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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 3 U 82/02
Rechtsgebiete: BORA, BRAO, GG, UWG


Vorschriften:

BORA § 6
BRAO § 43 a
GG Art. 5
GG Art. 12
UWG § 1
1. Stellt sich eine Anwaltskanzlei im Internet als Spezialist für den Aktionärsschutz, insbesondere für Aktionäre eines bestimmten Unternehmens dar, handelt es sich um berufsbezogene Werbung im Sinne des § 43 b BRAO. Das Gebot der sachlichen Werbung wird weder durch die dabei geäußerte engagiert-informative Unternehmenskritik wegen des Kursverlustes der Aktien missachtet, noch im Hinblick auf die Vorbereitung eines Sammelverfahrens, zu dem ein sog. Erfassungsformular heruntergeladen werden kann.

2. Allein die direkte Thematisierung einer möglichen Sammelklage von Aktionären eines bestimmten Unternehmens im Internet ist noch keine auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtete Werbung.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 82/02

Verkündet am: 26. Februar 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter

Gärtner, Spannuth, Dr. Koch

nach der am 12. Februar 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 28. März 2002 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien sind Anwaltssozietäten und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Beklagte hat sich auf den Bereich Anlegerschutz für Aktionäre spezialisiert, insbesondere vertritt sie Mandate im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der am sog. neuen Markt notierten I........... C.................... AG (im Folgenden kurz: I........SHOP AG). Die Beklagte tritt an tatsächlich oder vermeintlich geschädigte Aktionäre der I........SHOP AG über ihre - der Beklagten - Internet-Domain "www.t.......... k.............de" heran, dort hat sie die Internet-Seiten gemäß Anlagen K 1-3 veröffentlicht (vgl. die Kopien dieser Anlagen am Ende des Tatbestandes).

Die Klägerin beanstandet die Veröffentlichung dieser Internet-Seiten der Beklagten als berufswidrige Werbung und nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung in Anspruch.

In dem vorangegangenen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums erwirkte die Klägerin eine Beschlussverfügung des Landgerichts Hamburg vom 10. August 2001 gegen die Beklagte; der Verbotsausspruch der Beschlussverfügung stimmte mit dem des hiesigen Klageantrags überein, die dort in Bezug genommenen Anlagen ASt 1-3 sind mit den hiesigen Anlagen K 1-3 ebenfalls identisch. Auf die Beiakte Landgericht Hamburg 315 O 489/01 wird Bezug genommen.

Bei Aufruf der Internet-Domain der Beklagten wird man auf die Startseite (Anlage K 1) geführt. Unter der Überschrift "I........SHOP-Klage" heißt es u. a.:

"Die Kanzlei T.... & K........... vertritt bereits eine Vielzahl geschädigter I........SHOP-Aktionäre.

Nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage empfehlen wir ein gerichtliches Vorgehen. Für geschädigte I........SHOP-Aktionäre, die hieran Interesse haben..." (Anlage K 1).

Der vorstehende (unterstrichene) Absatz ist als Link ausgestaltet, der zu den weiteren Seiten über die I........SHOP-Klage führt (Anlage K 2), dort heißt es u. a.:

"Die Kanzlei T.... & K........... vertritt bereits eine Vielzahl geschädigter I........SHOP-Aktionäre.

Nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage empfehlen wir ein gerichtliches Vorgehen. Für geschädigte I........SHOP-Aktionäre, die hieran Interesse haben wir ein Erfassungsformular vorbereitet. Dort können Sie Ihre Daten eintragen und uns per Email zuleiten. Das Formular steht auch als Download zur Verfügung (In PDF-Format), Sie können uns so Ihre Daten auch zufaxen..."

