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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.10.2005
Aktenzeichen: 11 UF 78/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, SGB XII


Vorschriften:

BGB § 1572
BGB § 1578 Abs. 2
BGB § 1578 Abs. 3
BGB § 1579
BGB § 1579 Nr. 1
BGB § 1579 Nr. 2
BGB § 1579 Nr. 3
BGB § 1579 Nr. 4
BGB § 1579 Nr. 5
BGB § 1579 Nr. 6
BGB § 1579 Nr. 7
BGB § 1579 Ziff. 1
BGB § 1579 Ziff. 2
BGB § 1579 Ziff. 3
BGB § 1579 Ziff. 4
BGB § 1579 Ziff. 5
BGB § 1579 Ziff. 6
BGB § 1579 Ziff. 7
BGB § 1585b Abs. 2
ZPO § 323
ZPO § 323 Abs. 2
ZPO § 323 Abs. 2 Satz 2
SGB XII § 94 Abs. 1 Satz 1
SGB XII § 94 Abs. 1 Satz 3
Ein Unterhaltsanspruch ist nicht schon deshalb gem. § 1579 Nr. 7 BGB wegen grober Unbilligkeit zu begrenzen, wenn der geschiedene Ehemann in der 20-jährigen Ehezeit infolge Krankheit der Ehefrau durch überobligatorischen Einsatz nicht nur die finanzielle, sondern auch die häusliche Versorgung der Familie sichergestellt hat und die beantragte Erhöhung der Unterhaltsleistungen möglicherweise dazu führen wird, dass das während der Ehe gemeinsam errichtete und nach der Scheidung vom Ehemann allein übernommene und mit beiden gemeinsamen Kindern bewohnte Haus veräußert werden muss.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 UF 78/05 OLG Hamm

Verkündet am 19. Oktober 2005

In der Familiensache

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 26. August 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick und die Richter am Oberlandesgericht Michaelis de Vasconcellos und Jellentrup

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 02. März 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ibbenbüren teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.02.1997 verurteilt, an die Klägerin ab März 2002 wie folgt nachehelichen Unterhalt zu zahlen:

a)

für die Zeit von März bis Juli 2002 monatlich 1.028,- € davon 111,- € als Krankenvorsorgeunterhalt und 181,05 € als Altersvorsorgeunterhalt

b)

für die Zeit von August bis Dezember 2002 monatlich 1.121,- €, davon 111,- € als Krankenvorsorgeunterhalt und 203,07 € als Altersvorsorgeunterhalt;

c)

für die Zeit ab Januar 2003 monatlich 1.121,- €, davon 112,66 € als Krankenvorsorgeunterhalt und 211,22 € als Altersvorsorgeunterhalt;

Die weitergehende Abänderungsklage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz werden der Klägerin zu 1/3 und dem Beklagten zu 2/3 auferlegt.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 1/4 und der Beklagte 3/4 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute und streiten um die Abänderung der durch das Urteil des OLG Hamm vom 18.02.1997 festgelegten Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung nachehelichen Unterhalts. Dem liegt Folgendes zu Grunde:

Die Parteien haben am 25.01.1974 geheiratet. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen: Sandra, geboren am 24.02.1975, und Dominik, geboren am 24.11.1980. Seit 1979 wohnte die Familie in einem neu errichteten Einfamilienhaus, das beiden Parteien gemeinsam gehörte.

Nach der Geburt von Sandra kam es bei der Klägerin erstmals zum Auftreten einer Psychoseerkrankung, die mehrere Wochen stationär behandelt werden musste, zuletzt in der psychiatrischen Klinik in Münster. Danach folgte eine weitgehend unauffällige Lebensentwicklung, bis sich die Erkrankung ab 1982 mit schleichender Symptomatik erneut zeigte. Nach schwerer psychotischer Dekompensation kam es vom 15.02. bis 26.05.1988 zu einer stationären Behandlung in der Westfälischen Klinik in Lengerich. Zugleich wurde eine Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet, die (nach Verbesserung des Gesundheitszustands) am 23.04.1993 wieder aufgehoben wurde. Seit dem 13.06.1995 besteht erneut eine Betreuung, die zunächst auf die Vermögenssorge beschränkt war, inzwischen aber um Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung erweitert ist.

