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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 24.10.2008
Aktenzeichen: 2 VAs 5/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 483 Abs. 1
StPO § 485 S. 1
StPO § 489 Abs. 2 S. 1
1. § 489 Abs. 2 S. 1 StPO als Ausprägung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung kann - nachprüfbar nach §§ 23 ff. EGGVG - das subjektive Recht auf Löschung personenbezogener Daten im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister begrünen.

2. Die Speicherung darf Daten nur erfassen, soweit dies zur Erfüllung ihres gesetzlichen Zwecks geeignet und - insbesondere nach Datenumfang und Zeitaspekt - erforderlich ist.

3. Soweit die Staatsanwaltschaft bei Führung ihres Registers von dem durch die bundeseinheitlichen Aufbewahrungsbestimmungen (AufbewBest.) aufgestellten Fristnahmen ausgeht und in den AufbewBest. auf die Bewährungsfrist abgehoben wird, sind sämtliche Voraussetzungen der §§ 78 ff. StGB im Einzelfall zu berücksichtigen.

4. Die Einzelfallbearbeitung nach § 489 Abs. 2 S. 1 StPO erfordert mit dem Ergebnis u.U. gegenüber den AufbewBest. auch verkürzter Löschungsfrist - jedenfalls auf Antrag des Betroffenen eine weitergehende Prüfung des konkreten Einzelfalls insbesondere im Hinblick auf Tatvorwurf und Rechtsbeeinträchtigung des Betroffenen. Von Bedeutung kann sein, ob nach Person und Lebensumfeld des Betroffenen ausgeschlossen erscheint, dass dieser erneut strafrechtlich in Erscheinung treten wird.

5. Eine Überliegefrist als Sicherheitszuschlag bedarf der Begründung.

6. Bei Speicherung zur Vorgangsverwaltung ist nicht ohne weiteres ersichtlich, warum nach Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO der vormals erhobene Vorwurf einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in das Verfahrensregister aufgenommen werden muss.


Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss

2 VAs 5/08

In der Justizverwaltungssache

hier betreffend

a) Verkürzung der Aktenaufbewahrungsfrist,

b) Vernichtung von Ermittlungsakten,

c) Löschung von Daten aus dem Verfahrensregister/Zentralregister

hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg am 24. Oktober 2008 durch

den Richter am Oberlandesgericht Dr. Augner die Richterin am Oberlandesgericht Schlage die Richterin am Amtsgericht Zimmerling

beschlossen:

Tenor:

1. Auf den Antrag des Antragstellers wird der Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 28. Februar 2008 in der Fassung vom 17. Juni 2008, soweit er die Ablehnung der Verkürzung der Aktenaufbewahrungsfrist für das Verfahren 7204 Js 31/07 auf fünf Jahre enthält, aufgehoben.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg wird insoweit verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts neu zu bescheiden.

2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3. Die Gerichtsgebühr wird nach einem Geschäftswert von Euro 1.500,-- erhoben.

Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind nach einem Geschäftswert von Euro 3.000,-- zur Hälfte aus der Staatskasse zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat mit Bescheid vom 9. Juli 2007 das gegen den Antragsteller als Beschuldigten geführte Ermittlungsverfahren 7204 Js 31/07 mangels Beweises nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dem Antragsteller war zur Last gelegt worden, sexuelle Handlungen vor einem Kind vorgenommen zu haben, indem er seiner Tochter E L H., geboren, pornographische Ausdrucke aus dem Internet zugänglich machte, die die Kindesmutter J. K., Inhaberin einer "Escort-Agentur", unter http://www.sex-party-hamburg.de ins Netz gestellt hatte und die sie beim Geschlechts- und Oralverkehr zeigten (§ 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB). Der Tatverdacht war in den Ermittlungen nicht erhärtet worden; insbesondere war die Kindesmutter J. K. von ihrer gegen den Antragsteller aufgebrachten Verdächtigung später wieder abgerückt.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat in ihrem Verfahrensregister ("MESTA") aus Anlass des gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahrens folgende Daten über diesen gespeichert:

 AktenzeichenEing. DatumDeliktTatzeit:Erledigung/ EntscheidungErled.Datum
7204 Js 31/0708.03.2007176 4 1 StGB01.02.2007Einst. - § 170 II StPO09.07.2007

Als Aufbewahrungsfrist wurde in den Akten "zehn Jahre" notiert.

