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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 3 U 245/06
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 6 Abs. 2 Nr. 1
1. Bei der Beurteilung der wesentlichen Gleichartigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG kommt es in erster Linie auf quantitative Aspekte, nämlich auf das Ausmaß der Verschreibungen für die übereinstimmenden Indikationen zweier Medikamente im Verhältnis zu den Verschreibungen für die zusätzlichen Indikationen eines dieser Medikamente an.

2. Wir ein Medikament in der Verschreibungspraxis der Ärzte wegen zweier zusätzlicher Indikationen nur in insgesamt 2,4% der Fälle verschrieben, belegt dies, dass die beiden zusätzlichen Indikationen im Verhältnis zu den übereinstimmenden Anwendungsgebieten der Medikamente von sehr untergeordneter Bedeutung sind.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

3 U 245/06

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, am 12. Juli 2006 durch die Richter Spannuth, Dr. Löffler, Terschlüssen

beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Das landgerichtliche Urteil vom 12. Oktober 2005, Az. 315 O 476/05, ist richtig. Die Berufung enthält keine durchgreifenden Angriffe.

Gründe:

Die Parteien bieten Arzneimittel gegen Bluthochdruck an und stehen miteinander im Wettbewerb. Für ihr Arzneimittel "M. (r) NK" hat die Antragsgegnerin mit einem Preisvergleich geworben und dabei das Arzneimittel "B. (r)" der Antragstellerin gegenüber gestellt.

Die deswegen ergangene Unterlassungsverfügung hatte das Landgericht zu Ziffer I. 4. betreffend den Preisvergleich aufgehoben. Die Berufung hat die Antragstellerin zurückgenommen, nachdem der nachstehende Hinweisbeschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ergangen war.

Zu Recht hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 21. Juli 2005 hinsichtlich des Unterlassungstenors zu I. 4. aufgehoben. Der Preisvergleich der Antragsgegnerin verstößt nicht gegen wettbewerbsrechtliche Regelungen.

Der monierte Preisvergleich betrifft Arzneimittel, die im Wesentlichen gleichartig sind. Er ist auch in der Sache nicht zu beanstanden, insbesondere ist er nicht irreführend.

a.

Die mit dem Preisvergleich in Bezug genommenen Arzneimittel der Parteien, nämlich B. (r) einerseits und M. (r) NK andererseits, sind einem Preisvergleich zugänglich. Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 UWG liegt nicht vor, denn die Anwendungsgebiete der beiden Präparate sind im Wesentlichen die gleichen.

Beide Medikamente sind für die Indikationen arterieller Bluthochdruck (Hypertonie), chronische, stabile koronare Herzkrankheit (Angina pectoris), Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt, schnelle Formen der Herzrythmusstörungen (tachykarde Arythmien) sowie die vorbeugende Behandlung der Migräne zugelassen (Anlagen ASt 2, ASt 3 und ASt 4). Das Präparat der Antragstellerin, B. (r), ist darüber hinaus auch für die Behandlung des hyperkinetischen Herzsyndroms sowie der stabilen chronischen gering bis mäßig ausgeprägten Herzinsuffizienz bei eingeschränkter systolischer Ventrikelfunktion (Ejektionsfraktion = 40%) - zusätzlich zur üblichen Standardtherapie mit ACE-Hemmern und Diuretika und ggf. Herzglykosiden zugelassen (Anlage Ast 4).

Bei der Beurteilung der wesentlichen Gleichartigkeit kommt es in erster Linie auf quantitative Aspekte, nämlich auf das Ausmaß der Verschreibungen für die übereinstimmenden Indikationen im Verhältnis zu den Verschreibungen für die zusätzlichen beiden Indikationen an. Die Antragsgegnerin hat durch Vorlage der Verordnungszahlen des Arzneimittels der Antragstellerin laut IMS für das zweite Quartal 2005 glaubhaft gemacht, dass lediglich 2,1 % der Verordnungen des Medikaments B. (r) auf die Indikation "Herzinsuffizienz", und lediglich 0,3 % der Verordnungen auf die Indikation "hyperkinetisches Herzsyndrom" entfallen sind (Anlage AG 1). Nach dem dokumentierten Stand der Verschreibungspraxis der Ärzte wird B. (r) mithin wegen der beiden zusätzlichen Indikationen nur in insgesamt 2,4% der Fälle verschrieben. Dieser Umstand belegt, dass die beiden zusätzlichen Indikationen im Verhältnis zu den übereinstimmenden Anwendungsgebieten der Medikamente der Parteien von sehr untergeordneter Bedeutung sind.

