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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 04.02.2004
Aktenzeichen: 2 Wx 99/01
Rechtsgebiete: WEG, FGG, BGB


Vorschriften:

WEG § 7
WEG § 10 Abs. 2
WEG § 15 Abs. 1
WEG § 43 Abs. 1
WEG § 45 Abs. 1
FGG § 12
FGG § 27
FGG § 29
BGB § 1004
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 99/01

In der Wohnungseigentumssache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 4. Februar 2004 durch die Richter

Dr. Lassen, Puls, Albrecht

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 4. Juli 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht wird auf 7.500,00 DM, entsprechend 3.834,69 €, festgesetzt.

Gründe:

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes und des Erkenntnisses des Beschwerdegerichts wird auf den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 4. Juli 2001 verwiesen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde, wendet der Antragsgegner sich gegen die Entscheidung des Landgerichts, wonach der Antragsgegner in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Entscheidung vom 23. November 2000 verpflichtet ist, es zu unterlassen, auf der seiner Gewerbeeinheit vorgelagerten gemeinschaftlichen Fläche Tische aufzustellen und Kunden zu bewirten. Diese Entscheidung entspricht einem in der Wohnungseigentümerversammlung vom 19. November 1998 mehrheitlich gefassten Beschluss, dem zufolge die Wohnungseigentümergemeinschaft Hamburg nicht gestattet, dass die Fläche auf dem Bürgersteig vor den Gewerbeeinheiten " " gewerblich genutzt wird. Einen früher von der Wohnungseigentümerversammlung vom 16. April 1998 gefassten Mehrheitsbeschluss, wonach dem Restaurant " " untersagt worden war, die Außenflächen vor dem Restaurant zu nutzen, hatte der Antragsgegner erfolgreich mit der Begründung gerichtlich angefochten, dass die für eine gültige Beschlussfassung erforderlichen Formalien verletzt worden seien.

Der Antragsgegner macht mit seinem Rechtsmittel geltend, dem Unterlassungsbegehren der Antragsteller stehe der aus dem gesetzlichen Schuld- und Treueverhältnis der Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft untereinander folgende Gleichbehandlungsgrundsatz entgegen. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung der Teileigentumseinheiten L 3, in der ein Restaurant betrieben wird, und der streitbefangenen Teileigentumseinheit L 5 sei entgegen der Annahme des Landgerichts nicht festzustellen. Nur von dem in der Einheit L 3 betriebenen Restaurant gingen Lärm- und Geruchsbelästigungen aus. Die Bewirtungsfläche des Restaurants auf dem Gemeinschaftseigentum sei größer als die seinem, des Antragsgegners, Ladenlokal vorgelagerte Gemeinschaftsfläche. Das Restaurant sei bis spät in die Nacht geöffnet, während der Mieter des Ladens sich an die Ladensöffnungszeiten halte. Selbst wenn der Mietvertrag zwischen dem Restaurantinhaber und dem Teileigentümer dem Restaurantbetreiber das Recht zur Nutzung der in Gemeinschaftseigentum stehenden Freifläche vor dem Restaurant gestatte, stehe diesem kein besseres Recht zur Nutzung des Gemeinschaftseigentums zu, da die Absprachen zwischen den Mietvertragsparteien für die Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht verbindlich seien.