Den Antrag des Antragstellers, die gespeicherten Daten gemäß § 489 Abs. 2 StPO zu löschen und die Aufbewahrungsfrist von zehn auf fünf Jahre zu verkürzen, lehnte die Staatsanwaltschaft mit Bescheiden vom 25. Februar 2008 und 28. Februar 2008 ab.

In dem Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg - Leitender Oberstaatsanwalt - vom 25. Februar 2008 wurde ausgeführt: Die Staatsanwaltschaft sei gemäß § 485 StPO berechtigt, personenbezogene Daten zum Zwecke der Vorgangsverwaltung zu speichern. Nach § 489 Abs. 2 Nr. 3 StPO seien personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich sei. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft sei auf Grund der auf den Verjährungsfristen basierenden Aufbewahrungsbestimmungen für Akten (Allgemeine Verfügung der Justizbehörde Nr. 16/2004 vom 1. September 2004, HmbJVbl. 2004, S. 59) verpflichtet, auch im Falle der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens die entsprechenden Akten mindestens fünf Jahre aufzubewahren, da die Akten bis zum Ablauf der Verjährungsfristen für die Verfolgung von Straftaten auffindbar und verfügbar sein müssten. Der Sinn der Verfahrensdatei bestehe u.a. darin, die bei der Staatsanwaltschaft bearbeiteten Verfahren jederzeit wieder aufzufinden, wobei der Name des Beschuldigten Kriterium für das Wiederauffinden eines Verfahrens sei. Bei der Löschung des Datensatzes würde das Auffinden des Verfahrens im Rahmen der Vorgangsverwaltung nicht mehr ohne weiteres möglich sein. Die Löschung der in der Zentralkartei enthaltenen Daten erfolge jedoch spätestens zum Zeitpunkt der Vernichtung der Akten. Dieser sei abhängig von der Art des Vorwurfs und des Ausganges des Verfahrens und richte sich nach den Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen für das Schriftgut der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaften und der Justizvollzugsbehörden (Aufbewahrungsbestimmungen-, Bearbeitungsstand: März 2007, zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung der Justizbehörde Nr. 1/2007 vom 28. Dezember 2006 - AufbewBest. -). Danach komme eine Löschung des Verfahrens zurzeit noch nicht in Betracht. Hinsichtlich des insoweit gestellten Antrages, die derzeit notierte Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren auf fünf Jahre zu korrigieren, sei das Schreiben des Antragstellers an die zuständige Ermittlungsdezernentin zur Entscheidung weitergeleitet worden. Der Antragsteller werde von dort unaufgefordert Mitteilung über das Ergebnis der dortigen Entscheidung erhalten.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2008 teilte die zuständige Ermittlungsdezernentin dem Antragsteller mit: Die Aufbewahrungsfristen für eingestellte Ermittlungsverfahren richteten sich nach der Verjährungsfrist des jeweiligen Delikts. Ausnahmen seien nicht vorgesehen. Gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB betrage die Verjährungsfrist für Vorwürfe nach § 176 Abs. 4 StGB fünf Jahre. Die Verjährung ruhe allerdings gemäß § 78 b Abs. 1 StGB bis zum 18. Lebensjahr des Opfers. Eine Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren komme hier somit nicht in Betracht, vielmehr müssten die Akten bis zum Jahr 2030 verwahrt werden.

Der Bescheid vom 25. Februar 2008 ist bei dem Antragsteller eingegangen am 28. Februar 2008, der Bescheid vom 28. Februar 2008 am 6. März 2008.

Am 7. April 2008, einem Montag, hat der Antragsteller bei dem Senat Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gestellt. Er hat beantragt, den Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 28. Februar 2008, soweit er die Ablehnung der Verkürzung der Aktenaufbewahrungsfrist für das Verfahren 7204 Js 31/07 auf fünf Jahre enthalte, aufzuheben und die Staatsanwaltschaft zu verpflichten, spätestens am 31. Dezember 2012 die Ermittlungsakten dieses Verfahrens zu vernichten und die darauf bezogenen Einträge im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister "MESTA" zu löschen,

hilfsweise die Staatsanwaltschaft zu verpflichten, spätestens am 31. Dezember 2024 die Ermittlungsakten zu vernichten und die darauf bezogenen Einträge im Verfahrensregister zu löschen.

