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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 04.02.2002
Aktenzeichen: 5 U 106/01
Rechtsgebiete: UrhG


Vorschriften:

UrhG § 31 Abs. 4
UrhG § 8
UrhG § 13
UrhG § 14
UrhG § 23
UrhG § 24
UrhG § 39 Abs. 2
UrhG § 51 Nr. 3
UrhG § 61
1. Bei der Verwendung von Teilen eines urheberrechtlich geschützten Werks als Handy-Klingelton steht nicht die Wahrnehmung der Tonfolge als Musikwerk in Form eines sinnlich-klanglichen Erlebnisses im Vordergrund, sondern - wie auch bei anderen Signaltönen - die Nutzung als rein funktionales Erkennungszeichen.

2. Die Nutzungs einer Melodie als Handy-Klingelton stellt sich gegenüber der herkömmlichen Darbietung eines Musikwerks als "neue Nutzungsart" i.S.v. § 31 Abs. 4 UrhG dar.

3. Eine solche Nutzungsart kann nicht ohne nähere Konkretisierung über eine allgemeine "Öffnungsklausel" zur Erfassung "künftiger technischer Entwicklungen" wirksam Gegenstand bereits bestehender GEMA-Berechtigungsverträge werden.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

5 U 106/01

In dem Rechtsstreit

Handy-Klingeltöne

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 04. Februar 2002 durch die Richter Gärtner, Rieger, Dr. Koch

beschlossen:

Tenor:

1. Die außergerichtlichen Kosten der Parteien - einschließlich der der Streithelferin - werden gegeneinander aufgehoben, die Gerichtskosten werden zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin geteilt.

2. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 26.000.- festgesetzt.

Gründe:

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gem. § 91 a ZPO nur noch über die entstandenen Kosten zu entscheiden. Nach bisherigem Sach- und Streitstand entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Zwar hätte jedenfalls der Antragsteller zu 2. mit seinem Kernbegehren (Unzulässigkeit der Verwendung des Werks als Handyklingelton) bei weiterer streitiger Fortführung des Rechtsstreits voraussichtlich obsiegt. Jedoch hatte er bei Eintritt des erledigenden Ereignisses bis zu der Neufassung des Antrags in der Senatssitzung am 19.12.2001 einen erheblich zu weiten Verfügungsantrag verfolgt. Dieser Antrag wäre in der reduzierten Fassung - jedenfalls nach dem Erkenntnisstand bei Eintritt des erledigenden Ereignisses - zudem auch nur in seiner Person begründet gewesen, während die Aktivlegitimation der Antragstellerin zu 1. nicht hinreichend dargetan war. Bei dieser Sachlage entspricht es der Billigkeit, die Antragsteller gleichgewichtig mit den Parteien auf der Gegenseite in die Verteilung der Kosten einzubeziehen. Eine höhere Kostenbeteiligung der Antragsteller erscheint nicht gerechtfertigt, weil es sich bei dem zu weiten Verfügungsantrag lediglich um einen "Überschuss" im Verhältnis zu dem erkennbar verfolgten Rechtsschutzziel gehandelt hat und nicht um ein aliud. Im Einzelnen ist zur Begründung der Entscheidung folgendes anzuführen:

1. Soweit der Senat in der mündlichen Verhandlung noch Bedenken zum Verfügungsgrund geäußert hatte, sind diese im Anschluss an die Erörterungen mit den Parteivertretern allerdings ausgeräumt. Zwar oblag den Antragstellern die Darlegung der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. §§ 935, 940 ZPO erforderlichen Voraussetzungen; denn nach ständiger Rechtsprechung des 3. ZS des Hanseatischen Oberlandesgerichts gilt die wettbewerbsrechtliche Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG im Bereich des Urheberrechts auch nicht analog (OLG Hamburg GRUR 99, 717 - Wagner-Familienfotos; so auch Köhler/Piper, § 25 Rdn. 14 und Baumbach/Hefermehl, § 25, Rdn. 5, anders wohl OLG Karlsruhe NJW-RR 95, 176). Die Antragsteller haben im Senatstermin aber völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung im Hinblick auf bereits eingetretene und weiterhin drohende Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts dringend geboten war. Insoweit kann bei Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts nichts anderes gelten als für sonstige Persönlichkeitsrechtsverletzungen, für die, wie etwa im Bereich des Presserecht seine Eilbedürftigkeit nach §§ 935, 940 ZPO in der Regel aus der Natur der Sache anerkannt ist

2. Der von den Antragstellern in erster Instanz und bis zur Verhandlung vor dem Senat verfolgte Verfügungsantrag war zudem erheblich zu weit gefasst, so dass die Antragsteller schon aus diesem Grund zu einem erheblichen Teil unterlegen wären.

Durch die Neufassung ihres Antrags nach Hinweis durch den Senat in der Sitzung vom 19.12.2001 hätten sie nachteiligen Kostenfolgen nicht mehr entgehen können, denn der Sache nach beinhaltet ihr neuer Antrag eine Teilklagerücknahme gegenüber dem ursprünglichen Antrag, weswegen die Antragsteller insoweit gem. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten zu tragen gehabt hätten . Mit ihrem Ursprungsantrag wollten die Antragsteller nicht etwa nur die Verwendung des Musikwerks als Handyklingelton verboten wissen, sondern sie hatten sich ganz allgemein gegen die Vervielfältigung und Verbreitung dieses Werks "in bearbeiteter Form" gewandt. Sowohl die Nutzung als Handyklingelton als auch die Herausgabe der CD-ROM "Handy Hits Charts Vol. 1" waren insoweit lediglich als Konkretisierungen mit dem "insbesondere"-Zusatz genannt, ohne den Umfang des Antrags einzuschränken. Zudem war der Antrag jedenfalls sprachlich missverständlich auf die Verwendung einer konkreten Einspielung des Werks ("interpretiert von der Künstlergruppe Rednex") gerichtet, obwohl deren Verwendung gar nicht der streitgegenständlich sein konnte. Denn die Antragsteller hatten sich gerade dagegen gewendet, dass nicht das Original, sondern eine urheberrechtsverletzende, monophone Einspielung per Synthesizer als Handyklingelton Verwendung gefunden hatte. Für eine weitergehende bzw. andersartige Verwendung bestand nach Sachlage weder Wiederholungs- noch Erstbegehungsgefahr.

