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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 17.04.2003
Aktenzeichen: 3 U 150/02
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14
MarkenG § 24
1. Original-Markenhemden, die für den außereuropäischen Markt bestimmt sind, können auch durch einen unautorisierten Dritten im Inland vertrieben werden, wenn das Markenrecht erschöpft ist (§ 24 MarkenG). Das hierfür erforderliche Inverkehrbringen einer Ware im Inland (in der Europäischen Union) kann durch eine entsprechende eigene Benutzungshandlung des Markeninhabers oder durch Handlungen Dritter mit seiner Zustimmung erfolgen.

2. Beim erstmaligen Inverkehrbringen der Ware in der Europäischen Union durch den Markeninhaber selbst ist für die Erschöpfung nicht zusätzlich auf die Zustimmung des Markeninhabers zu einem Inlandsvertrieb durch Dritte abzustellen.

Deswegen ist das Markenrecht erschöpft, wenn der Markeninhaber (Verkäufer) beim Verkauf der Ware diese körperlich im Inland unter Verlust seiner Verfügungsgewalt an den Spediteur des Käufers übergibt (hier: "ex works Passau), auch wenn der Käufer sich vertraglich verpflichtet hat, die Ware in Mexiko zu verkaufen und nicht in der Europäische Union.

3. Werden in so einem Fall aus den Hemden die Marken entfernt (im Innenteil des Kragenausschnitts), so ist das als solches kein markenrechtlicher Verletzungstatbestand.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 150/02

Verkündet am: 17. April 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, v. Franque, Spannuth nach der am 27. März 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 19. April 2002 abgeändert.

Die Beschlussverfügung des Landgerichts Hamburg vom 6. März 2002 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Verfügungsantrag in der in der Berufungsverhandlung gestellten Fassung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin produziert und vertreibt Herrenhemden unter den Bezeichnungen B.-XXXX und B.-XXXX SUPRA. Sie ist Inhaberin der Marken B.-XXXX und B.-XXXX SUPRA (Anlage ASt1).

Die Antragsgegnerin betreibt bundesweit die M.-Großhandelsmärkte. Sie warb in ihrer M.-Post für den Verkauf von B.-XXXX- SUPRA-Hemden (Anlage ASt 2). Deren Vertrieb beanstandet die Antragstellerin als markenverletzend, sie nimmt die Antragsgegnerin deswegen im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

Bei den von der Antragsgegnerin angebotenen Hemden handelt es sich um Ware, die die Antragstellerin an das mexikanische Unternehmen EURAM.-xxx (im folgenden: Firma EURAM-Mexiko) veräußert hat (Anlage ASt 3), wobei die Hemden auf Bitte des mexikanischen Erwerbers für ein mit der Firma EURAM-Mexiko verbundenes, auf den Virgin Islands domizilierendes Unternehmen, die EURAM.-xxxx (im folgenden: Firma EU RAM-Virgin-Islands) fakturiert wurden (Anlage ASt 4). Die Lieferung der Hemden erfolgte durch einen von der Firma EURAM-Mexiko beauftragten Spediteur ab Werk der Antragstellerin in Passau. Ausweislich des CMR-Frachtbriefs war als Auslieferungsort Genua, Italien vorgesehen (Anlage ASt 6). Nach dem Vorbringen der Antragstellerin sollte die Ware von Genua zu den British Virgin Islands verschifft werden.

Mit dem Urteil vom 19. April 2002 hat das Landgericht seine Beschlussverfügung vom 6. März 2002, bestätigt, mit der der Antragsgegnerin

1. unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Hemden der Marke "B.-xxxx" bzw. der Marke "B.-xxxx SUPRA" einzuführen oder einführen zu lassen oder anzubieten oder anbieten zu lassen oder zu vertreiben oder vertreiben zu lassen oder dafür zu werben oder werben zu lassen,

die nicht von der Antragstellerin oder mit deren Zustimmung durch Dritte in der Bundesrepublik Deutschland, einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind und/oder bei denen das im Innenteil des Kragenausschnittes angebrachte Markenetikett nachträglich entfernt worden ist;

2. aufgegeben worden ist, alle in ihren sämtlichen Filialen vorhandenen Hemden der Marken "B.-xxxx" bzw. "B.-xxxx SUPRA", die nicht von der Antragstellerin oder mit deren Zustimmung durch Dritte in der Bundesrepublik Deutschland, einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind und/oder bei denen das im Innenteil des Kragenausschnittes angebrachte Markenetikett nachträglich entfernt worden ist, an den für den Geschäftssitz bzw. den Sitz der jeweiligen Filiale zuständigen Gerichtsvollzieher als Sequester zur Sicherstellung des Vernichtungsanspruchs der Antragstellerin herauszugeben.

