Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 18.07.2002
Aktenzeichen: 3 U 247/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Die Werbung für den Vertrieb von Mobiltelefonen mit PrepaidKarte ist irreführend, wenn das Produkt zu dem angekündigten Zeitpunkt und/oder im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen der Werbung nicht erworben werden kann und wenn der Werbende schuldhaft nicht dafür gesorgt hat, daß die Handys in genügender Anzahl vorrätig waren.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 247/01

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 18. Juli 2002

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v.Franqué, Spannuth nach der am 20. Juni 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 25. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 45.000 € abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 65.000 DM = 33.234 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der bisherige Kläger, der Verbraucherschutzverein e.V. ( Anlagen K 1 und 2 ), ist mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. zum Bundesverband der Verbraucher zentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. - verschmolzen worden ( vgl. dazu die überreichten Anlagen, insbesondere den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 10. September 2001 ). Dieser ist demnach im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an die Stelle des bisherigen Klägers getreten.

Die Beklagte gibt das wöchentlich erscheinende "Tchibo TCM Magazin" heraus, Auflage 900.000. In dem Heft, das für die Woche vom 9. bis zum 15. September 2002 erschien und das in den 900 Filialen der Beklagten auslag, warb sie für ein "TCM Prepaid-Paket" für 39,95 DM, erhältlich ab 13.

September 2002 in allen Filialen ( Anlagen K 3, 4 und 7 ). Ebenso warb sie im "Eduscho TCM Magazin" ( Anlage B 5 ), auf Handzetteln ( Anlagen K 5 und 6) und gegenüber den Versandkunden im "Tchibo Bestell-Magazin" ( Anlage B 6 ). Zum 13. September 2000 hielt die Beklagte insgesamt 35.000 Pakete vorrätig, davon 5.000 für den Versandhandel und 30.000 für den stationären Handel, wo die Pakete innerhalb kürzester Zeit ausverkauft waren.

Der Kläger hat mehrere Vorfälle vorgetragen, in denen Kunden kurz nach Geschäftsöffnung am 13. September 2000 kein Gerät mehr erhalten hätten. Auf eine Beschwerde des Kunden Grüber erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 26. September 2000 ( Anlage K 11 ). Ein weiterer Vorgang betrifft eine Telefax-Bestellung vom 18. September 2000 ( vgl. Anlagen K 10 ).

Der Kläger hat vorgetragen:

Die Handy-Aktion der Beklagten habe gegen § 3 UWG verstoßen, weil die Beklagte nicht genügend Handys vorrätig gehalten habe.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken

des Wettbewerbs für den Vertrieb von Mobilfunktelefonen in Verbindung mit einer Prepaid-Karte - wie nachfolgend abgebildet - zu werben, wenn das Produkt zu dem angekündigten Zeitpunkt und/oder im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen der Werbung nicht erworben werden kann.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Ein Verstoß gegen § 3 UWG liege nicht vor.

Entsprechend der zu erwartenden Nachfrage habe sie die vorgehaltene Vorratsmenge nach ihren Erfahrungen ausreichend groß bemessen und sich dabei unter Berücksichtigung ihres kaufmännischen Risikos nach den Marktverhältnissen gerichtet. Bei der Menge des Vorrats habe sie sich insbesondere an einer Aktion im Jahre 1998 ( Paketpreis 249 DM ) und an einem Testverkauf Anfang 2000 ( Paketpreis 99 DM ) orientiert.

Bei diesen Aktionen sei der Verkauf trotz des Preisvorsprungs gegenüber anderen Angeboten nur schleppend verlaufen. Inzwischen hätten sich die Preise dramatisch nach unten entwickelt. Bei der beanstandeten Aktion sei sie daher vorsichtig vorgegangen und habe einen Preis von 39,95 DM gebildet.

Der Verkehr wisse, daß bei ihr hin und wieder ein Artikel schnell ausverkauft sei.

Durch Urteil vom 25. Mai 2001 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Sie vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten

zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Zur Ergänzung des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien und auf die überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Die Klage richtet sich gegen die beanstandete konkrete Verletzungsform. Die Beklagte soll nicht für den Vertrieb von Mobiltelefonen in Verbindung mit einer Prepaid-Karte wie abgebildet werben, wenn das Produkt zu dem angekündigten Zeitpunkt, hier am 13. September 2000, und/oder im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen der Werbung nicht erworben werden kann. Wie der Kläger im Senatstermin klargestellt hat, ist unter "im selben Zusammenhang" zu verstehen, daß das Handy vorhanden sein muß, solange die Werbung läuft, d.h. die Magazine oder die Handzettel noch - an Kunden - abgegeben werden.