Weiterhin war der verallgemeinernde Teil des Antrags auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz Zulässigkeitsbedenken ausgesetzt. Denn durch die ursprüngliche Fassung hätte sich die Frage, ob es sich bei einer künftigen Verwendung "noch" um eine "freie Benutzung" i.S.v. § 24 UrhG oder "schon" um eine "unfreie Bearbeitung" i.S.v. § 23 UrhG handelt, in den Bereich der Zwangsvollstreckung verlagert.

3.Bedenken gegen die Aktivlegitimation des Antragstellers zu 2. hätten sich dagegen voraussichtlich nicht als durchgreifend erwiesen.

Der Antragsteller zu 2. ist mit drei weiteren Personen Mitautor des streitgegenständlichen Lieds, und zwar sowohl zum Text als auch zu der Musik. Dies ergibt sich aus der von der Streithelferin als Anlage SV6 eingereichten Datenbank der GEMA. Damit ist der Antragsteller zu 2. Miturheber i.S.v. § 8 Abs. 1 UrhG. Er kann die sich aus der Verletzung des gemeinsamen Urheberrechts ergebenden Ansprüche nach § 8 Abs. 2 Satz 3 UrhG zwar nur zur Leistung an alle Miturheber zur gesamten Hand verlangen. Bei dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch bestanden insoweit aber keine Bedenken, da es sich um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt, der von der Antragsgegnerin gegenüber jedem der Miturheber zu erfüllen war. Als Miturheber stehen dem Antragsteller zu 2. alle gesetzlichen Abwehransprüche zu, die sich aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht ergeben, insbesondere die Ansprüche aus § 13 UrhG (Anerkennung der Urheberschaft) und § 14 UrhG (Schutz gegen Entstellung des Werks).

Weiterhin stehen dem Antragsteller zu 2. etwaige sich aus einer Vertragsverletzung der Streithelferin ergebenden Ansprüche zu, denn er selbst hatte mit der GEMA einen eigenen Berechtigungsvertrag abgeschlossen (Anlage SV3, als Anlage ASt9 in der aktuellen, nachträglich erweiterten Form).

Die Aktivlegitimation der Antragstellerin zu 1. besteht dagegen allenfalls für die Verfolgung etwaiger Ansprüche, die sich aus einer Vertragsverletzung der GEMA ergeben, um die es hier aber nicht geht. Auch sie hat als Musikverlag einen Berechtigungsvertrag mit der GEMA geschlossen (Anlage SV4, als Anlage ASt8 in der aktuellen, nachträglich erweiterten Form). Demgegenüber steht ihr die Verfolgung gesetzlicher Ansprüche, die sich aus der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrecht ergeben, aber gerade nicht zu. Denn diese bestehen nur in der Person des Urhebers selbst und erstrecken sich weder auf Leistungsschutzberechtigte noch auf Musikverleger.

In welcher sonstigen Weise die Antragstellerin zu 1. für die Verfolgung der hier vorliegenden Ansprüche aktivlegitimiert gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Als Musikverlegerin obliegt ihr in erster Linie der Druck der Noten und deren Verbreitung, um die es hier zumindest nicht vorrangig geht, soweit man von dem Sonderfall der per Textcode übertragenen Handyklingeltöne mit anschließender "Programmierung" bestimmter Handytypen absieht.

Eine darüber hinausgehende "Betroffenheit" der Antragstellerin zu 1. vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Antragsteller haben diese in erster Linie mit ihrer Funktion als "Tonträgerherstellerin" sowie "Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an der Musikaufnahme" des Antragstellers zu 2. begründet. Dieser Ansatz trägt hingegen nicht, da es gerade nicht - wie dargelegt - um die Verwendung der konkreten Einspielung geht, an der die Antragstellerin die Nutzungsrechte erworben hat, sondern um ein nachgespieltes MIDI-File. Allein die möglicherweise irreführende Nennung von Künstler und Titel auf dem Inlay der CD-ROM konnte jedenfalls den ursprünglich verfolgten Antrag nicht stützen.

4. In der Sache selbst war ein geringer - aber nicht eigentlich entscheidungserheblicher - Teilbereich des ursprünglichen Verbotsantrags des Antragstellers zu 2. bereits in Bezug auf die konkrete Verletzungsform wegen Verstoßes gegen §§ 97 Abs. 1 i.V.m. § 13 UrhG (und i.V.m. § 63 UrhG) unzweifelhaft begründet. Denn die CD-ROM "Handy Hits Charts Vol. 1" verletzt das Recht zumindest des Antragstellers zu 2. auf Anerkennung der Urheberschaft. Weder auf der CD noch im Inlay ist der Antragsteller zu 2. als Urheber genannt, obwohl er aus § 13 UrhG hierauf einen Anspruch hat. Im Hinblick auf die an die Urheberbezeichnung auf dem Werkstück anknüpfende Vermutungswirkung aus § 10 UrhG ist die Beachtung dieser Vorschrift auch nicht nur eine Verbeugung vor der Eitelkeit des Urhebers. Der Hersteller der Tonträger muss die Urheberbezeichnung unaufgefordert auf das Werkstück setzen (Möhring/Kroitzsch, UrhG, 2. Aufl., § 13 Rdn. 18). Der Regelung aus § 13 Satz 2 UrhG ist zwar ein Mitbestimmungsrecht des Urhebers zu entnehmen, dies bedeutet aber nicht, dass die Nennung konstitutiv nur auf sein Verlangen erforderlich ist. Der Werkcharakter des streitgegenständlichen Musikstücks dürfte nicht streitig sein, zumal bei Musikwerken auch die sog. "kleine Münze" geschützt wird. Ein "Weglassen wegen Branchenüblichkeit" kann bei der Urheberbezeichnung zumindest nicht im Hinblick auf Verkörperungen wie CDs bzw. CD-ROMs angenommen werden. Dort ist ein Urheberhinweis zu Recht allgemein üblich. Etwas anderes mag möglicherweise beim direkten "download" eines Handyklingeltons aus dem Internet gelten, wobei auch dort die Urheberbezeichnung ohne weiteres direkt an dem Link angebracht werden könnte.

