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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 09.02.2005
Aktenzeichen: II-10/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 318
StGB § 56
Die materielle Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung setzt voraus, dass die erstinstanzlichen Feststellungen derart vollständig und widerspruchsfrei sind, dass sie eine ausreichende Grundlage für die Legalprognose nach § 56 Abs. 1 StGB und gegebenenfalls die Bewertung besonderer Umstände nach § 56 Abs. 2 StGB bilden. Es ist nicht erforderlich, dass die erstinstanzlichen Feststellungen eine ausreichende Grundlage für eine dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat entsprechende Bemessung der Rechtsfolgen insgesamt bilden.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT 2. Strafsenat Beschluss

II-10/05 1 Ss 5/05

In der Strafsache

gegen T W,

geboren am 1971 in W

hier betreffend Revision des Angeklagten gegen das Urteil der Kleinen Strafkammer 9 des Landgerichts Hamburg vom 17. September 2004

hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - zu Ziffer 2 auf Antrag der Staatsanwaltschaft - nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Harder den Richter am Oberlandesgericht Dr. Augner den Richter am Landgericht Pesch einstimmig gemäß § 349 Abs. 2 u. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 9, vom 17. September 2004 aufgehoben.

a) in den Schuldsprüchen mit den zugehörigen Feststellungen sowie

b) in den Strafaussprüchen zu den Fällen 1 (Tatzeit 1. August 2003) und 3 (Tatzeit 16. Oktober 2003).

2. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten verworfen.

3. Der Angeklagte ist wegen

- unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln,

- vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen

- vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

4. Die Liste der angewendeten Vorschriften lautet:

§§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 BtMG, 21, 52, 53 StGB, 17 Abs. 2 BZRG.

5. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Angeklagte.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat den Angeklagten am 28. Juni 2004 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall 1, Tatzeit 1. August 2003, Einzelfreiheitsstrafe drei Monate), wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln (Fall 2, Tatzeit 12. August 2003, Einzelfreiheitsstrafe fünf Monate) und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen (Fall 3, Tatzeit 16. Oktober 2003, Einzelfreiheitsstrafe fünf Monate; Fall 4, Tatzeit 21. Februar 2004, Einsatzfreiheitsstrafe sieben Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Dagegen hat der Verteidiger am 5. Juli 2004 Rechtsmittel eingelegt sowie dieses am 14. September 2004 als Berufung spezifiziert und auf das Strafmaß beschränkt. In der Berufungshauptverhandlung vom 17. September 2004 hat der Verteidiger die ausdrückliche Zustimmung des Angeklagten zur Berufungsbeschränkung referiert und zugleich die Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung erklärt. Die Staatsanwaltschaft hat der Beschränkung zugestimmt.

Das Landgericht Hamburg hat die Berufungsbeschränkungen in den Fällen 2 bis 4 als unwirksam angesehen und mit Urteil vom 17. September 2004 unter Feststellung abweichender Sachverhalte auf die im Übrigen verworfene Berufung des Angeklagten das erstinstanzliche Urteil geändert

- im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte schuldig ist des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall 1), der unerlaubten vorsätzlichen Veräußerung von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln (Fall 2), des unerlaubten vorsätzlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln (Fall 3; den Gründen zufolge allein wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens) und der versuchten unerlaubten Veräußerung von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln (Fall 4)

- im Rechtsfolgenausspruch dahin, dass auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten erkannt wird; zugrunde gelegt hat das Landgericht von ihm gebildete vier Einzelstrafen von drei Monaten (Fälle 1 und 2) sowie fünf Monaten (Fälle 3 und 4).

Dagegen richtet sich die am 24. September 2004 eingelegte Revision des Angeklagten, die nach Urteilzustellung vom 28. Oktober 2004 durch Verteidigerschriftsatz am 29. November 2004 (Montag) mit dem Antrag auf Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache sowie der - jeweils nicht ausgeführten - Sach- und Verfahrensrüge begründet worden ist. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe, dass für den Fall 3 im Tenor des Berufungsurteils die tateinheitliche Verurteilung wegen Betäubungsmittelerwerbes entfällt, angetragen.

II.