Unter dem 26. Mai 2008 vermerkte die Staatsanwaltschaft in den Akten: Nach den anzuwendenden Aufbewahrungsbestimmungen - Lfd. Nr. 622, Bemerkungen Spalte 6 - seien Akten in Js- und UJs-Verfahren, "aus denen sich ergibt, dass der objektive Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens vorliegt, der Täter aber nicht zur Aburteilung zu bringen ist, ... in allen Fällen mindestens so lange aufzubewahren, als nicht die Strafverfolgung durch Verjährung ausgeschlossen ist." Nach dem Wortlaut der Bestimmung sei die Zeitspanne, während deren die Verfolgung ruhe, weil z.B. - wie im vorliegenden Fall - das Opfer das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht habe, zu berücksichtigen. Ein Ermessen, etwa angelehnt an den Grad des Tatverdachts, sei nicht vorgesehen. Die verfügte Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren erkläre sich aus der Tatsache, "dass durch MESTA für § 176 StGB grundsätzlich eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren vorgegeben" werde. Allerdings seien die in dem Bescheid vom 28. Februar 2008 angestellten Berechnungen offenbar versehentlich mit dem Geburtstag der jüngeren Schwester der Geschädigten erfolgt, sodass "eine um fünf Jahre zu lange Aufbewahrungsfrist" errechnet worden sei. Es verbleibe aber bei der rechtlichen Einordnung des Tatvorwurfs in den objektiven Tatbestand des § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB, sodass die Akten bis zum Jahr 2025 - "einschließlich des üblichen Sicherheitszuschlags vom einem Jahr" - aufzubewahren seien. Mit staatsanwaltschaftlichem Bescheid vom 17. Juni 2008 ist dem Antragsteller mitgeteilt worden, dass die Akten bis zum Jahre 2025 aufbewahrt würden.

Der Antragsteller hat daraufhin den Hilfsantrag, die Staatsanwaltschaft zu verpflichten, spätestens am 31. Dezember 2024 die Ermittlungsakten zu vernichten und die darauf bezogenen Einträge im Verfahrensregister MESTA zu löschen, für erledigt erklärt. Im Übrigen hält er seine gestellten Anträge aufrecht.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und nach Maßgabe des Tenors dieses Beschlusses teilweise begründet.

1. Der Antrag ist gemäß §§ 23 ff. EGGVG zulässig.

a) Der Antrag richtet sich zu Recht gegen den Bescheid vom 28. Februar 2008. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vom 17. Juni 2008 stellte sich als - teilweise - Abhilfe (so auch die der Entschließung vom 17. Juni 2008 vorangegangene Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 2. Juni 2008) nicht den Erlass eines Zweitbescheides dar, der den vorangegengenen Bescheid vom 28. Februar 2008 vollen Umfangs ersetzte und an dessen Stelle trat; es wurde vielmehr lediglich der ergangene Bescheid inhaltlich modifiziert, im Übrigen aber in Geltung belassen (siehe dazu die vergleichbare Regelung des § 306 Abs. 2 StPO, wonach auch bei Teilabhilfe im gerichtlichen Beschwerdeverfahren die neue Entscheidung mit der Erstentscheidung verfahrensrechtlich eine Einheit bildet; dazu Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 306 Rdn. 8).

b) Bei der Ablehnung eines Antrages auf Löschung der in einem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (§ 483 StPO) gespeicherten Daten und Vernichtung der Akten handelt es sich um eine Maßnahme, die die Staatsanwaltschaft als Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege trifft. Der angegriffene Bescheid ist daher als so genannter Justizverwaltungsakt im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG justiziabel (Senat, Beschluss vom 3. Dezember 2007 - Az.: 2 VAs 10/07 -; KG, Beschl. v. 6. August 1999 - Az.: 4 VAs 10/99 -; OLG Dresden, StV 2004, 68, ber. 368; OLG Zweibrücken, NStZ 2007, 55; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2008, 183; Gieg in KK-StPO, 6. Aufl., § 489 Rdn. 3).

