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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 07.02.2002
Aktenzeichen: 3 U 150/01
Rechtsgebiete: UWG, DiätVO, NKV, HWG, AMG


Vorschriften:

UWG § 1
DiätVO § 14 a
NKV § 6
HWG § 3 a
AMG § 21
1. Ein allgemeines Verbot, für ein Lebensmittel im Sinne des § 14 a DiätVO mit dessen schlankmachender oder gewichtsreduzierender Wirkung zu werben, läßt sich nicht auf die Nährwertkennzeichnungsverordung (NKV) stützen, weil nach § 6 Abs. 1 Satz 2 NKV kein Werbeverbot besteht, wenn derartige Lebensmittel zur Verwendung als Tagesration dienen.

2. Wird ein Lebensmittel im Sinne des § 14 a DiätVO nur auf Grund der Werbung vom Verkehr als Arzneimittel angesehen, läßt sich ein allgemeines Verbot, dafür zu werben, nicht auf §§ 1 UWG, 3 a HWG, 21 AMG stützen. In das Verbot muß vielmehr die konkrete Werbung einbezogen werden.

3. Hat ein Presseorgan hinsichtlich einer konkreten rechtswidrigen Anzeige die Wiederholungsgefahr beseitigt, kann es im Regelfall nicht wegen einer darüber hinausgehenden Verallgemeinerung in Anspruch genommen werden, weil es wegen der Begrenzung der Pressehaftung auf grobe und leicht erkennbare Verstöße auf den konkreten Einzelfall ankommt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 150/01

Verkündet am: 7. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

"Navol"

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 17. Januar 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 6, vom 14. März 2001 abgeändert. Die durch das Urteil neugefaßte einstweilige Verfügung wird im Umfang der Berufung aufgehoben und der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag einschließlich des Hilfsantrages zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

und beschlossen:

Der Berufungsstreitwert wird auf 7.669 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Antragsteller ist im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Die Antragsgegnerin verlegt ua. die Illustrierte "X-Blatt". Wegen einer dort erschienenen und vom Antragsteller beanstandeten Anzeige verpflichtete sie sich strafbewehrt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in periodisch erscheinenden Druckwerken die Anzeige "Der neue Super-Fettlöser, Navol: Fett weg in Rekordzeit!" (wie in DAS X-BLATT, Nr. 40/00, S. 15) erneut zu veröffentlichen.

Im Heft Nr. 47 vom 15.11.2000 derselben Illustrierten erschien eine ganzseitige Anzeige für "Navol-Caps" unter der Überschrift "Brandneuer Fettstopper frißt das Fett weg". Eine auf diese Anzeige bezogene Verpflichtungserklärung nahm der Antragsteller nicht an. Er erwirkte das landgerichtliche Verbot,

im geschäftlichen Verkehr für das unter der Bezeichnung "Navol" vertriebene Mittel mit Hinweisen auf dessen schlankmachende und/oder gewichtsreduzierende Wirkung zu werben.

Dem widersprach die Antragsgegnerin, weil es sich bei "Navol" um "eine Zubereitung für eine gewichtskontrollierende Ernährung nach § 14 a DiätVO mit Zuckerarten und Süßungsmitteln" handele, für das mit seinen schlankmachenden Wirkungen geworben werden dürfe. Sowohl die Stadt Aachen (Anlage AG 1) als auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Anlage AG 2) hätten festgestellt, daß das Navol-Pulver seiner Zusammensetzung nach den Anforderungen von § 14 a DiätVO entspreche, letzteres habe das Mittel lediglich wegen der Werbung fehlerhaft als Arzneimittel eingestuft.

Antragsgemäß bestätigte das Landgericht sein Verbot in der Fassung,

im geschäftlichen Verkehr für die unter der Bezeichnung "Navol" vertriebenen Mittel

Navol-Caps und/oder Navol (Pulver)

mit Hinweisen auf deren schlankmachende und/oder gewichtsreduzierende Wirkung zu werben.

Die Antragsgegnerin wendet sich insoweit gegen das Urteil, als ihr verboten worden ist,

im geschäftlichen Verkehr für das unter der Bezeichnung "Navol" vertriebene Mittel Navol (Pulver) mit Hinweisen auf dessen schlankmachende und/oder gewichtsreduzierende Wirkung zu werben.

