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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 18.11.2002
Aktenzeichen: 13 U 15/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 2
"Eine gemeinsame Vorstandstätigkeit eines Richters und eines Prozessbevollmächtigen in einem Verein und eine sich daraus ergebende private Bekanntschaft rechtfertigen für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit."
Hanseatisches Oberlandesgericht

13 U 15/02

Hamburg, 18.11.2002

Beschluss

Tenor:

Das Gesuch des Klägers vom 7.8.2002 auf Ablehnung des RiAG F. wird für unbegründet erklärt.

Gründe:

Das zulässige Ablehnungsgesuch hat keinen Erfolg.

Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muss es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; reine subjektive, unvernünftige Vorstellungen scheiden aus. Maßgebend ist nicht, ob der Richter tatsächlich befangen ist oder sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (ZöllerVollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 42 ZPO Rn. 9 m.w.N.). Solche Gründe liegen hier nicht vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verhältnis des Richters zu einem Prozessbevollmächtigten lediglich in engen Grenzen als Ablehnungsgrund in Betracht kommt, weil es nur mittelbare und somit schwächere und leichter zu bewältigende Auswirkungen auf die Einstellung des Richters zur Partei zeitigen kann (Teplitzky JuS 1969, 318, 321; vgl. auch Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 42 ZPORn. 13). Im Einzelnen:

1. Zusammenarbeit in Vereinsfragen

Nach dem Hinweis des abgelehnten Richters vom 18.7.2002 gehören zwar er und der Beklagtenvertreter seit rund 10 Jahren gemeinsam dem Vorstand des Kommunikationsvereins Hamburger Juristen an; vor geraumer Zeit gehörten beide dem engerem Vorstand an, derzeit ist der Beklagtenvertreter Mitglied des erweiterten Vorstands und ist der abgelehnte Richter der erste Vorsitzende des Vereins. Ferner habe sich aus der gemeinsamen Vorstandtätigkeit eine enge Zusammenarbeit in Vereinsfragen ergeben. Dies rechtfertigt jedoch nicht Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters. Zum einen werden durch das Verfahren keine Vereinsinteressen oder Vereinsziele berührt. Zum anderen kann dem Kläger nicht darin gefolgt werden, es könne nicht ausgeschlossen werden, der abgelehnte werde sich bei seiner Entscheidung von dem Gedanken an die Zustimmung des Beklagtenvertreters vor dem Hintergrund der gemeinsamen Vereinstätigkeit und der damit einhergehenden "Abhängigkeiten" beeinflussen lassen. Damit würde unterstellt, dass der Beklagtenvertreter aufgrund der gemeinsamen Vorstandstätigkeit von dem abgelehnten Richter ein pflichtwidriges Verhalten zum Nachteil der anderen Partei erwartet und dass der Richter diese Erwartung nicht enttäuscht. Im übrigen ist nicht glaubhaft gemacht, dass und inwiefern welche "Abhängigkeiten" bestehen sollen. "Abhängigkeiten" sind auch sonst nicht ersichtlich, insbesondere nicht aus der - im Internet unter www.kommuverein.de abrufbaren - Vereinssatzung. Der Zweck des Vereins ist lediglich die Förderung der Kommunikation der Juristischen Berufe untereinander und der Juristen mit Angehörigen anderer Fachbereiche durch Planung und Organisation von Fortbildungsveranstaltungen unter Einbeziehung aller Bereiche der juristischen Praxis und Fragen der Ausbildung (§ 3 der Satzung) - mehr nicht.

2. Persönliche Bekanntschaft

Zwar hat sich - nach dem weiteren Hinweis des abgelehnten Richters vom 18.7.2002 - aus der engen Zusammenarbeit in Vereinfragen eine nähere persönliche Bekanntschaft ergeben. Diese begründet aber ebenfalls keine berechtigten Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit. Nach den Ausführungen des Beklagtenvertreters war er mit dem abgelehnten Richter über die ganzen Jahre der gemeinsamen Vereinstätigkeit nicht einmal privat zusammen Essen oder hat ein Essen oder eine Bewirtung in einem der Privathaushalte stattgefunden. Überdies begründet selbst eine - über eine persönliche Bekanntschaft hinausgehende - Freundschaft zwischen einem Richter und einem Prozessbevollmächtigten allein keine Besorgnis der Befangenheit (Stein-Jonas-Bork, ZPO, 21. Aufl. § 42 ZPO Rn. 4; Schneider DRiZ 1978, 42, 45; Teplitzky JuS 1969, 318 , 321; Günther ZZP Bd. 105 (1992), 20, 32). Etwas anderes gilt nur, wenn die besondere Beziehung in dem Verfahren selbst in Erscheinung getreten ist und eine Partei den Eindruck haben muss, dass der Richter sein persönliches Verhältnis zu dem Prozessbevollmächtigten nicht genügend von dem Prozessgeschehen trennt (vgl. Wieczorek, ZPO, 3. Aufl., § 42 ZPO Rn. 17; Teplitzky JuS 1969, 318, 321; S. auch Stein-Jonas-Bork, ZPO, 21. Aufl. § 42 ZPO Rn. 4). Eine solche Auswirkung gegenüber dem Kläger lässt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der abgelehnte Richter nicht in der Lage ist, sein Verhältnis zum Beklagtenvertreter hinreichend vom Verfahren selbst zu trennen und letzteres ohne Rücksicht auf ersteres sachlich zu bewerten und zu entscheiden.

3. Gesamtumstände

Schließlich können auch bei einer Gesamtwürdigung der vorgenannten Umstände bei einer ruhig und bedacht denkenden Partei keine vernünftigen Zweifel an der Neutralität, Distanz und Selbstkontrolle des abgelehnten Richters bestehen.

Ende der Entscheidung

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