Am 18.05.1993 ist die Klägerin aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Die Kinder blieben im Haushalt des Beklagten, der auch die Hauslasten weiter abtrug. Die Ehescheidung ist seit dem 15.03.1995 rechtskräftig.

Im Vorverfahren 4 F 39/95 hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von 1.487,96 DM (davon 179,99 DM Krankenvorsorgeunterhalt) in Anspruch genommen und geltend gemacht, sie sei auf Grund ihrer psychischen Erkrankung erwerbsunfähig. Im Berufungsverfahren sind ihr ab Oktober 1996 monatlich 585,- DM zugesprochen worden. Dabei ist das OLG davon ausgegangen, dass die Klägerin auf Grund der seit Jahren bestehenden chronischen Schizophrenie zwar in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt sei, aber nicht aufgeräumt habe, noch im Geringverdienerbereich monatlich 600,- DM verdienen zu können. Die nach Abzug des Erwerbstätigenbonus verbleibenden 515,-DM seien vom notwendigen Selbstbehalt (für Nichterwerbstätige) in Höhe von 1.100,- DM abzuziehen, so dass ein Bedarf von 585,- DM verbleibe. Diesen Betrag könne der Beklagte ab Oktober 1996 auch aufbringen, denn ab diesem Zeitpunkt stünden für Unterhaltszwecke zur Verfügung:

 Nettoeinkommen3.782,00 DM
./. Gewerkschaftsbeitrag54,00 DM
./. Hauslasten (unter Berücksichtigung des Wohnwerts)785,00 DM
./. Rate an die L150,00 DM
./. Unterhalt für D502,00 DM
./. notwendiger Selbstbehalt1.500,00 DM
verfügbar791,00 DM

Den titulierten Betrag hat der Beklagte in der Folgezeit gezahlt. Die Klägerin musste aber ergänzend Sozialhilfe in Anspruch nehmen, weil es ihr nicht gelang, den fiktiv zugerechneten Verdienst tatsächlich zu erzielen.

Durch Vertrag vom 04.07.2002 haben sich die Parteien wegen des gemeinsamen Hauses auseinandergesetzt. Der Beklagte hat den Anteil der Klägerin gegen Zahlung von 40.000,- € übernommen und sich verpflichtet, sie gegenüber den Banken von allen auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten freizustellen. Die 40.000,- € hat das Sozialamt bis auf einen Betrag von rund 2.500,- € zur Rückführung der bis dahin als Darlehen gewährten Sozialhilfe vereinnahmt.

Mit der vorliegenden Klage will die Klägerin ab März 2002 eine deutliche Erhöhung des bisher gezahlten Unterhalts erreichen. Sie macht geltend, sie sei spätestens seit 2001 auf Grund ihrer psychischen Erkrankung gänzlich erwerbsunfähig, so dass ihr keine fiktiven Einkünfte mehr angerechnet werden könnten. Ihr Anspruch auf Quotenunterhalt sei daher neu wie folgt zu berechnen:

 Nettolohn des Beklagten bei Inanspruchnahme des Realsplittings2.878,79 €
Steuererstattung353,87 €
./. Gewerkschaftsbeitrag32,72 €
./. berufsbedingte Aufwendungen70,40 €
./. negativer Wohnwert (650,- € ./. 838,- € Belastungen)188,00 €
verfügbares Einkommen2.942,00 €
./. Krankenversicherung der Klägerin184,00 €
verbleiben2.758,00 €

Daraus errechne sich ein Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 298,00 € und Elementarunterhalt in Höhe von 1.054,- €. Insgesamt seien daher 1.536,- € zu zahlen. Soweit die Einkünfte des Beklagten ab 2003 zurückgegangen seien, sei die erhaltene Abfindung zur Aufstockung der Einkünfte auf die bisherige Höhe einzusetzen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.02.1997 wie folgt zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt zu verurteilen:

a)

für die Zeit von März bis August 2002 einen Rückstand von insgesamt 6.133,34 €, davon 1.176,00 € als Krankheitsvorsorge- und 1.398,- € als Altersvorsorgeunterhalt,

b)

für die Zeit ab September 2002 monatlich 1.536,- €, davon 184,- € als Krankheitsvorsorge- und 298,- € als Altersvorsorgeunterhalt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich darauf berufen, dass sein Gehalt im Jahre 2002 und die ab 2003 - nach Kündigung des Arbeitsvertrages - erfolgenden Zahlungen von Anpassungsgeld auf einem Karrieresprung nach Ehezeitende beruhten, auf Grund dessen er vom Schichtsteiger zum Leiter der Elektrowerkstatt befördert worden sei. Er hat bestritten, dass die Klägerin nicht arbeiten könne. Zumindest sei davon auszugehen, dass sie ihre Gesundheit durch entsprechende Behandlungsmaßnahmen wieder hätte herstellen können. Dann wäre sie in der Lage, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen, und müsse sich fiktiv so behandeln lassen.