Im Senatstermin wiederholte die Antragsgegnerin ihr Angebot, sich hinsichtlich der Anzeige im X-BLATT Nr. 47 vom 15.11.2000 strafbewehrt zu unterwerfen. Der Antragsteller nahm das Angebot an und beantragt neben seinem Antrag,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, dem Verbot folgende Fassung zu geben,

...verboten, für das Mittel "Navol-Pulver" mit folgenden Angaben zu werben:

* Der Super-Fettlöser

* Navol: Fett weg in Rekordzeit

* Navol-Schlankmolekül

* Superstoff zum Schnellabnehmen

* Das heißeste Schlanksystem der letzten Jahre

* Weil es funktioniert: Schnell, zuverlässig und meßbar

* Schlank auf Dauer

* Weil Navol das Fett löst

insbesondere wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "X- Blatt", Heft 40 vom 27.09.2000, Seite 15 (Anlage A 2).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragsgegnerin hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat sein Verbot auf § 1 UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nährwertkennzeichnungsverordnung (NKV) gestützt, wonach eine Schlankheitswerbung für Lebensmittel grundsätzlich verboten sei. Die Ausnahme nach §§ 6 Abs. 1 Satz 2 NKV, 14 a DiätVO greife nicht ein, weil sich aus der Werbung für die Navol-Caps ergebe, daß sie kein diätetisches Lebensmittel im Sinne dieser Vorschriften seien. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte habe das Navol-Pulver als Arzneimittel qualifiziert. Es komme nicht darauf an, ob das Mittel als Kapsel oder in Pulverform vertrieben werde.

Wie es mit der Werbung mit "Navol-Caps" steht, bedarf keiner Prüfung, weil die Antragsgegnerin das Verbot hingenommen hat. Im Hinblick auf "Navol-Pulver" erscheint die Begründung nicht folgerichtig. Wenn das Navol-Pulver die Voraussetzungen des § 14 a DiätVO erfüllt, läßt sich das nicht damit widerlegen, daß dies ausweislich der Werbung für Navol-Kapseln nicht zutreffe, und darauf ein Verbot stützen. Unbeschadet der genannten Anspruchsgrundlage scheint das Landgericht aber angenommen zu haben, die Werbung für das Navol-Pulver sei unzulässig, weil es nach Einschätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ein Arzneimittel sei.

2. Mit Vorschriften der NKV läßt sich das generelle Verbot, im geschäftlichen Verkehr für Navol-Pulver mit Hinweisen auf dessen schlankmachende und/oder gewichtsreduzierende Wirkung zu werben, nicht rechtfertigen, weil nach § 6 Abs. 1 Satz 2 NKV Lebensmittel im Sinne des § 14 a DiätVO von dem Werbeverbot ausgenommen sind, wenn sie zur Verwendung als Tagesration dienen.

Der Antragsteller behauptet nicht, jedenfalls hat er dazu keine Tatsachen glaubhaft gemacht, Navol-Pulver sei seiner Zusammensetzung nach nicht geeignet, als Tagesration verwendet zu werden, also als vollständige und alleinige Ernährung für den ganzen Tag zu dienen. Er bemängelt vielmehr, daß nach den Angaben auf dem Produkt selbst (Anlage A 4) nicht nur eine Verwendung als "Tagesration für gewichtskontrollierende Ernährung", sondern auch als Ersatz für einzelne Mahlzeiten in Betracht komme und die Angaben auf dem Etikett deshalb falsch und damit unzulässig seien.

Das mag richtig sein, nur greift der Antragsteller nicht das Etikett an, sondern will die Werbung für das Navol-Pulver generell verboten wissen, wenn mit schlankmachenden Wirkungen geworben wird. Es ist dem Unternehmen, das in der Zeitschrift der Antragsgegnerin wirbt, aber nach § 21 Abs. 5 DiätVO erlaubt, das Mittel als Tagesration gewerbsmäßig zu vertreiben, wenn es nach § 25 Abs. 1 Satz 1 DiätVO gekennzeichnet ist. Ist diese Voraussetzung erfüllt, würde auch die Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 NKV greifen.

3. Auch nach dem Verständnis der Antragsgegnerin ist eine Werbung für das Navol-Pulver nach §§ 1 UWG, 3 a HWG, 21 AMG unzulässig, wenn es ein Arzneimittel darstellt. In diesem Falle darf es überhaupt nicht beworben werden. Es ist dem Antragsteller allerdings unbenommen, seinen Unterlassungsanspruch nur in der Beschränkung auf eine Werbung mit schlankmachenden Wirkungen titulieren zu lassen.

Gleichwohl läßt sich das generelle Verbot auch mit einer solchen Begründung nicht aufrechterhalten, denn wenn Navol-Pulver nach Einschätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte die Voraussetzungen des § 14 a DiätVO erfüllt, also ein Lebensmittel ist, und nur wegen der Werbung als Arzneimittel eingestuft wird, dann kann auch nur eine konkrete Werbung es zu einem Arzneimittel machen. Es ist erst diese Werbung, die es - um den Ausdruck des Antragstellers zu gebrauchen - als "Präsentationsarzneimittel" erscheinen läßt. Ein Schlechthin-Verbot kommt deshalb nicht in Betracht.