Die Revision des Angeklagten ist zulässig (§§ 333, 341, 344, 345 StPO) und führt in der Sache zur Aufhebung der durch das Landgericht getroffenen Schuldsprüche in den Fällen 2 bis 4 sowie der Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1 und 3. Insoweit verbleibt es bei den rechtskräftigen Schuld- und Strafaussprüchen des Amtsgerichts. Im Übrigen, nämlich betreffend die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung, ist die Revision offensichtlich unbegründet.

1. Den durch das Landgericht Hamburg in den Fällen 2 bis 4 getroffenen Schuldsprüchen sowie allen durch das Landgericht getroffenen Einzel- und Gesamtstrafenaussprüchen steht das - auf die zulässig erhobene allgemeine Sachrüge hin von Amts wegen zu beachtende (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., Einleitung Rn. 150 m.w.N., § 337 Rn. 6, § 352 Rn. 2) - Verfahrenshindernis der insoweit wegen wirksamer Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung eingetretenen Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils entgegen. Indes verbleibt es wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) für die Einzelfreiheitsstrafen in den Fällen 2 und 4 sowie für die Gesamtfreiheitsstrafe bei den durch das Landgericht bestimmten - geringeren - Strafhöhen.

a) Die für den Angeklagten ausdrücklich erklärte Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung war nicht nur formell (§§ 302 Abs. 2, 303 StPO), sondern auch materiell wirksam.

aa) Die Beschränkung der Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte gemäß § 318 Satz 1 StPO ist nach der sogenannten Trennbarkeitsformel insoweit wirksam, als sie dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit eröffnet, den angefochtenen Teil des Urteils losgelöst vom nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und tatsächlich zu beurteilen, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen. Unwirksam ist eine Beschränkung demgemäß nur, wenn eine Beurteilung der angegriffenen Punkte einer Entscheidung nicht möglich ist, ohne dass dadurch die nicht angefochtenen Teile beeinflusst werden, weil sonst widersprüchliche Entscheidungen getroffen werden könnten (vgl. BGHSt 29, 359, 364; Meyer-Goßner, a.a.O., § 318 Rn. 6 f. m.w.N.).

Auszugehen ist von der in § 318 StPO angelegten weitreichenden Dispositionsbefugnis des Rechtsmittelberechtigten, die durch die Rechtsmittelgerichte im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren ist (vgl. BGHSt 29, 359, 364 und 38, 362, 364; Geppert in JR 2002, 114, 115) und die im Falle der Berufungsbeschränkung auf das Strafmaß ihre Grenze dort findet, wo das Berufungsgericht die nach dem Willen des Berufungsführers allein noch vorzunehmende Rechtsfolgenbestimmung nicht ohne Verstoß gegen Zumessungsvorschriften oder -grundsätze treffen könnte (vgl. Senat in OLGSt BtMG § 29 Nr. 10). Deshalb setzt die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch u.a. voraus, dass die erstinstanzlich zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen eine ausreichende Grundlage für eine dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat entsprechende Bemessung der Rechtsfolgen bieten (vgl. HansOLG Hamburg in StV 2000, 608; OLG Düsseldorf in JMBlNW 1994, 105, 106; Ruß in KK-StPO, 5. Auflage, § 318 Rn. 7 a m.w.N.). Zwar steht eine fehlerhafte Subsumtion der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung grundsätzlich nicht entgegen (h.M., vgl. BGH in NStZ 1996, 352, 353; OLG Düsseldorf, a.a.O.; Ruß, a.a.O., m.w.N.), doch muss der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat in zumindest groben Zügen erkennbar sein, da es anderenfalls an zureichenden Anknüpfungspunkten für die Strafzumessung fehlt.

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass bei einer Beschränkung der Berufung nicht allein auf den Rechtsfolgenausspruch, sondern innerhalb desselben auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung (zu deren sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen siehe unten lit. bb) ccc)) die erstinstanzlichen Feststellungen derart vollständig und widerspruchsfrei sein müssen, dass sie eine ausreichende Grundlage für die - nach dem weitest möglich zu respektierenden Willen des Berufungsführers durch das Landgericht allein noch vorzunehmende - Legalprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB und gegebenenfalls Bewertung besonderer Umstände gemäß § 56 Abs. 2 StGB bieten. Damit führt nicht bereits jede die Bestimmung von Strafart und -höhe nicht ermöglichende Lücke oder Widersprüchlichkeit der Feststellungen zur Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung, sondern ist eine funktionale Betrachtung im Hinblick auf die vom Berufungsführer dem Berufungsgericht angesonnene Prüfung allein der §§ 56 ff. StGB geboten. Der Anerkennung der Dispositionsfreiheit des Rechtsmittelführers in den Grenzen der allein entgegenstehenden Funktionsschranken - fehlende Anknüpfungsgrundlagen für die vom Rechtsmittelführer gewollte Entscheidung der zweiten Instanz - ist geschuldet, dass damit im Einzelfall der Grundsatz, eine Rechtsmittelbeschränkung in der zweiten Stufe (innerhalb des Rechtsfolgenausspruches) setze deren Wirksamkeit in der ersten Stufe (Schuldspruch) voraus, durchbrochen werden kann.

