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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 06.12.2000
Aktenzeichen: 4 U 142/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 985
Die Rechtskraft des auf § 985 BGB gestützten Herausgabeurteils wirkt im Rahmen des anschließenden Nutzungsherausgabeprozesses präjudiziell auch im Hinblick auf Zeiträume, für die Veränderungen gegenüber den Verhältnissen zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung nicht dargelegt worden sind.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 142/99

Verkündet am: 6. Dezember 2000

In dem Rechtsstreit

gegen

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 4. Zivilsenat, durch die Richter Dr. Raben, Dr. Bischoff, Albrecht-Schäfer nach der am 6. Dezember 2000 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 13, vom 8.4.1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 2), hinsichtlich 1/9 der Gerichtskosten und 1/2 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 1), die auch ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 2) kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung von 88.000,--DM, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Beklagten zu 2) beträgt 75.756,02 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin macht als Eigentümerin Vergütungsansprüche geltend für die Nutzung von Räumen auf ihrem Grundstück. Ab 1.4.1996 waren diese Räume von der Firma GmbH genutzt worden. Die Wirksamkeit des diesbezüglichen Mietvertrags (Anl. B 1) ist zwischen den Parteien streitig. Der darin vorgesehene Mietzins wurde im wesentlichen bis Ende 1996 gezahlt (vgl. Anl. K 2). Mit Schreiben vom 31.7.1997 sprach die Klägerin die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges aus (Anl. B 2). Am 2.9.1997 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht.

Ob bzw. inwieweit auch die mit der Firma personell verflochtenen Beklagten die Räume genutzt haben, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig standen dort Maschinen der Beklagten zu 2), die sie nach ihren eigenen, von der Klägerin bestrittenen Angaben der Firma zur Nutzung überlassen und am 1.11.1997 an die Beklagte zu 1) veräußert habe. In einem Vorprozess gegen beide Beklagte (Az. 333 O 180/97) ist die Beklagte zu 2) aufgrund einer am 18.2.1998 zugestellten Klage mit Versäumnis-Teilurteil vom 11.3.1998, zugestellt am 19.3.1998, gesamtschuldnerisch neben der Beklagten zu 1) zur Räumung und Herausgabe der Räume verurteilt worden. Dieses Urteil hat die Beklagte zu 2) nicht angefochten.

Im gegenwärtigen Rechtsstreit hat das Landgericht durch Urteil vom 8.4.1999, auf das zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird, beide Beklagte als Gesamtschuldner zur Zahlung von Nutzungsvergütung gemäß §§ 987, 990 BGB für die Zeit vom 2.9.1997 bis zum 30.4.1998 verurteilt. Auf die Begründung dieses Urteils wird ebenfalls Bezug genommen.

Gegen das ihnen am 13.4.1999 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 14.5.1999 (Tag nach Himmelfahrt) Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 14.6.1999 hat die Beklagte zu 1) ihre Berufung zurückgenommen und die Beklagte zu 2) ihre Berufung begründet.

Die Beklagte zu 2) behauptet, sie habe weder Besitz an dem Gewerbeobjekt gehabt noch Gewahrsam an irgendwelchen Gegenständen darin in der Zeit vom 2.9.1998 bis 30.4.1998 ausgeübt. Das Räumungsurteil vom 11.3.1998 sei insoweit nicht präjudiziell. Der mit der Vollstreckung des Räumungsurteils beauftragte Gerichtsvollzieher habe bei einem Vollstreckungsversuch am 2.4.1998 kein Indiz für die Nutzung durch die Beklagte zu 2) feststellen können.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 8.4.1999 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und

der Beklagten zu 1) die Kosten des sie betreffenden Berufungsverfahrens aufzuerlegen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2) ist sachlich nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass eine Verpflichtung zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen sich aus der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räume ergebe. Da über die auf § 985 BGB gestützte Räumungsverpflichtung der Beklagten zu 2) rechtskräftig durch Versäumnisurteil des Landgerichts vom 11.3.1998 entschieden worden ist, ist eine erneute Prüfung dieser Verpflichtung als Vorfrage der Nutzungsherausgabepflicht ausgeschlossen. Die Rechtskraft der Vorentscheidung wirkt nämlich insbesondere auch dann, wenn sie nur eine Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits betrifft (Präjudizialität, vgl. etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., vor § 322 Rdn. 19, 22, 24 mit Rechtsprechungsnachweisen). Gegen den Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen kann die Beklagte zu 2) daher nicht einwenden, sie habe niemals Besitz an den streitgegenständlichen Räumen gehabt. Damit leugnet sie die rechtskräftig festgestellte Räumungsverpflichtung ebenso, wie wenn sie geltend machen würde, ihr habe ein Recht zum Besitz zugestanden (vgl. dazu BGH NJW 1985, 1553).