Der Antragstellerin zu 1. steht ein solches Recht allerdings nicht zu .

5. Was die Unzulässigkeit der konkreten Verwendung des Werks als Handyklingelton angeht, teilt der Senat inhaltlich die Auffassung des Landgerichts. Dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch wäre ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich zu entsprechen gewesen. Das Verbot der Verwendung des geschützten Werks als Handyklingelton - auch dies hat das Landgericht zu Recht ausgeführt - ist dabei in mehrfacher Hinsicht begründet, wobei sich der Senat angesichts der Vielzahl der sich in diesem Verfahren stellenden Rechtsfragen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit der rechtlichen Erwägungen - auf die wesentlichen Aspekte beschränken will.

a. Die Antragsgegnerin kann zum einen schon deshalb nicht die von ihr beanspruchten Rechte ausüben, weil sie diese nicht von der GEMA wirksam eingeräumt bekommen hat. Der GEMA sind die Rechte zur Nutzung des Werks als Handyklingelton nämlich ihrerseits nicht rechtswirksam von dem Antragsteller zu 2. zur Wahrnehmung eingeräumt worden. Denn bei dieser Art von Nutzung handelt es sich um eine "noch nicht bekannte Nutzungsart" i.S.d. § 31 Abs. 4 UrhG, an der Rechte nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nicht übertragen werden können und die auch auf der Grundlage der Zweckübertragungstheorie aus § 31 Abs. 5 UrhG nicht bereits konkludent Gegenstand der vertraglichen Rechtsübertragung geworden ist.

b. In diesem Zusammenhang ist zunächst sehr sorgfältig zu untersuchen, wodurch die in Frage stehende Nutzungsart überhaupt gekennzeichnet ist. Diese Notwendigkeit wird besonders deutlich, wenn man diese Rechtsfrage an dem ursprünglichen, viel zu weiten Verbotsantrag der Antragsteller misst.

aa. Bei - irgendeiner - Art der (klassischen) Bearbeitung des Musikstücks handelt es sich sicher nicht um eine "neue Nutzungsart". Selbst die Übertragung von Musikstücken in sog. "MIDI-files" (MIDI = Musical Instrument Digital Interface) zur computergerechten Weiterverarbeitung fällt kaum in diese Kategorie. Hierbei geht es nicht um eine Digitalisierung bereits vorher "gespielter" Musik, sondern um die künstliche Erzeugung von (neuen) Tönen durch die Definition von Steuerungsinformationen über Tonhöhe, Tondauer usw. an einen synthetischen Klangerzeuger. Zwar war selbst diese Nutzungsart zum Zeitpunkt des Abschlusses des Berechtigungsvertrages mit dem Antragsteller zu 2. im Jahr 1980 (Anlage SV3) noch nicht bekannt. Allerdings haben beide Antragsteller in den Jahren 1997 bzw. 1998 Ergänzungsvereinbarungen mit der GEMA geschlossen (Anlagen ASt8 und ASt9), durch die elektronische Speicherformen weitgehend nachträglich in den Vertragsumfang mit einbezogen worden sind (dazu weiter unten). Zu diesem Zeitpunkt war die MIDI-Technologie unzweifelhaft schon weit verbreitet. Sie soll nach der unbestrittenen Darstellung der Antragsgegnerin seit den "70er-Jahren" auf dem Markt sein. Aus der Anlage SV2 ergibt sich jedenfalls, dass der erste MIDI-Synthesizer Ende 1982 ausgeliefert worden ist. Die an die MIDI-Problematik anknüpfende Auffassung der Antragsteller, bereits bei einer Umwandlung des Werks in eine elektronische, für Signaltöne objektiv geeignete Form handele es sich schon begrifflich nicht um die Vervielfältigung eines Musikwerks, erscheint dem Senat nicht als hinreichend tragfähig. Ebensowenig überzeugend ist aber auch die Position der Antragsgegnerin, die auf dem Standpunkt steht, eine elektronische Werkdarstellung mit einem Synthesizer sei nichts anderes als das Abspielen mit einem anderen "monophonen" Instrument, wie etwa einer Trompete. Die Antragsteller haben mit dem ursprünglichen Antrag de facto ein "Recht am geschützten Arrangement des Originalwerks" für sich in Anspruch genommen und betrachten damit jede irgendwie abweichende Art der Darstellung als rechtsverletzend. Diese Auffassung erscheint dem Senat - ohne dass hierzu eine abschließende Stellungnahme erforderlich ist - eher fernliegend. Denn auch ansonsten ist in der Regel kein Musikinterpret gehindert, ein von der GEMA wahrgenommenes Musikwerk ganz anders - oder überhaupt nicht - arrangiert unter seinem Namen neu einspielen und nutzen, solange dies nicht eklatant werkentstellend ist. Soweit es den Antragstellern im übrigen darum geht, dass die Neueinspielung als MIDI-file auf der streitgegenständlichen CD-ROM irreführend unter dem Namen der Künstler der Originalaufnahme angeboten wird, ist diese Art der wettbewerblichen Rechtsverletzung von dem gestellten Antrag nicht mit umfasst.

bb. Soweit die Antragsteller die Anregung des Senats aufgreifend ihren Antrag auf die Nutzung des Werks als solchem - also unabhängig von der Interpretation - für Handyklingeltöne beschränkt haben, liegt, nach Auffassung des Senats entgegen der Meinung der Antragsgegnerin und der Streithelferin allerdings in der Tat eine neue, noch unbekannte Nutzungsart vor.

