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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.08.2003
Aktenzeichen: 1 Ss 456/03
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 46
StGB § 56
StPO § 267
1. Die der Strafzumessung zugrunde gelegten Tatsachen müssen ordnungsgemäß festgestellt werden.

2. Zur Feststellung einer günstigen Sozialprognose.


Beschluss

Strafsache

wegen Betruges u.a

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der X. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 13. März 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 08. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Kamen vom 14. August 2002 wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten, die er in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, hat die X. kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden ist.

Nach den für das Berufungsgericht infolge der Berufungsbeschränkung bindenden Feststellungen des Amtsgerichts zum Tathergang hat der Angeklagte am 17. April 2002 versucht, unter Vorlage eines auf den Namen O.B.B.M. lautenden Passes 500,00 € von dem Sparkonto mit der Nummer 30726368 bei der Sparkasse Kamen-Methler abzuheben. Auf dieses Konto, das der Angeklagte selbst - ebenfalls unter Vorlage des genannten Passes - am 09. April 2002 eröffnet hatte, hat er am 16. April 2002 mittels eines mit einer gefälschten Unterschrift versehenen Überweisungsformular 14.917,27 € vom Konto des Prof. Dr. W.J. bei der Sparkasse Hamburg überweisen lassen.

Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hat das Berufungsgericht u. a. festgestellt, dass er im Jahre 1992 oder 1993 nach Holland gekommen ist und dort einen Asylantrag gestellt hat. Er habe dann in Holland in einem Asylantenheim gewohnt. Nachdem er dort zunächst eine Ausbildung zum Bäcker absolviert habe, habe er mit einem Freund eine Firma für Import und Export gegründet. Er habe in Holland mit einer Frau zusammen gelebt, mit der er jedoch nicht verheiratet gewesen sei. In Deutschland lebe er jetzt mit der Zeugin S.M. zusammen.

Zum Rechtsfolgenausspruch heißt es in den schriftlichen Urteilsgründen:

"Bei der Strafzumessung war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er bislang nicht vorbestraft ist und seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, was einem Geständnis gleichzusetzen ist. Gleichzeitig hat der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung Angaben zur Tatausführung gemacht und dabei darauf hingewiesen, dass er für die Tatausführung 10 % des Betrages als Erlös für sich behalten sollte. Außerdem hat der Angeklagte erklärt, dass der Mann, der ihn sowohl in Wuppertal als auch in Kamen jeweils veranlasst hat, ein Sparbuch anzulegen, in Belgien wohnt. Allerdings wisse er nicht dessen Namen.

Strafschärfend war jedoch zu berücksichtigen, dass die hier in Rede stehende Tat einen nicht unerheblichen Planungsaufwand erforderte und mit erheblicher krimineller Energie begangen worden ist, wobei jedoch zu sagen ist, dass der Angeklagte die Tat nur auf Anweisung einer anderen Person begangen hat. Strafschärfend war auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, um hier eine Straftat zu begehen. Dies erfordert bereits aus generalpräventiven Gründen eine nicht unerhebliche Strafe, um entsprechende andere Täter bei der Begehung derartiger Straftaten abzuschrecken. Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und auch des Umstandes, dass letztendlich durch die Rücküberweisung an den Zeugen Dr. Janssen kein Schaden entstanden ist, hielt die Strafkammer die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten für tat- und schuldangemessen und zur nachhaltigen Einwirkung auf den Angeklagten unbedingt erforderlich, aber auch ausreichend."

Zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung hat das Landgericht ausgeführt:

"Die Vollstreckung der verhängten Strafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei der Art der Tatbegehung sind besondere Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten, die eine Strafaussetzung nach § 56 Abs. 2 StGB rechtfertigen würden, nicht ersichtlich. Abgesehen davon gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gem. § 56 Abs. 3 StGB, da es keinem billig und gerecht denkenden Menschen überzeugend erklärt werden kann, dass ein Täter, der aus dem Ausland einreist und eine derartige Straftat begeht, lediglich mit einer Bewährungsstrafe davon kommt."

