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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 25.08.2005
Aktenzeichen: 3 U 133/04
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 6 Abs. 2 Nr. 2
1. Es ist nicht generell unlauter, in einem Werbevergleich die Werbeträgerkontakte von Pressemedien nach der Media-Analyse mit der durchschnittlichen Sehbeteiligung von Fernsehsendungen nach dem GfK-Panel zu vergleichen, und zwar auch dann nicht, wenn es eine bessere Vergleichsmethode inzwischen geben sollte.

2. Der Werbevergleich ist aber unsachlich (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG), wenn in der Werbung für eine Zeitschrift deren Werbeträgerkontakte den ermittelten Werten für die durchschnittliche Sehbeteiligung einer Fernsehsendung mit Formulierungen gegenübergestellt werden, die eine generelle und vorbehaltlose Vergleichbarkeit der Zahlenwerte suggerieren (hier: "1,1 Millionen sehen samstags ..." bzw. "2,3 Millionen lesen montags ...").


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

3 U 133/04

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 25. August 2005

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Reimers-Zocher nach der am 11. August 2005 geschlossenen mündlichen Verhandlung beschlossen:

Tenor:

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Gründe:

Nachdem die Parteien im Hinblick auf die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagen in der Berufungsverhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nur noch gemäß § 91 a ZPO über die Kosten zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen der Beklagten aufzuerlegen.

Die Berufung der Beklagten wäre ohne die von ihr in der Berufungsverhandlung abgegebene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung in der Sache voraussichtlich zurückgewiesen worden, allerdings mit einer den Urteilsausspruch des Landgerichts abändernden Maßgabe. Insoweit hätte es sich aber nur um eine Klarstellung redaktioneller Art ohne eine Kostenbelastung des Klägers gehandelt.

I.

Der Kläger, eine öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt, sendet im ARD-Gemeinschaftsprogramm u. a. die TV-Sendung SPORTSCHAU. Im Verlag der Beklagten erscheint das Nachrichten-Magazin FOCUS.

In der Zeitschrift "Werben & Verkaufen", Ausgabe 45/2003, ließ die Beklagte für ihr Nachrichten-Magazin FOCUS die auf Bl. 3 der Akte als Teil des Klageantrages zu I. 1. farbig wiedergegebene Werbeanzeige veröffentlichen.

Der Kläger hat die Anzeige als wettbewerbswidrig beanstandet und die Beklagte deswegen mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

In der beanstandeten Werbeanzeige heißt es u. a.:

"FAKTENSCHAU

Männer 14-49 J.

1,19 Mio. Männer ** sehen samstags die Bundesliga in der ARD Sportschau. Das ist eine gute Leistung.

2,43 Mio. Männer * lesen montags FOCUS - das moderne Nachrichtenmagazin aus der Stadt des Rekordmeisters.

Reichweite Männer 14 - 49 Jahre.

Quellen: * MA 2003/II ** GfK-Fernsehpanel (D) Ø August/September 2003: 1. - 7. Spieltag (vrl./endg. gew. Daten)

Anmerkung:

Wir haben in diesem Beispiel die durchschnittlichen Werbeträgerkontaktchancen von zwei Werbeträgern gegenübergestellt. Als Werbeträgerkontaktchance TV wird die durchschnittliche Sehbeteiligung der Sendung ausgewiesen. In der Werbeträgerkontaktchance von FOCUS ging die Nutzungsfrequenz innerhalb der letzten 12 Wochen (WLK) ein. Wir hätten Print und TV gern auf Werbemittelebene miteinander verglichen. Da TV aber kein Äquivalent für den LpwS in Print (Kontaktchance mit einer durchschnittlichen werbungführenden Seite) zur Verfügung stellt, war uns dieser Vergleich leider nicht möglich."