Auf diesen Seiten werden dann zu dem Erfassungsformular und der Empfehlung eines gerichtlichen Vorgehens weitere Informationen erteilt (Anlage K 2). Das vorstehend wiedergegebene (unterstrichene) Wort "Erfassungsformular" ist als Link ausgestaltet und führt zu dem Formular "I........SHOP-Klage" (Anlage K 3). In dem Formular sind die persönlichen Daten einzugeben sowie Angaben zur Rechtsschutzversicherung und über die Käufe und Verkäufe von I........SHOP-Aktien zu machen.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Internet-Werbung der Beklagten (Anlagen K 1-3) verstoße gegen § 43 b BRAO und § 6 BORA (mit § 1 UWG). Informationen als Werbung seien nur zulässig, soweit sie sachlich und berufsbezogen seien, hieran fehle es. Es würden ganz allgemein und pauschal alle Aktionäre der I........SHOP AG angesprochen. Die Fälle könnten aber nicht alle gleich bewertet werden, da es entscheidend auf die genaue Kausalität in jedem Einzelfall ankomme.

Es würden ferner unzulässigerweise Einzelmandate beworben. Das sei gegeben, wenn der Rechtsanwalt unaufgefordert einem Dritten seine anwaltliche Tätigkeit nahe zu bringen versuche, vorliegend habe die Beklagte sogar Erfassungsformulare vorbereitet ins Internet gestellt. Das Argument der Beklagten, die Interessenten kämen von sich aus auf ihre Internet-Seiten und das sei mit dem Besuch in der Kanzlei oder mit einem Telefonanruf dort vergleichbar, greife nicht durch. Denn die telefonische oder persönliche Beratung sei in jedem Fall zumindest nach § 20 BRAGO gebührenpflichtig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung von bestimmten Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf den Internet-Seiten "www.t.... k.............de" wie aus den Anlagen K 1 bis K 3 ersichtlich zu werben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die Klage sei unbegründet. Internet-Werbung von Anwälten gebe es vielfach. Es sei zulässig, mit der eigenen Anwaltstätigkeit zu werben, wie dies viele Kanzleien täten. Auch der Hinweis, wie viele Mandate gegen die I........SHOP AG bereits eingeworben worden seien, sei nicht zu beanstanden; es gehe im Übrigen um eine Sammelklage, bei der Neuland betreten werde. Der Prozess lasse sich nur vernünftig führen, wenn man viele Mandate vertrete; denn dann erst ließe sich ein bestimmtes Muster im Vorfeld der Aktienverkäufe ausmachen. Das Einwerben vieler Mandate minimiere das Prozessrisiko des Einzelnen. Auf den Internet-Seiten würde eigentlich nur ihre - der Beklagten - Tätigkeit auf dem Gebiet des Anlagenrechts dargestellt, die Information über die I........SHOP-Klage sei demgemäß berufsbezogen.

Sie - die Beklagte - gehe nicht auf potentielle Mandanten zu. Auf ihre Homepage begebe sich nur derjenige, der bereits informiert sei, es handele sich also um nichts anderes, als ein Kanzleibesuch oder ein telefonischer Kontakt. Auf die Risiken für jeden Einzelfall könne man nicht auf der Homepage hinweisen, weil es zahlreiche unterschiedliche Sachverhalte gebe.

Durch Urteil vom 28. März 2002 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Auf das Urteil wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen. Ebenso wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 27. Juni 2002 Bezug genommen, durch den der Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten vom 22. April 2002 zurückgewiesen worden ist.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

In dem an die Beklagte gerichteten Anwaltsschreiben vom 17. April 2002 hat die Klägerin u. a. ausführen lassen:

"Wir halten die landgerichtliche Entscheidung für überzeugend. Dessen ungeachtet wollen wir uns in dieser Angelegenheit nicht weiter mit Ihrer Mandantin (der Beklagten) auseinandersetzen. Wir sind der Auffassung, dass Ihrer Mandantin die Grenzen der anwaltlichen Werbung deutlich vor Augen geführt worden sind.

Wir erklären daher, auf die Unterlassungsansprüche aus dem Titel zu I. zu verzichten. Die Kostenerstattungsansprüche gemäß Ziffer II. bleiben unberührt." (Anlage K 7).

Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2002 hat die Klägerin unter Hinweis auf das Anwaltschreiben (Anlage K 7) den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt (Bl. 114).