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Revision hat auch einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund.

Die Ausführungen des Landgerichts zum Rechtsfolgenausspruch halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Strafzumessung Aufgabe des Tatrichters und vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Der Tatrichter muss aber seine Zumessungserwägungen in einem die Nachprüfung ermöglichenden Umfang darlegen. Dabei beinhalten die Strafzumessungsgründe zum einen die Strafzumessungstatsachen und zum anderen die Strafzumessungserwägungen. Die Tatsachen zur Strafzumessung müssen ebenso wie die zum Schuldspruch einwandfrei festgestellt und erwiesen sein. Mängel der Tatsachenfeststellung begründen die Revision nach den selben Kriterien wie bei der Schuldfeststellung (Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 5. Aufl., Rdnr. 439). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, um hier eine Straftat zu begehen. Hierzu fehlen ausreichende Feststellungen. Es ist weder mitgeteilt, zu welchem Zeitpunkt der Angeklagte in Deutschland eingereist ist, noch an welchem Ort er sich seit diesem Zeitpunkt aufgehalten hat. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen lebt der Angeklagte nunmehr mit einer Frau in Deutschland zusammen. Dies legt nahe, dass er sich bereits seit längerer Zeit hier aufhält. Darüber hinaus ist gegen ihn ein weiteres Ermittlungsverfahren anhängig, mit welchem ihm die Begehung einer Straftat im April 2001 zur Last gelegt wird. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte bereits seit diesem Zeitpunkt in Deutschland aufhältig ist oder ob er zwischenzeitlich wieder nach Holland gereist ist. Nach alledem fehlt die erforderliche Tatsachenfeststellung zu der Erwägung, der Angeklagte sei zur Begehung von Straftaten in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Dieser Umstand bedarf der näheren Aufklärung. Sollte der Angeklagte sich hierzu nicht äußern, muss das Urteil jedenfalls erkennen lassen, dass das Gericht sich insoweit um Aufklärung auf anderem Wege bemüht hat (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 267 Rdnr. 42).

Auch die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht rechtsfehlerfrei begründet worden. Das Landgericht hat diese Entscheidung damit begründet, dass sich keine besonderen Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Angeklagten ergäben, die eine Strafaussetzung rechtfertigen könnten (§ 56 Abs. 2 StGB). Darüber hinaus gebiete die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe. Dagegen hat das Landgericht sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) gestellt werden kann. Wäre dies zu bejahen, so müsste dies auch bei der Entscheidung der Frage des Vorliegens oder Fehlens besonderer Umstände Berücksichtigung finden (BGH NStZ 1997, 434, BGH StV 1995, 20). Darüber hinaus ist die Sozialprognose auch für die Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gerade gegenüber diesem Täter gebiete, von Bedeutung (OLG Dresden, StV 2000, 560). Die Prüfung, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt werden kann, konnte im vorliegenden Fall auch nicht übergangen werden, so dass die Entscheidung auf diesem Rechtsfehler auch beruhen kann. Denn das Landgericht hat auch bei der Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung maßgeblich darauf abgestellt, dass der Angeklagte aus dem Ausland nach Deutschland eingereist ist, um eine Straftat zu begehen. Wie bereits im Rahmen der Strafzumessung ausgeführt worden ist, fehlen hierzu jedoch ausreichende Feststellungen. Von daher ist nicht auszuschließen, dass der Tatrichter dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt hätte, wenn sich eine Einreise zum Zwecke der Begehung von Straftaten nicht feststellen ließe. Bei dieser Sachlage käme die Strafkammer möglicherweise auch bei der Prüfung des Vorliegens "besonderer Umstände" (§ 56 Abs. 2 StGB) zu einem anderen, für den Angeklagten positiven Ergebnis.

Das angefochtene Urteil konnte daher keinen Bestand haben und war infolge dessen aufzuheben und an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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