Der Unterlassungsanspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft sei auch verwirkt. Das Landgericht habe die Voraussetzungen der Verwirkung verkannt und seinen, des Antragsgegners, unter Beweis gestellten Vortrag nicht berücksichtigt, dass die Nutzung der Freifläche vor seiner Ladeneinheit L 5 bereits seit 1991 praktiziert werde. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 6. Juni 1996 hätten die Wohnungseigentümer sich nicht gegen das Aufstellen der Stehtische ausgesprochen, sondern gegen den Ausschank innerhalb des Ladens außerhalb der Ladenöffnungszeiten. Die Wohnungseigentümer hätten die Nutzung der Freifläche vor dem Laden jahrelang widerspruchslos geduldet und das ihnen zustehende Mitgebrauchsrecht an der Freifläche nicht eingefordert. Ihr jetziges Unterlassungsverlangen sei daher rechtsmissbräuchlich unabhängig davon, ob die jahrelange Duldung sich als konkludent geschlossene Verein-barung über ein Sondernutzungsrecht erweise.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 4. Juli 2001 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und führt aus, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht verpflichtet sei, den Ausschluss von der Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch den Antragsgegner bzw. dessen Mieterin und die Nutzung der Freifläche vor dem Laden für gastronomische Zwecke hinzunehmen. Auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes berufe der Antragsgegner sich zu Unrecht.

Der Mietvertrag über das Restaurant habe bereits bestanden, als die Wohnungseigentümergemeinschaft im Jahre 1985 gebildet worden sei und der Restaurantbetreiber in der Einheit L 3 habe schon zuvor die später in Gemeinschaftseigentum umgewandelte Freifläche auf dem Bürgersteig vor den im Teileigentum umgewandelten Restauranträumen für die Bewirtung von Gästen genutzt. Vor diesem Restaurantbetrieb seien zu keiner Zeit Störungen ausgegangen, zumal sich in diesem Bereich anders als bei der Freifläche vor dem Laden des Antragsgegners keine Wohnungseingangstüren befänden. Im Übrigen habe ein Teileigentümer kein Recht auf Gleichbehandlung, wenn durch seine Inanspruchnahme gemeinschaftlichen Eigentums eine Kumulation von Belästigungen eintritt, die zu einer nicht mehr erträglichen Situation im Hause der Wohnungseigentümergemeinschaft führe.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft habe auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der sie hindern könnte, den Antragsgegner auf Unterlassung der Nutzung des Gemeinschaftseigentums in Anspruch zu nehmen. Im Jahre 1996, als die Wohnungseigentümer sich gegen die erhebliche Lärmbelästigung aus dem im Laden betriebenen Imbiß gewandt hätten, seien die Freiflächen vor dem Laden noch nicht genutzt worden, vielmehr sei die Mieterin des Ladens erst Mitte der 90ziger Jahre dazu übergegangen, die Verkaufstätigkeit zugunsten der gastronomischen Bewirtung zu verändern und die Außennutzung von Jahr zu Jahr zu intensivieren. Die allmähliche Ausdehnung der Nutzung habe zu keinem Zeitpunkt die Billigung der Wohnungseigentümergemeinschaft gefunden. Zudem seien die Wohnungseigentümer befugt, eine solche Nutzung für die Zukunft zu unterbinden. Von dieser Regelungskompetenz habe die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschluss vom 3. Juni 1999 Gebrauch gemacht, indem sie die Verwalterin beauftragt habe, die Nutzung der Außenflächen durch die Mieterin des Antragsgegners zu unterbinden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die gem. §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes, auf die allein hin das Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung vornehmen darf (§§ 27 FGG a.F., 550 a.F. ZPO). Die Entscheidung ist verfahrensfehlerhaft ergangen, weil das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt trotz unter Beweis gestellten Tatsachenvortrags des Antragsgegners zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht hinreichend aufgeklärt hat (§ 12 FGG).

Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach dahinstehen kann, ob die Bezeichnung des Teileigentums des Antragsgegners in der Abgeschlossenheitsbescheinigung als "Schlachter" eine die gewerbliche Nutzung einschränkende Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne der §§ 15 Abs. 1, 10 Abs. 2 WEG zukommt (BayObLGZ 1983, 73, 78; ZMR 1993, 427; 2000, 53 und 575; HansOLG Hamburg ZMR 2002, 455; 2003, 770, 771), die durch die Eintragung ins Grundbuch dinglichen Charakter enthält und damit den Inhalt und die - durch die Rechte der übrigen Miteigentümer gem. § 7 WEG sich ergebende - Beschränkung des Eigentums des Antragsgegners bestimmt. Streitgegenstand in diesem Verfahren ist nicht, ob dem Antragsgegner durch seine Mieterin gestattet ist, in den als "Schlachter" bezeichneten Räumen nicht nur ein Feinkostgeschäft insbesondere für italienische Erzeugnisse einschließlich Weine und Spirituosen zu betreiben, sondern ob er befugt ist, die geschäftlichen Aktivitäten um einen Imbiß bzw. einen Restaurantbetrieb zu erweitern. Vielmehr ist der Streitstoff dieses Verfahrens beschränkt auf die Frage, ob die dem Ladenlokal außerhalb des Hauses vorgelagerte Freifläche, die im Gemeinschaftseigentum aller Sondereigentümer ohne Zuweisung von Sondernutzungsrechten steht, vom Antragsgegner durch seine Mieterin des Ladenlokals unter Ausschluss der anderen Miteigentümer oder bei Einschränkung des Mitgebrauchs durch die anderen Miteigentümer genutzt werden darf. Der Senat pflichtet der Argumentation des Landgerichts bei, wonach das Aufstellen von Stehtischen und beweglichen Kästen mit Rankpflanzen zur Abgrenzung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Fläche vom übrigen Bürgersteig und zur Freihaltung des Hauseingangs eine Sondernutzung durch den Antragsgegner bzw. seiner Mieterin darstellt, die den Mitgebrauch der anderen Sondereigentümer an der Fläche zumindest beeinträchtigt und keine Stütze in der Teilungserklärung findet. Auch die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen diesen Rechtsstandpunkt.

Dem vom Landgericht zutreffend aus der hier maßgeblichen Vorschrift des § 1004 BGB abgeleiteten Unterlassungsanspruch der Wohnungseigentümer gegen den Antragsgegner, die im Gemeinschaftseigentum stehende Fläche durch seine Mieterin für ihren Betrieb nutzen zu lassen, steht auch keine etwa durch konkludentes Verhalten geschlossene Vereinbarung der Wohnungseigentümer entgegen, wonach die Freifläche für die Zwecke des Ladenbetriebs unter Ausschluss oder Beeinträchtigung der anderen Sondereigentümer genutzt werden dürfte. Voraussetzung hierfür wäre, dass den Wohnungseigentümern bewußt war, eine dauerhafte Regelung über das Gemeinschaftseigentum im Sinne einer Sondernutzung durch einen Teileigentümer bzw. dessen Mieterin treffen zu wollen und alle Wohnungseigentümer diese Nutzungsänderung durch stillschweigende Billigung hinzunehmen bereit waren (BayObLG ZMR 2001, 987 f). Umstände, die den Schluss auf eine solche Einstellung aller Wohnungseigentümer zu der eigenmächtig vorgenommenen Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch den Antragsgegner zulassen, hat auch der Antragsgegner nicht vorgetragen.

Ebenso wenig ist aus Rechtsgründen die Feststellung des Landgerichts zu beanstanden, wonach der Fortsetzung der gegenwärtigen Nutzung der im Gemeinschafteigentum stehenden Freifläche vor dem Ladenlokal nicht deshalb gestattet ist, weil es der Wohnungseigentümergemeinschaft verwehrt ist, die verschiedenen Teileigentümer bzw. deren Mieter ungleich zu behandeln. Einen Verstoß gegen den aus dem gesetzlichen Schuld- und Treueverhältnis unter den Miteigentümern abzuleitenden Gebot des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 25 Rn 165 m.w.N.) hat das Landgericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei verneint.

