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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 19.03.2007
Aktenzeichen: 5 W 33/07
Rechtsgebiete: ZPO, UWG


Vorschriften:

ZPO § 935
ZPO § 940
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 9
UWG § 12 Abs. 2
1. Die in § 12 Abs. 2 UWG normierte Dringlichkeitsvermutung bezieht sich allein auf Unterlassungsansprüche, nicht aber auf damit in Zusammenhang stehende Folgeansprüche.

2. Drittauskunftsansprüche, die in Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen aus dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes (§§ 3, 4 Nr. 9 a, b UWG) geltend gemacht werden, können regelmäßig nicht im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden.

3. In Fällen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes besteht regelmäßig kein Anspruch auf Vernichtung bzw. Unkenntlichmachung der Nachbildungen. Daher besteht auch kein Raum für einen auf die Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher gerichteten Sicherungsanspruch.

4. Der Inhalt des sich aus §§ 3, 4 Nr. 9 UWG ergebenden Leistungsschutzanspruches richtet sich in erster linie nicht gegen die Herstellung und den Besitz einer Nachahmung, sondern gegen das Inverkehrbringen des nachgeahmten Erzeugnisses.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

Geschäftszeichen: 5 W 33/07

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 19. März 2007 durch die Richter:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 5.2.2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragsstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert der Beschwerde wird auf € 20.000,- festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsstellerin ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht mit Beschluss vom 5.2.2007 die Verfügungsanträge auf Auskunftserteilung sowie auf Sequestration zurückgewiesen.

1. Diese Verfügungsanträge waren bereits deshalb zurückzuweisen, weil die Antragsstellerin nicht zu dem Vorliegen des nach §§ 935, 940 ZPO erforderlichen Verfügungsgrundes vorgetragen bzw. diesen Vortrag glaubhaft gemacht hat. Vielmehr ist nach der insoweit nicht glaubhaft gemachten Antragsbegründung davon auszugehen, dass der Antragsstellerin spätestens am 4.1.2007 durch Zugang des eMails des Herrn T. an ihre Prozessbevollmächtigte sämtliche Umstände, die zur Durchsetzung der von ihr geltend gemachten Ansprüche erforderlich waren, bekannt geworden sind. Die Einreichung des Verfügungsantrages erfolgte sodann erst am 29.1.2007. Die Antragsstellerin hat somit einen Zeitraum von über 3 Wochen verstreichen lassen, ohne gegen die Antragsgegnerin etwas zu unternehmen. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass es ihr mit der Durchsetzung ihrer vermeintlichen Ansprüche nicht eilig gewesen ist.

Die Antragsstellerin kann sich hinsichtlich der Auskunfts- und Sequestrationsanspruches auch nicht auf die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG berufen. Diese gesetzliche Vermutung bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift allein auf die wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche, nicht aber auf damit in Zusammenhang stehende Folgeansprüche.

2. Die Antragsstellerin kann den von ihr geltend gemachten Auskunftsanspruch (Antrag zu II. 1. bis 3.) nach § 242 BGB in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 9 a, b UWG nicht im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen. Insoweit bezieht sich der Senat vollen Umfanges auf die eingehenden und überzeugenden Ausführungen der Zivilkammer insbesondere in dem Nichtabhilfebeschluss vom 28.2.2007, die sich der Senat zu Eigen macht. Es bleibt im Hinblick auf die Beschwerdebegründung zu ergänzen:

a. Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Senates die Durchsetzung eines zur Erledigung führenden Leistungsanspruches (Auskunftsanspruches) im Verfügungswege nur unter besonderen Umständen und engen Voraussetzungen zulässig ist (vgl. Senat GRUR-RR 2007, 29 -cerebro card). Diese Voraussetzungen sind von der Antragsstellerin nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