Für die zur Bestimmung einer bei Vertragsschluss noch nicht bekannten Nutzungsart erforderliche inhaltliche Abgrenzung ist entscheidend, ob es sich bei der in Frage stehenden Verwendung um eine nach der Verkehrsauffassung als solche hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig erscheinende Nutzungsart handelt (BGH GRUR 1992, 310, 311 - Taschenbuchlizenz; BGH GRUR 1959, 200, 202 - Der Heiligenhof; BGH GRUR 1986, 62, 65 - GEMA-Vermutung I). Dies ist hier der Fall. Denn - anders als bei praktisch allen anderen Nutzungsarten - bewirkt die Nutzung als Handyklingelton gerade nicht eine Wahrnehmung der Tonfolge als Musikwerk in Form eines sinnlich-klanglichen Erlebnisses. Vielmehr dient die Musik bei der Nutzung als Handyklingelton als rein funktionales Erkennungszeichen, für das der künstlerische Gehalt, die dramaturgische Komposition usw. des Werks nur nebensächlich sind und ein vorhandener ästhetischer Spannungsbogen durch das "Annehmen" des Gesprächs gerade bewusst zerstört wird. Auch wenn die Antragsgegnerin und die Streithelferin dies nicht so sehen, ist der Schritt vom Handyklingelton zu einer "Türklingel" bzw. einer "Fahrradklingel" bei diesem Verständnis nicht so weit, wie diese meinen, zumal es bei diesen Signalgebern ebenfalls schon abwechslungsreiche Tonfolgen gibt. Diese Funktion wird besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Werk als Handyklingelton in seiner ureigensten Zweckbestimmung gerade nicht (vollständig) erklingen soll. Denn rücksichtsvolle Mitbürger bemühen sich, selbst bei noch so originellen Handyklingeltönen ihren Mitmenschen in der Öffentlichkeit - in der Handys heutzutage ganz verbreitet im Einsatz sind - das jedenfalls von vielen als nervend empfundene Geräusch zu ersparen und nehmen das Gespräch schnellstmöglich an bzw. "drücken es weg" auf die Mailbox. Deshalb zielt diese Werknutzung - jedenfalls überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich - darauf ab, nur die ersten Töne bzw. Tonfolgen als prägnantes Erkennungszeichen zu nutzen, anhand derer der Nutzer erkennt, dass sein Handy klingelt (und nicht dasjenige des Nachbarn). Darum haben auch nur sehr bekannte und einprägsame Stücke überhaupt eine Chance als Handyklingelton Verwendung zu finden. Die ersten 5 Takte des "Bolero" von Ravel wären hierfür denkbar ungeeignet. Diese Art der Nutzung erfüllt nicht nur in ihren "Rahmenbedingungen", sondern auch in ihrer Ausrichtung die Voraussetzungen einer noch nicht bekannten Nutzungsart i.S.d. § 31 Abs. 4 UrhG.

Der besondere Schutz des Urhebers gem. § 31 Abs. 4 UrhG setzt weiter voraus, dass es sich um eine neu geschaffene Nutzungsart handelt, die sich von den bisherigen so sehr unterscheidet, dass eine Werkverwertung in dieser Form nur aufgrund einer neuen Entscheidung des Urhebers in Kenntnis der neuen Nutzungsmöglichkeiten zugelassen werden kann, wenn dem Grundgedanken des Urheberrechts, dass der Urheber tunlichst angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen seines Werks zu beteiligen ist, Rechnung getragen werden soll (BGHZ 129, 66, 72 -Mauer-Bilder). Auch eine solche Situation liegt hier vor - und nicht nur eine Erweiterung bzw. Verstärkung der bisher üblichen Nutzungsmöglichkeiten durch den technischen Fortschritt (vgl. BVerfG NJW 71, 2167).

Etwas problematisch mag die Annahme einer neuen Nutzungsart "Musik als Signalton" allerdings deshalb sein, weil eine solche Art der Nutzung schon in der Vergangenheit nicht ganz unüblich war. Klassisches Beispiel hierfür sind sog. "jingles", also kurze, prägnante Erkennungsmelodien im Rundfunk, mit denen bestimmte Ereignisse (Nachrichten, Verkehrsfunk usw.) angekündigt werden. Auch im Fernsehen gibt es etwa Fanfarenklänge, die z.B. dann ertönen, wenn in einer Quizshow ein Sieger gekürt wird. Die Antragsgegnerin und die Streitverkündete stehen deshalb auf dem Standpunkt, dass ein Handyklingelton im Ergebnis nichts grundsätzlich anderes und deshalb als Nutzungsart nicht "neu" sei.

Aber auch diese Argumentation überzeugt den Senat nicht. Zum einen steht bei den herkömmlichen Erkennungssignalen immer noch ein musikalisches Klangerlebnis im Vordergrund, auch wenn dieses assoziativ besetzt ist. Vor allem fehlt aber eindeutig der "Lästigkeitseffekt" sowie die bestimmungsgemäß vorgesehene Möglichkeit des "Wegdrückens", die typische "Signaltöne" (wie z.B. auch bei dem Wecker auf dem Nachttisch) kennzeichnen. Bei den typischen "Warteschleifenklängen" in Telefonanlagen besteht zwar auch das Risiko der jähen Unterbrechung des Musikwerks, wenn der gewünschte Teilnehmer frei ist. Hier stehen aber eindeutig nicht die "Signalfunktion", sondern die kurzweilige Unterhaltung des Anrufers zur Überbrückung der Wartezeit im Vordergrund, so dass selbst dann keine vergleichbare Situation besteht, wenn in einer Endlosschleife laufend eine relativ kurze und von dem Anrufer nicht gerade als Hörgenuss empfundene Tonfolge wiederholt wird.

cc. Selbst wenn sich einzelne Aspekte der "neuen Nutzungsart" bei näherer Betrachtung noch weiter ausdifferenzieren ließen, erscheint es dem Senat aber nicht als zweifelhaft, dass schon aus der dargestellten Betrachtung der für Handyklingeltöne typischen Eigenheiten in ihrer Gesamtheit (synthetische, monophone Klangerzeugung als MIDI-files, Verkürzung des Werks auf prägnante Tonfolge, Art der Übertragung auf Handy usw.) nur der Schluss auf die "Neuheit" dieser Nutzungsart gezogen werden kann.

