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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 11.02.2002
Aktenzeichen: 3 Vollz (Ws) 6/02
Rechtsgebiete: StVollzVergO


Vorschriften:

StVollzVergO § 2
"Bei der Gewährung von Leistungszulagen gemäß § 2 Abs. 2 StVollzVergO handelt es sich nicht um einen begünstigenden, laufende Geldleistung gewährenden Dauerverwaltungsakt, mit der grundsätzlichen Eignung, zu Gunsten des Gefangenen Vertrauensschutz zu entfalten."
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT 3. Strafsenat Beschluss

3 Vollz (Ws) 6/02

In der Strafvollzugssache des

hat der 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 11.2.02 durch die Richter Mentz, Dr. Mohr und v. Selle beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg - Große Strafkammer 9 - vom 3.12.01 aufgehoben, soweit der Beschluss die JVA Glasmoor verpflichtet, Rechtsauffassungen des Landgerichtes bei der Bescheidung des Widerspruches des Gefangenen zu beachten.

Der Beschwerdegegner trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen (§ 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG). Der Gegenstandswert wird auf 750,- € festgesetzt (§§ 13, 48 a GKG).

Gründe:

Der Gefangene und die JVA Glasmoor (und an ihrer Seite nun auch das Strafvollzugsamt) streiten über die Zahlung von Leistungszulagen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 StVollzVergO.

Der angefochtene Beschluss teilt mit, dass dem Gefangenen von Juni 2000 bis Dezember 2000 zuzüglich zu dem Grundlohn monatlich eine Leistungszulage nach o.g. Vorschrift in Höhe von 30 % dieses Grundlohnes gezahlt worden sei. Seit Januar 2001 erhalte der Gefangene nur noch eine Leistungszulage von 3 % des Grundlohnes oder weniger. Wider- sprüche des Gefangenen gegen diese "Kürzungen" seien nicht zeitgerecht beschieden worden. Der landgerichtliche Beschluss teilt nicht mit, ob der Gefangene seit Januar 2001 die gleiche Arbeit verrichtet wie zuvor, ob ggf. diese Arbeit in die gleiche Vergütungsstufe gemäß § 1 StVollzGVergO eingruppiert ist wie sie noch im Jahre 2000 eingruppiert war, ob sich die individuellen Arbeitsleistungen des Gefangenen gegenüber dem Vorjahr verändert haben und welche konkreten Gründe den Entscheidungen der JVA Glasmoor zu Grunde gelegen haben, dem Gefangenen prozentual geringere Leistungszulagen zu gewähren.

Das Landgericht hat die JVA unter Verwerfung der weitergehenden Klage des Gefangenen verpflichtet, die Widersprüche des Gefangenen unter Beachtung der Rechtsauffassungen des Landgerichtes zu bescheiden. All diesen Rechtsauffassungen liegt die Meinung des Landgerichtes zu Grunde, bei der Gewährung von Leistungszulagen gemäß § 2 Abs. 2 StVollzVergO handele es sich um einen begünstigenden, einen laufende Geldleistung gewährenden Verwaltungsakt, der grundsätzlich geeignet sei, zu Gunsten des Gefangenen Vertrauensschutz zu entfalten.

Mit der die Verletzung materiellen Rechtes rügenden und auch im Übrigen den Anforderungen des § 118 StVollzG genügenden Rechtsbeschwerde begehrt das Strafvollzugsamt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit dieser die JVA Glasmoor an die Rechtsauffassungen des Landgerichtes binden soll.

Die Rechtsbeschwerde ist auch nach Maßgabe des § 116 Abs. 1 StVollzG, nämlich zur Fortbildung des Rechtes zulässig, da der Charakter der Leistungszulage in der höchst- richterlichen Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt erscheint.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichtes in Bezug auf diese Frage nicht. Das Landgericht verkennt, dass die Leistungszulage gewährt wird für individuelle Arbeits- leistungen eines Gefangenen, Leistungen, die aus in der Person des Gefangenen oder auch aus außerhalb seiner Sphäre liegenden Gründen nicht unerheblichen Schwankungen unterworfen sein können, so dass schon deswegen klar ist, dass die Frage der Gewährung dieser Zulage Monat für Monat neu entschieden werden muss. Die Gewährung der Leistungszulage ist damit kein einen Vertrauensschutz auf eine Wiederholung von Geldzahlungen für bestimmte Zeiträume entfaltender Dauerverwaltungsakt. Denn weder die erstmalige, noch die wiederholte Gewährung dieser Zulage verschafft dem Gefangenen eine Rechtsstellung für die Zukunft, sondern honoriert Leistungen, die in einem Monat oder auch mehreren Monaten erbracht worden sind. Dementsprechend ist die Gewährung einer Leistungszulage objektiv nicht geeignet, ein Vertrauen in Bezug auf die Fortgewährung von Leistungszulagen zu schaffen (zu den Begriffsbestimmungen vgl. Kopp, 6. Aufl., Rn 54 zu § 48 VwVfG).

Die Rechtsbeschwerde wäre wohl auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Es erscheint nämlich strukturell fehlerhaft, dass das Landgericht einerseits meint, auf die Durchführung des Widerspruchsverfahrens verzichten zu können, andererseits aber in Verkennung der ihm obliegenden Aufklärungspflicht die entscheidungserheblichen Tatsachen auch nicht ansatzweise ermittelt.

Da der angefochtenen Entscheidung eine unzutreffende Rechtsauffassung zu Grunde liegt, ist die Rechtsbeschwerde auch begründet.

Bei der nunmehr vorzunehmenden Bescheidung der Widersprüche sollte die JVA Glasmoor detailliert darlegen, aus welchen Gründen dem Gefangenen seit Januar 2001 prozentual geringere Leistungszulagen gewährt werden. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass es die Selbstbindung der Verwaltung lediglich verbietet, in einzelnen Fällen ohne rechtfertigenden sachlichen Grund von einer ständigen, durch eine Verwaltungsvorschrift veranlassten Verwaltungspraxis abzuweichen (vgl. Senatsbeschluss v. 29.10.01, 3 Vollz (Ws) 90/01). Die Änderung einer allgemeine Geltung beanspruchenden Verwaltungspraxis ist jedenfalls dann möglich ist, wenn sich die Rahmenbedingungen, zu denen auch die Höhe der Gefangenenentlohnung gehören kann, geändert haben. Falls der Gefangene im Jahre 2001 die gleiche Arbeit verrichtet haben sollte wie im Jahr zuvor, könnte auch eine Rolle spielen, ob - und ggf. aus welchen Gründen - eine Veränderung betreffend die Eingruppierung des Arbeitsplatzes in eine andere Vergütungsstufe stattgefunden hat. Dann wird zu beschreiben sein, nach welchen Kriterien überdurchschnittliche Leistungen von Gefangenen, die an Arbeitsplätzen ein und derselben Vergütungsstufe tätig sind, durch die Gewährung von Leistungszulagen honoriert werden. Dabei muss nach Auffassung des Senates beachtet werden, dass durch eventuelle Veränderungen bei der Definition der Vergütungsstufen und der generellen Handhabung der Leistungszulagengewährung die Neuregelung des § 43 Abs. 1 StVollzG nicht konterkariert wird. Die Änderung des § 43 Abs. 1 StVollzG als solche kann nicht dazu führen, von den Gefangenen nun deutlich höhere Leistungen einzufordern. Auch wird zu beschreiben sein, welche individuellen Leistungen der Gefangene im fraglichen Zeitraum erbracht hat.

Ende der Entscheidung

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