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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 14.07.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 130/05
Rechtsgebiete: MarkenG, OWiG, StPO


Vorschriften:

MarkenG § 127 Abs. 1
MarkenG § 151 Abs. 1 S. 1
MarkenG § 151 Abs. 2 S. 1
MarkenG § 151 Abs. 4
OWiG § 46 Abs. 1
StPO § 311
1. Die Grundsätze der BGH-Entscheidung "Warsteiner II" (BGHZ 139, 138) gelten auch für die zollbehördliche Beschlagnahme von Waren bei der Einfuhr.

2. Die (einfache) geographische Herkunftsangabe "Hamburg" bedarf bei Produktion und Herstellung der Ware (hier: Einweg-Gasfeuerzeuge) ausschließlich in Malaysia deutlicher entlokalisierender Zusätze zur Angabe der Produktionsstätte.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT 2. Senat für Bußgeldsachen Beschluss

2 Ws 130/05

In der Ordnungswidrigkeitensache

hier betreffend Beschlagnahme gem. § 151 Markengesetz

hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 14. Juli 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Augner gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten H. T. GmbH & Co. KG gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg, Abteilung 238, vom 25. April 2005 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte hat in Fremdproduktion durch die "M. Industries Sdn. Bhd." in Selangor, Malaysia gefüllte Einweg-Gasfeuerzeuge mit Verpackung (eingetragene Marke: "Atomic") fertigen und nach Hamburg verschiffen lassen; sie hält eigener Angabe nach "sämtliche Rechte an der Marke". Nach Ankunft der Ware in Hamburg hat das Hauptzollamt Hamburg-Hafen am 6. April 2005 802 Kartons enthaltend 288.720 Feuerzeuge gegenüber der Beteiligten beschlagnahmt (Grenzbeschlagnahme), weil sich auf den Verpackungsrückseiten der Feuerzeuge die Angabe "Hergestellt von H. T. GmbH & Co., Hamburg" befand (und bis heute befindet) in nachfolgender Gestaltung:

Den Antrag der Beteiligten auf gerichtliche Entscheidung hat das Amtsgericht Hamburg mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Gegen den am 17. Mai 2005 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte bereits am 9. Mai 2005 sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat auf Verwerfung der sofortigen Beschwerde angetragen.

II.

Die nach den §§ 151 Abs. 4 S. 2, 3 MarkenG, 30, 46 Abs. 1 OWiG, 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Beschlagnahme bestätigt. Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner abweichenden Bewertung.

1.) Fehler formellen Rechts liegen nicht vor; insbesondere ist das nach den §§ 151 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 MarkenG, 62 Abs. 1, 68 OWiG zu beachtende Verfahren eingehalten worden.

2.) Die in Rede stehenden Feuerzeuge nebst Verpackungen unterliegen der Beschlagnahme, weil sie widerrechtlich mit einer nach dem Markengesetz geschützten geographischen Herkunftsangabe versehen sind und die Rechtsverletzung offensichtlich ist (§ 151 Abs. 1 S. 1 MarkenG). Der Zusatz "Hamburg" hinter der Firmenangabe der Beteiligten auf der Verpackung enthält als Ortsname einen unmittelbaren geographischen Herkunftshinweis (§§ 1 Nr. 3, 126 Abs. 1 MarkenG; dazu Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 126 Rn. 6, 7).

a) Voraussetzung des Kennzeichenschutzes einer (einfachen) geographischen Herkunftsangabe nach § 127 Abs. 1 MarkenG ist das Bestehen einer Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft. Dabei kommt es darauf an, ob die angegriffene Bezeichnung bei einem nicht unwesentlichen Teil der Verkehrskreise eine unrichtige Vorstellung über die geographische Herkunft des Produkts hervorruft, wobei auf die berechtigten Erwartungen eines verständigen Verbrauchers abzustellen ist (BGH, GRUR 1999, 252, 255; Fezer a.a.O., § 127 Rn. 5; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 127 Rn. 3; Hacker in: Ströbele/Hacker, Markenrecht, 7. Aufl., § 127 Rn. 10; die seitens der Beteiligten angeführte - eine mittelbare geographische Herkunftsangabe als Firmenbestandteil betreffende - Entscheidung BGH GRUR 2001, 73 ff ist nicht einschlägig).

Eine solche Irreführungsgefahr ist vorliegend gegeben. Es liegt auf der Hand, dass unter der Ortsangabe "Hamburg" kein Verbraucher einen Produktionsort ausschließlich in Malaysia vermutet. Dahinstehen kann, ob bei Industrieerzeugnissen insoweit in der Regel nicht auf Einzelvorgänge, sondern auf den Ort der produktprägenden Herstellungsvorgänge abzustellen ist (so Hacker a.a.O., § 127 Rn. 8) oder ob bei mehrgliedrigen Produktionsprozessen unter Umständen überhaupt nur einzelne dieser Schritte an dem genannten Herkunftsort stattfinden müssen (so Ingerl/Rohnke a.a.O.). Vorliegend erfolgten Produktion und Herstellung voll umfänglich allein in Malaysia; in Hamburg fanden Produktions- und Herstellungsvorgänge überhaupt nicht statt; die Tätigkeit der Beteiligten erschöpfte sich inhaltlich in derjenigen eines bloßen Importeurs. Der Umstand, dass es sich bei den Feuerzeugen um "Billigprodukte" handelt, ändert hieran nichts; die wie vorangeführt zugrunde zu legenden Maßstäbe beanspruchen umfassende Geltung und sehen eine grundsätzlich abweichende Behandlung von "Billigprodukten" nicht vor. Auch war der nicht in Hamburg, sondern geographisch gänzlich anders zugeordnet in Südostasien belegene Herstellungsort für nicht unwesentliche verständige Verbraucherkreise ersichtlich von berechtigtem Interesse.