c) Der Antragsteller macht auch geltend, durch den staatsanwaltschaftlichen Bescheid in seinen Rechten - hier in seinem Recht auf Löschung von Verfahrensdaten aus der staatsanwaltschaftlichen Datei gemäß § 489 Abs. 2 StPO sowie in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung( Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) - verletzt zu sein (§ 24 Abs. 1 EGGVG; vgl. dazu Senat, a.a.O.; OLG Dresden, a.a.O.).

d) Der Durchführung eines Vorschaltverfahrens nach § 24 Abs. 2 EGGVG bedurfte es nicht. Zwar kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, soweit Maßnahmen der Justiz- oder Vollzugsbehörden der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliegen, dieser Vorschrift gemäß erst nach vorausgegangenem Beschwerdeverfahren gestellt werden. Ein solches Beschwerdeverfahren (Vorverfahren) steht indes nicht zur Verfügung. Allerdings werden gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 HmbVwGOAusfG Verwaltungsakte in einem Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nachgeprüft. Das gilt indes nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 HmbVwGOAusfG für die - wie vorliegend - von § 23 Abs. 1S. 1 EGGVG erfassten Maßnahmen von Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet u.a. der Strafrechtspflege nicht (Senat, a.a.O.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 7. April 2004 - Az.: 2 VAs 12/03 -).

e) Auch die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG, innerhalb deren der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheides gestellt werden muss, ist gewahrt.

2. Der Antrag hat auch in der Sache teilweise - nämlich vorläufig - Erfolg. Er führt zur Aufhebung des staatsanwaltschaftlichen Bescheides. Außerdem spricht der Senat - mangels Spruchreife der Sache - die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, und verweist die Sache an die Staatsanwaltschaft Hamburg zurück (§ 28 Abs. 2 S. 2 EGGVG).

a) Ein Anspruch des Antragstellers auf Löschung der bei der Staatsanwaltschaft gespeicherten Daten kann sich aus der Regelung des § 489 Abs. 2 S. 1 StPO ergeben. Nach dieser Vorschrift sind personenbezogene Daten in staatsanwaltschaftlichen Dateien dann zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist oder sich aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung ergibt, dass die Kenntnis der Daten für die in den §§ 483, 484, 485 StPO jeweils bezeichneten Zwecke nicht mehr erforderlich ist. Zweck des § 485 StPO ist die Vorgangsverwaltung.

Dass die Speicherung der Daten des Antragstellers in der staatsanwaltschaftlichen Datei unzulässig wäre, ist nicht ersichtlich. Ob hingegen die Kenntnis der Daten für den in § 485 StPO bezeichneten Zweck nicht mehr erforderlich ist, vermag der Senat zurzeit nicht zu beurteilen, weil insoweit Spruchreife nicht vorliegt. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Staatsanwaltschaft eine Einzelfallbearbeitung zur Prüfung der Erforderlichkeit der weiteren Datenspeicherung durchgeführt hat. § 489 Abs. 2 StPO enthält zwar dem Wortlaut nach einen Hinweis darauf, wann die speichernde Stelle eine Einzelfallbearbeitung durchzuführen hat, nicht. Angesichts des mit der Verpflichtung korrespondierenden Löschungsanspruch des Betroffenen hat die Staatsanwaltschaft aber jedenfalls dann eine Einzelfallbearbeitung vorzunehmen, wenn der Betroffene - wie hier - einen konkreten Löschungsantrag an sie richtet; beantragt der Betroffene konkret die Löschung seiner bei der Staatsanwaltschaft gespeicherten Personen- und Verfahrensdaten, ist diese zur Durchführung einer echten Einzelfallbearbeitung zur Prüfung der Erforderlichkeit der weiteren Datenspeicherung nach Maßgabe des § 489 Abs. 2 StPO verpflichtet (OLG Dresden, a.a.O.; Gieg, a.a.O.; Gemählich in KMR-StPO, § 489 Rdn. 3).