Soweit im Urteilsausspruch des Landgerichts zur Beschlussverfügung das Aktenzeichen "416 O 11/02" genannt ist, handelt es sich um einen Schreibfehler, es muss richtig heißen: "416 O 29/02". Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, mit der sie die Aufhebung der Beschlussverfügung und die Zurückweisung der auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsanträge verfolgt.

Die Antragstellerin verteidigt das landgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, dass es in beiden Ziffern der Beschlussverfügung nach den Worten "in Verkehr gebracht worden sind" - in der obigen Wiedergabe der Beschlussverfügung bei Ziffer 1.) am Ende des 2. Absatzes und bei Ziffer 2.) am Ende des 1. Absatzes - jeweils heißt:

"und zwar auch dann, wenn bei diesen das im Innenteil des Kragenausschnittes angebrachte Markenetikett nachträglich entfernt worden ist."

Die Schutzschriften Landgericht Hamburg 315 AR 125/02 und 315 AR 127/02 haben

vorgelegen.

B.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet. Die Beschlussverfügung des Landgerichts ist demgemäß unter Abänderung des angefochtenen Urteils und unter Zurückweisung der Verfügungsanträge aufzuheben.

Gegenstand des Unterlassungsantrages zu 1.) in der in der Berufungsverhandlung gestellten Fassung sind die im Verbotsausspruch aufgeführten Handlungen betreffend Hemden der Marken B.-XXXXbzw. B.-XXXXSUPRA, und zwar in der Bundesrepublik Deutschland.

Es geht dabei jeweils nur um die Markenhemden, die nicht von der Antragstellerin oder nicht durch autorisierte Dritte ("mit deren - der Antragstellerin - Zustimmung") in einem EU-Mitgliedstaat oder in einem EWR-Vertragsstaat in Verkehr gebracht worden sind. Das gilt auch für die Fallgestaltung betreffend die Hemden, bei denen das im Innenteil des Kragenausschnittes angebrachte Markenetikett nachträglich entfernt worden ist. Das hat die Antragstellerin in der Berufungsverhandlung durch die Antragsüberarbeitung klarstellen lassen.

Entsprechendes gilt für den Gegenstand des Gebotsantrages zu 2.) betreffend die Herausgabe der Hemden, wie ebenfalls in der Berufungsverhandlung klargestellt worden ist.

Der Unterlassungsantrag zu 1.) in der ersten Fallvariante (ohne Entfernung der Markenetiketten) ist nach Auffassung des Senats aus dem allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 14 MarkenG nicht begründet.

1.) Bei den von der Antragsgegnerin angebotenen B.-XXXX-Hemden (Anlage ASt 2) handelt es sich unstreitig um Original-Markenware. Sie ist seitens der Antragstellerin hergestellt und mit der für sie markenrechtlich geschützten Bezeichnung B.-XXXXbzw. B.-XXXXSUPRA versehen worden.

Weil es sich bei den streitgegenständlichen B.-XXXX-Hemden um Originalware handelt, wäre der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §14 MarkenG nur dann begründet, wenn das Markenrecht der Antragstellerin an den Marken B.-XXXX bzw. B.-XXXX SUPRA nicht erschöpft ist (§ 24 Abs. 1 MarkenG).

2.) Nach § 24 Abs. 1 MarkenG tritt eine Erschöpfung des Rechts aus der Marke für solche Waren ein, die unter dieser Marke vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschafts räum in den Verkehr gebracht worden sind.