b) Allerdings muss bei bestehender Irreführungsgefahr über die geographische Produktherkunft im Wege einer umfassenden Interessenabwägung die Verhältnismäßigkeit des Verbots überprüft werden; die einzelnen Schutzvoraussetzungen zur Feststellung einer Irreführungsgefahr über die geographische Produktherkunft stehen in einer Wechselwirkung zueinander. Aufgrund der nach § 127 Abs. 1 MarkenG erforderlichen Interessenabwägung und wegen des Vorbehalts der Verhältnismäßigkeit können einem Kennzeichnungsverbot nach § 127 Abs. 1 MarkenG gewichtige Interessen als durchgreifend entgegenstehen. So kann zu berücksichtigen sein, dass der Markeninhaber sich mit seiner - einen Ortsnamen enthaltenden - Marke ein wertvolles Kennzeichen, welches zugleich unternehmenskennzeichnend ist, aufgebaut hat; es erweist sich alsdann für ein expandierendes Unternehmen geradezu als ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, die Kennzeichnungskraft des weithin bekannten Unternehmenskennzeichens auch bei der Fortentwicklung des eigenen Unternehmens einzusetzen. Zu den Gegebenheiten eines florierenden Unternehmens kann es danach auch gehören, dass dieses weitere Produktionsstätten an anderen Orten aufbaut oder erwirbt, um dort der Expansion des Geschäftsbetriebs Rechnung tragen zu können. Es besteht dann ein berechtigtes Interesse daran, die erfolgreiche Unternehmensstrategie unter Beibehaltung des wichtigsten immateriellen Gutes, der - einen Ortsnamen enthaltenden - Marke, fortzusetzen.

So liegt es hier indes nicht. Die Marke (§ 1 Nr. 1 MarkenG) "Atomic" nimmt erkennbar auf Begrifflichkeiten der Elementarphysik Bezug und enthält jedenfalls einen Ortsbestandteil und zumal den in Rede stehenden Ortsnamen nicht. Ebenso wenig unterhält die Beteiligte in Malaysia eine eigene Produktionsstätte. Überdies würden ohnehin in jedem Fall entgegenstehende gewichtige Interessen nur dann durchgreifen, wenn durch deutliche entlokalisierende Zusätze auf die Besonderheiten der Produktionsstätte in Malaysia hingewiesen würde und verbleibende Fehlvorstellungen des Verkehrs, namentlich soweit sie für eine Kaufentscheidung relevant sein könnten, daneben nicht ins Gewicht fielen (siehe zu allem: BGH GRUR 1999, 253 ff; OLG Hamburg, GRUR 2000, 1071 ff; Fezer a.a.O., § 127 Rn. 6a, 6b; Ingerl/Rohnke a.a.O., § 127 Rn. 6, 8; Hacker a.a.O., § 127 Rn. 14, 16, 17; Gruber in von Schultz, Markenrecht, § 127 Rn. 3, 4). Auch hieran fehlt es aber. Insbesondere findet sich weder auf den Verpackungen noch den Feuerzeugen selbst auch nur der geringste Hinweis auf die in Malaysia erfolgte Produktion; die einzige lokale Kennzeichnung besteht vielmehr in der - wie vorausgeführt Irreführungsgefahr begründenden - Ortsangabe "Hamburg".

c) Die seitens der Beteiligten aus § 4 Abs. 2 ProdHaftG abgeleitete Begründung für die Herstellerangabe in Hamburg bleibt für die Bewertung ohne Bedeutung. Dem damit geltend gemachten Anliegen des Verbraucherschutzes hätte - etwa bei entlokalisierender Angabe der Produktionsstätte - bereits unschwer auch auf andere Weise genügt werden können.

d) Eine offensichtliche Rechtsverletzung liegt vor, wenn eine Kennzeichenrechtsverletzung bereits begangen wurde (siehe dazu vorstehend a) bis c) oder bevorsteht; das Erfordernis der Offensichtlichkeit dient dabei dem Zweck sicherzustellen, dass die Beschlagnahme von Waren, die einen erheblichen Eingriff in den Warenverkehr bedeutet, bei unklarer Rechtslage unterbleibt und ungerechtfertigte Beschlagnahmen weitgehend ausgeschlossen werden (Fezer a.a.O., § 146 Rn. 7. m.N. aus den Gesetzesmaterialien). An einer solchen Unklarheit fehlt es; die Rechtslage ist vielmehr, wie vorstehend a) bis c) ausgeführt, eindeutig.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 151 Abs. 4 MarkenG, 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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