Eine derartige Einzelfallbearbeitung hat die Staatsanwaltschaft Hamburg bislang nicht vorgenommen. Den Anforderungen des § 489 Abs. 2 StPO wird der angefochtene Bescheid selbst dann nicht gerecht, wenn die Erwägungen des Bescheides vom 25. Februar 2008 in ihn miteinbezogen werden. Auch in dem Bescheid vom 25. Februar 2008 wird lediglich allgemein dargelegt, auf welcher Grundlage und mit welcher Dauer eine Speicherung von Personen- und Verfahrensdaten bei der Staatsanwaltschaft Hamburg erfolgt. An einem individuellen Eingehen auf den konkreten Tatvorwurf und die Erforderlichkeit von Speicherungsumfang und -dauer angesichts der gegen den Antragsteller konkret geführten Ermittlungsmaßnahmen in Abwägung mit der hieraus resultierenden Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers und der Besonderheit der nach der Eigenart des Deliktsvorwurfs von ihm geltend gemachten registerlichen Diskreditierung fehlt es. Etwas anderes ergibt sich auch aus der (teilweisen) Abhilfeentscheidung vom 17. Juni 2008 nicht. Ebenso nimmt die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme lediglich auf die staatsanwaltschaftlichen Entschließungen Bezug.

In Ermangelung einer solchen an sich gebotenen Einzelfallbearbeitung ist folglich nach allem zurzeit Spruchreife, die eine Entscheidung des Senats in der Sache ermöglichen würde, nicht gegeben (siehe zu allem OLG Dresden, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; Gieg, a.a.O.; Gemählich, a.a.O.; Weßlau in SK-StPO, § 489 Rdn. 7; Meyer-Goßner, a.a.O., § 489 Rdn. 3).

b) Die Staatsanwaltschaft Hamburg wird bei der noch durchzuführenden Einzelfallbearbeitung des Löschungsantrages nach Auffassung des Senats folgendes zu beachten haben:

aa) Ausgegangen werden kann - im Grundsatz - von dem durch die AufbewBest. aufgestellten Fristrahmen. Nach Lfd. Nr. 622 lit. d ("sonstige Angelegenheiten, in denen das Verfahren eingestellt ist") beträgt die Aufbewahrungsfrist fünf Jahre; nach den Bemerkungen Spalte 6 zu Lfd. Nr. 622 sind jedoch Akten, aus denen sich ergibt, dass der objektive Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens vorliegt (gemeint: Gegenstand des [Ermittlungs-]Verfahrens war; Anmerkung Senat), der Täter aber nicht zur Aburteilung zu bringen ist, in allen Fällen mindestens solange aufzubewahren, als nicht die Strafverfolgung durch Verjährung ausgeschlossen ist. Zu prüfen sind danach also stets sämtliche Voraussetzungen der §§ 78, 78 a, 78 b und 78 c StGB, soweit diese in Betracht kommen. Dass dabei, wie der Antragsteller meint, in Spalte 6 zu Lfd. Nr. 622 AufbewBest. nur Unbekanntsachen erfasst sein sollen, erschließt sich dem Senat schon nach dem Wortlaut der Bestimmung ("der Täter aber nicht zur Aburteilung zu bringen ist") nicht.

Der Senat folgt dem Antragsteller auch darin nicht, dass im hier in Rede stehenden Fall der Deliktsvorwurf des § 176 Abs. 4 Nr. 4 außer Betracht zu bleiben habe (mit der Folge des Entfallens der gegenüber § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestehenden Verlängerung der Verjährungsfrist wegen Ruhens nach § 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB), weil dem Antragsteller nicht sexuelle Motivation, sondern lediglich die Absicht der Diskreditierung der Kindesmutter unterstellt worden sei. Ob das "Einwirken" im Sinne des § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB eine sexuelle Motivation voraussetzt (so Lenckner/Perron/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 176 Rdn. 17; Fischer, StGB, 55. Aufl. § 176 Rdn. 16) oder ob es auf eine Tendenz, in dem Kind sexuelle Interessen oder sonst sexuelle Impulse auszulösen, nicht ankommt (so Wolters in SK-StGB, § 176 Rdn. 24, unklar a.a.O., Rdn. 26; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl., § 176 Rdn. 5 m.w.N.) und wie das ursprünglich dem Antragsteller angelastete Verhalten insoweit zu beurteilen gewesen wäre, kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen. Wie vorstehend wiedergegeben heben nämlich die AufbewBest. Spalte 6 zu Lfd. Nr. 622 - naheliegender Weise - allein auf den objektiven Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens ab.

