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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 3 U 141/00
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 20 Abs. 1
GWB § 20 Abs. 2 n. F.
GWB § 26 Abs. 2 a. F.
Es stellt keine diskriminierende Ungleichbehandlung von Kunden dar, wenn der Herausgeber von Telefonbüchern einen gestaffelten Summenrabatt je Objekt und Inserent unabhängig davon gewährt, ob dieser mit ihm direkt kontrahiert oder die Einträge über eine Werbeagentur schalten läßt, die den Auftrag in eigenem Namen erteilt. Darin liegt keine unbillige Benachteiligung der in eigenem Namen handelnden Werbeagentur, denn die unterschiedliche Behandlung ist sachlich begründet, weil ein solcher Rabatt bei einem Werbemittler nicht als Anreiz wirken kann, den Umsatz zu erhöhen.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 141/00

Verkündet am: 18. April 2002

In dem Rechtsstreit

"Gestaffelter Summenrabatt"

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 28. März 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten/Widerklägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 17. Mai 2000 abgeändert. Die Klägerin/Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte/Widerklägerin 1.022,85 € (2.000,51 DM) mit 5 % Zinsen seit dem 6. November 1999 zu zahlen. Im übrigen wird die Berufung der Beklagten/Widerklägerin zurückgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 4 % und die Beklagte 96 %. Von den Kosten der zweiten Instanz tragen die Klägerin 6 % und die Beklagte 94 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 6.000 €, die Klägerin durch eine solche von 1.500 € abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte ist eine Werbeagentur, die für ihre Kunden in eigenem Namen Einträge in den von der Klägerin herausgegebenen Telefonbüchern verschiedener Postbezirke schalten läßt, wofür die Beklagte eine Provision von 15 % erhält.

Werden der Klägerin Aufträge erteilt, so vergibt sie jeweils für einen Werbenden und ein Objekt (z.B. Gelbe Seiten Hamburg) eine Auftragsnummer. Als Werbenden sieht die Klägerin denjenigen an, für den geworben wird, so daß Kunden einer Agentur eine eigene Auftragsnummer erhalten. Je Objekt und Auftragsnummer gewährt die Klägerin einen gestaffelten Summenrabatt, der mit 5 % ab 5.298,00 DM beginnt und ab 13.392,71 DM 20 % beträgt, er wird bei von einer Agentur vermittelten Anzeigen an deren Kunden weitergegeben.

Wegen offener Rechnungsbeträge von 65.927,74 DM,

anwaltlicher und vorgerichtlicher Mahnkosten von 465,00 DM und Zinsen seit dem 24.10.1998 erhob die Klägerin Zahlungsklage, die sie in Höhe von 2.188,94 DM wegen einer Aufrechnung zurücknahm. Die Beklagte erfüllte die Hauptforderungen. Da die Klägerin die weiteren Geschäftsbeziehungen von einer vollständigen Zahlung abhängig machte, erfüllte die Beklagte die übrigen Forderungen unter Vorbehalt. Die Parteien erklärten die Hauptsache im Termin vor dem Landgericht übereinstimmend für erledigt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie könne die Mahnkosten von 465,00 DM und 2.000,51 DM als zuviel gezahlte Zinsen zurückverlangen, weil die Kosten im Festsetzungsverfahren für den vorliegenden Rechtsstreit zu berücksichtigen seien und die Klägerin Zinsen seit dem 24.10.1998 errechnet habe, obwohl die Zahlungen, wie die Aufstellung in Anlage Bkl 2 ausweise, erst später fällig gewesen seien. Im übrigen schulde die Klägerin einen Betrag von 33.256,73 DM als Summenrabatt, weil sie - die Beklagte - in den Jahren 1997 und 1998 Umsätze von 261.233,50 DM gemacht habe, auf die ihr 20 % hätten eingeräumt werden müssen. Es diskriminiere sie im Sinne des Kartellrechts, daß die Klägerin sie anders behandele als Werbende, die ihre Anzeigen nicht über eine Agentur schalten ließen und in den Genuß der Summenrabatte kämen.

Die Beklagte hat widerklagend beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 35.722,24 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und ihr alle Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen und die Beklagte in die Kosten zu verurteilen.

Sie hat unter anderem vorgetragen, der Summenrabatt solle für den Werbenden einen Anreiz bieten, möglichst viel in dem einzelnen Objekt zu inserieren; für die Jahre 1997/98 hat sie einen geringeren Gesamtumsatz der Beklagten errechnet, als diese behauptet.

Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur Vervollständigung des Tatbestandes Bezug genommen wird (§ 543 Abs. 2 ZPO), hat die Widerklage abgewiesen, weil die Beklagte keinen Anspruch auf die verlangten Summenrabatte habe, und ihr alle Kosten auferlegt. Auf Mahnkosten und Zinsforderungen ist das Landgericht nicht eingegangen, die Kostenentscheidung hat es nur auf § 91 ZPO gestützt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die sie erst mit einem am 21.09.2000 eingegangenen Schriftsatz nach Ablauf der bis zum 21.08.2000 gesetzten Frist begründete. Die Geschäftsstelle hatte ihr irrtümlich einen Fristablauf zum 21.09.2000 mitgeteilt.