dd. Für nicht erheblich hält der Senat in diesem Zusammenhang die Frage, ob der einzelne Handybesitzer die Werkwiedergabe beherrscht oder nicht, weil er das Abspielen des Klingeltones gar nicht beeinflussen kann, wenn er angerufen wird, so dass das "Abspielen des Musikwerkes dem Willen und Wollen des Nutzers vollständig entzogen" ist. Man wird in diesem Zusammenhang der Vollständigkeit halber noch hinzufügen müssen, dass auch der das Abspielen veranlassende Anrufer die konkrete Werknutzung nicht wissentlich veranlasst. Denn er weiss im Zweifel gar nicht, welcher konkrete Klingelton bei seinem Gesprächspartner eingestellt ist. Dieser Umstand steht aber entgegen der Annahme der Antragsteller nicht grundsätzlich der Annahme entgegen, dass gleichwohl in solchen Situationen "Musik" zu Gehör gebracht werden könnte. Auch soweit die Antragsgegnerin meint, die Verwendung als Handyklingelton sei nichts anderes als "Beschallung" wie etwa die Musikuntermalung im Supermarkt bzw. in der Gaststätte, trifft ihre Argumentation nicht den Kern des Problems. Denn auch in derartigen Situationen geht es immer noch um den (mehr oder minder) "zweckfreien" ästhetischen Musikgenuss (bzw. die Möglichkeit eines solchen), seien die Rahmenbedingungen auch manchmal eher ungünstig und seien hiermit auch andere Zwecke (z.B. im Supermarkt die Herbeiführung einer positiven Konsumbereitschaft) verbunden.

ee. Damit hat es aber noch nicht sein Bewenden; denn die Frage, ob im vorliegenden Falle von einer "noch nicht bekannte Nutzungsart" oder nicht möglicherweise doch von einer bereits bekannten Nutzungsart auszugehen ist, kann hier nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der zuvor mit der GEMA geschlossenen Berechtigungsverträge beurteilt werden.

Unter die ursprünglichen Berechtigungsverträge aus den Jahren 1980/1986 ließen sich derart "moderne" Nutzungsformen kaum subsumieren. Auch mit der "Öffnungsklausel" in § 1l bzw. § 1k (Der Berechtigt überträgt ...." Diejenigen Rechte, die durch künftige technische Entwicklung oder durch Änderung der Gesetzgebung entstehen oder erwachsen, soweit sie den Rechten in den Absätzen a) bis i) entsprechen") lässt sich allenfalls eine technische Verbesserung, nicht aber eine grundlegend neue Nutzungsart mit einbeziehen.

Die Verträge nach Maßgabe der Ergänzungsvereinbarungen vom 30.04./04.06.1997 (Antragstellerin zu 1., Anlage ASt8) bzw. vom 26.05./24.07.1998 (Antragsteller zu 2., Anlage ASt9) enthalten allerdings insoweit deutliche Erweiterungen, als die GEMA nunmehr auch "Das Recht, Werke der Tonkunst (mit oder ohne Text) in Datenbanken, Dokumentationssysteme oder in Speicher ähnlicher Art einzubringen" hat, sowie "Das Recht, Werke der Tonkunst (mit oder ohne Text), die in Datenbanken, Dokumentationssysteme oder in Speicher ähnlicher Art eingebracht sind, elektronisch oder in ähnlicher Weise zu übermitteln". Auch angesichts dieser Klauseln erscheint der Streit der Parteien, ob die GEMA Rechte an dem Werk als sog. MIDI-file übertragen kann, für die Entscheidung des Rechtsstreits wenig fruchtbar. Man wird wohl davon ausgehen müssen, dass davon - jedenfalls im Zusammenhang mit der "Öffnungsklausel" - nicht nur die elektronische Übertragung des Werks, sondern ebenfalls die Weiterverbreitung nicht nur der (analogen oder digitalen) "Originalaufnahme", sondern auch einer rein elektronischen Form von "Tonanweisungen" an einen Synthesizer in Form von MIDI-files umfasst ist. Das sieht offenbar auch die GEMA so (Darstellung in GEMA-Service "Digitaltechnik und Urheberrecht im Bereich der Musik", Ziff. 4.1., 1. Absatz, Anlage B5). Durch das in § 1c genannte "Recht der Lautsprecherwiedergabe" wird die Wiedergabe auch durch einen - meist miserablen - (Handy-)Lautsprecher abgedeckt. Es kann weiterhin ebenfalls keinem Zweifel unterliegen, dass die GEMA grundsätzlich befugt ist, die Rechte zur Verwendung von Werkteilen sowie Werkbearbeitungen als häufig nachgefragte Formen der Werknutzung zu vergeben, sofern hierdurch nicht in das Urheberpersönlichkeitsrecht eingegriffen wird (siehe hierzu z.B. die GEMA-Vergütungssätze VR-T-H 1 in Anlage SV1, die stets gleichberechtigt Werke bzw. Werkteile nennen). Dementsprechend heisst es in Artikel VII der zwischen der GEMA und der Antragsgegnerin geschlossenen Nutzungsvereinbarung (Anlage ASt7): "Änderungen, die die xxx GmbH an einem Musikwerk vornimmt, um dieses als Klingelton zu verwenden, insbesondere die Kürzung des Musikwerks, müssen den möglichen Anforderungen des Urheberpersönlichkeitsrechts, speziell den §§ 14 und 39 Urheberrechtsgesetz sowie den Vorschriften über die Bearbeitung genügen."

Deshalb verengt sich die für diesen Rechtsstreit relevante Fragestellung auch unter Berücksichtigung der vertraglichen Regelungen in den GEMA-Berechtigungsverträgen auf die spezifische Art der Verwendung als "Klingelton". Wenn die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang - anders als die Antragsteller - meint, Handyklingeltöne seien schon im Jahr 1997 bekannt gewesen, hätte es ihr oblegen, aus Anlass der in den Jahren 1997 und 1998 erfolgten Vertragsänderungen entsprechende Anpassungsklauseln mit aufzunehmen. Der Umstand, dass die Änderungsvereinbarungen auf Beschlüsse einer ordentlichen Mitgliederversammlung Bezug nehmen, die bereits am 09./10.07.1996 stattgefunden hat, hilft ihr dabei nicht. Dies belegt allenfalls, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine generelle Anpassung aller Verträge möglich war. Bei später abgeschlossenen Ergänzungsvereinbarungen hätte die GEMA sich die Rechte aber ohne weiteres individualvertraglich übertragen lassen können. Der Umstand, dass sie dies unterlassen hat und statt dessen offenbar nur pauschal die Beschlüsse der letzten Mitgliederversammlung einbezogen hat, geht für die Frage ihrer Wahrnehmungsberechtigung zu ihren Lasten.

