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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 28.02.2007
Aktenzeichen: 3 U 254/06 (1)
Rechtsgebiete: UWG, RVG, RVG VV


Vorschriften:

UWG § 12 Abs. 1
RVG § 14
RVG VV Nr. 2400
1. Darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne der Anmerkung zu Nr. 2400 VV RVG umfangreich oder schwierig war, so dass eine Gebühr von mehr als 1,3 gefordert werden kann, ist derjenige, der diese höhere Gebühr verlangt.

2. Aus dem Umstand, dass sich eine vorgerichtliche Abmahnung auf die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche aus dem Bereich der Telekommunikation, d.h. Telefontarife, bezieht, ergibt sich nicht per se, dass es sich um eine schwierige Sache handelt.

3. Auch der Umstand, dass nicht nur ein einziger, sondern mehrere Unterlassungsanträge geltend gemacht worden sind, belegt -für sich- nicht den besonderen Umfang der Sache. Diesem Umstand wird im Rahmen der entstehenden Anwaltsgebühren schon dadurch wirtschaftlich Rechnung getragen, dass für jeden der geltend gemachten Unterlassungsanträge ein gesonderter Teilstreitwert angesetzt, und damit insgesamt ein entsprechend hoher Streitwert zugrunde gelegt wird.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Hinweisbeschluss

Geschäftszeichen: 3 U 254/06

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, am 28. Februar 2007 durch die Richter

Gärtner, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Spannuth, Richter am Oberlandesgericht Terschlüssen, Richterin am Oberlandesgericht:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Das landgerichtliche Urteil ist richtig. Die Berufung enthält keine durchgreifenden Angriffe.

Gründe:

1. Der Senat nimmt auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe des angegriffenen Urteils des Landgerichts Bezug und macht sie sich zu Eigen.

2. Die Berufungsbegründung zeigt Rechtsfehler bei der Feststellung der Tatsachengrundlage oder bei der Begründung des landgerichtlichen Urteils nicht auf. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

3. Die Berufungsbegründung gibt lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

Die Parteien streiten nur noch darum, ob die Beklagte die Abmahnkosten der Klägervertreter auf den Grundlage einer 2,0-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG oder lediglich nach dem 1,3-fachen der genannten Gebühr zu erstatten hat.

Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Erstattung der Abmahnkosten bei Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalles lediglich auf der Grundlage einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG verlangt werden kann.

Gemäß Nr. 2400 VV RVG besteht für die durch die außergerichtliche Vertretung anfallende Geschäftsgebühr ein Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5. Gemäß der für alle Rahmengebühren geltenden Regelung des § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Gemäß der Anmerkung zu Nr. 2400 VV RVG kann für die dort geregelte Geschäftsgebühr ein Satz von mehr als 1,3 Gebühren jedoch nur dann gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Daran fehlt es hier. Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit die Klägerin (Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 17. Auflage, 2006, § 14 Rn. 34).

Aus dem Umstand, dass sich die Abmahnung auf die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche aus dem Bereich der Telekommunikation, d.h. Telefontarife, bezog, ergibt sich nicht per se, dass es sich um eine schwierige Sache handelt. Sowohl im Wettbewerbsrecht, als auch im Telekommunikationsrecht kommt -auch im Vergleich zu sonstigen Rechtsangelegenheiten- die gesamte Bandbreite von einfachen, über durchschnittliche, bis hin zu schwierigen Rechtssachen vor. Dies gilt sowohl in tatsächlicher, wie auch in rechtlicher Hinsicht. In dieser Bandbreite lag die Streitigkeit der Parteien allenfalls im mittleren Bereich.

Auch der Umstand, dass das Landgericht seine ursprüngliche einstweilige Verfügung vom 19. Mai 2005 (Anlage K 6) auf den Widerspruch der Beklagten mit Urteil vom 5. Juli 2005 (Anlage K 7) zum Teil nicht bestätigt hat, belegt nicht, dass die Sache schwierig gewesen wäre. Dies weist vielmehr darauf hin, dass Grundlage des Erlasses der einstweiligen Verfügung allein das Klägervorbringen war, wohingegen Grundlage des nachfolgenden Urteils auch das Vorbringen der Beklagten gewesen ist. Auch der Umfang der rund 6-seitigen Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (Anlage K 7) belegt nicht die überdurchschnittliche Schwierigkeit der zu entscheidenden Rechtsfragen. Die Schwierigkeit der Sache ergibt sich auch nicht daraus, dass die Sache unter hohem zeitlichem Druck bearbeitet worden wäre.