Die Begriffsprägung der Erschöpfung besagt, dass jemand, der eine mit einer Marke gekennzeichnete Ware in den Verkehr bringt, grundsätzlich mit dem Weitervertrieb dieses Wirtschaftsgutes auch unter dieser Kennzeichnung (stillschweigend) einverstanden ist und deshalb die wirtschaftstypische Zweckbestimmung des Warenhandels, nämlich den Weitervertrieb der unveränderten Originalprodukte, einem Dritten nicht untersagen kann. Demgemäß weicht das Recht an einer Marke dem Gesichtspunkt der Verkehrsfähigkeit der Ware dort, wo der Markenrechtsinhaber selbst eine eigenveranlasste oder eine ihm zurechenbare Entäußerung des Wirtschaftsgutes gewollt hat (OLG Stuttgart NJW-RR 1998, 482 m.w. Nw.).

Demgemäß setzt der Eintritt der Erschöpfungswirkung nach §24 Abs. 1 MarkenG das Inverkehrbringen der Ware im Bereich der EU oder des EWR entweder durch den Markeninhaber selbst oder durch Dritte mit seiner Zustimmung voraus (vgl. BGH GRUR 1996, 271 - Gefärbte Jeans).

3.) Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Inverkehrbringens ist zwischen einem Inverkehrbringen im Sinne des Kollisionsrechts (vgl. §14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG) und dem Inverkehrbringen im Sinne des Erschöpfungsrechts nach §24 MarkenG zu unterscheiden.

Im Erschöpfungsrecht stellt das Inverkehrbringen eine markenrechtserschöpfende Benutzungshandlung des Markeninhabers selbst dar, deren Auslegung sich am Zweck des Schrankenrechts auszurichten hat. Der Begriff des Inverkehrbringens ist nach dem richtlinienkonformen Normzweck des §24 Abs. 1 MarkenG zu bestimmen, der dem Schutz der Warenverkehrsfreiheit der Originalware innerhalb des Territoriums der europarechtlichen Erschöpfung dient (vgl. Fezer, Markenrecht, 3. Auflage, §24 MarkenG Rz.7d).

4.) Unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein Inverkehrbringen von Waren im Sinne des § 24 Abs. 1 MarkenG vorliegt, ist umstritten.

(a) Fezer (a. a. O.) will den Eintritt der Erschöpfung verneinen, wenn im Rahmen eines Vertriebssystems die Ware in den außereuropäischen Wirtschaftsraum geliefert wird.

Dem hat sich der Senat schon in einer früheren Entscheidung (OLG Hamburg, Urteil vom 29. November 2001, 3 U 104/01, GRUR-RR 2002, 96) nicht anschließen können.

Hieran hält der Senat fest.

Es kann nicht darauf ankommen, ob der Markeninhaber die Ware einem "gebundenen" oder einem "ungebundenen" Käufer überlässt, denn das würde bedeuten, dass der Begriff des "Inverkehrbringens" bei völlig identischen Vorgängen von Kriterien abhinge, die mit dem Vorgang selbst wenig zu tun haben.

Die gegenteilige Auffassung würde den Geschäftsverkehr zwischen einem Verkäufer und dem "gebundenen" Käufer einer Ware, die vom Inland in den außereuropäischen Wirtschaftsraum gelangen soll, mit einem entsprechenden unternehmensinternen Warenverkehr gleichstellen, obwohl das den tatsächlich und rechtlich unterschiedlichen Sachverhalten nicht gerecht würde. Dass kein Inverkehrbringen im Sinne des Erschöpfungsrecht vorliegt, wenn sich die Ware noch im unternehmensinternen Geschäftsverkehr befindet und dabei in den außereuropäischen Wirtschaftsraum verbracht wird, liegt auf der Hand, weil durch diese interne Warenverbringung die Ware noch nicht dem Verkehr zugeführt wird, d. h. noch nicht in eine Beziehung außerhalb des Unternehmens des Markeninhabers (BGH GRUR 1969, 479 - Colle de Cologne). Anders ist es dagegen, wenn die Ware einem Käufer überlassen wird und damit dem Verkehr zugeführt wird.