Vorsorglich hat er geltend gemacht, dass die Zahlung weitergehenden Unterhalts gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB ausgeschlossen sei. Seit dem erstmaligen Auftreten der psychischen Erkrankung nach der Geburt der Tochter Sandra habe die Klägerin durchgehend an deren sich stetig verschlimmernden Folgen gelitten. Lediglich zur Zeit der Geburt von Dominik habe es eine relativ stabile Phase gegeben, die aber allenfalls 2 Jahre angedauert habe. Das habe dazu geführt, dass er neben der Sicherung des Familienunterhalts durch seine Erwerbstätigkeit auch die eigentlich der Klägerin obliegenden Aufgaben im Haushalt habe übernehmen müssen. Im Hinblick auf diese schon während der Ehezeit übernommenen außergewöhnlichen Belastungen wäre es grob unbillig, wenn er jetzt Unterhalt in der beantragten Höhe zahlen müsste.

Das Amtsgericht hat Beweis darüber erhoben, inwieweit der Beklagte in der Ehezeit wegen der Erkrankung der Klägerin auch die Familienarbeit hat übernehmen müssen, und die Abänderungsklage anschließend abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass eine Inanspruchnahme des Beklagten über den bisher titulierten Unterhaltsanspruch hinaus grob unbillig wäre, weil er schon in der 20-jährigen Ehezeit durch überobligatorischen Einsatz nicht nur die finanzielle, sondern auch die häusliche Versorgung der Familie sichergestellt habe. Das rechtfertige, der nachehelichen Solidarität Grenzen zu setzen, zumal sonst die Finanzierung des von Beklagen bewohnten Hauses gefährdet wäre.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie die Abänderungsklage weiter verfolgt. Dazu wiederholt sie ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Berechnung ihres Unterhaltsanspruchs.

Sie meint, der Beklagte sei mit dem Vorbringen zur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB präkludiert. Darüber hinaus sei die in der Ehe angelegte, den Anspruch nach § 1572 BGB begründende Erkrankung nach der Rechtsprechung des BGH nicht geeignet, diesen Anspruch gleichzeitig zu begrenzen.

Sie behauptet, trotz ihrer Erkrankung sei bis 1993 ein annähernd normales Familienleben möglich gewesen. Auch bei unterstellter Doppelbelastung des Beklagten sei kein Härtegrund ersichtlich, der den in § 1579 Ziffern 1 bis 6 geregelten Fällen vergleichbar sei, zumal der Beklagte seine Lebenssituation bis zur Trennung offenbar nicht als unerträglich angesehen, sondern an der Ehe festgehalten habe.

Die Klägerin beantragt unter Rücknahme ihrer weitergehenden Berufung,

das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.02,1997 zu verurteilen, an sie ab März 2002 unter Einschluss von Krankheits- und Altersvorsorgeunterhalt einen monatlichen Gesamtunterhalt von 1.200,- € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Amtsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat - soweit sie nicht zurückgenommen ist -überwiegend Erfolg. Die Umstände für die Bemessung des nachehelichen Unterhalts im Urteil des Oberlandesgerichts vom 18.02.1997 haben sich maßgeblich verändert, so dass eine Anpassung des Zahlbetrags erforderlich ist. Ein Ausschluss des Anspruchs auf Erhöhung gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB kommt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht in Betracht. Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

A. Zulässigkeit der Abänderungsklage:

Eine wesentliche Veränderung der Umstände für die Bemessung des nachehelichen Unterhalts der Klägerin ist schlüssig vorgetragen: Erhöhung der Einkünfte des Beklagten, Verkauf des gemeinsamen Hauses, Wegfall der Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn Dominik. Damit ist die Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zulässig.

B.