bb) Hieran gemessen hat das Landgericht zu Unrecht die Berufungsbeschränkung als überwiegend unwirksam angesehen und einzig den Schuldspruch im Fall 1 als rechtskräftig behandelt.

aaa)Entgegen der Auffassung des Landgerichts hindert das Fehlen erstinstanzlicher Feststellungen zur Qualität der Betäubungsmittel die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung hier nicht.

Kann im Einzelfall ausnahmsweise ausgeschlossen werden, dass der in Betracht kommende Wirkstoffgehalt der tatgegenständlichen Betäubungsmittel die Bestimmung der Rechtsfolgen entscheidend beeinflusst, bleibt die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch unberührt (vgl. mit eingehender Begründung Senat in OLGSt BtMG § 29 Nr. 10; dort Wirksamkeit bejaht bei 1,8 bzw. 5 gr. Marihuana unbekannter Qualität). So verhält es sich hier:

Im Fall 1 hat der Angeklagte lediglich 0,3 gr. Marihuana und weniger als 0,1 gr. "Crack" (zur Grenze der Rechtsfolgenrelevanz bei Crack unbestimmter Qualität vgl. Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2004, Az.: II-121/04) besessen.

Im Fall 2 hat der Angeklagte nach den amtsgerichtlichen Feststellungen rund 4,5 gr. Marihuana gekauft und hiervon eine "kleine Menge" verkauft.

Zum Fall 3 hat das Amtsgericht festgestellt, der Angeklagte habe von seinem Auftraggeber "insgesamt 2,5 gr. Marihuana" ausgehändigt erhalten und sich anschließend mit einen (Schein-)Kaufinteressenten "auf einen Verkauf von Gras für 20,00 Euro geeinigt".

Im Fall 4 ist durch das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte und seine Freundin insgesamt 12 Briefchen mit je 755 mg Heroingemenge inne hatten, "einen Teil davon" gegen "Crack" tauschen wollten und der Angeklagte "zu diesem Zweck" vergeblich einer Dritten ein Tauschangebot unterbreitete. Damit hatten der Angeklagte und seine Freundin insgesamt 9.060 mg Heroingemenge in ihrer Verfügungsgewalt, von denen höchstens 8.305 mg zum Tausch bestimmt waren. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war das Heroingemenge von schlechter Qualität, nämlich "stark" mit Koffein und Paracetamol gestreckt. Diese - sehr allgemein gehaltene - Qualitätsbestimmung reicht hier jedenfalls deshalb aus, weil der Beschränkungserklärung zufolge das Landgericht nicht Art und Höhe der Einzel- und Gesamtstrafen bestimmen, sondern ausschließlich über die Frage der Strafaussetzung befinden sollte. Für die Prüfung nach § 56 Abs. 1 StGB, ob der Angeklagte auch ohne Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, ist eine nähere Qualitätsbestimmung hier ohne Bedeutung. Zwar sind für die Legalprognose namentlich auch die Tatumstände zu berücksichtigen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB), doch nur solche, denen prognostische Bedeutung zukommt; für die Vorausschau, ob der Angeklagte erneut straffällig werden wird, ist jedenfalls eine nähere Eingrenzung der als schlecht festgestellten Qualität des von bisheriger Delinquenz betroffenen Betäubungsmittels bedeutungslos.