Mit Schriftsatz vom 8. August 2002 hat die Beklagte erklären lassen, sie schließe sich der Erledigungserklärung nicht an (Bl. 124). Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. August 2002 ankündigen lassen, sie werde nunmehr die Zurückweisung der Berufung beantragen (Bl. 129).

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie noch vor:

Bei dem überwiegenden Teil der beanstandeten Internet-Seiten handele es sich um reine Informationen und nicht um "Werbung". Das sei auch für die Frage des Verbotsumfanges von Bedeutung. Das landgerichtliche Urteil lasse nicht erkennen, warum die gesamte Internetdarstellung unzulässig sein solle, konkret angesprochen werde im Urteil nur das "Erfassungsformular".

Nach der Rechtsprechung des BGH sei die Werbung um einzelne Mandanten, um die Umworbenen zu gewinnen, die Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen, grundsätzlich erlaubt, demgemäß sei nicht die Gestattung der Anwaltswerbung zu rechtfertigen, sondern deren Einschränkung. § 43 b BRAO sei verfassungsgemäß (Art. 12 GG) anzuwenden, das habe das Landgericht nicht beachtet. Entgegen dem Landgericht sei der Internet-Auftritt nicht "aufdringlich", die potentiellen Mandanten suchten von sich aus die Internet-Seiten auf.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Ergänzend trägt sie noch vor:

Zu Recht habe das Landgericht in der Internet-Werbung der Beklagten eine unzulässige Einzelmandatswerbung gesehen. Das Erfassungsformular ziele konkret auf bestimmte Mandate ab. Durch den Internetauftritt werde der vermeintlich geschädigte I........SHOP-Aktionär konkret aufgefordert, die Beklagte zu mandatieren. Außerdem sei eine nicht sachbezogene Werbung gegeben. Das landgerichtliche Verbot sei im Hinblick auf Art. 12 GG nicht zu beanstanden

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Beiakte Landgericht Hamburg 315 O 489/01 Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das landgerichtliche Urteil ist demgemäß abzuändern und die Klage abzuweisen.

I.

Die in erster Instanz erhobene Unterlassungsklage ist auch Gegenstand der Berufung.

Die Erledigungserklärung der Klägerin vom 15. Juli 2002 (Bl. 114) ist von ihr stillschweigend widerrufen worden, sie bleibt daher im Ergebnis ohne Bedeutung.

1.) Wie sich aus der schriftsätzlichen Erklärung der Klägerin ergibt, sollte allerdings bereits mit dem Schriftsatz selbst die Erledigungserklärung und nicht nur die Ankündigung der (späteren) Abgabe einer solchen erfolgen. Von einer erst zukünftig erfolgenden Erklärung ist dort nicht die Rede.

2.) Eine unmittelbar prozessgestaltende Wirkung geht von der Erledigungserklärung nicht aus, solange sie - wie vorliegend - einseitig bleibt. In diesem Stadium ist eine Erledigungserklärung grundsätzlich frei widerruflich, solange - ebenfalls wie vorliegend- das Gericht über die Erledigung der Hauptsache noch keine Entscheidung getroffen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die klagende Partei regelmäßig von der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung Abstand nehmen und ohne weiteres zu seinem ursprünglichen Klageantrag - im Wege der zulässigen Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO) - zu seinem ursprünglichen Klageantrag zurückkehren (BGH WRP 2002, 94 - Widerruf der Erledigungserklärung).

Im vorliegenden Fall hat sich, wie ausgeführt, die Beklagte gemäß Schriftsatz vom 8. August 2002 der Erledigungserklärung nicht angeschlossen (Bl. 124). Mit der schriftsätzlichen Ankündigung der Klägerin vom 26. August 2002, die Zurückweisung der Berufung beantragen zu wollen (Bl. 129), verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag weiter, sie hat damit die Erledigungserklärung wirksam zurückgenommen.

II.