Deswegen kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg gegen den Erschöpfungseintritt allein darauf berufen, dass sie mit der Firma EURAM-Mexiko über die B.-XXXX-Hemden einen Kaufvertrag geschlossen und mit dieser dabei deren vertragliche Verfügungsbeschränkung vom 23. Juli 2001 vereinbart hat (vgl. Anlage ASt3, dort I.Seite). Auch die hierzu vereinbarte Vertragsstrafe ändert daran nichts. Dass die Käuferin der Hemden insoweit "gebunden" war, ist - wie ausgeführt - unerheblich.

(b) Zum Teil wird - entsprechend den Grundsätzen der Erschöpfung im Patentrecht (vgl. Benkard/Bruchhausen, Patentgesetz, 9. Auflage, §9 PatG Rz.43)- im Markenrecht die Auffassung vertreten, es genüge für das Inverkehrbringen und damit für den Eintritt der Erschöpfung des Markenrechts die körperliche Übergabe der Ware an den Spediteur, ohne dass es auf den Übergang der rechtlichen Verfügungsgewalt oder des Eigentums ankomme (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 24 MarkenG Rz. 7).

Danach hätte die Antragstellerin vorliegend schon deswegen die B.-XXXX-Hemden im Inland in den Verkehr gebracht, weil sie diese gegenständlich an den Spediteur ab ihrem Werk in Passau ausgehändigt hat. Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Wie bereits im Urteil vom 29. November 2001 (OLG Hamburg a. a. O.) ausgeführt, leuchtet es nicht ein, für die markenrechtliche Erschöpfung allein auf die körperliche Übergabe der Ware abzustellen. Hieran ist festzuhalten.

(c) Sachgerecht ist es vielmehr, stattdessen den Übergang der Verfügungsgewalt über die Ware für den Eintritt der Erschöpfung in die Beurteilung mit einzubeziehen.

Litten ("Inverkehrbringen" und "Erschöpfung" im neuen Markenrecht, WRP 1997, 678) unterscheidet bei einem Verkauf der Markenware vom EU-Inland in den außereuropäischen Wirtschaftsraum zunächst beim Selbsttransport der Ware zwischen einem solchen durch den Verkäufer (kein Inverkehrbringen im EU-Inland) und dem Selbsttransport durch den Käufer bei Übergabe der Ware im EU-Inland; dass in der zweiten Fallgestaltung die Markenware damit innerhalb des EU-Inlands vom Markeninhaber in den Verkehr gebracht worden ist, liegt auf der Hand.

Bei Einschaltung einer Transportperson will Litten (a. a. O.) das Inverkehrbringen davon abhängig machen, wer deren Auftraggeber ist, weil diese nicht im eigenen Interesse, sondern für den Auftraggeber beim Transport den Besitz ausübe. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat darauf abgestellt, ob nach den beförderungsrechtlichen Vorschriften der Empfänger der Ware über diese verfügen könne oder nicht (OLG Stuttgart, NJW-RR 1998, 482). Fezer (a. a. O.) vertritt für Lieferungen außerhalb eines Vertriebsbindungssystems eine entsprechende Meinung; solange der Warenempfänger vom Willen des Markeninhabers abhängig sei und seinen Weisungen unterliege, diene die Übergabe an den Spediteur oder Frachtführer nur dazu, den Vollzug des Handelsgeschäfts vorzubereiten.

Diesen Auffassungen hat sich der Senat (OLG Hamburg, a. a. O.) angeschlossen, soweit sie auf die Verfügungsgewalt über die Ware selbst abstellen. Hieran ist festzuhalten. Maßgeblich ist, dass der Markeninhaber mit dem erstmaligen Inverkehrbringen eine Entscheidung über seine Markenrechte trifft, die endgültig sein muss, weil die Bedürfnisse des Wirtschaftsverkehrs weitere Eingriffsrechte des Markeninhabers nicht rechtfertigen können (Ingerl/Rohnke, a. a. O., §24 MarkenG, Rz. 5). Demgemäß muss sein Wille, die Ware in den Verkehr zu entlassen, wie er durch die Aufgabe der Verfügungsgewalt zum Ausdruck kommt, zum Ausgangspunkt genommen werden.