Durch Urteil vom 29. Juni 2004 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Der Kläger hatte beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1.) es bei Vermeidung von bestimmten Ordnungsmitteln zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Werbeträgerkontakte von Pressemedien nach der Media-Analyse mit der durchschnittlichen Sehbeteiligung von Fernsehsendungen nach dem GfK-Fernsehpanel zu vergleichen,

insbesondere wie in der Zeitschrift "Werben & Verkaufen" (Ausgabe 45/2003) für Focus erschienenen, nachfolgend abgebildeten Anzeige geschehen (es folgt farbige Abbildung der Anzeige Bl. 3);

2.) Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Ziffer I. 1. vorgenommen hat, insbesondere wann und in welchen Medien die Werbung veröffentlicht worden ist;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die in Ziffer I.1. beschriebenen Handlungen bisher entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Auf das Urteil wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen. Gegen dieses Urteil hat sich die Beklagte mit der Berufung gewandt, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung klargestellt, ihm gehe es bei dem Klageantrag zu I. 1.) nur um die konkrete Beanstandungsform als Gegenstand des Verbots.

Im Hinblick auf die in der Berufungsverhandlung von der Beklagten abgegebene strafbewehrte Verpflichtungserklärung,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Werbeträgerkontakte von Pressemedien nach der Media-Analyse mit der durchschnittlichen Sehbeteiligung von Fernsehsendungen nach dem GfK-Fernsehpanel zu vergleichen,

wie in der Zeitschrift "Werben & Verkaufen" (Ausgabe 45/2003) für Focus erschienenen, nachfolgend abgebildeten Anzeige geschehen (vgl. zur nachfolgenden Kopie der Anzeige Bl. 158);

haben die Parteien, wie ausgeführt, den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

Der mit dem Klageantrag zu I. 1.) geltend gemachte Unterlassungsanspruch - und zwar in der in der Berufungsverhandlung klargestellten Fassung - war auch nach Auffassung des Senats begründet, und zwar jedenfalls gemäß §§ 3, 8, 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

1.) Der Gegenstand des Unterlassungsantrages betraf das Vergleichen der Werbeträgerkontakte von Pressemedien nach der Media-Analyse mit der durchschnittlichen Sehbeteiligung von Fernsehsendungen nach dem GfK-Fernsehpanel, und zwar - entgegen dem Wortlaut des Klageantrages erster Instanz und entgegen dem insoweit wörtlich übereinstimmenden Verbotsausspruch des landgerichtlichen Urteils - nur in der konkreten Beanstandungsform der FOCUS-Werbeanzeige in der Zeitschrift "Werben & Verkaufen" Nr. 45/2003 (Bl. 3). Das hat der Kläger in der Berufungsverhandlung klargestellt.

2.) Bei der beanstandeten Werbeanzeige der Beklagten (Bl. 3) handelt es sich um vergleichende Werbung.

Gemäß § 6 Abs. 1 UWG ist vergleichende Werbung jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. Die Anzeige der Beklagten vergleicht das beworbene Nachrichtenmagazin FOCUS mit der ausdrücklich erwähnten Fernsehsendung SPORTSCHAU aus dem ARD-Gemeinschaftsprogramm des Klägers.

3.) Die Werbeträgerkontaktchance beim Fernsehen wird allerdings nach den sog. Konventionen der AG.MA (der Arbeitsgemeinschaft MEDIA-ANALYSE) definiert als "Seher (mindestens für 60 Sekunden zusammenhängend) pro 1/2 Stunde mit Werbung" und dieser Wert mit dem der Werbeträgerkontakte von Pressemedien (Print) verglichen, und damit anders als im vorliegend beanstandeten Werbevergleich.