Dahinstehen kann, ob die Teileigentümer, die das Restaurant und den Obst- und Gemüseladen betreiben bzw. durch ihre Mieter betreiben lassen, im Verhältnis zur Wohnungeigentümergemeinschaft befugt sind, die im Gemeinschaftseigentum stehende Freifläche vor der Anlage zu nutzen. Selbst wenn sie zur Nutzung berechtigt sein sollten, könnte der Antragsgegner als Teileigentümer des Ladens von der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht verlangen, dass die Mieterin seines Ladens die Freifläche ebenfalls benutzen darf, denn es liegen keine vergleichbaren Nutzungen vor. Der Imbißbetrieb auf der Freifläche ist mit der Aufstellung von Obst- und Gemüsekisten auf der Freifläche nicht vergleichbar, wie keiner weiteren Begründung bedarf, zumal von dem Gebrauch der Gemeinschaftsfläche durch den Obst- und Gemüsehändler unstreitig keine störenden Geräusche oder Gerüche ausgehen. Der Wohnungseigentümergemeinschaft ist es aber unbenommen, den nach objektiven Kriterien festzustellenden Unterschied zwischen dem Restaurantbetrieb im Freien auf der Gemeinschaftsfläche mit geordneten Tisch- und Stuhlreihen innerhalb eines durch Pflanzenschalen klar abgegrenzten Bereichs, wo eine fest Plazierung der Gäste während ihres Aufenthalts im Freiluftrestaurant erfolgt, als weniger störend und den optischen Eindruck der Wohnanlage weniger beeinträchtigend zu beurteilen als den ungeordneten Aufenthalt der Kunden des Feinkostgeschäfts bei Verzehr von Speisen und Getränken auf der je nach Bedarf mit Bistrotischen versehenen Freifläche vor der Gewerbeeinheit des Antragsgegners. Den Wohnungseigentümern steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu, den sie im Streitfall nicht durch eine willkürliche Differenzierung verletzt haben. Demgemäß bedurfte es keiner Feststellung des Landgerichts dazu, ob die vom Imbißbetrieb ausgehenden Immissionen in Gestalt von Geräuschen und Gerüchen nach Intensität und Dauer ebenso lästig und störend oder weniger störend sind als die vom Restaurant ausgehenden.

Sollten die Teileigentümer der Gewerbeeinheiten, in denen sie selbst oder ihre Mieter das Restaurant und den Obst- und Gemüseladen betreiben, sich den Gebrauch der Freifläche im Gemeinschaftseigentum angemaßt haben, kann der Antragsgegner daraus für die von ihm bzw. seiner Mieterin gleichfalls angemaßte Nutzung an der Freifläche kein Nutzungsrecht für sich herleiten, denn auf eine Gleichbehandlung im Unrecht besteht kein Rechtsanspruch. Vielmehr ist es der Wohnungseigentümergemeinschaft unbenommen, gegen den Antragsgegner als Teileigentümers des Ladens L 5 (Feinkostladen), nicht aber gegen die Teileigentümer des Ladens L 4 (Obst- und Gemüsegeschäft) und des Restaurants (L 3) vorzugehen, zumal es der Wohnungseigentümergemeinschaft solchenfalls mangels Bindung an den Gleichheitssatz freisteht, die Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch den Restaurantbetreiber und den Gemüsehändler als weniger störend zu empfinden als die durch den zum Imbiß im Freien ausgeweitete Nutzung durch die Mieterin des Antragsgegners, für die der Antragsgegner einzustehen hat.

Jedoch beanstandet der Antragsgegner mit seinem Rechtsmittel mit Recht, dass das Landgericht die Verwirkung des Unterlassungsanspruchs der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen ihn, den Antragsgegner, ohne hinreichende Aufklärung des Sachverhalts (§ 12 FGG i.V.m. § 43 Abs. 1 FGG) verneint hat.