c. Für eine Unzulässigkeit der Nutzung des streitgegenständlichen Werks als Handyklingelton reichen im übrigen die schlechte Qualität der Wiedergabe allein sowie die Verkürzung auf wenige Takte nicht aus. Die Antragsgegnerin führt insoweit zum Aspekt "Werkentstellung" zu Recht aus, dass es eine Vielzahl von Beispielen zulässiger Nutzungsarten gibt, obwohl diese Kriterien erfüllt sind. Deshalb kann bei der rechtlichen Beurteilung auch insoweit nur die Besonderheit einer Nutzung als "Signalton" im Vordergrund stehen. Dies zeigt etwa auch der Blick auf das Beispiel der Nutzung einer Melodie als "Autohupe" (was im elektronischen Zeitalter problemlos möglich ist). Wenn z.B. die ersten Takte einer gemeinhin als aggressiv empfundenen Hymne als Fanfare eines Autos im Straßenverkehr erklingen, um andere Autofahrer dazu anzuhalten, den Weg frei zu machen, müsste es sich dabei nach Auffassung der Antragsgegnerin und der Streithelferin um eine herkömmliche Nutzungsart eines Musikwerks handeln, an der die GEMA ohne ausdrückliche Berechtigung die Rechte einräumen könnte. Eine solche Annahme erscheint dem Senat- auch unabhängig von urheberpersönlichkeitsrechtlichen Aspekten - nicht einleuchtend. Dem auch hierauf übertragbaren Argument der Antragsgegnerin, durch derartige Arten der Nutzung werde dem Originalwerk nur gedient, weil es dadurch immer bekannter werde und dadurch der Verkauf angekurbelt werde, vermag der Senat ebenfalls nicht zu folgen. Wenn etwa ein in der Anmutung ernsterer Titel z.B. als Hintergrundmusik für eine Werbung für Erotikangebote unter einer 0190er-Nummern im Fernsehen eingesetzt wird, nützt dies möglicherweise auch dem Verkauf der Tonträger. Trotzdem kann dem Urheber eine solche Art der Verkaufsförderung aber gänzlich ungelegen sein. Deshalb kann es auf solche positiven Begleiteffekte jedenfalls dann nicht ankommen, wenn der Urheber sie ausdrücklich - wie hier - nicht wünscht.

d. Auch die Annahme der Antragsgegnerin und der Streithelferin, dass die Regelung aus § 31 Abs. 4 UrhG für Wahrnehmungsgesellschaften nicht mit letzter Konsequenz anzuwenden sei, führt für die vorliegend streitigen Fragen weder bei genereller Betrachtungsweise noch im konkreten Einzelfall weiter.

Allerdings ist der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur wohl insoweit zuzustimmen, dass der Urheber gegenüber seiner eigenen Verwertungsgesellschaft nicht mit derselben Konsequenz Abwehransprüche geltend machen kann, wie gegenüber Dritten. Das mag dazu führen, dass man der GEMA im Interesse einer zweckentsprechenden Wahrnehmung einen weiteren Rahmen "neuer" Entwicklungen zubilligt, die auch ohne ausdrückliche Einigung als mitübertragen gelten.

Eine noch weitergehende vollständige Ausnahme der Wahrnehmungsgesellschaften wäre nach Auffassung des Senats aber vom Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung aus dem UrhG und dem WahrnG nicht gedeckt. Dies sieht allerdings ein Teil der Literatur (z.B. Schricker/Schricker, UrhG, §§ 31/32 Rdn. 29) aus praktischen Erwägungen anders und meint, dass § 31 Abs. 4 UrhG jedenfalls für alle (abstrakt) "verwertungsgesellschaftspflichtigen" Rechte im Verhältnis zur GEMA nicht zur Anwendung kommen sollte, weil andernfalls ein "umständlicher und kostspieliger Akklamationsmechanismus" zur Einbeziehung jeder neuen Nutzungsart die Folge wäre. Dieser eher ergebnisorientierten Auffassung kann der Senat sich mangels hinreichender Stütze im Gesetz nicht anschließen, zumal diese Auffassung Schrickers auch im Widerspruch zur gegenwärtigen tatsächlichen Handhabung der GEMA zu stehen scheint. Denn diese schließt mit den Berechtigten ausdrückliche Ergänzungsverträge ab, mit der sie neue Nutzungsformen explizit in die Vereinbarung einbezieht, wie diese aus der letzten Seite der Anlagen SV3 und SV4 ersichtlich sind. Den Urheber auf die Befugnis zu verweisen, er könne das Recht von der Verwertungsgesellschaft "zurückrufen", wenn er die Wahrnehmung in so weitem Umfang nicht wünscht, kann nicht befriedigen. Denn bei einem Quasi-Monopolisten wie der GEMA ist zu erwarten, dass sie die Rechte entweder ganz oder gar nicht wahrnehmen will. Deshalb wird ein Urheber möglicherweise - ohne dass der Senat die praktische Handhabung insoweit zuverlässig überblicken kann - wenig erfolgreich sein, wenn er zwar GEMA-Mitglied bleiben, sich aber gleichzeitig eine ganz Reihe von eng umrissenen Nutzungsarten vorbehalten will. Der damit verbundene administrative Aufwand wird für die GEMA kaum akzeptabel sein, zumal eine solche Handhabung im Hinblick auf versehentliche Verstöße bei einer Vielzahl von Ausnahmeregelungen gefahrenträchtig ist. § 1k des Berechtigungsvertrages, der eine solche Beschränkung ausdrücklich vorsieht, betrifft wohl deshalb ausdrücklich auch nur die Nutzung zu Werbezwecken.

e. Die Streitverkündete stellt in ihrer Argumentation ganz wesentlich darauf ab, dass sie zur Wahrnehmung der Rechte aus der Nutzung von Musik als Handyklingeltöne vertraglich befugt sei.