5.) Mit der Übergabe der streitgegenständlichen B.-XXXX-Hemden im Werk der Antragstellerin in Passau an den Spediteur der Firma EU RAM-Mexiko hat sich die Antragstellerin tatsächlich und rechtlich der Verfügungsgewalt über die die Ware begeben und diese damit im Inland erstmalig in Verkehr gebracht. Demgemäß ist ihr Markenrecht erschöpft.

(a) Im Regelfall wird, wie der Senat bereits entschieden hat (OLG Hamburg a. a. O.), der Auftraggeber des Transportgeschäfts mit der Übernahme der Ware durch den Transporteur die Verfügungsgewalt als mittelbarer Besitzer erlangen oder behalten. Es ist unstreitig, dass die Antragstellerin die Ware in Passau übergeben hat (vgl. "EX WORKS PASSAU": Anlage AG 3 =ASt 6), und zwar an den vom Käufer (der Firma EURAM-Mexiko) beauftragten Spediteur (vgl. Anlage AG 3, dort Ziffer 4).

(b) Aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Frachtbrief (Anlage ASt 6) ergibt sich, dass der vorliegende Beförderungsvorgang ab Passau den Regeln des CMR unterlag.

Gemäß Art. 12 Abs. 1 CMR steht die Verfügungsgewalt dem Absender zu, da er berechtigt ist, über das Gut zu verfügen. Er kann insbesondere verlangen, dass der Frachtführer das Gut nicht weiterbefördert, den für die Ablieferung vorgesehenen Ort ändert oder das Gut einem anderen als dem auf dem Frachtbrief angegebenen Empfänger abliefert.

(c) Absender im Sinne des Art. 12 CMR ist der Vertragspartner des Frachtführers, dieser ist unstreitig nicht die Antragstellerin, sondern die Firma EU RAM-Mexiko. Etwas anderes ergibt weder aus der vom Landgericht herangezogenen Ausfuhrbescheinigung (Anlage AG 4) noch aus dem Umstand, dass die Antragstellerin im Frachtbrief als "Absender" vermerkt ist (Anlage AG 3 =ASt6). Auf diese nach dem unstreitigen Vorbringen unrichtige Angabe kommt es nicht an.

(d) Mit der Übergabe der Ware an die vom Käufer (von der Firma EU RAM-Mexiko) beauftragte Transportperson in Passau hat die Antragstellerin demgemäß von ihrem Bestimmungsrecht über das erstmalige Inverkehrbringen Gebrauch gemacht, indem sie die Ware aus ihrer Sphäre so entlassen hat, dass sie ihrem Einfluss nicht mehr unterlag.

(e) Im Übrigen würde im Hinblick auf den Bestimmungsort im Frachtbrief (Anlage G 3: Genua, Italien) nichts anderes gelten. Auch der Bestimmungsort befindet sich innerhalb der Europäischen Union. Dass die Antragstellerin darüber hinaus noch die Verfügungsgewalt an der Ware gehabt hätte (unbeschadet des Vorgangs in Passau), ergibt sich nicht.

(a) So steht im Frachtbrief kein Vermerk, dass die Ware überhaupt in Genua angekommen ist. Eine zollrechtliche Maßnahme vom Zollamt in Neapel belegt das verständigerweise nicht. Auf den Status der British Virgin Islands kommt es ohnehin nicht an, weil es - wie ausgeführt - um die vorgelagerten Vorgänge ab Passau geht.

6.) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht die von ihr herangezogene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20. November 2001 (verbundene Rechtssache C-414/99 bis C-416/99, GRUR 2002, 156 - "Davidoff") nicht entgegen.

(a) Die Antragstellerin möchte aus dem Umstand, dass der Übergabe der Hemden an den Spediteur in Passau ein Verkaufsgeschäft mit der Firma EURAM-Mexiko zu Grunde lag, wonach die Käuferin vertragsstrafebewehrt verpflichtet war, die Hemden nur in Mexiko an Endverbraucher zu vertreiben, eine fehlende Zustimmung auf ihrer - der Antragstellerin - Seite für den inländischen Vertrieb der Hemden herleiten. Hierauf kommt es aber nicht an, wenn sie selbst sich der Verfügungsgewalt der Hemden im Inland bzw. innerhalb der Europäischen Union begeben hat.