Allerdings bezieht sich die aus der Rechtskraft folgende Feststellung, dass die Voraussetzungen der Räumungsverpflichtung, hier der tatsächliche Besitz der Beklagten zu 2) an den Räumen, vorliegen, nur auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. den entsprechenden Zeitpunkt für das Versäumnisurteil (BGH NJW 1998, 1709, 1710; Staudinger/Gursky (1999), BGB, § 897 Rdn. 2 a.E.) Ob die Beklagte schon im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Sachherausgabeklage Besitzerin war, muss daher grundsätzlich im Nutzungsherausgabeprozess geprüft werden. Wenn das Gericht in dem rechtskräftigen Räumungsurteil aber eine Anspruchsvoraussetzung, hier den Besitz der Beklagten zu 2), angenommen hat, die entweder gar nicht oder bereits bei Rechtshängigkeit der Sachherausgabeklage gefehlt hatte, muss beim Streit über die Nutzungen ohne Sachprüfung davon ausgegangen werden, dass die Herausgabeklage von vornherein begründet war (vgl. BGH a.a.O.; Staudinger/Gursky a.a.O.). Zu rechtfertigen ist dies mit der allgemeinen Vermutung der Fortdauer rechtlicher und tatsächlicher Verhältnisse, solange eine Veränderung nicht dargelegt ist. Dass die Beklagte den Besitz der Räume erst nach Zustellung der Klage am 18.2.1998, aber vor dem Erlass des Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren am 11.3.1998 (oder dem Ablauf der Einspruchsfrist am 2.4.1998) erlangt habe, hat sie nicht vorgetragen.

Entsprechendes gilt für die hier streitige Nutzungsdauer, auch soweit sie außerhalb der eben genannten Zeitspanne liegt. Dass die Beklagte zu 2) Besitz an den Räumen nach dem 2.9.1997 begründet und solchen Besitz nach dem für die Rechtskraft des Versäumnisurteils maßgeblichen Zeitpunkt aufgegeben habe, hat sie ebenfalls nicht behauptet. Vielmehr bestreitet sie, jemals Besitz an den Räumen begründet zu haben, greift mithin lediglich die Richtigkeit des rechtskräftigen Räumungsurteils an. Insbesondere kann sie mit ihrem Vortrag, dass der mit der Vollstreckung des Räumungsurteils beauftragte Gerichtsvollzieher am 2.4.1998 kein Indiz für eine Nutzung durch die Beklagte zu 2. festgestellt habe, nicht gehört werden, da die Einspruchsfrist für dieses Urteil bis zu diesem Tage lief und Einwendungen gegen ein rechtskräftiges Versäumnisurteil nur dann durch die Rechtskraft nicht ausgeschlossen sind, wenn sie nach Ablauf der Einspruchsfrist entstanden sind (BGH NJW 82, 1812; Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 767 Rn. 14 und vor § 322 Rn. 53 m.w.N.).

Der Anspruch aus §§ 987, 990 BGB setzt zwar neben einer Vindikationslage voraus, dass während deren Bestehen der Besitzer Nutzungen gezogen hat oder bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung gezogen hätte. Inwieweit die Beklagte zu 2) die Räume tatsächlich benutzt hat, ist jedoch unerheblich, da der Vorteil, der dem Besitzer von Räumen zufließt, darin liegt, dass er die Möglichkeit der Nutzung erwirkt. Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Nutzung, ohne dass es darauf ankommt, ob durch den Gebrauch ein Gewinn entsteht (BGH DB 1966, 738, 739; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 100 Rdn. 2). Bemessungsgrundlage für die Bewertung der Gebrauchsvorteile durch den Besitz vermietbarer Sachen ist deshalb, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der ortsübliche Mietzins (Palandt/Heinrichs a.a.O.).

Durch das rechtskräftige Räumungsurteil ist zudem bindend festgestellt, dass sich die Herausgabepflicht der Beklagten zu 2) auf die streitgegenständlichen Räume insgesamt bezog, wenn auch in gesamtschuldnerischer Begrenzung. Dementsprechend hat das Landgericht zu Recht die Nutzungsvorteile insgesamt der Verurteilung der Beklagten zu 2) zugrundegelegt.

Angesichts des Ergebnisses der Berufung ergibt sich die Kostenentscheidung aus §§97, 100 Abs. 4, 515 Abs. 3 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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