Das ist zwischen den Parteien unstreitig und wird durch den Hinweis in der Online-Ausgabe des FOCUS-Media-Lexikons bestätigt, in dem es heißt:

"Seher pro halbe Stunde. Die Messeinheit für den zum Leser pro Ausgabe (LpA) vergleichbaren Werbeträgerkontakt ist beim Fernsehen die Nettoreichweite in der Werbung führenden halben Stunde, d. h. sie erfasst Personen, die innerhalb einer halben Stunde ein Werbung führendes Programm mindestens 60 Sekunden konsekutiv gesehen haben. Der Seher pro halbe Stunde wird als Programm-Durchschnitt für einen Sendetag und zusätzlich für jede Werbung führende halbe Sendestunde des Fernsehprogramms errechnet" (Anlage K 8).

Demgegenüber stellt der Werbevergleich der Beklagten auf Seiten der SPORTSCHAU nicht auf den "Seher pro halbe Stunde", sondern auf die "durchschnittliche Sehbeteiligung nach dem GfK- Fernsehpanel" ab. Bei dem so ermittelten Wert werden unstreitig die TV-Zuschauer aber nur dann voll gezählt, wenn die gesamte Sendung gesehen worden ist; hat der TV-Zuschauer die Sendung nur teilweise gesehen, so wird er entsprechend nur anteilig gezählt.

Ebenso ist unstreitig, dass die in der Werbeanzeige der Beklagten genannten 1,19 Millionen Männer (die angeblich die Bundesliga in der SPORTSCHAU sehen) zwar nach dem GfK-Fernsehpanel im Zahlenwert zutreffend sind, nach dem "Seher pro halbe Stunde" wären es für den in der Werbeanzeige genannten Zeitraum aber durchschnittlich 2,27 Millionen "Seher" gewesen.

4.) Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG handelt unlauter im Sinne von § 3 UWG, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist. Der Werbevergleich der Beklagten gemäß der konkret angegriffenen Anzeige ist nach dieser Vorschrift unlauter. In der konkreten Beanstandungsform ist die vergleichende Werbung der Beklagten unsachlich, es entsteht ein schiefes Bild.

(a) Entgegen dem Landgericht lässt sich das Vorliegen der für einen Eigenschaftsvergleich erforderlichen Objektivität nicht schon mit der (generellen) Begründung verneinen, es seien in der Werbeanzeige der Beklagten "nicht vergleichbare" Werte gegenübergestellt worden.

Das würde voraussetzen, dass es schlechterdings unlauter im Sinne des § 3 UWG wäre, wenn in einem Werbevergleich die Werbeträgerkontakte von Pressemedien nach der Media-Analyse mit der durchschnittlichen Sehbeteiligung von Fernsehsendungen nach dem GfK-Fernsehpanel verglichen würden. Durchgreifende Argumente in dieser Richtung sind nicht vorgetragen worden.

Die im Anlagenkonvolut B 5 vorgelegten Unterlagen zeigen vielmehr auf, dass die Diskussion um die Vergleichbarkeit von Kontakten bei Lesern und Zuschauern noch keinen Abschluss gefunden hat.

Der Umstand, dass ein Werbevergleich nach den sog. Konventionen der AG.MA jedenfalls für die Fachleute aussagekräftig ist, belegt noch nicht eine generelle Unlauterkeit, wenn das GfK-Fernsehpanel statt des "Sehers pro halbe Stunde" in den Vergleich einbezogen wird. Denn auch wenn es eine bessere Vergleichsmethode gibt, muss ein anderer Vergleichsparameter noch nicht (jedenfalls nicht grundsätzlich, wie das Landgericht gemeint hat) unsachlich sein.

(b) In der konkreten Darstellung der beanstandeten Werbeanzeige ist der Werbevergleich aber unsachlich und lässt ein schiefes Bild entstehen, und zwar auf Kosten der SPORTSCHAU.

Es werden in der Werbeanzeige, wie ausgeführt, die ermittelten Werte für die durchschnittliche Sehbeteiligung bei der SPORTSCHAU einerseits und für die Werbeträgerkontakte bei FOCUS andererseits gegenübergestellt. Dabei werden - und darauf kommt es maßgeblich an - Formulierungen verwendet, die dem Adressaten eher eine generelle Vergleichbarkeit der Zahlenwerte suggerieren, jedenfalls aber keine Bedenken gegen einen solchen Vergleich aufzeigen. Solche Bedenken sind schon nach den unstreitig in der Branche geltenden Konventionen der AG.MA vorhanden und müssen demgemäß auch ein beachtliches Gewicht haben.