Die Unterlassungsklage ist nicht etwa deswegen abzuweisen, weil die Klägerin mit dem an die Beklagte gerichteten Anwaltsschreiben vom 17. April 2002, wie ausgeführt, auf die Unterlassungsansprüche aus dem Titel des landgerichtlichen Urteils "verzichtet" hat (Anlage K 7).

1.) Ein prozessualer Verzicht ist damit nicht erklärt worden, denn dieser erfolgt nicht durch ein Schreiben direkt von Anwalt zu Anwalt, sondern durch Prozesserklärung in der mündlichen Verhandlung (§ 306 ZPO). Eine solche Prozesserklärung ist nicht erfolgt.

2.) Ein materiellrechtlicher Verzicht in Form eines Erlassvertrages ist ebenfalls nicht zustande gekommen.

In dem Anwaltschreiben (Anlage K 7) hat die Klägerin zwar einen Verzicht erklärt, diesen hat die Beklagte aber mangels irgendeiner Erklärung nicht angenommen. Das wird durch den Berufungsantrag der Beklagten im Übrigen bestätigt.

III.

Der Unterlassungsantrag ist aus den allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 43 b BRAO, § 1 UWG nach Auffassung des Senats nicht begründet.

1.) Gegenstand des Unterlassungsantrages ist die Verwendung der durch die Anlagen K 1-3 gekennzeichneten Internetseiten auf der Homepage der Beklagten. Es geht um diese Seiten insgesamt.

2.) Die Zulässigkeit des Unterlassungsantrages ist gegeben, er ist hinreichend bestimmt.

Das Verbot bezieht sich auf eine konkrete Äußerung der Beklagten im Internet, wie sich das aus ihrem Auftritt gemäß Anlagen K 1-3 ergibt. Für die Frage der Zulässigkeit des Antrages ist es nicht von durchgreifender Bedeutung, wenn die (nur) insgesamt zu verbietende Äußerung auch einzelne Textpassagen aufweist, die als solche nicht wettbewerbswidrig sind.

3.) Die erste Voraussetzung des § 43 b BRAO, das Vorliegen von Werbung, ist allerdings bei dem Internetauftritt der Beklagten gegeben. Das hat bereits das Landgericht zutreffend angenommen.

(a) Nach § 43 b BRAO ist Werbung dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet ist.

Ausgangspunkt aller Betrachtungen zur Zulässigkeit anwaltlicher Werbung - und demgemäß auch zur begrifflichen Bestimmung von Werbung im Sinne des § 43 b BRAO - muss der Grundsatz sein, dass zu der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit der anwaltlichen Berufsausübung nicht nur die berufliche Praxis selbst gehört, sondern jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. In den Bereich berufsbezogener Tätigkeiten fällt auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste. Insoweit greift auch das Grundrecht des Art. 5 GG; der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat (Feuerich/Weyland, Berufsrechtsanwaltsordnung, 6. Auflage, § 43 b BRAO, Rz. 2 m. w. Nw.).

Da demgemäß die Meinungs- und Berufsfreiheit des Anwalts nach Art. 5 und 12 GG auch das Recht beinhalten, für die Inanspruchnahme seiner Dienste zu werben, bedarf einer Rechtfertigung immer nur die Einschränkung, die Reglementierung der anwaltlichen Werbung als Teil der anwaltlichen Berufsausübung, nicht aber die Werbemaßnahme, die keiner zulässigen Reglementierung zuwiderläuft (BGH NJW 2003, 346), vielmehr findet sie diese schon in Art. 5 und 12 GG.

Die sich aus § 43 b BRAO (und §§ 6 ff BORA) ergebenden Einschränkungen dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern und Täuschungen der Rechtssuchenden zu vermeiden, sie dienen außerdem flankierend der Sicherung einer ordnungsgemäßen Berufsausübung. Dadurch erhält das Verbot berufswidriger Werbung seine Rechtfertigung (Feuerich/Weyland, a. a. O., § 43 b BRAO, Rz. 3 m. w. Nw.).