Die Beklagte rügt, daß sich das Landgericht nicht erschöpfend mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt habe, und vertritt die Auffassung, Werbende und Werbemittler seien für die Klägerin gleichartige Unternehmen im Sinne der GWB, es gebe keine Rechtfertigung, sie unterschiedlich zu behandeln, zumal die Klägerin auch auf Aufträge unterschiedlicher Firmen für den Gesamtauftrag Summenrabatt gewähre, wenn sie von einer Firma eingereicht würden, wie sich aus der Rechnung für die Verwaltungsgesellschaft Buhck (Anlage BerKl 1) ergebe.

Die Beklagte beantragt,

ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und das landgerichtliche Urteil dahin abzuändern, daß die Klägerin verurteilt wird, ihr 35.722,24 DM nebst 5 % Zinsen hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

weil das Landgericht zutreffend entschieden habe. Sie macht Ausführungen zum Kartellrecht und beruft sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien mit Anlagen und Beweisangeboten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Beklagten war nach § 233 ZPO a. F. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie unverschuldet die Frist zur Berufungsbegründung versäumt hat. Ihr war auf ihren Antrag hin eine Fristverlängerung bis zum 21.08.2000 gewährt worden, die Geschäftsstelle hatte ihr jedoch schriftlich als Zeitpunkt den 21.09.2000 mitgeteilt. Hierauf durfte sie sich verlassen. Der Fehler lag im Bereich des Gerichts, und sie hatte keinen Anlaß, der Mitteilung zu mißtrauen. Sie hat die versäumte Begründung innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt.

II.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch überwiegend unbegründet.

1. Die Beklagte glaubt einen Anspruch zu haben, weil die Klägerin ihr einen Betrag von 33.256,73 DM als Summenrabatt von 20 % schulde, den sie ihr auf die Umsätze der Jahre 1997 und 1998 hätte einräumen müssen. Es diskriminiere sie, daß die Klägerin sie anders behandele als Werbende, die ihre Anzeigen nicht über eine Agentur schalten ließen und in den Genuß der Summenrabatte kämen. Es könne der Klägerin gleichgültig sein, von wem sie ihr Geld bekomme, jeder Kunde müsse ihr gleich lieb sein.

Diese Überlegung ist nicht richtig.

Da die 6. GWB-Novelle die Regelungen des im vorliegenden Fall noch anzuwendenden § 26 Abs. 2 a. F. praktisch unverändert als § 20 Abs. 1 und 2 GWB übernommen hat (Immenga/Mestmäcker/Markert, GWB, 3. Auflage, 2001, § 20, Rdnr. 6), wird im folgenden auf die Kommentierung der jüngeren Vorschrift zurückgegriffen. Es mag sein, daß Werbemittler und Direktkunden bei "verhältnismäßig grober Sichtung" (dazu Markert, a.a.O., Rdnr. 100) als gleichartige Unternehmen im Sinne von § 26 Abs. 2 GWB a. F. anzusehen sind, jedenfalls ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht, daß die Klägerin die Werbemittler unbillig gegenüber Direktkunden behindert oder beide Gruppen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt hat, wobei sich zur Beurteilung beider Verhaltensweisen dieselben Maßstäbe anbieten und die Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Wettbewerbsfreiheit gerichteten Ziele des GWB gegeneinander abzuwägen sind (Markert, a.a.O., Rdnr. 129). Wettbewerb ist Marktgeschehen und wird von Angebot und Nachfrage bestimmt. Es ist ein wirtschaftlicher Austauschvorgang. Hier geht es um das Angebot der Klägerin (nämlich Inserate zu schalten, um den Endabnehmer mit den Angeboten der bei ihr inserierenden Anbieter vertraut zu machen), das sie Interessenten, die von diesem Angebot Gebrauch machen und dafür bezahlen wollen, diskriminierungsfrei unter gleichen Bedingungen zugänglich machen muß. Das geschieht offensichtlich, denn die Klägerin räumt jedem, der über sie wirbt, unter gleichen Bedingungen Summenrabatt ein, jedem Interessenten werden von ihr je Objekt und Auftragsnummer Rabatte gewährt. Das haben die Parteien und andere Werbemittler offenbar zuvor auch nie anders gesehen, denn jeder Interessent, der bei der Klägerin inseriert, hat von dieser unabhängig von der Tatsache, ob er mit der Klägerin als direkter Kunde oder unter Vermittlung einer Agentur wie der Beklagten von dem Angebot der Klägerin Gebrauch gemacht hat, eine eigenständige Auftragsnummer je Objekt erhalten.