Bereits in seiner Antragserwiderung vom 21. August 2000 hat der Antragsgegner behauptet, die Wohnungseigentümergemeinschaft habe die Nutzung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Freifläche vor dem Ladengeschäft Feinkosthandel durch das Aufstellen von drei Bistrotischen widerspruchslos geduldet und seitdem bis zur insoweit erstmaligen (gerichtlich wirksam angefochtenen) Beschlussfassung auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 16. April 1998 nicht beanstandet. Dieser unter Beweis gestellten Behauptung des Antragsgegners hätte das Landgericht nachgehen müssen. Einerseits hätte der Antragsgegner auf gerichtlichen Hinweis die Widersprüchlichkeit seines Vortrags klären müssen, da im selben Schriftsatz behauptet wird, (erst?) die (jetzige) Mieterin nutze die vor dem Teileigentum L 5 belegene Gemeinschaftsfläche durch Aufstellen von Stehtischen und Verabreichung von Speisen und Getränken, obwohl diese Mieterin unstreitig erst am 28. November 1992 in den Mietvertrag des Antragsgegners mit dem Mieter des Ladens als Mitmieterin eingetreten und seit 1994 alleinige Mieterin des Ladens ist. Andererseits hätte dem Beweisantritt nachgegangen werden müssen, dass die Nutzung der Freifläche nicht erst seit Mitte der 90ziger Jahre, wie von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 12. Oktober 2000 behauptet, durch das Aufstellen von Bistrotischen zur Bewirtung von Gästen mit Speisen und Getränken genutzt worden ist, sondern bereits davor, denn dieser Umstand ist für die Frage von wesentlicher Bedeutung, ob die Wohnungseigentümer ihren Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Gemeinschaftseigentums vor dem Ladenlokal verwirkt haben. Das Landgericht hat die Voraussetzungen einer Verwirkung (§ 242 BGB) zwar zutreffend berücksichtigt, denn es ist ersichtlich davon ausgegangen, dass ein Unterlassungsanspruch dann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden kann, wenn seit der Möglichkeit, den Anspruch geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Anspruchs als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen (Umstandmoment); erforderlich ist dazu, dass sich der zur Unterlassung Verpflichtete aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen (BayObLG ZMR 2001, 987, 988; WuM 1994, 222; 1990, 453 je m.w.N.).

Ob die Dauer der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums durch die Mieter des Antragsgegners ausreichend lang ist, um die Berufung des Antragsgegners auf die Verwirkung des Unterlassungsanspruchs zu rechtfertigen, hängt auch vom noch nicht geklärten Beginn der Nutzung ab. Diesen Zeitpunkt hat das Landgericht aber entgegen der in § 12 FGG verankerten Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen trotz der vom Antragsgegner vorgetragenen Hinweise auf eine frühe Nutzungsausweitung nicht aufgeklärt, was nachzuholen sein wird.

Der Endpunkt der widerspruchslosen Hinnahme der Nutzung durch die Wohnungseigentümer steht ebenfalls nicht fest. Das Landgericht interpretiert die Diskussion in der Wohnungseigentümerversammlung vom 6. Juni 1996 rechtsfehlerhaft als Zeitpunkt, zu dem einige Wohnungseigentümer die Nutzung der Freifläche durch die Mieterin des Antragsgegners nicht mehr hinzunehmen bereit waren. Indessen fehlt in dem Protokoll über die Wohnungseigentümerversammlung jeglicher Hinweis darauf, dass das Aufstellen von Bistrotischen zum Verzehr von Speisen und Getränken außerhalb des Ladenlokals auf der Gemeinschaftsfläche missbilligt wurde, denn die Diskussion bezog sich dem Protokoll zufolge darauf, dass der zum Imbiß mit Ausschank gewandelte Ladenbetrieb hinter verschlossenen Türen weit über die Ladenöffnungszeiten hinaus bis in die Nacht hinein wegen der davon ausgehenden Ruhestörung missbilligt wird. Das Protokoll bietet für die Interpretation des Landgerichts daher keine Grundlage. Der Antragsgegner hingegen betont ebenfalls einen möglicherweise unzutreffenden Zeitpunkt für die erstmalige Beanstandung der Nutzung der Gemeinschaftsfläche seitens der Wohnungseigentümer, denn wie er selbst in seinem Schreiben vom 14. Juli 1998 an das Beiratsmitglied Frau Rothe (Anl. BSAG 7) erwähnt, fand die (erste?) Diskussion über die Mitbenutzung von Gemeinschaftsflächen durch Gewerbe bereits in der Eigentümerversammlung vom 23. September 1997 statt und Frau Rothe erwähnt in ihrem Schreiben vom 10. Juli 1998 an die damalige Verwalterin (Anl. BSAG 6), dass der Beirat der Wohnungseigentümergemeinschaft die Verwaltung schon mit Schreiben vom 11. Juni 1998 aufgefordert habe, auf der Einstellung des Ladenbetriebs auf der Außenfläche zu bestehen, da eine gesonderte Nutzungserlaubnis nicht eingeräumt sei, ohne dass jedoch mitgeteilt ist, ob die Verwalterin diesbezüglich beim Antragsgegner vorstellig geworden ist.