Das OLG Saarbrücken (Anlage A 13) hat unter Hinweis auf die Literatur (insbes. Rehmann, AMG, 1999, § 21, Rdnr. 8; Kloesel/Cyran, AMG, § 2, Anm. 99) angenommen, die Einstufung des Mittels als Arzneimittel durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sei ein bindender gestaltender Verwaltungsakt. Ob dem zu folgen ist, obwohl es sich um einen behördeninternen Vorgang handeln dürfte, denn das Bundesinstitut entscheidet auf Antrag einer Landesbehörde nach § 21 Abs. 4 AMG und nicht im Rahmen eines Zulassungsverfahrens nach § 21 Abs. 3 AMG (der betroffene Hersteller oder Vertreiber muß überhaupt nicht beteiligt sein), braucht nicht entschieden zu werden. Unstreitig ist gegen diese Maßnahme eine Anfechtungsklage erhoben worden, die aufschiebende Wirkung hat.

4. Soweit der Antragsteller seinen Hilfsantrag in der Fassung verfolgt,

zu verbieten, für das Mittel "Navol-Pulver" mit folgenden Angaben zu werben:

* Der Super-Fettlöser

* Navol: Fett weg in Rekordzeit

* Navol-Schlankmolekül

* Superstoff zum Schnellabnehmen

* Das heißeste Schlanksystem der letzten Jahre

* Weil es funktioniert: Schnell, zuverlässig und meßbar

* Schlank auf Dauer

* Weil Navol das Fett löst

insbesondere wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "X- Blatt", Heft 40 vom 27.09.2000, Seite 15 (Anlage A 2),

kann er ebenfalls keinen Erfolg haben.

Für eine Werbung in Gestalt der Anzeige aus der Zeitschrift "X- Blatt", Heft 40 vom 27.09.2000, Seite 15, besteht keine Begehungsgefahr, denn die Antragsgegnerin hat sich auf die Abmahnung des Antragstellers hin strafbewehrt unterworfen und damit die Vermutung widerlegt, sie werde die Anzeige erneut erscheinen lassen. Anhaltspunkte dafür, die Verpflichtung sei nicht ernst gemeint, trägt der Antragsteller nicht vor.

Es stellt sich die Frage, ob dem Antragsteller hinsichtlich der verbleibenden Verallgemeinerung ein Unterlassungsanspruch zusteht. Es ist anerkannt, daß sich ein Antrag insofern von der historischen Verletzungsform entfernen darf, als das Schutzinteresse des Verletzten gebietet, den "Kern" der Verletzungshandlung herauszuschälen, der über den Unterlassungsanspruch nicht hinausgeht, sondern nur das Charakteristische der konkreten Verletzungsform kennzeichnet (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, Einl. UWG, Rdnr. 462).

Diesem Erfordernis wird der Antrag des Antragstellers nicht gerecht, denn hier ist die Besonderheit zu beachten, daß die Antragsgegnerin nicht schlechthin wegen einer rechtswidrigen Werbung haftet, sondern nur dann, wenn diese einen groben und leicht erkennbaren Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften enthält oder wenn sie sich als Presseorgan einer sachgerechten Belehrung - etwa durch ein gerichtliches Verbot - verschließt (vgl. BGH GRUR 1992, 618 - Pressehaftung II).

Ob die Anzeige in Nummer 40 einen groben und leicht erkennbaren Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften enthält, braucht nicht entschieden zu werden, denn die Antragsgegnerin hat sich durch die Abmahnung sofort belehren lassen. Das bedeutet aber nicht, daß ihr nunmehr zweifelsfreie Maßstäbe zur Verfügung stünden, um eine ihr später vorgelegte Anzeige, die die aus der Anzeige in Heft 40 stammenden Einzelangaben enthält, unter allen Umständen ohne weiteres und leicht als rechtswidrig zu erkennen. Es ist durchaus denkbar, daß diese Angaben nicht besonders hervorgehoben in einem umfangreichen Fließtext erscheinen, der sie zudem in ihrer Bedeutung so relativieren kann, daß sich keine eindeutigen Rechtsverstöße ergeben. Nimmt man hinzu, wie komplex die rechtlichen Zusammenhänge sind (wie nicht zuletzt dieser Rechtsstreit beweist), läßt sich nur an Hand der ganz konkreten Umstände einer Werbung beurteilen, ob diese selbst überhaupt rechtswidrig ist, so daß der Antragsteller mit seinem Antrag nicht mehr das Charakteristische der Verletzungshandlung getroffen hat.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91, 92 ZPO.

Ende der Entscheidung

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