Die Antragstellerin möchte ferner aus dem Umstand der oben dargestellten Kaufvertragsmodalitäten herleiten, der Spediteur habe nicht die unbeschränkte Verfügungsmacht über die Ware erhalten, maßgeblich sei das Willensmoment bei der Bestimmung des Ortes des erstmaligen Inverkehrbringens, d. h. nach ihrer Auffassung vorliegend gerade nicht innerhalb der Europäischen Union.

Auf eine Zustimmung der Antragstellerin zu Vertriebshandlungen Dritter kommt es vorliegend nicht an, sondern darauf, dass sie selbst entsprechend den obigen Ausführungen die streitgegenständlichen Hemden im Bereich der EU erstmalig in den Verkehr gebracht hat.

(b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin findet ihre aus der EuGH-Entscheidung (EuGH, a. a. O., insbesondere Rz. 40-43 - Davidoff) hergeleitete Auffassung dort keine Stütze:

Nach Art. 7 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABI. 1989, L40, Seite 1) in der Fassung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABI. 1994, L. 1, Seite 3) gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft (jetzt: in einem Vertragsstaat) in den Verkehr gebracht worden sind.

In der Rechtssache C-414/99 waren DAVIDOFF-Markenerzeugnisse ursprünglich von Davidoff (der Markeninhaberin) oder mit ihrer Zustimmung in Singapur in den Verkehr gebracht worden (EuGH, a. a. O., Rz. 10 - Davidoff) und die beklagte Vertriebsfirma hat diese Ware übernommen, in Groß-Britannien eingeführt und dort vertrieben (EuGH, a. a. O., Rz. 11 - Davidoff). In den Rechtssachen C-415/99 und C-416/99 waren LEVI'S-Markenhosen ursprünglich in den USA, Kanada oder Mexiko bei autorisierten Einzelhändlern bzw. Großhändler vorhanden (EuGH, a.a.O., Rz. 23 - Davidoff), d.h. die Ware war ursprünglich vom Markeninhaber selbst oder mit seiner Zustimmung dorthin gelangt. Die beklagten Vertriebsfirmen haben die Ware von Lieferanten, die sie aus Nicht-EWR-Staaten in Groß-Britannien eingeführt hatten, erworben und dort vertrieben (EuGH, a. a. O., Rz. 22 - Davidoff).

Die dem EuGH vorgelegten und von ihm beantworteten Fragen betrafen solche zur Zustimmung des Markeninhabers zum Inverkehrbringen von Ware im Europäischen Wirtschaftsraum durch Dritte, die sich die Ware aus dem nichteuropäischen Ausland beschafft hatten, wohin sie zuvor autorisiert gelangt war. Mit diesem Sachverhalt ist der vorliegende nicht vergleichbar.

Es geht vorliegend um die Frage des ersten Inverkehrbringens Ware durch die Antragstellerin selbst, und zwar in der Europäischen Union. In solchen Fällen wäre es verfehlt, auf eine Zustimmung abzustellen, auf die es bei einer eigenen Handlung, mit der der Markeninhaber bereits Gebrauch von seinem ausschließlichen Recht auf Vertriebssteuerung innerhalb des EWR gemacht hat (vgl. hierzu zutreffend die Schlussanträge der Generalanwältin in der "Davidoff"-Entscheidung: Anlage AG 10), nicht ankommen kann.

Die vom Landgericht geteilten Überlegungen der Antragstellerin laufen auf eine Korrektur der verfügungsrechtlichen Entäußerung durch den Markeninhaber hinaus. Es kommt aber selbstverständlich nicht darauf an, inwieweit die Antragstellerin mit dem Ergebnis ihres Tuns in markenrechtlicher Hinsicht einverstanden ist. Es stand ihr frei, die Ware so ins Ausland zu liefern, dass sie nicht bereits im EWR-Gebiet die Verfügungsgewalt über die Ware aufgab und so sich ihrer (endgültig) entäußerte.

7.) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Landgerichts München 1 vom 15. Januar 2003, mit der die negative Feststellungsklage umgekehrten Rubrums über den vorliegend geltend gemachten Unterlassungsanspruch abgewiesen worden ist (1 HK O 4309/02 - Anlage der Antragstellerin).

