, dass die Bestimmung des gemeinsamen Vertreters noch eine angemessene Fristsetzung voraussetzt. Wie der Senat auch in seinen vorangegangenen Entscheidungen (vgl. WpÜG 4/04, a.a.O.) ausgeführt hat, hat das WpÜG aus gutem Grund wegen der damit verbundenen Belastung für die Zielgesellschaft vorgeschrieben, dass Bieter und Zielgesellschaft das Verfahren rasch durchzuführen haben (§ 3 IV WpÜG).

Vor dem Hintergrund der gewollten Engführung des Kreises der Beteiligten sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die Bundesanstalt für F... von ihrem Hinzuziehungsermessen (§ 13 II S. 1 VwVfG) in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hätte. Dies gilt auch, wie in der Eilentscheidung ausgeführt, unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragstellerin 8,03 % der Aktien hält. Wegen des Beschleunigungsprinzips war die Ablehnung der Hinzuziehung nicht zu beanstanden (so auch von Riegen, Verwaltungsrechtsschutz Dritter im WpÜG, Der Konzern 2003, 583 ff, 598).

Soweit die Beschwerdeführerin unter Berufung auf Dolde (Dolde, RWS Forum 2003 zum Gesellschaftsrecht, Veröffentlichung Dezember 2003) Rechtsschutz nach dem WpÜG für ein Anfechtungsbegehren auch ohne die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts für möglich hält, kann der Senat dem ebenfalls nicht folgen. Dolde leitet diese Ansicht aus § 56 II WpÜG ab, der vorsieht, dass das Beschwerdegericht die Verfügung der B... aufhebt, wenn es sie für unzulässig oder unbegründet hält. Dolde meint im Gegensatz zu Pohlmann (KK-WpÜG, § 56 Rn 9), dass deswegen der Erfolg der Beschwerde nicht davon abhänge, dass der Beschwerdeführer in einem subjektiven Recht verletzt sei. Diese Auslegung des Prüfungsmaßstabs wird dem Umstand nicht gerecht, dass für das Widerspruchsverfahren, das ein Vorschaltverfahren für das Beschwerdeverfahren ist, die §§ 68 bis 73 VwGO gelten, soweit das WpÜG keine anderweitige Regelung trifft (§ 41 I WpÜG). Die so einbezogenen Regelungen der §§ 68 ff VwGO setzen bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung die Verletzung einer durch drittschützende Rechtsnormen geschützten Rechtsposition voraus. § 68 I VwGO eröffnet ebenso wenig wie § 42 II VwGO eine Popularbeschwerde. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Widerspruchs ist immer, dass der Widerspruchsführer durch den Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit er geltend macht, jedenfalls in seinen Rechten, d.h. in einer durch drittschützende Rechtsnormen geschützten Rechtsposition betroffen ist (Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 69 Rn 6). Das WpÜG lässt nicht erkennen, dass es mit § 56 II WpÜG das Einfallstor für eine Popularklage oder allgemein Beteiligungsrechte von Aktionären im Verwaltungsverfahren vor der B... schaffen wollte. Darauf liefe es aber hinaus, wenn lediglich die formale Stellung als Beteiligter im Widerspruchsverfahren und nicht eine verletzte drittschützende Norm die Möglichkeit eröffnete, die Verwaltungsentscheidung der B... hinsichtlich des Angebots bzw. des Befreiungsantrags des Bieters überprüfen zu lassen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch einen Vergleich zwischen § 56 II WpÜG und § 71 II GWB. Die Vorschriften entsprechen sich im Wortlaut, was zunächst darauf zurückzuführen ist, dass sich die Regelungen über das Beschwerdeverfahren und die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung des WpÜG an den entsprechenden kartellrechtlichen Vorschriften orientiert haben (Pötsch, Das neue Übernahmerecht, S. 50). Der Kreis der Beteiligten ist im WpÜG aber letztlich enger gefasst worden als im kartellrechtlichen Verfahren. § 54 GWB kennt geborene und gekorene Beteiligte während dem WpÜG eine solche Vorschrift fehlt. Für das kartellrechtliche Verfahren hat § 54 GWB zur Folge, dass ein Verfahrensbeteiligter im gerichtlichen Beschwerdeverfahren die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts nicht darlegen muss, es reicht vielmehr aus, wenn er darlegt, dass ihn die angefochtene Entscheidung in seinen Interessen berührt wird, also eine materielle Beschwer vorliegt (§ 63 II GWB; Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 63 Rn 27). § 53 WpÜG-RegE enthielt für das Beschwerdeverfahren zwar noch eine an § 13 I Nr. 4 VwVfG ausgerichtete Aufzählung der möglichen Beteiligten. Diese wurde im Gesetzgebungsverfahren jedoch modifiziert auf die eng geführte Regelung, dass an dem Verfahren vor dem Beschwerdegericht der Beschwerdeführer und die B... beteiligt sind (§ 52 WpÜG). Diese Änderung setzt die Wirkung des § 4 II WpÜG verfahrensrechtlich um (vgl. von Riegen, Verwaltungsrechtsschutz Dritter im WpÜG, Der Konzern, S. 583 ff, 587). Sie berücksichtigt nach der Begründung des Finanzausschuss, dass in dem Verfahren vor dem Bundesaufsichtsamt (jetzt: B...) ausschließlich der Adressat einer Verfügung bzw. derjenige, der geltend macht, einen Anspruch auf den Erlass einer Verfügung zu haben, beteiligt sei. Dementsprechend erfolge auch keine Hinzuziehung von Personen bzw. Personenvereinigungen durch das Bundesaufsichtsamt. Schon wegen dieser deutlichen Akzentsetzung in Richtung Engführung des Beteiligtenkreises kann von einer Erweiterung der Beschwerdemöglichkeit unabhängig von der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts nicht ausgegangen werden (so i. Erg. auch Zschoke, Europapolitische Mission, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, DB 2002, 79 ff, 84; a.A. i. Erg. Zschoke/Rahlf, a.a.O., DB 2003, S. 1375).