Soweit die Antragstellerin hiergegen vorbringt, dass die vorgelegten IMS-Zahlen nur diejenigen Verordnungsanteile wiedergäben, bei denen der Arzt die Herzinsuffizienz direkt als Eingangsdiagnose diagnostiziert und dokumentiert habe, und dass die Fälle von Herzinsuffizienz, die als Folge eines Herzinfarktes, einer koronaren Herzerkrankung oder eines unzureichend eingestellten Bluthochdrucks behandelt würden, sich in den Verordnungszahlen nicht wiederfänden, fehlt es an hinreichend konkretem Sachvortrag und einer entsprechenden Glaubhaftmachung. Die Antragsgegnerin ist diesem Vorbringen der Antragstellerin nachdrücklich entgegen getreten. Konkreter Sachvortrag sowie Glaubhaftmachungsmittel, die die bereits erfolgte Glaubhaftmachung der Antragsgegnerin erschüttern könnten, sind nicht vorgebracht worden. Die Annahme der Antragstellerin, dass die tatsächlichen Verordnungszahlen des Medikaments B. (r) bzgl. der Indikation Herzinsuffizienz tatsächlich höher seien als in den IMS-Zahlen dokumentiert, bewegt sich im Bereich der Spekulation. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die behandelnden Ärzte bei der Arzneimittelverordnung stets an der Erstdiagnose festhalten und eine erst später hinzutretende Herzinsuffizienz nicht gesondert dokumentieren.

Auch der Umstand, dass es sich bei der zusätzlichen Indikation "Herzinsuffizienz" um eine äußerst schwere Krankheiten handelt, und dass die Erlangung dieser zusätzlichen Indikation hohe Kosten verursacht haben soll, ändert nichts daran, dass die Anwendungsgebiete der beiden Präparate im Wesentlichen, nämlich in 97,6 % der Fälle, die gleichen sind.

b.

Dieser Preisvergleich ist auch nicht irreführend. Die Antragstellerin hat ihr Unterlassungsbegehren nicht darauf gestützt, dass der Preisvergleich hinsichtlich seiner Berechnung falsch wäre.

Der streitgegenständliche Preisvergleich ist auch nicht deshalb falsch, weil die Indikationen der Medikamente der Parteien nicht vollständig übereinstimmen. Zwar ist mit der Antragstellerin davon auszugehen, dass beachtliche Teile der angesprochenen Fachkreise aufgrund des vorliegenden Preisvergleichs davon ausgehen, dass die beiden verglichenen Medikamente in ihren maßgeblichen Anwendungsgebieten gleichwertig sind. Dieses Verständnis ergibt sich aus der preislichen Gegenüberstellung der Therapiekosten, die der Verkehr - sofern er nicht durch deutliche Angaben auf eine Beschränkung hingewiesen wird - auf den Einsatz der Arzneimittel allgemein bezieht (OLG Hamburg, PharmaR 2000, 283, 284 - Vergleichende Werbung mit Tagestherapiekosten).

Das verständige Publikum würde eine vermeintliche Ersparnis bei der Wahl von M. (r) NK nicht als eine solche bewerten, wenn sich die Anwendungsgebiete so unterschieden, dass das vorgeblich preisgünstige Präparat einen wesentlichen Teil des Anwendungsspektrums des Arzneimittels der Antragstellerin, B. (r), nicht abdeckte. Durch diesen Nachteil würde sich der behauptete Vorteil nicht nur relativieren, sondern für den fehlenden Anwendungsbereich als weitgehend gegenstandslos erweisen. Da dies auf der Hand liegt, hat der Verkehr ohne entsprechende Hinweis auch keine Veranlassung zu der Annahme, der Ersparnisvorteil müsse sich nur auf einen Einzelaspekt der Anwendung beziehen.

Der Verkehr wird den Preisvergleich daher nahe liegender Weise auf die maßgeblichen Anwendungsgebiete beider Arzneimittel beziehen. Diese stimmen vollständig überein. Der Preisvergleich wäre nur dann unzulässig, wenn es sich bei den weiteren Anwendungsbereichen des Präparats der Antragstellerin nicht nur um irgendwelche weiteren Anwendungsgebiet handelt, sondern um solche, die bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung ganz wesentlich sind (OLG Hamburg, PharmaR 2000, 283, 285 - Vergleichende Werbung mit Tagestherapiekosten). Eine solche in der Verschreibungspraxis wesentliche Indikation ist -wie vorstehend bereits ausgeführt- keine der beiden zusätzlichen Indikationen des Arzneimittels B. (r).

Die Antragsgegnerin weist in ihrem Werbefolder zudem ausdrücklich, nämlich unter der Überschrift "Wertvoll zu wissen", auf die Indikationen hin, für die ihr Medikament zugelassen ist (Anlage ASt 1). Es ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Ärzte das Medikament M. (r) NK nur für die ausdrücklich zugelassenen Anwendungsgebiete verschreiben, nicht hingegen für andere - nicht zugelassene- Indikationen (OLG Hamburg, Beschluss vom 30. April 2002, Az. 3 W 40/02, S. 5). Es ist daher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weiter davon auszugehen, dass die angesprochenen Fachkreise die in diesem Werbefolder vorgenommenen Vergleiche zwischen den Präparaten der Parteien, insbesondere den jetzt noch streitgegenständlichen Preisvergleich, nur auf diese -ausdrücklich genannten- Indikationen beziehen.

Mithin kommen der Berufung der Antragstellerin keine hinreichende Erfolgsaussichten zu.

Ende der Entscheidung

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