bb) Im Übrigen wird - mit der Möglichkeit im Ergebnis gegenüber vorstehend aa) u.U. auch verkürzter Frist - weiter insbesondere folgendes zu beachten sein (vgl. OLG Dresden, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.):

Der Maßstab der Erforderlichkeit der (weiteren) Speicherung der Daten muss dem vom Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 65, 1 ff. entwickelten Recht auf informationelle Selbstbestimmung gerecht werden. Auf Grund des Zweckbindungsgrundsatzes - es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Speicherung und konkretem Verwendungszweck bestehen - darf die speichernde Stelle nur die Daten speichern, die für ihre Aufgabenerfüllung geeignet und erforderlich sind (vgl. §§ 14, 20 BDSG). Die Speicherung personenbezogener Daten ist nur dann erforderlich, wenn die Aufgabe sonst nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllt werden kann. Wesentliche Bestimmungsfaktoren für die Erforderlichkeit der Speicherung sind Datenumfang und Zeitaspekt.

Dass die Datenspeicherung im vorliegenden Fall zum Zweck der ordentlichen Archivierung und einer daran anknüpfenden späteren möglichen Aktenauffindung geeignet ist, ist offensichtlich. Gleichwohl kann eine weitere Speicherung von Daten dann unzulässig sein, wenn nichts dafür spricht, dass die Eintragung auch in Zukunft praktische Bedeutung hat und deshalb ausgeschlossen werden kann, dass die vorhandenen Daten die Arbeit der zuständigen Behörde noch fördern können. Insofern kann von Bedeutung sein, ob es nach Person und Lebensumfeld des Betroffenen ausgeschlossen erscheint, dass dieser erneut strafrechtlich in Erscheinung treten wird.

Auch mögliche mildere Rechtsbeeinträchtigungen sind gegebenenfalls in den Abwägungsprozess einzustellen. In diesem Zusammenhang wird namentlich zu prüfen sein, warum zur Vorgangsverwaltung - nämlich zu bloßer Archivierung und daran anknüpfender möglicher Fristenkontrolle sowie späterer Auffindung der Akten - im Register auch der einschlägige Tatbestand des Strafgesetzbuches, auf Grund dessen die Ermittlungen geführt wurden, enthalten sein muss. Die Erforderlichkeit einer solchen Eintragung, der trotz erfolgter Verfahrenseinstellung eine gewisse Stigmatisierungswirkung zukommen kann, erschließt sich im Hinblick auf eine bloße Vorgangsverwaltung nicht ohne weiteres. Dem Erfordernis bloßer Vorgangsverwaltung könnte möglicherweise auch ohne Registrierung dieser zusätzlichen Information genügt sein.

Unbegründet geblieben ist bislang schließlich auch, auf welcher Grundlage der im staatsanwaltschaftlichen Vermerk vom 26. Mai 2008 angeführte "übliche Sicherheitszuschlag von einem Jahr" beruht (vgl. die ausdrücklich geregelte Überliegefrist des § 29 Abs. 7 StVG).

III.

Der Hilfsantrag, die Staatsanwaltschaft zu verpflichten, spätestens am 31. Dezember 2024 die Ermittlungsakten zu vernichten und die darauf bezogenen Einträge im Verfahrensregister zu löschen, ist nach der diesbezüglichen späteren Erklärung des Antragstellers erledigt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 30 Abs. 1 S. 1 EGGVG, 130 Abs. 4 KostO, die Auslagenentscheidung nach billigem Ermessen auf § 30 Abs. 2 S. 1 EGGVG (zur Auslagenentscheidung vgl. OLG Dresden, a.a.O.; Schoreit in KK-StPO, § 30 EGGVG Rdn. 5 m.w.N.). Der Geschäftswert bestimmt sich nach den § 30 Abs. 3 S. 1 EGGVG, 30, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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