b. Der Senat folgt nicht der von der Antragsstellerin vertretenen Ansicht, dass jedenfalls bei Drittauskunftsansprüchen, die in Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen aus dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes (§§ 3, 4 Nr. 9 a, b UWG) geltend gemacht werden, eine Durchsetzung im Verfügungswege möglich sein müsse. Dieses rechtfertige sich aus der ähnlichen Interessenlage bei Verletzung wettbewerblich eigenartiger Produkte und der Verletzung "echter" Schutzrechte. Somit seien die mit dem ProduktpiraterieG eingeführten Bestimmungen zur Drittauskunft entsprechend anzuwenden (§§ 19 Abs. 3 MarkenG; 46 Abs. 3; 140 b Abs. 3 PatG; 24 b Abs. 3 GebrMG). Unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzungen einer Analogie zu den genannten Vorschriften vorliegen, wird von der Antragsstellerin übersehen, dass der Gesetzgeber die im Gesetzgebungsverfahren erörterte Anregung, in geeigneten Fällen auch im Unlauterkeitsrecht die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen im Wege der einstweiligen Verfügung vorzusehen, nicht aufgegriffen hat (vgl. Harte/Henning/Retzer § 12 Rn. 277). Hierzu hätte aber angesichts der durch das ProduktpiraterieG eingeführten Bestimmungen bei der durch das "Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)" vom 3.7.2004 erstmals geschaffenen gesetzlichen Regelung des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in § 4 Nr. 9 UWG Veranlassung bestanden. Darüber hinaus bestehen auch systematische Zweifel an der Vergleichbarkeit der absolut wirkenden Schutzrechte des UrhG, MarkenG, PatG, GeschmMG und des GebrMG und den nur schuldrechtlich wirkenden Ansprüchen aus dem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz. Letztere finden ihren Grund nicht allein in der Nachahmung eines Produktes, sondern insbesondere in dem zusätzlich festzustellenden Unlauterkeitsvorwurf.

c. Darüber hinaus liegt auch eine offensichtliche Rechtsverletzung, die nach den gesetzlichen Sonderregelungen Voraussetzung für die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen im Verfügungswege ist, nicht vor. Hierzu hat das Landgericht die erforderlichen Ausführungen gemacht. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Unterlassungsverfügung des Landgerichts bislang allein auf dem Vorbringen der Antragsstellerin beruht, ohne dass diese zuvor den Antragsgegner entsprechend § 12 Abs. 1 UWG abgemahnt gehabt hätte . Ob bei einer derartigen Verfahrenssituation, d.h. ohne eine vorgerichtliche oder im Verfügungsverfahren eingeholte Stellungnahme des Antragsgegners, von einer offensichtlichen Rechtsverletzung gesprochen werden kann, die eine Fehlentscheidung oder auch nur eine andere Beurteilung im Rahmen des richterlichen Ermessens nahezu ausschließt, erscheint z.B. im Hinblick auf den fehlenden Vortrag zum Produktumfeld der zu schützenden Uhren als zweifelhaft.

d. Soweit die Antragsstellerin unter II. 3. Auskunft begehrt, dürfte dieser Antrag einen Schadensersatzanspruch vorbereiten. Ein Verfügungsanspruch ist schon im Hinblick auf fehlende Ausführungen zum Verschulden nicht begründet.

3. Der Senat folgt auch den landgerichtlichen Ausführungen zum Verfügungsanspruch auf Herausgabe der in dem Antrag zu I. näher bezeichneten, im Besitz oder Eigentum des Antragsgegners stehenden Uhren an einen Sequester. In Fällen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gemäß §§ 3, 4 Nr. 9 UWG besteht regelmäßig kein Anspruch auf Vernichtung bzw. Unkenntlichmachung der Nachbildungen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 9.81; Harte/Henning/Retzer § 4 Rn. 227). Daher ist im Verfügungsverfahren regelmäßig auch kein Raum für einen auf die Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher gerichteten Sicherungsanspruch (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 157 f. -Uhrenvernichtung). Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz besitzt eine handlungsbezogene Schutzrichtung. Schutzgegenstand ist somit nicht das Leistungsergebnis als solches, sondern nur die unlautere Art seiner Benutzung. Somit richtet sich der Inhalt des Leistungsschutzanspruches regelmäßig nicht gegen die Herstellung oder den Besitz einer Nachahmung, sondern gegen das Inverkehrbringen des nachgeahmten Erzeugnisses. Die Ausführungen der Antragsstellerin lassen nicht erkennen, dass der Antragsgegner entgegen der von dem Landgericht erlassenen Verbotsverfügung die von ihm hergestellten oder in seinem Besitz befindlichen Uhren in den Verkehr geben wird. Vielmehr ist zunächst davon auszugehen, dass sich der Antragsgegner an die Unterlassungsverfügung halten wird. Insoweit ist den rechtlichen Interessen der Antragsstellerin, soweit dieses im Verfügungsverfahren möglich ist, in einer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechender Weise vom Landgericht Rechnung getragen worden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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