Zu einer Diskriminierung gelangt die Beklagte allein dadurch, daß sie unter Vernachlässigung des wirtschaftlichen Austauschvorganges an den Begriff des "Kunden" anknüpft, diesen aber nicht nach dem Marktgeschehen bestimmt, sondern nach der bürgerlich-rechtlichen Vertragslage, weil sie wie die Direktkunden mit der Klägerin in eigenem Namen kontrahiert. Für das Marktgeschehen ist aber nicht entscheidend, ob die Nachfrage mittelbar oder unmittelbar an die Klägerin herangetragen wird, sondern mit wessen Mitteln der Anzeigenraum erworben wird, und das geschieht auf Kosten und mit Mitteln derjenigen, deren Anzeigen in den Telephonbüchern erscheinen. So ist es auch nur folgerichtig, daß die Beklagte unstreitig Rabatte "je Objekt und Auftragsnummer" an ihre Auftraggeber durchgereicht hat. Ihr Interesse besteht im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin überhaupt nicht darin, als Werbende in Anzeigen zu erscheinen, ihr wirtschaftliches Interesse ist vielmehr darauf gerichtet, die für die Vermittlung solcher Anzeigen anfallende Provision von 15 % zu erlangen.

Damit unterscheidet sich ihr Interesse so grundlegend von dem der Direktkunden, daß es eine Forderung wirtschaftlicher Vernunft für die Klägerin ist, Werbemittler anders als Direktkunden zu behandeln. Die Rabatte werden gewährt, weil der Aufwand "je Objekt und Auftragsnummer" nicht linear mit dem Anzeigenraum steigt, so daß die Klägerin eine Möglichkeit hat, diesen wirtschaftlichen Vorteil als Anreiz zu verwenden, um den Umsatz zu steigern. Bei einem Werbemittler kann ein solcher Rabatt nicht als Anreiz wirken, weil er nicht mit eigenen Mitteln Anzeigenraum erwirbt, die mit zunehmender Auftragsgröße immer effizienter werden. Damit dieser Mechanismus wirkt, müssen die Ersparnisse demjenigen zugute kommen, der über den Kauf von Anzeigenraum entscheidet, und das ist der Auftraggeber des Werbemittlers. Letzterer hat es gar nicht in der Hand, den Umsatz zu erhöhen. Ein Summenrabatt für einen Werbemittler wäre nutzlos vertan, weil der Auftragswert von 13.392,71 DM, der den Höchstrabatt von 20 % begründet und seiner Größenordnung nach auf den einzelnen Inserenten zugeschnitten ist, schon bei nur wenigen Auftraggebern überschritten wäre, ohne als Anreiz für eine Umsatzsteigerung zu dienen.

Diese Überlegungen treffen auch dann zu, wenn eine Verwaltungsgesellschaft wie die Firma B. Aufträge unterschiedlicher im Verbund stehender Firmen zu einem Gesamtauftrag zusammenfaßt, um den günstigsten Summenrabatt zu erhalten, denn auch hier fallen die Entscheidungen über den zu erwerbenden Anzeigenraum in der Sphäre der eigentlichen Auftraggeber, die - anders als ein Werbemittler - die für den Anzeigenraum aufzubringenden Kosten tragen müssen.

2. Das Landgericht hat, wenn auch ohne jede Begründung, der Beklagten auch die weiteren geltend gemachten Ansprüche abgesprochen und darüber entschieden, denn es hat die Widerklage in voller Höhe abgewiesen. Damit ist kein Fall des § 321 ZPO gegeben.

Im Hinblick auf die vorgerichtlichen Mahnkosten von 465 DM vertritt die Beklagte den Standpunkt, sie könne sie zurückverlangen, weil diese Kosten im Festsetzungsverfahren für den vorliegenden Rechtsstreit zu berücksichtigen seien. Diese Mahnkosten sind aber wegen der 8.379.81 DM entstanden, die die Beklagte vorgerichtlich gezahlt hat und die deshalb in diesem Rechtsstreit gar nicht geltend gemacht werden. Hier geht es nur um Zinsen auf diesen Betrag.

3. Die Beklagte verlangt überzahlte Zinsen von DM 2.000,51, die die Klägerin für die Zeit seit dem 24.10.1998 errechnet hat. Nach dem Vorbringen der Beklagten sind Zinsen erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig geworden, und zwar so, wie es die Aufstellung in Anlage Bkl 2 ausweist. Hierzu hat die Klägerin in keiner Form Stellung genommen. In der Erwiderung vom 01.12.1999 zur Widerklage geht sie nur auf die Mahnkosten ein. Obwohl die Beklagte auch diesen Anspruch in der Berufungsbegründung behandelt hat, hat sich die Klägerin nur auf ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 01.12.1999 bezogen. Damit ist das Vorbringen der Beklagten unstreitig. Für eine Zahlung in dieser Höhe bestand kein Rechtsgrund und die Beklagte kann sie nach § 812 BGB zurückverlangen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 291 BGB, 352 HGB, 91, 91 a, 92, 97, 269 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711 a. F., 543 n. F. ZPO.

Dabei entsprach es billigem Ermessen, die Kosten für den erledigten Teil des Rechtsstreits insoweit der Beklagten aufzuerlegen, als sie bestehende Forderungen nach Klagerhebung beglichen hat. Das gilt nicht für den Zinsanteil von 2.000,51 DM, weil in dieser Höhe keine Forderung der Klägerin bestand.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Senat anerkannte Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Einzelfall angewendet hat.

Ende der Entscheidung

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