Denn es heißt in der Anzeige einerseits: "1,19 Mio. Männer sehen samstags die Bundesliga in der ARD Sportschau ..." und andererseits "2,43 Mio. Männer lesen montags FOCUS". Damit wird das "Sehen" der SPORTSCHAU dem "Lesen" von FOCUS mit den aufgeführten Zahlenwerten glatt und plakativ und ohne jeden Vorbehalt gegenübergestellt. Die beiden Sternchenvermerke jeweils hinter dem Wort "Männer" können diese damit vermeintlich generelle bzw. "unbedenklich" vorzunehmende Vergleichbarkeit schon nach den allgemeinen Grundsätzen zum Blickfang und zum Sternchenvermerk nicht mehr korrigieren.

Wegen dieser griffigen Gegenüberstellung von "Sehen" und "Lesen" entlastet es die Beklagte nicht, dass die Erhebungsmethoden (MA und GfK-Fernsehpaneel) genannt werden und dass in einer "Anmerkung" die generellen Probleme einer Vergleichbarkeit angedeutet werden. Die Abweichung von den Konventionen der AG.MA findet nicht einmal eine Erwähnung.

Es entlastet schließlich die Beklagte auch nicht, wenn sie Stellungnahmen vorlegt, die den beanstandeten Werbevergleich als nicht aussagekräftig bewerten oder zum Schmunzeln finden, wenn bzw. weil man ihn durchschaut. Das schließt verständigerweise das schiefe Bild für den Adressaten der Werbung nicht aus, auch wenn die werbungtreibende Wirtschaft und Mediafachleute in beachtlichem Umfang bei näherem Lesen und Nachdenken zu den gleichen Schlussfolgerungen kommen sollten.

III.

Aus eben diesen Gründen waren auch die Klageanträge zu I. 2.) (auf Auskunftserteilung) und zu II. (auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten) ursprünglich begründet. Auf die obigen Ausführungen unter II. wird entsprechend Bezug genommen.

IV.

Es entspräche nicht der Billigkeit, dem Kläger gemäß § 269 Abs. 3 ZPO einen Teil der Kosten aufzuerlegen.

1.) Die in der Berufungsverhandlung vorgenommene Klarstellung zum Klageantrag zu I. 1.) war keine teilweise Klagezurücknahme.

Der Unterlassungsantrag war allerdings in erster Instanz so abgefasst, dass er aus dem nur auf die konkrete Beanstandungsform bezogenen "insbesondere"-Teil und aus dem vorangestellten verallgemeinerten Teil zu bestehen schien. Das war aber offensichtlich ein Schreibfehler, der Klageantrag sollte dem Verbot der vorangegangenen Beschlussverfügung entsprechen:

Im einstweiligen Verfügungsverfahren war der Unterlassungsantrag ebenso abgefasst, wie der hiesige Klageantrag erster Instanz. In der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 8. Dezember 2003 ist aber das Wort "insbesondere" im Verbotsausspruch nicht übernommen worden, ohne dass dessen Streichung vom Landgericht erwähnt worden wäre oder gar zu einer teilweisen Antragszurückweisung geführt hätte; der Kläger hat das hingenommen (Beiakte Landgericht Hamburg 312 O 979/03).

2.) Auch bezüglich der Klageanträge zu I. 2.) und II. auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht ist aus Billigkeitsgründen nicht § 269 Abs. 3 ZPO anzuwenden. Die Parteien haben sich gerade dahin verständigt, im Hinblick auf die Unterlassungserklärung den Rechtsstreit insgesamt für erledigt zu erklären.

Ende der Entscheidung

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