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG zu.

Die Beklagte handelt wettbewerbswidrig im Sinne von § 3 UWG, wenn sie sich so verhält, wie es das landgerichtliche Verbot beschreibt, was sie getan hat.

1) Auf Grund der beanstandeten Werbung der Beklagten erwartete der Verkehr - Verbraucherleitbild gemäß Rechtsprechung des EuGH -, daß zu dem angekündigten Zeit punkt - am 13. September 2000 - und/oder im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen der Werbung das beworbene Handy jeweils in genügender Anzahl in ihren Filialen vorhanden war, so daß die übliche oder zu erwartende Nachfrage gedeckt werden konnte, nämlich angesichts der Günstigkeit des herausgehoben beworbenen Angebots und der Verbreitung der Werbung ( Anlagen K 3 - 7, B 5,6 ) eine entsprechende Menge für eine große Nachfrage bereitgehalten wurde, auch wenn die Beklagte keine sonstige Werbung, insbesondere im Fernsehen betrieben hat. Der Senat macht sich die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu eigen.

2) Die dargelegte Erwartung stimmte jedoch nicht mit der Wirklichkeit überein. Auch insoweit macht sich der Senat die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu eigen.

a) Wie es im landgerichtlichen Urteil unbestritten heißt und auch durch das Verteidigungsvorbringen der Beklagten bestätigt wird, waren die Handys - in den Filialen - in nerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Das ist bereits am ersten Tage geschehen. Auf die einzelnen Vorfälle, die der Kläger vorgetragen hat, kommt es daher nicht mehr an. Im übrigen ist der Vorfall Grüber - dieser hatte sich bereits am 13. September 2000 an die Beklagte gewendet - gemäß Schreiben der TCM Kundenservice vom 26. September 2000 ( Anlage K 11 ) als unstreitig anzusehen, abgesehen von dem darin behaupteten, tatsächlich aber nicht erfolgten Hinweis "Solange der Vorrat reicht".

b) Die Beklagte hatte nicht dafür gesorgt, daß eine genügende Anzahl von Handys vorhanden war. An dem Vorratsmangel war sie nicht schuldlos.

Sie hatte zu wenig, nämlich lediglich 35.000 Pakete erworben; davon entfielen 30.000 auf den stationären Handel, demnach auf jede ihrer 900 Filialen durchschnittlich nur ca. 33. Das beruhte nicht auf einer ordnungsgemäßen Planung, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Maßgebend ist, daß unter Berücksichtigung des Startguthabens von 25 DM bei dem insgesamt besonders niedrigen Preis des Pakets von letztlich nur 14,95 DM, der nicht nur relativ, sondern absolut günstig war, und der besonderen Attraktivität gerade eines Handy-, insbesondere eines Prepaid-Handy-Pakets eine besonders große Nachfrage zu erwarten war, wie sie dann auch tatsächlich, und zwar nicht überraschend, eintrat. Dem steht nicht entgegen, daß auf dem Markt auch Handys zum Nulltarif und zu 1 DM angeboten wurden. Hierbei handelt es sich aber nicht um Prepaid-Handys. Jedenfalls hat die Beklagte das nicht behauptet.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf die beiden Aktionen, die sie vorher durchgeführt hatte. Hier waren die Paketpreise mit 249 DM ( im Jahre 1999 ) und 99 DM ( Anfang 2000 ) angesichts des besonders niedrigen Preises der nunmehr beanstandeten Aktion und unter Berücksichtigung des inzwischen eingetretenen Preisverfalls bei Handys bei weitem nicht so attraktiv.

Etwas anders ergibt sich auch nicht daraus, daß es der Beklagten mit ihrem seit Jahrzehnten praktizierten Systems gelungen ist, den jeweils zu erwartenden Bedarf - abgesehen von einem Vorgang Ostern 1993 - nicht als zu niedrig einzuschätzen. Im vorliegenden Falle hat sie sich aber vertan und bei der Ermittlung der erforderlichen Vorratsmenge die besondere Attraktivität des umstrittenen Handy-Angebots, der den Andrang vorhersehbar machte, nicht genügend beachtet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat läßt die Revision nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. zu. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht gegeben. Der Senat hat lediglich die allgemein anerkannten rechtlichen Grundsätze, die sich insbesondere aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ergeben, auf den vorliegenden Fall angewendet und dazu die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen.



Ende der Entscheidung

Zurück