Diese Ansicht berücksichtigt ferner nicht, dass im Gesetzgebungsverfahren § 42 WpÜGRegE fallen gelassen wurde, der bei rechtsmissbräuchlicher Einlegung eines Widerspruchs nach § 41 WpÜG oder einer Beschwerde nach § 49 WpÜG vorsah, dass der Widerspruchsführer bzw. der Beschwerdeführer verpflichtet ist, den Beteiligten den Schaden zu ersetzen, der ihnen durch einen Missbrauch des Widerspruchs- oder Beschwerderechts entstanden ist. Die Begründung des Finanzausschusses lautete dazu (BT-Drucksache 14/ 7477, S. 53), dass die Vorschrift keinen praktischen Anwendungsbereich habe, da Dritte durch Verfügungen des Bundesaufsichtsamts nicht in ihren Rechten verletzt sein und demzufolge keinen Widerspruch einlegen könnten, der als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren wäre. Mithin ist insgesamt im Gesetzgebungsverfahren eine Wendung weg vom erweiterten Beteiligtenkreis des § 53 WpÜG-RegE hin zum schlanken Verwaltungsverfahren mit dementsprechender gerichtlicher Kontrolle gemacht worden. Dies darf die Gesetzesauslegung nicht konterkarieren.

Die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht durch die B... verletzte die Beschwerdeführerin gleichfalls nicht in ihren Rechten. Ein Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwfG hat nicht bestanden, denn diese Vorschrift regelt nur die Akteneinsicht durch die Beteiligten im laufenden Verwaltungsverfahren (Stelkens/ Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 1981, § 29 Rn 18). Eine Beteiligtenstellung im Verfahren der Bieterin hatte die Beschwerdeführerin aber gerade nicht.

Eine gesetzliche Vorschrift, die das Akteneinsicht allgemein regelt, gibt es nicht. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass es einen allgemeinen Anspruch auf Akteneinsicht außerhalb des Verwaltungsverfahrens grundsätzlich nicht gibt. Ein solcher kann jedoch in Betracht kommen, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht geltend machen kann und dieses auch glaubhaft macht. In diesem Fall entscheidet die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Das bedeutet, der Antragsteller muss ein eigenes und gewichtiges Interesse an der Akteneinsicht darlegen; dieses ist gegen das öffentliche Interesse an der Vertraulichkeit der Akten und gegen das berechtigte Interesse Dritter abzuwägen (BVerwG, Beschluss vom 30. Aug. 1976; Az.: VII B 116.76, Jurisdok. Nr. KSRE021310004). Nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses besteht ein subjektives Recht auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens (BVerwG, Beschluss vom 15.06.1989, Az: 5 B 63/89, Jurisdok. Nr. WBRE310165303; BVerwGE 69, 278 ff; BVerwGE 61, 15 ff; BVerwGE 30, 154 ff; VGH München, NVwZ 1999, 889/ 890). Diese verwaltungsrechtlichen Grundsätze decken sich auch mit den gesetzlichen Regelungen über die Akteneinsicht Dritter in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 34 I S. 1 FGG), während die Zivilprozessordnung für die Einsicht Dritter in Gerichtsakten ein rechtliches Interesse fordert (§ 299 II ZPO).

Der Begriff des "berechtigten Interesses" ist weniger streng als der des "rechtlichen Interesses" in § 299 II ZPO (BGH, NJW-RR 1994, 381 ff). Ein rechtliches Interesse muss sich auf ein bereits vorhandenes Recht stützen. Es ist regelmäßig gegeben, wenn die erstrebte Kenntnis von dem Inhalt der Akten zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist. Ein berechtigtes Interesse muss sich nicht auf ein bereits vorhandenes Recht stützen; es genügt vielmehr jedes nach vernünftiger Erwägung durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse, das auch wirtschaftlicher Art sein kann. Nicht berechtigt ist das Interesse, wenn es lediglich auf die Ermittlung einzelner, in der Akte möglicherweise enthaltener Fakten gerichtet ist (Keidel/ Kuntze/ Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 34 FGG Rn 13).

Vorliegend war das Begehren der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht in erster Linie von der Absicht getragen, an dem Befreiungsverfahren der Bieterin zum Zweck der Verhinderung der Befreiung vom Pflichtangebot beteiligt zu werden. Der Senat hat keine Umstände erkennen können, die die Ablehnung der Akteneinsicht durch die B... ermessensfehlerhaft erscheinen lassen. Die Beschwerdeführerin hatte ­ wie dargelegt ­ keinen Anspruch am Verfahren beteiligt zu werden. Ein weitergehendes Interesse ist nicht ersichtlich geworden. Soweit die Beschwerdeführerin ein Interesse für sich reklamiert hat, der B... auf der Grundlage der Kenntnis der Verfahrensakte eine Stellungnahme zum Antrag der Bieterin zukommen zu lassen und deswegen bzw. für eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Beteiligung an der Zielgesellschaft den Inhalt der Verfahrensakte insbesondere den Befreiungsantrag einzusehen, geht auch diese Begründung des Antrags auf Akteneinsicht nicht über das Beteiligungsinteresse hinaus.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin als unterliegende Beteiligte zu tragen. Ihr auch die etwa entstandenen außergerichtlichen Kosten der B... zu überbürden, hat der Senat keinen Anlass gesehen.

Ende der Entscheidung

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