Ob in einzelnen Fällen die nähere Bestimmung der Betäubungsmittelqualität zur Annahme einer geringen Menge im Sinne des § 29 Abs. 5 BtMG hätte führen können, ist schon deshalb ohne Bedeutung, weil der Beschränkungserklärung zufolge nicht mehr die Verhängung von Einzel- und Gesamtstrafen, sondern allein die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung durch das Landgericht geprüft werden sollte.

bbb) Die Annahme des Landgerichts, in den Fällen 2 bis 4 sei die Berufungsbeschränkung auch deshalb unwirksam, weil die Feststellungen den Straftatbestand des Handeltreibens (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) wegen Gleichstellung von Verkauf mit Handel sowie in Ermangelung einer Gewinnerzielungsabsicht nicht trügen, geht in mehrfacher Hinsicht fehl.

Im Fall 2 hat das Amtsgericht festgestellt, der Angeklagte habe zum Preis von € 10,-- eine "kleine Menge" der zuvor für € 20,-- eingekauften rund 4,5 gr. Marihuana weiter verkauft, "um sich Bier und Tabak leisten zu können". Damit sind sowohl die Eigennützigkeit der auf den Betäubungsmittelumsatz gerichteten Tätigkeit (zur Definition des Handeltreibens vgl. Weber, BtMG, 2. Auflage, § 29 Rn. 142, 212 ff. m.w.N.) als auch die Größenordnung des erstrebten Gewinnes (Einkauf von 4,5 gr. für € 20,--; Verkauf einer lediglich "kleinen" Menge - hiervon - für die Hälfte der zuvor wegen der Gesamtmenge aufgewendeten Geldsumme) festgestellt. Im Übrigen ist Wirksamkeitsvoraussetzung einer Berufungsbeschränkung gerade nicht die Rechtsfehlerfreiheit der erstinstanzlichen Subsumtion.

Im Fall 3 hat der Angeklagte den Feststellungen des Amtsgerichts zufolge in der Erwartung, bei Verkauf eines Beutels Cannabis für seinen Auftraggeber F einen (weiteren) selbst behalten zu können, von F insgesamt 2,5 gr. Marihuana ausgehändigt erhalten, einem (Schein-)Käufer "Gras" angeboten und sich mit diesem über einen Verkauf zum Preis von € 20,-- geeinigt. Damit ist sowohl die vom Angeklagten beim Betäubungsmittelumsatz erfolgte Eigennützigkeit als auch die Größenordnung des erstrebten Vorteils festgestellt. Ob, wie das Amtsgericht angenommen hat, der Angeklagte Täter des Handeltreibens oder nur Gehilfe zum Handeltreiben des F gewesen ist (zur Frage, wann wegen der Weite des Straftatbestandes des Handeltreibens trotz eigenhändiger Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale einschließlich der Eigennützigkeit bloße Beihilfe vorliegen kann, vgl. Weber, a.a.O., § 29 Rn. 313 f. m.w.N.), bleibt als bloße Subsumtionsfrage für die Wirksamkeitsprüfung der Berufungsbeschränkung hier ohne Bedeutung. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Feststellungen des Amtsgerichts auch nicht widersprüchlich. Zwar hatte F den Angeklagten geworben für den Verkauf eines Haschischbeutels unter Belohnung mit einem Haschischbeutel; bei Ausführung der getroffenen Vereinbarung war hingegen Marihuana Gegenstand des Umsatzes. Darin liegt keine Widersprüchlichkeit der Feststellungen, sondern eine Modifikation im lebenstatsächlichen Ablauf zwischen Vereinbarung und deren Ausführung.