(a) Der erkennende Senat ist an die Entscheidung des Landgerichts München 1 als Gericht der Hauptsache nicht gebunden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Antragsgegnerin hat gegen das Urteil unstreitig Berufung eingelegt.

(b) Der Auffassung des Landgerichts München 1 vermag sich der Senat entsprechend den obigen Ausführungen nicht anzuschließen. Die Schlussfolgerungen des Landgerichts ergeben sich aus der herangezogenen EuGH-Entscheidung (EuGH, a. a. O. - Davidoff), wie ausgeführt, nicht.

Der Unterlassungsantrag zu 1.) in der zweiten Fallvariante (mit Entfernen der Markenetiketten im Innenteil des Kragenausschnitts) ist nach Auffassung des Senats ebenfalls nicht begründet.

1.) Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass eine Markenrechtsverletzung insoweit nicht in Betracht kommt. Das Entfernen von Bezeichnungen wäre als solches kein markenrechtlicher Verletzungstatbestand.

Inwieweit etwas anderes gelten würde, wenn erst die Ware unter Verletzung des Markenrechts der Antragstellerin in die Europäische Union eingeführt und zusätzlich noch die Markenbezeichnungen entfernt worden wären, weil ein solches Tun insgesamt die Markenrechtsverletzung perpetuieren würde, kann dahingestellt bleiben. Von dieser Fallvariante einer solchen Einfuhr in die Europäische Union ist nach den obigen Ausführungen nicht auszugehen.

Auf der Abbildung in der Anzeige der Antragsgegnerin (Anlage ASt 2) fehlen die Etiketten im Hemdinneren, zugleich steht aber der Markenname B.-XXXX auf der Anzeige. Insoweit sind die Hemden unter der Marke ohne eine Irreführung (§ 3 UWG) angeboten worden, und zwar ohne jede Entstellung (§ 1 UWG), weil es bei der Anzeige auf die Innenetiketten nicht ankommt.

2.) Unabhängig von der fehlenden Anspruchsgrundlage scheitert der Unterlassungsanspruch an der fehlenden Verletzungshandlung.

Aus dem Verhandlungsprotokoll des Landgerichts (Bl. 29) ergibt sich, dass die Antragstellerin aus der Anzeige (Anlage ASt 2) nur gefolgert hat, dass die Etiketten entfernt worden sind. So hat es das Landgericht im Urteil auch unwidersprochen wiedergegeben. Offenbar hat die Antragsgegnerin schon in erster Instanz bestritten, dass die Etiketten aus den Hemden entfernt worden sind, sie hat von möglichen Retuschen gesprochen, so wird das im landgerichtlichen Urteil ebenfalls unwidersprochen referiert.

Zu Unrecht hält das Landgericht den Retuschierungs-Einwand für unerheblich. Nach dem Streitgegenstand käme es darauf an, ob die Etiketten aus den Hemden entfernt worden sind, und nicht auf eine Werbung, die nur den Eindruck einer Etikettenentfernung erweckt.

IV.

Der Gebotsantrag zu 2.) auf Herausgabe in beiden Fallvarianten ist nach Auffassung des Senats unbegründet. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen zu II.-III. Bezug genommen.

V.

Nach alledem ist die Berufung begründet und das Urteil des Landgerichts im Sinne der Antragsgegnerin abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kommt vorliegend nicht in Betracht (§ 156 ZPO). In Verfügungssachen liegt es in der Natur der Sache, dass sich in der Berufungsverhandlung auch neue rechtliche Gesichtspunkte ergeben können. Hierauf haben die Parteien sich im Normalfall einzustellen. Im Übrigen ergibt das nachgereichte Vorbringen der Antragstellerin keine neuen entscheidungserheblichen Argumente.

Eine Vorlage an den EuGH (Art. 234 EG) ist nach Auffassung des Senats in Verfügungssachen ohnehin nicht angezeigt. Im Übrigen zeigen die obigen Ausführungen, dass die vom Senat vorgenommene Anwendung der markenrechtlichen Bestimmungen mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und Entscheidungen im Einklang steht.

Ende der Entscheidung

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