(b) Werbung im Sinne des § 43 b BRAO ist ein Verhalten, das planvoll darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen (BGH NJW 2003, 346). Ob diese Merkmale erfüllt sind, bestimmt sich maßgeblich nach der Verkehrsauffassung und ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln (Feuerich/Weyland, a. a. O., § 43 b BRAO, Rz. 5, § 6 BORA, Rz. 6, jeweils m. w. Nw.).

Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei dem beanstandeten Internetauftritt der Beklagten um Werbung im Sinne des § 43 b BRAO. Die Internetseiten präsentieren die Leistungsfähigkeit der Beklagten speziell in Bezug auf den Aktionärsschutz, insbesondere bei I........SHOP-Aktionären.

4.) Der Internetauftritt der Beklagten ist im Hinblick auf die eine Zulässigkeitsvoraussetzung anwaltlicher Werbung des § 43 b BRAO gegeben, nach der die Anwaltswerbung nur erlaubt ist, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet (wegen der anderen Voraussetzung vgl. 5.).

(a) § 43 b BRAO gestattet dem Rechtsanwalt nur berufsbezogene Informationen über seine Person und seine Dienstleistung weiterzugeben. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Internetauftritt der Beklagten insoweit nicht zu beanstanden.

Auf den Internet-Seiten (Anlagen K 1-2) werden die potentiellen Interessenten darüber informiert, dass die Beklagten speziell I........SHOP-Aktionäre anwaltlich beraten und vertreten können und dass eine Sammelklage in den USA vorbereitet wird, an die potentielle Mandanten der Beklagten sich gegebenenfalls anschließen können. Die damit gegebenen Informationen sind lediglich berufsbezogen, sie haben unmittelbar mit der beruflichen Tätigkeit der Beklagten zu tun. Soweit hierbei die I........SHOP AG und die für das "I........SHOP-Desaster" Verantwortlichen kritisiert werden (Anlage K 2), ist deswegen der berufliche Bezug nicht etwa verlassen. Die Darstellung mag zugespitzt sein, die Aussage geht aber dahin, dass die Verluste bei den I........SHOP-Aktien eben auf ein pflichtwidriges Verhalten der im Unternehmen Verantwortlichen zurückgehen. Dieser Umstand ist für eine eventuelle Sammelklage von erheblicher Bedeutung. Damit wird ein berufsbezogener Gesichtspunkt angesprochen.

(b) Auch die Pflicht zur in Form und Inhalt sachlichen Werbung (§ 43 b BRAO) ist vorliegend nicht verletzt.

(aa) Mit dem Kriterium der Sachlichkeit soll den Bedürfnissen der Rechtssuchenden nach Transparenz der Dienstleistungen Rechnung getragen werden. Damit soll der Gefahr begegnet werden, dass das rechtsuchende Publikum durch Qualitätswerbung irregeführt und unrichtige Vorstellungen über die Leistungsfähigkeit eines Rechtsanwalts gewinnt. Das Ziel wird mit der Folge mangelnder Sachlichkeit vor allem bei völlig übertriebener, plump aufdringlicher, marktschreierischer, belästigender oder irreführender Werbung verfehlt; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. (Feuerich/Weyland, a. a. O., § 43 b BRAO Rz. 14-17, § 6 BORA Rz. 15-16, jeweils m. w. Nw.). Während früher als Kriterium für die Unsachlichkeit das "Reklamehafte" eines Verhaltens von der Rechtsprechung herangezogen wurde, findet das im Gesetz keine Stütze, nachdem der Gesetzgeber in § 43 b BRAO das Wort "reklamehaft" durch den Begriff "unsachlich" ersetzt hat.

Das Gebot der Sachlichkeit schließt die anwaltliche Werbung mit bloßen Wertungen und Selbstanpreisungen, die nicht auf objektiven Tatsachen beruhen und nicht objektiv nachvollzogen werden können, aus. Allerdings ist wegen Art. 5, 12 GG bei der Annahme der Form nach unzulässiger - nämlich eindeutig überzogen-reklamehafter und damit unsachlicher - Werbung eher Zurückhaltung angezeigt, denn zum einen ist dem Anwalt bei seiner berufsbezogenen Werbung eine nicht ganz enge Gestaltungsfreiheit unerlässlich zuzubilligen und zum anderen muss die Abgrenzung zur unsachlichen Werbung notwendig klar und von bloßen Geschmacksfragen unabhängig sein (BVerfG NJW 1997, 2510; Feuerich/Weyland, a. a. O., § 6 BORA Rz. 15-16 m. w. Nw.).