Im Fall 4 hat der Angeklagte zusammen mit seiner Freundin einen Teil des vorhandenen Heroingemenges gegen "Crack" tauschen wollen und hierzu ein Tauschangebot an eine Dritte unterbreitet. Dem Landgericht ist zuzugeben, dass das Amtsgericht eine Eigennützigkeit nicht festgestellt hat und der erstinstanzliche Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln somit nicht durch die Feststellungen getragen wird. Indes steht, wie ausgeführt (siehe vorstehend lit. aa) eine fehlerhafte Subsumtion der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung grundsätzlich nicht entgegen; erst wenn auf der Grundlage der Feststellungen überhaupt keine Strafe verhängt werden könnte, soll eine Rechtsmittelbeschränkung unwirksam sein (h.M., vgl. BGH in NStZ 1996, 352, 353 m.w.N.), weil in Ausnahmekonstellationen Gründe materieller Gerechtigkeit einer Anerkennung der Rechtsmittelbeschränkung entgegenstehen (vgl. zum Verhältnis der §§ 20, 21 StGB OLG Köln in NStZ 1984, 379, 380 m.w.N.). Vorliegend hätte der Angeklagte sich auf der Grundlage der Feststellungen aber jedenfalls wegen unerlaubten Besitzes, gegebenenfalls in Tateinheit mit versuchtem unerlaubten Veräußern und mit versuchtem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln, strafbar gemacht (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 BtMG). Dass mangels erstinstanzlicher Feststellungen zum erstrebten Vorteil dessen Art und Umfang nicht für die auf den Schuld- und Unrechtsgehalt gerichteten Strafzumessungserwägungen des Berufungsgerichts herangezogen werden könnten, bleibt vorliegend jedenfalls deshalb irrelevant, weil der Berufungsführer mit seiner beschränkten Berufung nur die Prüfung der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung begehrt und den genannten Faktoren für die Legalprognose nach § 56 StGB hier keine Bedeutung zukommt.

ccc) Die Beschränkung der Berufung innerhalb des Rechtsfolgenausspruches auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung begegnet hier keinen Bedenken.

Die Möglichkeit einer solchen Beschränkung ist grundsätzlich anerkannt (vgl. BGH in NJW 2001, 3134; Ruß, a.a.O., § 318 Rn. 8 a m.w.N.). Ihre Grenzen ergeben sich wiederum aus den Grundsätzen der Trennbarkeit und Widerspruchsfreiheit (vgl. allgemein Meyer-Goßner, a.a.O., § 318 Rn. 6 f. m.w.N.; speziell zum Verhältnis Straffrage/Aussetzungsfrage BGHSt 24, 164, 165; HansOLG Hamburg in JR 1979, 258; Frisch in SK-StPO, § 318 Rn. 65 m.w.N.). Dabei ist insbesondere umstritten (Grobübersicht über Meinungsstand bei Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 318 Rn. 96), ob bereits Überschneidungen der Prüfungsprogramme zur Straf- und Aussetzungsfrage (so OLG Düsseldorf in NJW 2003, 1470, 1471) oder erst bei der Prüfung entstehende Widersprüche (so OLG Frankfurt/Main in VRS 59, 106, 108 f.: Überschneidung und Doppelrelevanz unschädlich) der Beschränkung entgegenstehen, ob dabei allein auf die Wertungen oder auch auf die Feststellungen der zugrundeliegenden Tatsachen abzustellen ist und ob hierzu die amtsgerichtliche Strafzumessung mit der amtsgerichtlichen (so wohl OLG Karlsruhe in NJW 1980, 133) oder den landgerichtlichen (so zutreffend h.M., u.a. HansOLG Hamburg, a.a.O., mit Hinweis auf die Maßgeblichkeit der Schlussberatung des Berufungsgerichts) Begründungen zur Aussetzungsfrage zu vergleichen ist. Überschneidungen der Prüfungsprogramme sind nie vermeidbar; die vom Bundesgerichtshof anerkannte grundsätzliche Möglichkeit der Beschränkung auf die Strafaussetzungsfrage bestünde praktisch nie, wenn bereits eine Überschneidung die Wirksamkeit der Beschränkung hindern sollte.

Bei Anlegung aller übrigen vertretenen Maßstäbe ist die Beschränkung vorliegend wirksam. Insbesondere stehen die Erwägungen des Amtsgerichts zur Strafzumessung mit denen des Landgerichts zur Strafaussetzungsfrage nicht im Widerspruch.

b) Die damit eingetretene Rechtskraft aller Schuld- und Strafaussprüche hat das Landgericht - mit Ausnahme des Schuldspruches zu Fall 1 - unbeachtet gelassen.

aa) Folglich ist der landgerichtliche Schuldspruch zu den Fällen 2 bis 4 mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben.

Gleiches gilt für die Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen 1 und 3. Hingegen haben die durch das Landgericht in den Fällen 2 und 4 festgesetzten Einzelstrafen (drei bzw. fünf Monate Freiheitsstrafe statt erstinstanzlich erkannter fünf bzw. sieben Monate) Bestand; zwar stand diesen Einzelstrafaussprüchen gleichfalls das Verfahrenshindernis der Rechtskraft der durch das Amtsgericht verhängten Einzelfreiheitsstrafen entgegen, doch muss es wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) bei den für den Angeklagten als alleinigen Revisionsführer günstigeren landgerichtlichen Einzelstrafaussprüchen von im Fall 2 drei und im Fall 4 fünf Monaten Einzelfreiheitsstrafe sein Bewenden haben.