Sie leitet dies daraus ab, dass diese Nutzungsart schon vor dem Abschluss der Ergänzungsvereinbarungen in Anlagen SV3 und SV4 bekannt war (Nokia 8110i seit Mitte/Ende 1997, Auskunft in Anlage SV5). Daran ist richtig, dass man die Nutzung als Handyklingelton wohl sprachlich mit einiger Mühe unter die Formulierung der Berechtigungsverträge der GEMA subsumieren könnte. Fraglich ist nur, ob ein solches im Wege der Auslegung mit Mühe gewonnenes Ergebnis ausreicht oder ob die GEMA gerade bei so grundlegenden Veränderungen - insbesondere wegen der Gefahr der Beeinträchtigung der Urheberpersönlichkeitsrechte - nicht zunächst in einen ausdrücklichen Willensbildungsprozess mit ihrem Mitglied eintreten müsste. Hierfür spricht insbesondere der Umstand, dass sie - wie die vorgelegten Ergänzungsvereinbarungen zeigen - in der Vergangenheit bei der Einführung von technischen Neuerungen offenbar stets so verfahren ist. Vor diesem Hintergrund kann ein Werkurheber berechtigterweise die Erwartung hegen, die GEMA werde - sofern sie nichts Gegenteiliges verlautbaren lässt - auch in Zukunft so verfahren.

Die Generalklausel aus § 1l des Berechtigungsvertrages setzt für die Erstreckung überdies voraus, dass neue Entwicklungen nur insoweit (automatisch) einbezogen werden, "soweit sie den Rechten in den Absätzen a) bis i) entsprechen". Dies mag für CD-ROM-Nutzung, Digitalisierung und MIDI-files unter Umständen noch zutreffen. Vorliegend geht es aber nicht darum, sondern konkret um die spezifischen Folgen bei einer "nicht-entsprechenden" Nutzung als funktionaler Signalton. Im übrigen besagt die von der Antragsgegnerin bzw. der Streithelferin behauptete Markteinführung von Klingeltönen im Jahre 1997 noch nicht, dass mit dieser Innovation schon zu diesem Zeitpunkt eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung verbunden oder doch jedenfalls zu erwarten war, die eine eigenständige Nutzungsart kennzeichnet. Die Antragsteller behaupten insoweit letztlich unbestritten, dass die Klingeltonnutzung erst im Jahr 1999 weitläufig bekannt gewesen sei.

6. Sofern man den Weg über die fehlende Befugnis zu einer Rechtseinräumung durch die GEMA nicht (allein) für tragfähig halten sollte, stehen zumindest dem Antragsteller zu 2. weitere Ansprüche aus seinem Urheberpersönlichkeitsrecht zur Seite, auf die das Landgericht seine Entscheidung zu Recht ebenfalls gestützt hat.

a. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass in der bestimmungsgemäß qualitativ schlechten und verzerrten Wiedergabe durch einen Handylautsprecher eine Entstellung des Werks i.S.v. § 14 UrhG liegen kann, gegen die sich der Urheber in der Regel wehren kann.

Das Gegenbeispiel der Antragsgegnerin (ein Posaunenstück wird per Kurzwelle übertragen, wegen der bekannt geringen Wiedergabemöglichkeiten diese Sendeform in sehr schlechter Tonqualität) trifft nicht den Kern des Problems, denn die Antragsgegnerin übersieht hierbei, dass bei der KW-Übertragung ein einwandfrei (möglicherweise für eine ganz andere Verwendung) hergestelltes Stück nur mangelhaft übertragen wird, während das Werk bei Handyklingeltönen gerade und ausschließlich für diesen Zweck eingespielt und "passend" gemacht wird. Hierin liegt bereits ein deutlicher Unterschied in der Zielrichtung der Werknutzung.

Demgegenüber bedarf die Frage, ob schon die Verkürzung des Werks auf einige prägnante Takte ebenfalls urheberpersönlichkeitsrechtliche Abwehransprüche auslöst oder aber z.B. eine nach § 39 Abs. 2 UrhG von dem Urheber nach Treu und Glauben hinzunehmende übliche Veränderung darstellt, hier keiner abschließenden Entscheidung. Immerhin werden "Hits" häufig auf ihre bekannten Kernthemen reduziert und in dieser Weise vielfach präsentiert. Dies allein wird man der Antragsgegnerin möglicherweise kaum vorwerfen können.

Auch in der Trennung von Musik und Text muss nicht zwangsläufig ein relevanter Eingriff liegen, da auch solche Werknutzungen heute an der Tagesordnung sind (z.B. wenn James Last mit seinem Orchester gesungene "Hits" als Instrumentalversion einspielt). Dies sieht die Literatur (z.B. Schricker/Melichar, UrhG, § 61 Rdn. 14) aber zum Teil anders. Allerdings hatte die Streithelferin in Art. VII der Nutzungsvereinbarung xxx - GEMA insoweit der Antragsgegnerin ein Abstimmungserfordernis mit den Urhebern aufgegeben, so dass man hierin ein Indiz dafür sehen könnte, dass selbst die Streithelferin insoweit ein Zustimmungserfordernis für gegeben gehalten hat. Deshalb mag man bezweifeln, ob die GEMA auch in den heute bereits üblichen Fällen der teilweisen Werknutzung (als Jingle, in der Werbung usw.) tatsächlich aus eigener Befugnis Berechtigungen vergeben kann, wie dies die Antragsgegnerin (mit Schricker/Dietz, UrhG, § 39 Rdn. 19) unterstellt, oder ob sich der Verwender nicht - je nach Intensität des verändernden Eingriffs - zusätzlich der Einwilligung des Urhebers versichern muss. Weiterhin wäre in diesem Zusammenhang die Frage zu klären, ob eine Werkverkürzung in Form eines "Auszuges" durch § 62 Abs. 2 UrhG von dem Änderungsverbot ausgenommen und damit privilegiert ist. Im Hinblick darauf, dass vorliegend Erledigung eingetreten ist, sieht der Senat allerdings keinen Anlass, zu diesen schwierigen Fragen in diesem Rechtsstreit Stellung zu beziehen.

b. Die Frage, ob allein die Technisierung des Originalwerks als MIDI-file schon eine relevante Entstellung bewirkt, bedarf im Rahmen dieses Rechtsstreits ebenfalls keiner Entscheidung. Der Urheber wird sicherlich in gewissem Umfang eine Anpassung an "neuzeitliche Tonerzeugungsmethoden" hinnehmen müssen, so dass allein in dieser Art der Aufnahme bzw. Wiedergabe des Werks möglicherweise noch nicht zwingend ein Rechtsverstoß zu sehen ist, was entscheidend auch von Art und Komplexität des Werks abhängt. Der Unwertcharakter der hier streitgegenständlichen Werknutzung liegt dagegen gerade in der Kombination der Übertragung in elektronische Signale und der Wiedergabe durch den Handylautsprecher als rein funktionaler Signalton.