Auch der Umstand, dass nicht nur ein einziger, sondern mehrere Unterlassungsanträge geltend gemacht worden sind, belegt nicht den besonderen Umfang der Sache. Diesem Umstand wird im Rahmen der entstehenden Anwaltsgebühren schon dadurch wirtschaftlich Rechnung getragen, dass für jeden der geltend gemachten Unterlassungsanträge ein gesonderter Teilstreitwert angesetzt, und damit insgesamt ein entsprechend hoher Streitwert zugrunde gelegt wird.

Gegen den besonderen Umfang der Angelegenheit spricht zudem, dass Ausgangspunkt der geltend gemachten Unterlassungsansprüche lediglich ein einziger Werbeprospekt der Beklagten (Anlage K 1) war. Die darin enthaltenen Angaben waren im Hinblick auf die technischen Leistungsmerkmale des beworbenen Festnetz-Spar-Adapters, der eingeschränkten räumlichen Verfügbarkeit der beworbenen Tarife und im Hinblick auf die vergleichenden Preisangaben zu dem von der Klägerin angebotenen Tarif "T-Net-Standard" zu überprüfen. Dazu waren die Gebrauchsanweisung des beworbenen Festnetz-Spar-Adapters, die unter der Internetseite www.01090.com abrufbaren Tarif- und Verfügbarkeitsangaben sowie die Tarifangaben zu dem T-Net-Standard-Tarif der Klägerin erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beschaffung bzw. Durchsicht dieser Unterlagen besonders umfangreich oder schwierig gewesen wäre. Es ist auch nicht dargelegt, dass insoweit besondere Anforderungen an den Klägervertreter gestellt worden wären, insbesondere nicht - wie die Klägerin meint - im Hinblick auf eine umfangreiche und sich ständig im Fluss befindliche nationale und europäische Rechtsprechung. Es waren im Wesentlichen Fragen der Irreführung zu klären, welche hier keine überdurchschnittlichen juristischen Anforderungen stellen.

Der Umfang des landgerichtlichen Verletzungsurteils von insgesamt 19 Seiten belegt nicht, dass die Sache besonders umfangreich gewesen wäre. Der Umfang des Abmahnschreibens vom 11. Mai 2005 war mit 5 Seiten zuzüglich einer zweiseitigen Kopie des Werbeprospekts der Beklagten und einer 3-seitigen vorbereiteten Unterlassungsverpflichtungserklärung (vgl. Anlage K 2) eher gering.

Gegenstand der vorgerichtlichen Abmahnung waren auch keine "besonders" unlauteren Mittel. Vielmehr bewegt sich die umstrittene Werbemaßnahme im Rahmen des normalerweise in wettbewerbsrechtlichen Telekommunikationssachen streitgegenständlichen Verhaltens, insbesondere im Hinblick auf unvollständige Angaben über die technischen Einschränkungen oder die räumliche Verfügbarkeit bestimmter Angebote. Auch die bundesweite Verbreitung der Werbemaßnahme rechtfertigt keine andere Bewertung, entspricht vielmehr im Bereich der Telekommunikation der Üblichkeit.

Es kann auch - entgegen der Ansicht der Klägerin - keine besondere, überragende Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin, welche über das unmittelbare wirtschaftliche Interesse hinausgeht, festgestellt werden.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, war das von der Klägerin angebotene Gutachten der Rechtsanwaltskammer im vorliegenden Rechtsstreit nicht einzuholen (Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 17. Auflage, 2006, VV 2300 Rn. 32; Hartung/Römermann, RVG, 2004, § 14 Rn. 96).

Mithin hat die Berufung der Klägerin keine Erfolgsaussichten.

4. Der vorliegende Einzelfall hat keinerlei grundsätzliche Bedeutung, und eine weitergehende Entscheidung des Berufungsgerichts oder des Bundesgerichtshofs ist auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten.

5. Die Klägerin kann binnen zwei Wochen Stellung nehmen. Soll die Berufung durchgeführt werden?

Ende der Entscheidung

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