(bb) Den Sachlichkeitsanforderungen nach Form und Inhalt genügt der Internetauftritt der Beklagten.

Gegen die Wahl des Mediums des Internets ist selbstverständlich grundsätzlich nichts einzuwenden (Feuerich/Weyland, a. a. O., § 6 BORA Rz. 15-16 m. w. Nw.).

Die Informationen über die I........SHOP-Aktie und die Hintergründe für die Verluste (Anlage K 2) haben, wie ausgeführt, unmittelbar mit der angesprochenen speziellen beruflichen Tätigkeit der Beklagten zu tun, es handelt sich um sachliche Information. Auch die Kritik an der I........SHOP AG bzw. an dem "I........SHOP-Desaster" erschöpft sich nicht etwa in zugespitzten Worten, sondern hat - wie ausgeführt - juristischen Bezug. Unsachlich ist das ebenfalls nicht, es handelt sich lediglich um eine erkennbar engagierte und insoweit nicht zu beanstandende Information.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch nicht zu beanstanden, dass das Thema der Verluste der I........SHOP-Aktionäre von den Beklagten rechtlich bewertet wird (Anlage K 2: "nach der Überzeugung unserer Kanzlei..."). Nur bloße Wertungen und Selbstanpreisungen genügen nicht dem Sachlichkeitsgebot, die rechtliche Bewertung ausdrücklich der Beklagten relativiert die Aussage vielmehr.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Internetauftritt nicht mit der Begründung als unsachlich zu verbieten, es werde ein sog. Massenverfahren vorbereitet, ohne auf die Besonderheiten des einzelnen Mandats einzugehen. Vielmehr heißt es, wie ausgeführt, auf der Startseite (Anlage K 1) ausdrücklich: "Nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage empfehlen wir ein gerichtliches Vorgehen". Dieser Satz wird auf der nachfolgenden, anzuklickenden Seite wiederholt (Anlage K 2). Der angesprochene durchschnittlich verständige und aufmerksame Verbraucher versteht diese Hinweise nicht etwa in dem Sinne, dass in jedem Falle eine Klage empfohlen werde. Selbstverständlich wird er annehmen, dass eine solche Empfehlung gerichtlichter Schritte gerade von dem Ergebnis der anwaltlichen Beratung abhängig sein wird; dem steht auch nicht entgegen, dass zuvor davon die Rede ist, dass die Kanzlei der Beklagten bereits "eine Vielzahl geschädigter I........SHOP-Aktionäre vertritt".

Auch der Umstand, dass mit dem Internetauftritt ein Sammelverfahren in Aussicht genommen wird, ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht grundsätzlich zu beanstanden. Schon seit längerem ist anerkannt, dass das sog. gebündelte Mandat der pflichtgemäßen Berufsausübung des Anwalts entsprechen kann (Feuerich/Weyland, a. a. O., § 6 BORA Rz. 22 m. w. Nw.). Von einer generell oder gar schon im Voraus zu bejahenden Erfolgsaussicht einer Klage der I........SHOP-Aktionäre steht in dem Internet-Auftritt der Beklagten nichts, auch nicht in unterschwellig-versteckter Weise. Der verständige Durchschnittsverbraucher wird wegen der angesprochenen Kostenrisiken und der zu überprüfenden Sach- und Rechtslage zutreffend schlussfolgern, dass die Erfolgsaussichten einer Klage in verschiedenen Fällen durchaus unterschiedlich sein werden und dass es gerade auch einer individuellen Beratung bedarf, ob man sich einer Sammelklage anschließen soll. Es ist nicht erkennbar, dass der vernünftige Durchschnittsverbraucher andere Schlussfolgerungen ziehen könnte. In dem Gesamtzusammenhang des Internetsauftritts ist es auch nicht etwa unsachlich, wenn der Internetbenutzer auch noch auf das "Erfassungsformular" hingewiesen wird (Anlage K 2) und es herunterladen und ausfüllen kann (Anlage K 3).

