Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.08.2003
Aktenzeichen: 11 U 68/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GG, BauGB, WertV


Vorschriften:

ZPO § 543
BGB § 839
GG Art. 34
BauGB § 192
BauGB § 193
BauGB § 194
WertV § 7 I 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 3. Februar 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer übersteigt für keine Partei 60.000,00 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Schadensersatzklage des Klägers, mit der er das beklagte Land auf Zahlung von 39.187,02 DM wegen eines aus seiner Sicht fehlerhaften Gutachtens des Gutachterausschusses für Grundstückswerte beim Kreis ... in Anspruch genommen hat, abgewiesen.

Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschriften § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG liegen nicht vor.

Der Gutachterausschuss hat nach §§ 192, 193 BauGB die Aufgabe, Gutachten über den Wert bebauter und unbebauter Grundstücke zu erstatten. Mit dieser Pflicht und seinen Nebenaufgaben wird er im Rahmen des öffentlichen Baurechts hoheitlich tätig (BGH NVwZ 1982, 395f). Für eventuelle Pflichtverletzungen haftet, worüber unter den Parteien zu Recht kein Streit besteht, das beklagte Land als diejenige Körperschaft, die die Mitglieder der Gutachterausschüsse letztlich bestellt.

Im Rahmen ihrer hoheitlichen Aufgaben sind die Mitglieder des Gutachterausschusses verpflichtet, ihre Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben und dabei die allgemein anerkannten Regeln der Wertermittlungslehre und insbesondere die Vorschriften des Baugesetzbuches und der Wertermittlungsverordnung zu beachten. Sie müssen bei ihrer Tätigkeit die ihnen zugänglichen Erkenntnisquellen vollständig und sachgerecht auswerten und die Gründe für ihre Wertfestsetzung in nachvollziehbarer Weise darlegen (BGH a.a.O., S. 396 mwN). Diese Pflicht besteht nicht nur gegenüber der Allgemeinheit, sondern auch gegenüber den Grundstückseigentümern und gegenüber denjenigen, denen das Gutachten nach seinem erkennbaren Zweck für Entscheidungen über Vermögensdispositionen vorgelegt werden soll (BGH NJW 1998, 1059). Dazu gehörte im vorliegenden Fall der Kläger als potentieller Käufer der Grundbesitzung. Entsprechend dem Zweck des Gutachtens, dem Dritten gegenüber Vertrauen zu erwecken und Beweiskraft zu besitzen, steht eine Gegenläufigkeit der Interessen des Auftraggebers und des Dritten dessen Einbeziehung in den Schutzbereich des Auftrages nicht entgegen. Das ist in der Rechtsprechung des BGH insbesondere für den Fall eines Immobilienkaufs anerkannt (BGHZ 127, 378 [380]).

Die Parteien streiten auch nicht darüber, dass das Gutachten insoweit fehlerhaft gewesen ist, dass die Gutachter den Sachwert der Grundbesitzung fehlerhaft festgestellt haben. Unstreitig ist nämlich der umbaute Raum mit 1.100 cbm um mindestens 62 cbm zu groß ermittelt worden, so dass der Sachwert um 23.483,22 DM zu hoch ermittelt worden ist. Diese Amtspflichtverletzung war auch fahrlässig, denn die Gutachter hätten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt unschwer feststellen können, dass nicht die gesamte Gebäudegrundfläche unterkellert war.

Dennoch steht dem Kläger gegen das beklagte Land kein Schadensersatzanspruch zu. Es ist nämlich nicht überwiegend wahrscheinlich ( § 287 ZPO ), dass bei richtiger Sachwertbestimmung der Verkehrswert ebenfalls anders, nämlich auf 628.560 DM statt auf 650.000 DM, festgesetzt worden wäre.

Nach § 194 BauGB wird der Verkehrswert durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Hierzu schreibt § 7 I 2 WertV ausdrücklich vor, dass der Verkehrswert aus dem Ergebnis des herangezogenen Verfahrens - im Streitfall also des Sachwertverfahrens - unter Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt zu bemessen ist. Der Verkehrswert stellt daher keine mathematisch nachvollziehbare Ableitung der sich aus den einzelnen Wertermittlungsverfahren ergebenden Faktoren dar; der Gutachterausschuss muss vielmehr aufgrund des festgestellten Sachwerts in einem Akt wertender Erkenntnis unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände auf dem Grundstücksmarkt den zutreffenden gemeinen Wert, also den voraussichtlich am Markt erzielbaren Preis, feststellen.

Von daher begegnet schon der Ausgangspunkt des Klagevortrages Bedenken. Der Hinweis auf die unzutreffende Sachwertfestsetzung kann allein nicht begründen, dass auch der Verkehrswert fehlerhaft festgesetzt worden ist. Dies käme nur dann in Betracht, wenn unter Berücksichtigung aller in § 194 BauBG genannten Kriterien ein niedrigerer Verkehrswert zwingend hätte festgesetzt werden müssen. Aus dem Klägervortrag ergeben sich hierzu konkrete Umstände nicht.

Allerdings ist nicht zu verkennen, dass der Kläger hierzu aus eigener Kenntnis nur schwerlich vortragen kann. Auch wenn man deshalb seine ausdrücklich aufgestellte Behauptung, der Verkehrswert hätte nur auf 628.560 DM festgelegt werden dürfen, als ausreichend ansieht, rechtfertigt dies die von ihm beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Behauptung nicht. Die beantragte Beweiserhebung ist nicht geeignet, eine niedrigere Verkehrswertfestsetzung als überwiegend wahrscheinlich erscheinen zu lassen.

Der Gutachterausschuss hat sich in seinem Ergänzungsgutachten mit den Einwendungen des Klägers beschäftigt, die Sachwertfestsetzung korrigiert, an seiner Verkehrswertfestsetzung aber weiterhin festgehalten. Zur Begründung hat er ausgeführt, nach seinen Kenntnissen aus der Kaufpreisauswertung (§ 193 III BauGB) liege der Verkehrswert je nach Lage und Größe des Objekts deutlich unter dem Verkehrswert, beim streitgegenständlichen Grundstück sei aber angesichts sehr guter Wohnlage und guter Grundkonzeption des Gebäudes sowie aller sonstigen Umstände dennoch von einem Verkehrswert von 650.000 DM auszugehen. Berücksichtigt man, dass der vom Kläger für richtig gehaltene Verkehrswert nur rund 3,4% niedriger liegt, so wäre, auch wenn ein weiteres Gutachten im Sinne der Klägerbehauptung ausfiele, aus Sicht des Senats angesichts der nur geringfügigen Abweichungen damit noch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür dargetan, dass der Gutachterausschuss bei zutreffender Sachwertermittlung schon damals auch den Verkehrswert um den vom Kläger behaupteten Betrag niedriger angesetzt hätte. Nur in diesem Fall hätte der Kläger aber das Grundstück entsprechend preiswerter erwerben können und dadurch den geltend gemachten Schaden (überschießender Kaufpreisanteil und darauf entfallende Finanzierungskosten) nicht erlitten.

Die Berufung war daher mit den sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO ergebenden prozessualen Nebenentscheidungen zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück