Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 09.09.2004
Aktenzeichen: 3 U 33/04
Rechtsgebiete: AMG, Richtlinie 2001/83/EG


Vorschriften:

AMG § 47 Abs. 4 Satz 1
Richtlinie 2001/83/EG Art. 96 Abs. 1 lit. d
Wird ein Arzneimittel, das für mehrere Packungsgrößen (hier: zu 28, 56 und 112 Tabletten) zugelassen ist, nur in der größten Packung vertrieben (hier: 112 Tabletten), so kann diese nach Maßgabe des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG auch als Musterpackung abgegeben werden.

In so einem Falle steht es dem Pharmahersteller frei, auch eine kleinere Packungsgröße als Muster abzugeben; er ist aber gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG nicht gehalten, die kleinste zugelassene Packungsgröße für Muster zu verwenden, wenn diese nicht im Handel ist.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

3 U 33/04

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 9. September 2004

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Reimers-Zocher nach der am 26. August 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 13. Januar 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

A.

Die Parteien produzieren und vertreiben Arzneimittel und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerin vertreibt u. a. das Arzneimittel Bu-xxx in der Dosierung 1 mg/500 mg. In dieser Dosierung wird das Arzneimittel in Deutschland nur in der Packungsgröße zu 112 Filmtabletten vertrieben, es ist aber in den Packungsgrößen zu 28, 56 und 112 Filmtabletten zugelassen (Anlage ASt 1). Die Antragsgegnerin gibt als "unverkäufliches Muster", sog. Ärztemuster, Packungen in der Größe mit 56 Filmtabletten ab (Anlage ASt 2).

Die Antragstellerin beanstandet das als wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 47 Abs. 4 AMG und nimmt die Antragsgegnerin im Wege des Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch.

Durch Urteil vom 13. Januar 2004 hat das Landgericht den Antrag der Antragstellerin,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln zu verbieten,

Muster des Arzneimittels Bu-xxx 1 mg/500 mg in der Packungsgröße mit 56 Tabletten abzugeben;

zurückgewiesen. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Die Antragstellerin verfolgt ihren erstinstanzlich gestellten Verfügungsantrag weiter. Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung der Berufung.

Das Arzneimittel Bu-xxx dient zur Behandlung der Diabetis mellitus (Typ 2) und ist ein Kombinationspräparat, das im Falle der Dosierung 1 mg/500 mg aus 1 mg Z-xxxxx und 500 mg R-xxxx besteht. Das Arzneimittel ist auf Grund des sog. Zentralen Zulassungsverfahrens der EU, d. h. durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zugelassen, und zwar in den Packungsgrößen zu 28, 56 und 112 Filmtabletten (Zulassungs-/Reg-Nr. EU/..../001, EU/..../002 und EU/..../003 - Anlagen ASt 1, AG 1).

In der Gebrauchsinformation von Bu-xxx heißt es unter der Ziffer 1. ("Was ist Bu-xxx und wofür wird es angewendet?"):

"Die Tabletten stehen in Blisterpackungen mit 28, 56 oder 112 Filmtabletten zur Verfügung" (Anlage ASt 6);

tatsächlich aber vertreibt die Antragsgegnerin das Präparat, wie ausgeführt, in Deutschland nur - abgesehen von den beanstandeten Musterpackungen - in der Packungsgröße mit 112 Filmtabletten.

B.

Die Berufung der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Sie ist demgemäß zurückzuweisen.

I.

Der mit dem Verfügungsantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nach Auffassung des Senats nicht begründet. Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 47 Abs. 4 Satz 1AMG in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG, §§ 3, 8 Abs. 1 UWG in Betracht.

Das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin verstößt nicht gegen § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG.

1.) Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Abgeben des Musters des Arzneimittels Bu-xxx 1 mg/500 mg in der Packungsgröße mit 56 Tabletten. Das Verbot setzt - wie sich aus der Begründung seitens der Antragstellerin ergibt - voraus, dass das für die Packungsgrößen mit 28, 56 und 112 Tabletten zugelassene Arzneimittel nur in der Packungsgröße mit 112 Tabletten vertrieben wird.

Gegenstand des Verbots der Musterabgabe ist dagegen nicht die Fallgestaltung, in der das Arzneimittel auch in kleineren Packungsgrößen und nicht - wie jetzt - nur zu 112 Tabletten im Handel sein sollte.

Das hat die Antragstellerin in der Berufungsverhandlung ausdrücklich klargestellt.

2.) Gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG dürfen pharmazeutische Unternehmer Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Abs. 3 Satz 1 - an Ärzte, Zahnärzte oder Tierärzte - nur auf jeweilige schriftliche Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen.

(a) Das Gesetz erläutert in § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG die Bestimmung "in der kleinsten Packungsgröße" nicht näher. Ausdrücklich und nach dem Wortsinn eindeutig geregelt ist zunächst die Fallgestaltung, bei der ein Arzneimittel in mehreren Packungsgrößen auf dem Markt ist; dann darf nur die kleinste Packungsgröße als Muster gewählt werden.

(b) Ebenso klar und eindeutig ergibt sich aus § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG aber auch, dass bei nur einer im Handel befindlichen Packungsgröße des Arzneimittels eben diese als Muster abgegeben werden darf. Denn es gibt in so einem Falle keine kleinere Packung, die als Muster in Betracht käme und nach jener Vorschrift genommen werden müsste. Das wird von der Antragstellerin nicht anders gesehen und bedarf keiner vertieften Begründung.

3.) Mit der Bestimmung "in der kleinsten Packungsgröße" des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG ist aber - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - auch für den vorliegenden Sonderfall nichts anderes als die "kleinste im Handel erhältliche Packung" gemeint, das stimmt inhaltlich mit dem ausdrücklich diese Wendung enthaltenden Art. 11 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 92/28/EWG überein.

Für die vorliegende Fallgestaltung, bei der das Arzneimittel nur in einer Packungsgröße auf dem Markt ist, aber arzneimittelrechtlich noch kleinere Packungsgrößen zugelassen sind, enthält § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG kein Gebot, unabhängig von den im Handel befindlichen Packungsgrößen nur die kleinste zugelassene Packungsgröße als Muster abzugeben. Die Vorschrift ist mangels gegenteiliger Regelung ebenfalls nur auf die kleinste im Handel erhältliche Packungsgröße zu beziehen.

(a) Wenn der Gesetzgeber ein anderes Gebot gewollt hätte, so wäre das im Arzneimittelgesetz mit einer entsprechenden, auf die ausschließlich nach der arzneimittelrechtlichen Zulassung kleinste Packungsgröße bezogenen Formulierung zum Ausdruck gebracht worden.

Daran kann nach Auffassung des Senats schon deswegen kein vernünftiger Zweifel bestehen, weil das dann in Rede stehende Gebot dem Arzneimittelhersteller eine zusätzliche, seinen Produktionsbetrieb und ihn damit wirtschaftlich belastende Verpflichtung auferlegen würde. Er müsste nämlich, wenn er - wie vorliegend die Antragsgegnerin bei dem Arzneimittel Bu-xxx 1 mg/500 mg - nur eine Packungsgröße im Handel hat, aber über zugelassene kleinere Packungsgrößen verfügte, nur für die Musterabgabe zusätzlich die kleinste zugelassene Packung konfektionieren.

(b) Nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG ist zwanglos und naheliegend auf die kleinste im Handel befindliche Packungsgröße abzustellen, und zwar mangels Differenzierung auch für den vorliegenden Sachverhalt mit zugelassenen kleineren Packungsgrößen, die sich aber nicht im Handel befinden.

(c) Die Entstehungsgeschichte des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG steht einer davon abweichenden Gesetzesinterpretation entgegen.

(aa) Den Umfang der zulässigen Abgabe von Arzneimittel-Mustern regelte das Arzneimittelgesetz in § 47 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG 1976 zunächst nur in der Weise, dass Muster auf jeweilige schriftliche Anforderung abgegeben werden durften, und zwar in einem "dem Zweck der Erprobung angemessenen Umfang" (Gesetz vom 24. August 1976, BGBl. I. S. 2445).

(bb) Von der "kleinsten Packungsgröße" war auch noch im ersten Regierungsentwurf zum späteren § 47 AMG 1986 nicht die Rede, die Abgabe von Mustern war nach dem Gesetzesentwurf (zu § 47 Abs. 3) auf "jährlich bis zu sechs Musterpackungen von Fertigarzneimitteln längstens drei Jahre nach dem erstmaligen Inverkehrbringen" beschränkt.

In der Amtlichen Gesetzesbegründung zu diesem Entwurf wurde hierzu folgendes ausgeführt:

"In § 47 Abs. 4 wird für den Umfang der Musterabgabe eine absolute, auf ein Jahr bezogene Mengenbegrenzung festgelegt, wie sie auch vom Bundesgesundheitsrat in seiner Vollversammlung vom 12. Oktober 1983 vorgeschlagen worden ist. In Zukunft sollen von einem Arzneimittel im Jahr nur noch sechs Muster abgegeben werden, während bislang nach der freiwilligen Selbstbeschränkung der Industrie die Musterabgabe auf vier kleinste Packungen je schriftlicher Anforderung begrenzt war. Die Anforderung war aber beliebig of wiederholbar. Die Neuregelung bedeutet bereits eine erhebliche Reduzierung der Musterabgaben, wenn nur der in der Vergangenheit nach dem Musterkartell der Industrie zulässige Umfang mit der neuen gesetzlichen Regelung verglichen wird" (BT-Drucksache 10/5112 S. 22 zu § 47 Abs. 4).

(cc) In der dann schließlich in Kraft getretenen Vorschrift des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG 1986 wurde bestimmt, dass - insoweit schon übereinstimmend mit dem jetzigen § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG - der pharmazeutische Unternehmer Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Abs. 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen darf (2. Gesetz zur Änderung des AMG vom 16. August 1986; BGBl. I. S. 1296).

Diese Gesetzesfassung ging auf die Empfehlungen des Ausschussberichts zurück, zur Begründung wurde hierzu folgendes ausgeführt:

"Der Ausschuss sieht es als ein wesentliches Ziel dieses Gesetzes an, die Musterabgabe entscheidend zu begrenzen. Die Mehrheit hält die Abgabe von zwei Mustern eines Arzneimittels je Arzt und Jahr für ausreichend, um dem Arzt die Möglichkeit zu bieten, sich anhand des Musters über den Inhalt und die konkrete Ausgestaltung der Gebrauchsinformation in der Packungsbeilage zu informieren, um sie gegebenenfalls zu ergänzen und den Patienten erläutern zu können; der Arzt muss sich aber auch über die Beschaffenheit des Arzneimittels wie Größe, Form und Farbe unterrichten können. Ein völliges Verbot der Musterabgabe erschien den Koalitionsfraktionen bei dieser Sachlage nicht zweckmäßig und auch aus dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit nicht zwingend erforderlich. Die Fraktion der SPD sprach sich für ein Musterverbot bei Altpräparaten und eine zeitliche und zahlenmäßige Begrenzung bei Neupräparaten aus. Befindet sich das Muster in der Hand des Arztes, so ist nach Auffassung des Ausschusses der Arzt für die ordnungsgemäße Aufbewahrung, die Beachtung des Verfalldatums sowie gegebenenfalls von Risikomaßnahmen, wie z. B. Indikationseinschränkungen, verantwortlich" (BT-Drucksache 10/5732 S. 33 zu § 47 Abs. 4).

Bereits bei dem § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG 1986 war mit der "kleinsten Packungsgröße" für die Musterabgabe entsprechend dem naheliegenden Verständnis nur die kleinste im Handel befindliche Packung gemeint; die Vorschrift galt mangels Sondervorschrift ebenso bei zugelassenen kleineren, aber nicht im Handel befindlichen Packungen. Denn der Ausschussbericht stellt, wie oben zitiert, auf den Zweck der Vorschrift ab, nach dem der Arzt die Möglichkeit haben soll, anhand des Musters sich ein umfassendes Bild von dem konfektionierten Fertigarzneimittel zu machen. Auch das spricht für die kleinste im Handel erhältliche Packungsgröße.

Demgemäß ist in § 47 Abs. 4 Satz 2 AMG 1986 (in der jetzt geltenden Fassung Satz 3) bestimmt, dass das Muster insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels dient.

(dd) Nach dem Inkrafttreten des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG 1986 wurde die Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel verabschiedet (ABl. EG Nr. L 113 S. 13). Nach Art. 11 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 92/28/EWG muss das Muster der "kleinsten im Handel erhältlichen Packung entsprechen" (vgl. auch Anlage ASt 10).

Dass damit in der Richtlinie 92/28/EWG eine Formulierung gewählt worden ist, die eindeutig nur auf die kleinste im Handel erhältliche Packung Bezug nimmt und nicht etwa auf noch kleinere zugelassene, aber nicht im Handel befindliche Packungsgrößen, verkennt auch die Antragstellerin nicht.

(ee) Für das Verständnis des § 47 Abs. 4 AMG kann aber insoweit nichts anderes - als in Art. 11 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 92/28/EWG bestimmt - gelten.

Die Neufassung des § 47 Abs. 4 AMG 1994 erfolgte durch das 5. Gesetz zur Änderung des AMG vom 9. August 1994 (BGBl. I. S. 2071). Hierbei wurde in § 47 Abs. 4 AMG 1986 nur der neue Satz 2 (betreffend die mit den Mustern zu übersendenden Fachinformation) eingefügt, die Bestimmung "in der kleinsten Packungsgröße" in § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG 1994 ist demgemäß unverändert geblieben. Der § 47 Abs. 4 AMG 1994 stimmt mit der jetzt geltenden Fassung des § 47 Abs. 4 AMG überein.

Dieser Umstand belegt, dass mit der Bestimmung "in der kleinsten Packungsgröße" die kleinste im Handel erhältliche Packungsgröße seit dem § 47 Abs. 4 AMG 1986 unverändert gemeint war und ist. Andernfalls wäre im AMG-Gesetzgebungsverfahren nach Inkrafttreten der Richtlinie 92/28/EWG naheliegend der Umstand problematisiert worden, dass und aus welchen Erwägungen der deutsche Gesetzgeber eine gegenüber der Richtlinie strengere, den Pharmahersteller nach den obigen Ausführungen stärker belastende Regelung im AMG bei der Abgabe von Arzneimittelproben für erforderlich gehalten hätte. Das wäre umso mehr angezeigt gewesen, weil schon im Gesetzgebungsverfahren zu § 47 Abs. 4 AMG 1986 sogar noch wesentlich schärfere Beschränkungen bis hin zum völligen Verbot der Probenabgabe diskutiert worden sind.

Das alles ist nicht geschehen, vielmehr wird in der Amtlichen Gesetzesbegründung zum 5. Gesetz zur Änderung des AMG vom 9. August 1994 (BGBl. I. S. 2071) ausgeführt, Inhalt des Gesetzentwurfes sei die Umsetzung von zahlreichen Bestimmungen aus Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften. Die Richtlinie 92/28/EW wird dabei ausdrücklich zitiert (BT-Drucksache 12/6480 S. 17 zum Allgemeinen Teil des Gesetzentwurfs). Zu § 47 des Gesetzentwurfes heißt es:

"Die Änderungen in den Absätzen 3 und 4 ergeben sich aus der Richtlinie 92/28/EWG ..." (BT-Drucksache 12/6480 S. 21 zu § 47).

(ff) Zudem stimmt auch Art. 96 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rats zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6. November 2001 (vgl. Anlage ASt 8) insoweit wörtlich mit Art. 11 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 92/28/EWG überein.

In der maßgeblichen englischen Sprachversion lautet Art. 96 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2001/83/EG: "each sample shall be identical with the smallest presentation on the market" (Anlage ASt 8).

(d) Der Zweck des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG steht dem aufgezeigten Verständnis nicht entgegen.

Die Vorschrift bezweckt, wie ausgeführt, nicht etwa nur der missbräuchlich übermäßigen Probenabgabe durch eine Beschränkung nach Packungsgröße und Packungsmenge zu begegnen, sondern dient insbesondere auch der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels (§ 47 Abs. 4 Satz 2 AMG). Ist nur eine Packungsgröße des Arzneimittels im Handel, so kann insoweit von einer übermäßigen Probenabgabe keine Rede sein. Dass sich mit einer noch strenger gefassten Vorschrift der Gesetzeszweck in Richtung der Missbrauchsbekämpfung wirksamer erreichen ließe, liegt auf der Hand. Selbstverständlich kann das allein den Verbotsumfang eines Gesetzes aber nicht erweitern.

(e) Für eine vom oben aufgezeigten Verständnis abweichende Gesetzesinterpretation des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG kann sich die Antragstellerin auf die von ihr herangezogenen Literaturstellen nicht mit Erfolg berufen.

(aa) So wird zum einen ausgeführt, dass nach § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG nur "die kleinste zugelassene Packungsgröße in den Verkehr gebracht werden" dürfe und es heißt an der Zitatstelle wörtlich weiter: "Ist als eine kleinere Packungsgröße als N 1 ... zugelassen, so darf nur diese Packungsgröße als Muster abgegeben werden" (Kloesel/Cyran, AMG, § 47 AMG Rz. 50). Zum anderen wird angemerkt, es dürften gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG nur zwei Musterpackungen pro Jahr und zwar in der kleinsten Packungseinheit abgegeben werden; es ergebe sich "diese Einheit im Regelfall aus dem Zulassungsbescheid" (Rehmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auflage, § 47 AMG Rz. 17).

(bb) Es ist schon zweifelhaft, ob mit diesen Literaturstellen der vorliegende Sachverhalt überhaupt gemeint ist, ausdrücklich angesprochen wird er jedenfalls nicht.

Denn es ist selbstverständlich, dass dem Pharmahersteller nicht angesonnen werden kann, eine nicht zugelassene Packungsgröße als Ärztemuster abzugeben; eine solche Arzneimittelpackung wäre als nicht zugelassen auch nicht verkehrsfähig (§ 21 AMG). Deswegen passen die Fundstellen nahe liegend auf die Fälle, in denen mehrere (selbstverständlich zugelassene) Packungsgrößen eines Arzneimittels im Handel erhältlich sind; in diesen Fällen ist die kleinste Packungsgröße (auch entsprechend der Zulassung) als Muster abzugeben.

Dass sich die Kommentarstellen auch auf den vorliegenden besonderen Sachverhalt beziehen, dass es mehrere zugelassene Packungsgrößen des Arzneimittels gibt, aber nur die größte Packungsgröße vertrieben wird, ist nicht zu erkennen. Denn es wäre andernfalls zu erwarten gewesen, dass für die vom Gesetzeswortlaut des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG abweichende Interpretation - und zwar entgegen Art. 96 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2001/83/EG und entgegen Art. 11 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 92/28/EWG - eine Begründung gesucht worden wäre.

(cc) Der Senat würde jedenfalls der gegenteiligen Auffassung, wenn sie denn den Literaturstellen zu entnehmen sein sollte, aus den aufgezeigten Gründen nicht folgen (vgl. ebenso Sander/Schall, AMG § 47 AMG, zitiert in Bl. 18, 60).

Auf die Entscheidungen des Landgerichts Würzburg (PharmaRecht 1991, 46) und des Landgerichts Nürnberg-Fürth (PharmaRecht 1988, 42) kommt es nicht an; beide Entscheidungen betreffen andere Sachverhalte (vgl. Anlage ASt B 3).

4.) Eine analoge Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG auf Fallgestaltungen, die eindeutig nicht unter den gesetzlichen Tatbestand fallen, ist schon deswegen ausgeschlossen, weil - wie aufgezeigt - keine planwidrige Regelungslücke angenommen werden kann.

Zudem sind Zuwiderhandlungen gegen die Vorschrift bußgeldbedroht; nach § 97 Abs. 2 Nr. 12 a AMG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG Muster in einer anderen als der kleinsten Packungsgröße abgibt oder abgeben lässt. Der analogen Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG steht § 3 OWiG und damit das Analogieverbot zuungunsten des Täters entgegen (Art. 103 Abs. 2 GG; vgl. zum Analogieverbot bei bußgeldgewehrten Vorschriften das Senatsurteil vom 14. März 2002, 3 U 254/01 MagazinDienst 2002, 770 = PharmaRecht 2002, 292 m. w. Nw.).

5.) Demgemäß wäre es im Ausgangspunkt nach § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG nicht zu beanstanden gewesen, wenn die Antragsgegnerin ihre einzige und damit auch kleinste im Handel erhältliche Packungsgröße zu 112 Tabletten als Muster verwendet hätte. Daraus ergibt sich zugleich, dass der Unterlassungsanspruch unter keinem der von der Antragstellerin herangezogenen Argumente begründet ist:

(a) Dass die Antragsgegnerin statt ihrer im Handel erhältlichen Packungsgröße zu 112 Tabletten eine kleinere Packung zu 56 Tabletten und nicht die zu 112 Tabletten als Muster abgibt, stellt keinen Verstoß gegen § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG dar. Das ergibt sich schon daraus, dass diese Musterpackungsgröße keine im Handel erhältliche Packung ist.

Dem Pharmasteller steht die Möglichkeit offen, die Zulassung einer besonderen kleineren Packungsgröße, und zwar auch ausschließlich zum Zwecke der Musterabgabe zu beantragen (Kloesel/Cyran, a. a. O., § 47 AMG, Rz. 50). § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG steht dem selbstverständlich nicht entgegen. Da die Antragsgegnerin auch über die zugelassene Packungsgröße zu 56 Tabletten verfügt, kann sie diese ohne weiteres als Muster abgeben.

(b) Der Umstand, dass die Antragsgegnerin auch über die Zulassung einer noch kleineren Packungsgröße zu 28 Tabletten verfügt, für die Probepackung aber die demgegenüber größere Packung zu 56 Tabletten einsetzt, steht § 47 Abs. 4 Satz 1 AMG ebenfalls nicht entgegen.

Die Vorschrift stellt, wie ausgeführt, nicht auf die kleinste zugelassene Packungsgröße, sondern auf die kleinste Packungsgröße im Sinne der im Handel erhältlichen Packungen ab.

6.) Ohne Belang ist es, dass in der Gebrauchsinformation des Arzneimittels Bu-xxx der Hinweis gegeben wird: "Die Tabletten stehen in Blisterpackungen mit 28, 56 oder 112 Filmtabletten zur Verfügung" (Anlage ASt 6).

Soweit der Verkehr annehmen sollte, es gäbe das Arzneimittel AVANDEMET in allen drei Packungsgrößen im Handel, so wäre das für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ohne Belang. Denn die Vorschrift des § 47 Abs. 4 AMG stellt auf die tatsächlichen Verhältnisse der "kleinsten Packungsgröße" und nicht auf die Verkehrsvorstellung von Angaben hierzu ab. Es ist unstreitig, dass das Arzneimittel nur in der Packung zu 112 Tabletten im Handel erhältlich ist.

7.) Auf die zwischen den Parteien kontrovers diskutierte Frage der therapeutischen Zweckmäßigkeit der von der Antragsgegnerin gewählten Muster-Packungsgröße zu 56 Tabletten bzw. der von der Antragstellerin als allein statthaft angesehenen Probepackung zu 28 Tabletten kommt es nicht an.

Auf diesen Gesichtpunkt stellt § 47 Abs. 4 AMG nicht ab. Es ist allein Sache des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens, geeignete Packungsgrößen zu bestimmen, das gilt auch für gegebenenfalls besondere Probepackungsgrößen.

8.) Schließlich wäre der Unterlassungsanspruch auch nicht - in diese Richtung könnte die Antragsschrift auf Seite 3 zu verstehen sein - aus Art. 96 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2001/83/EG in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG, §§ 3, 8 Abs. 1 UWG begründet. Deswegen kann hierbei offen bleiben, ob die Vorschriften dieser Richtlinie unmittelbar geltendes Recht sind.

Art. 96 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 92/28/EWG stellt, wie ausgeführt, allein darauf ab, dass das Muster der "kleinsten im Handel erhältlichen Packung entsprechen" muss (vgl. Anlagen ASt 7-8). Von einer Ausrichtung der Musterabgabemenge allein nach den zugelassenen Packungsgrößen steht dort nichts, insoweit ist es unschädlich, dass die Antragsgegnerin nicht die kleinste zugelassene Packungsgröße (28 Tabletten) gewählt hat. Da nur die Packungsgröße mit 112 Tabletten im Handel ist, ist es nicht unzulässig, nicht diese sondern eine kleinere Packungsgröße (56 Tabletten) für die Probepackung zu wählen.

Auf die obigen Ausführungen unter I. 5.) wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Antragstellerin war demgemäß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

Zurück