5.) Entgegen dem Landgericht ist der Internetauftritt der Beklagten auch keine auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtete Werbung im Sinne des § 43 b BRAO.

(a) Verboten ist dem Rechtsanwalt eine Werbung um ein konkretes Einzelmandat, wenn also für den Rechtsanwalt erkennbar in einer bestimmten Einzelangelegenheit bei dem potentiellen Mandanten bereits ein Beratungs- und/oder Vertretungsbedarf entstanden ist und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlass für seine Werbung nimmt (Feuerich/Weyland, a. a. O., § 43 b BRAO Rz. 31 m. w. Nw.). Das Verbot einer auf Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichteten Werbung darf allerdings nicht mit dem früher aus § 43 BRAO hergeleiteten Verbot der gezielten Werbung um Praxis durch unaufgefordertes Herantreten an potentielle Mandanten (so noch BGH GRUR 1991, 917 - Anwaltswerbung I) gleich gesetzt werden und es ist nicht zu verwechseln mit dem direkten Ansprechen potentieller Mandanten allgemein, was erlaubt ist. Geht es nicht um einen konkreten Auftrag in einem konkreten Einzelfall, darf der Rechtsanwalt potentielle Mandanten ansprechen und für sich werben (Feuerich/Weyland, a. a. O., § 6 BORA, Rz. 17 m. w. Nw.).

So ist die Werbung um einzelne Mandanten, die darauf gerichtet ist, die Umworbenen dafür zu gewinnen, die Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen, nach § 43 b BRAO grundsätzlich erlaubt (BGH WRP 2001, 923 - Anwaltswerbung II, NJW 2001, 2886 - Anwaltsrundschreiben). Es wurde weder eine an Einzelhändler gerichtete Einladung einer Anwaltskanzlei zu einem Seminar mit Imbiss (BGH, a. a. O. - Anwaltswerbung II) noch die Versendung von Rundschreiben an Nichtmandanten, in denen über steuerrechtliche Neuregelungen informiert wurde (BGH, a. a. O. - Anwaltsrundschreiben) als gemäß § 43 b BRAO unzulässig angesehen, weil die Werbung nicht auf die Erlangung konkreter Aufträge im Einzelfall gerichtet gewesen ist.

Andererseits können für sich genommen zulässige Maßnahmen, die Umworbenen als Mandanten zu gewinnen, unter bestimmten Gegebenheiten dennoch eine unzulässige Werbung um einzelne Mandate darstellen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung oder Vertretung bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlass für seine Werbung nimmt. Eine solche Werbung ist als unzulässig anzusehen, weil sie in gleicher Weise wie die offene Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall in einer oft als aufdringlich empfundenen Weise auszunutzen versucht, dass sich der Umworbene beispielsweise in einer Lage befindet, in der er auf Hilfe angewiesen ist (etwa als Unfallopfer) und sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt entscheiden kann (Feuerich/Weyland, a. a. O., § 43 b BRAO, Rz. 31 m. w. Nw.).

(b) Nach diesen Grundsätzen ist der Internet-Auftritt der Beklagten nach Auffassung des Senats keine auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtete Werbung.

Die Werbung ist im Internet veröffentlicht. Damit wird nicht ein einzelner potentieller Mandat direkt angesprochen, wie etwa durch ein Telefonat, einen direkt an ihn adressierten Brief mit einem persönlichen Schreiben oder auch einem Rundschreiben. Vielmehr kommen Interessenten auf die Internetseiten der Beklagten auf Grund eigener Aktivitäten oder auch nur zufällig und können - unbeeinflusst durch direkte persönliche Ansprache - sich entscheiden, ob sie sich an die Beklagten überhaupt, sogleich oder später wenden wollen.