7. Das Argument der Antragsgegner, sowohl die Anbieter von MIDI-files als auch von Handy-Klingeltönen müssten immer kurzfristig und ohne vorherige langwierige Verhandlungen die von der Nutzergruppe nachgefragten Top 40-Hits auf ihrem Medium anbieten können, eine Genehmigungspflicht stelle sich als existenzgefährdend dar, ist für die Entscheidung dieses Rechtsstreits irrelevant.

Denn derartige wirtschaftliche Zwänge sind - außerhalb des Rechts der Zwangslizenz aus § 61 UrhG - ungeeignet, gesetzlich oder vertraglich nicht zulässige Eingriffe in fremde Urheberrechtspositionen zu rechtfertigen. In rechtlicher Hinsicht ebenso wenig überzeugend ist die Argumentation, der Vertrieb der Handytöne diene der "Bewerbung" des Originals und sei eigentlich eine kostenlose Verkaufsförderungsmaßnahme für die Antragsteller. Soweit die Antragsgegnerin bzw. die Streithelferin insoweit in eine Art Interessenabwägung eintreten will, die überwiegende Interessen auf ihrer Seite zutage fördert, verlässt sie damit den von dem deutschen Urheberrecht gesteckten Rahmen.

8. Lediglich zur Abrundung sei darauf hingewiesen, dass auch die von den Parteien eingereichten Sachverständigengutachten für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung bleiben. Das Sachverständigengutachten P. vom 06.04.2001 (Anlage ASt11) erweist sich als nicht weiterführend. Der Sachverständige nimmt nur die rechtlichen Wertungen vor, die dem Senat bei der Entscheidung des Rechtsstreits obliegen. Gleiches gilt für das von den Antragstellern vorgelegte Sachverständigengutachten H. (Anlage ASt17). Auch das Sachverständigengutachten Dr. H. (Anlage B16) hilft der Antragsgegnerin nicht weiter. Die Kernausführungen der Sachverständigen, bei den Handyklingeltönen handele sich nicht um Bearbeitungen, sondern um Zitate, erscheinen dem Senat auf den ersten Blick als rechtlich kaum haltbar. Denn jedes Zitat setzt - trotz der aus der Kunstfreiheit abgeleiteten Erweiterung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG AfP 00, 451 - Heiner Müller) - einen wie auch immer gearteten "Zitatzweck" voraus. Dieser ist vorliegend noch nicht einmal in Ansätzen erkennbar. Im übrigen ist ein Musikzitat nur in den Grenzen des § 51 Nr. 3 UrhG zulässig. Und das setzt die Einbettung des Musikzitats in ein anderes "selbständiges Werk der Musik" voraus. Auch diese Tatbestandsvoraussetzung lässt die Sachverständige Dr. Hofmann unerwähnt.

9. Die Antragsgegnerin steht schließlich auch kein Nutzungsanspruch an dem Werk unter dem Gesichtspunkt der Einräumung einer Zwangslizenz nach § 61 UrhG zur Seite. Denn auch insoweit geht es stets nur um bereits anderweitig realisierte Verwertungen des "Originalwerks", nicht aber um Veränderungen bzw. neue Nutzungsarten, gegen die sich der Urheber selbst berechtigterweise wenden kann. Zudem ginge dieser Anspruch nur auf eine Nutzungsrechtseinräumung "mit diesem Inhalt". Da die Antragsteller aber - soweit ersichtlich - überhaupt keine Nutzungsrechte an MIDI-files eingeräumt haben, entfällt auch die Grundlage für einen etwaigen Gleichbehandlungsanspruch der Antragsgegnerin.

10. Die von den Antragstellern allenfalls nachrangig geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche, die in erster Linie auf eine Irreführung des Verkehrs abzielen, tragen zum einen den gestellten Verbotsantrag nicht oder nur unvollständig. Sie sind im übrigen ungeeignet, das wirkliche Rechtsschutzziel - Verbot der Verwendung eines Werkes als Handyklingelton - zu erreichen. Deshalb sieht der Senat im Rahmen dieses Kostenbeschlusses von einer weiteren Erörterung der damit zusammenhängenden Rechtsfragen ab. Gleiches gilt für die Vielzahl der weiteren Randprobleme, die die Parteien im Verlauf dieses Rechtsstreits angeführt und in irgendeiner Weise für die Entscheidung bedeutsam vorgetragen haben.

11. Der Senat sieht keinen Grund, dem Antrag der Streitverkündeten zu entsprechen und die nach Hauptsacheerledigung in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 ZPO eintretende Wirkungslosigkeit des landgerichtlichen Urteils vom 04.04.2001 zur Klarstellung auszusprechen. Zwar ist dieses Urteil nach Erledigung der Hauptsache als Vollstreckungsgrundlage entfallen, und möglicherweise ist § 269 Abs. 3 ZPO auch ansonsten analog anwendbar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die landgerichtlichen Erwägungen, die zu der Verurteilung der Antragsgegnerin geführt haben, nicht gleichwohl - wie der Senat vorstehend ausgeführt hat - in der Sache zutreffend gewesen sind. Eine ausdrückliche deklaratorische Aufhebung des Urteils könnte insoweit zu Missverständnissen Anlass geben. Etwaige Erklärungsbedürfnisse der interessierten Fachkreisen können die Parteien vermutlich selbst erfüllen. Jedenfalls fehlt dem Antrag der Streitverkündeten das Rechtsschutzbedürfnis.

Ende der Entscheidung

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