Aus dem letztgenannten Grund verbleibt es auch bei der durch das Landgericht verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, obwohl der Gesamtstrafenbildung die Rechtskraft der durch das Amtsgericht erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr entgegenstand.

bb) Das Landgericht war von Rechts wegen darauf beschränkt, über die Frage der Strafaussetzung gemäß § 56 StGB zu befinden und zugehörige Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten einschließlich der Vorstrafen zu treffen. Diese Feststellungsbefugnis war ihrerseits eingeschränkt. Durch das Amtsgericht festgestellte Tatsachen, die sowohl für die Bemessung der Strafen (§§ 46, 54 Abs. 1 StGB) als auch für die Legalprognose im Rahmen der Aussetzungsentscheidung (§ 56 Abs. 1 StGB) bedeutsam sind, erwachsen wegen sogenannter Doppelrelevanz in Bestandskraft, wenn die Berufung wirksam auf die Frage der Strafaussetzung beschränkt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Februar 2003, Az.: II-5/03). Folglich darf das Berufungsgericht solche Feststellungen ergänzen, sich mit seinen Feststellungen aber nicht in Widerspruch zu den Feststellungen der Vorinstanz setzen (vgl. bei horizontaler Teilrechtskraft im Verhältnis Schuldspruch/Rechtsfolgenausspruch BGHSt 28, 119, 121; Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rn. 187 m.w.N.).

Nach diesem Maßstab gefährden die durch das Landgericht zu den persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen das Urteil nicht:

Soweit das Landgericht unzulässigerweise vollständig eigene Feststellungen getroffen hat, die aber mit denen des Amtsgerichts übereinstimmen, beruht das Urteil nicht auf dem Rechtsfehler.

Die näheren Feststellungen des Landgerichts zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten mit Hinblick auf sein familiäres Umfeld sowie seinen schulischen und beruflichen Werdegang enthalten ebenso wie die nähere Darlegung der Entwicklung seiner Drogensucht zulässigerweise widerspruchsfreie Ergänzungen der dazu bereits vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen. Zum strafrechtlichen Vorleben hat das Landgericht über die vom Amtsgericht festgestellten sechs Verfahren hinaus allerdings weitere mindestens neun Verfahren aus den Jahren 1985 bis 2001 angeführt. Diese zusätzliche, dem Angeklagten nachteilige Feststellung war hier zulässig, weil sie lediglich eine konkretisierende Ausfüllung des im amtsgerichtlichen Urteil dazu eröffneten Rahmens ("vielfach vorbestraft, zuletzt...., AG-UA Seite 3) bedeutet. Soweit sich das landgerichtliche Urteil zur Wohnungsübernahme und zur Berufsplanung verhält, handelt es sich um Entwicklungen der persönlichen Verhältnisse nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils (sog. dynamische Faktoren), die auch in etwaiger Abweichung zu den Feststellungen der Vorinstanz getroffen werden dürfen.

Unzulässig ist die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe während seines Aufenthaltes in den Niederlanden keine harten Drogen konsumiert. Sie steht im Widerspruch zu der - dem Angeklagten günstigeren - Feststellung des Amtsgerichts, er habe während dieser Zeit keine Drogen genommen. Auf dem Rechtsfehler beruht die Entscheidung des Landgerichts über die Strafaussetzung aber nicht.

2. Im Übrigen - also zu den sonstigen Verfahrensvoraussetzungen, zur Beweiswürdigung betreffend die zulässigen Feststellungen zu weiteren persönlichen Verhältnissen und zur Strafaussetzung gemäß § 56 Abs. 1 StGB - hat die Nachprüfung des Berufungsurteils anhand der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Mit der Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Schuld- und Strafaussprüche unter Fortbestand der durch das Landgericht verhängten Einzel- und Gesamtstrafenhöhen hat der Angeklagte keinen Teilerfolg i.S. des § 473 Abs. 4 StPO erzielt (zum kostenrechtlichen Erfolgsbegriff vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 473 Rn. 25 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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