Durch die direkte Thematisierung einer möglichen Sammelklage von I........SHOP-Aktionären (Anlagen K 1-2) richtet sich die Internetwerbung zwar an einen bestimmbaren Personenkreis, sie ist aber nicht so auf einen konkreten Schadensfall zugeschnitten, dass damit schon eine Einzelmandatswerbung vorläge. Denn die Beklagten können nicht wissen, ob bei dem einzelnen Internetnutzer, der auch I........SHOP-Aktionär ist, ein Schaden entstanden ist und ob dann bei dem einzelnen auch ein Beratungsbedarf konkret und/oder aktuell besteht. Damit zielt die Internetwerbung der Beklagten für den verständigen Durchschnittsverbraucher auf eine unbestimmte Vielzahl potentieller, noch nicht konkretisierter Mandate.

Es erfolgt eine allgemeine Information über die Möglichkeiten einer Sammelklage und Hinweise darauf, welche Wege bei Interesse für den potentiellen Mandanten in Betracht kommen. Die Darstellung im Internet, die der Benutzer selbst durch eigene Aktivität aufruft, steht der Annahme eines schon konkretisierten Mandats entgegen.

Entgegen dem Landgericht kann nicht darauf abgestellt werden, es gehe bei der Internet-Werbung um die Anbahnung einzelner Aufträge. Das kann nicht durchgreifend sein, weil dieses Ziel letztlich jede Form von Werbung hat und eine dann erreichte persönliche anwaltliche Beratung oder Vertretung ohnehin stets konkret ist. § 43 b BRAO schränkt die Meinungs- und Berufsfreiheit des Anwalts ein, die damit verbundenen Eingriffe müssen entsprechend den obigen Ausführungen verhältnismäßig, d. h. im Interesse des Gemeinwohls erforderlich sein. Bei einem so weit gespannten Begriff der Werbung um ein Einzelmandat wäre das nicht mehr der Fall.

In dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang der Internetwerbung der Beklagten (Anlagen K 1-3) ist auch das Erfassungsformular (Anlage K 3) nicht zu beanstanden. Obwohl hier der Interessent seine persönlichen Daten einfügen und das Formular an die Beklagten schicken kann, ist die das vorbereitende Werbung im Internet noch keine auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtete Werbung. Der Internetnutzer erkennt, dass es ein allgemein vorbereitetes Formular ist und nicht ihm selbst ausgehändigt oder gar aufgedrängt wird. Vielmehr ist er es, der - noch anonym bleibend - das Formular ohne äußere Einflussnahme etwa durch den Anwalt allein auf seine Entschließung hin herunterlädt. Deswegen greift auch nicht das Argument der Klägerin durch, damit sei der "Einstieg" in das Einzelmandat gegeben. Das Stadium der Anbahnung ist auch bei einem Anwaltsseminar für potentielle Mandanten (BGH, a. a. O. - Anwaltswerbung II) oder bei einem juristisch-informativen Rundschreiben an Nichtmandanten (BGH, a. a. O. - Anwaltsrundschreiben) gegeben, ohne dass derartige Fallgestaltungen, wie ausgeführt, als unzulässig anzusehen wären.

Nach Auffassung des Senats ist die Werbung der Beklagten durchaus mit dem vom OLG München zutreffend entschiedenen Sachverhalt vergleichbar (vgl. dazu OLG München Anlage BK 9). Im dortigen Fall hatte eine Anwaltskanzlei auf ihrer Homepage ein sog. Interessentenschreiben veröffentlicht, in dem es um mögliche Ansprüche der T...........-Aktionäre gegen die Deutsche T........... ging. Zu Recht hat das OLG darauf abgestellt, dass das dortige Schreiben auf eine unbestimmte Vielzahl potentieller noch nicht konkretisierter Mandate ziele und der Interessent die Veröffentlichung selbst im Internet aufrufen müsse.

IV.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten begründet und die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.). Die Rechtssache geht, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, über die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt nicht hinaus. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Zulassung der Revision ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Ende der Entscheidung

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