Soweit das Landgericht den Verwirkungseinwand des Antragsgegners am erwähnten Umstandsmoment mangels beachtlicher Investitionen in den Imbißbetrieb außerhalb des Ladenlokals scheitern läßt, ist die Argumentation rechtsfehlerhaft. Die vom Landgericht zutreffend als geringwertig erachteten Investitionen seitens der Mieterin des Antragsgegners in Gestalt der Anschaffung von Geschirr, Bistrotischen (lt. Anl. Antragsgegner 2 Nr. 3: 6 Tische) und Kästen mit Rankpflanzen dürfte nicht maßgeblich sein, weil bei der Verwirkung abzustellen ist auf das Verhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zum zur Unterlassung verpflichteten Antragsgegner. Nach der Lebenserfahrung ist das Mietverhältnis zwischen dem Antragsgegner und seiner Mieterin gefährdet, wenn der Mieterin die ausgeweitete Verdienstmöglichkeit durch den Imbißbetrieb im Freien genommen wird, weil der Antragsgegner im Verhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft einer Unterlassungsverpflichtung nachkommen müßte. Die typischerweise erfolgte Anpassung des vom Antragsgegner zu beanspruchenden Mietzinses an die infolge der Geschäftsausweitung vermehrten Einnahmen der Mieterin durch Mietzinserhöhung wäre zum Nachteil für den Antragsgegner rückgängig zu machen, da die Mieterin bei einer Unterlassungsverpflichtung auf die Einkünfte aus dem von der Antragstellerin als "Goldgrube" bezeichneten Imbiß im Freien verzichten müßte. Auch dürfte der Antragsgegner Schadensersatzansprüchen seiner Mieterin ausgesetzt sein, da diese in seinem Einverständnis den Imbiß im Freien betreibt und der Wegfall der Einkünfte aus dem Imbißbetrieb im Freien auf der im Gemeinschaftseigentum stehenden Fläche zwangsläufig zu erheblichen Umsatz- und Gewinneinbußen bei der Mieterin führen dürfte. Auf diese Nachteile brauchte der Antragsgegner sich nicht einzustellen, wenn die gebotene und vom Landgericht nachzuholende Sachverhaltsaufklärung ergibt, dass die im Gemeinschaftseigentum stehende Fläche vor der Gewerbeeinheit L 5, dessen Teileigentümer der Antragsgegner ist, diese Fläche eine lange Zeit hindurch unwidersprochen als Imbiß hat benutzen lassen. Über die Dauer der unangefochtenen Nutzung der Freifläche durch Aufstellen von Stehtischen und Bewirtung von Kunden, welche die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs auszulösen vermag, verbietet sich eine Aussage, weil erst die Beurteilung aller maßgeblichen - noch ungeklärten - Umstände die Bewertung des Unterlassungsanspruchs als verwirkt oder nicht verwirkt ermöglicht.

Eine Kostenentscheidung ist wegen der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht nicht veranlasst. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist entsprechend dem im Einvernehmen mit den Beteiligten getroffenen Beschluss des Amtsgerichts vom 12. Oktober 2000 festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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