1. Zum Anspruchsgrund

Dass ein Anspruch auf Unterhalt wegen teilweiser krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit gemäß § 1572 BGB besteht, ist Grundlage des abzuändernden Urteils. Die in erster Instanz vom Beklagten aufgestellte Behauptung, die Klägerin sei wegen unzureichender Behandlung ihrer Erkrankung so zu stellen, als sei sie wieder gesund (dann käme nur noch ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt in Betracht), ist unsubstantiiert.

Nach der Beurteilung des im Vorverfahren angehörten Sachverständigen hatten nach (schon damals) langjährigem Krankheitsverlauf rehabilitative Maßnahmen nur noch geringe Aussicht auf Erfolg und hätten nur angewendet werden können, wenn die Klägerin zur Einsicht in ihre Krankheit gekommen wäre. Dafür, dass die Klägerin nach Erlass des abzuändernden Urteils auf Grund einer Verbesserung ihres Gesundheitszustands zur Krankheitseinsicht gelangt sei, aber dennoch geeignete Behandlungsmaßnahmen schuldhaft verweigert und damit eine Gesundung verhindert habe, hat der insoweit beweispflichtige Beklagte nichts vorgetragen. Es gibt dafür auch keinerlei Anhaltspunkte. Im Gegenteil belegt die nicht weiter bestrittene ärztliche Bescheinigung vom 28.07.04, dass die Klägerin auf Grund ihrer Erkrankung weiterhin keine Chance auf dem freien Arbeitsmarkt hat und allenfalls noch in einer Werkstatt für psychisch Kranke mitarbeiten kann.

Ergänzender Vortrag zur Versäumung von Behandlungsmaßnahmen ist auch in zweiter Instanz nicht erfolgt, so dass weiterhin von einem Anspruch auf Krankheitsunterhalt wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit auszugehen ist. Andererseits kommt aber auch nicht in Betracht, nunmehr einen Anspruch wegen voller Erwerbsunfähigkeit anzunehmen. Selbst wenn man unterstellt, dass die Klägerin heute nicht mehr in der Lage ist, einer Beschäftigung im Geringverdienerbereich nachzugehen, wie das im abzuändernden Urteil vorausgesetzt ist, kann das nicht berücksichtigt werden.

Zum einen ist nicht festzustellen, dass überhaupt eine Veränderung des Zustands gegenüber dem Vorurteil eingetreten ist, denn vollständige Erwerbsunfähigkeit hat sie schon im Vorverfahren behauptet, wegen Verweigerung der Mitwirkung an der angeordneten Begutachtung aber nicht bewiesen. Sie ist daher mit diesem Vorbringen gemäß § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert.

Auch wenn man eine nachträgliche Verschlechterung unterstellt, kann diese deshalb nicht berücksichtigt werden, weil insoweit der Bezug zu einem der in § 1572 BGB genannten Einsatzzeitpunkte fehlt.

Hier kommt nur die Scheidung als Einsatzzeitpunkt in Betracht. Zwar kann die Verschlimmerung eines im Einsatzzeitpunkt vorhandenen Leidens grundsätzlich zu einer Ausweitung des Anspruchs führen, die Verschlimmerung muss dann aber in nahem zeitlichen Zusammenhang zum Einsatzzeitpunkt eintreten. Hier wird gänzliche Erwerbsunfähigkeit ab 2001 und damit mehr als 5 Jahre nach der Scheidung behauptet. Einen nahen zeitlichen Zusammenhang hat der BGH aber bereits bei einem Abstand von knapp zwei Jahren verneint (BGH NJW 2001, S. 3260).

2.

Bei der Anpassung des Unterhaltsanspruchs an die geänderten Verhältnisse sind die Grundlagen des abzuändernden Urteils fortzuschreiben. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Klägerin ihren Anspruch als Quotenunterhalt berechnen kann, obwohl ihr Bedarf seinerzeit auf der Grundlage ihres Existenzminimums unter Anrechnung fiktiver Einkünfte ermittelt worden ist (1.100,- DM ./. 6/7 der fiktiv zuzurechnenden Einkünfte von 600,- DM - 585,- DM).

Das war aber keine Begrenzung des Bedarfs, der sich bei Zugrundelegung einer 3/7-Quote ergeben hätte, sondern dessen Aufstockung, wie nachfolgende Berechnung zeigt:

 Nettoeinkommen3.782,00 DM
./. Gewerkschaftsbeitrag54,00 DM
./. Hauslasten (unter Berücksichtigung des Wohnwerts)785,00 DM
./. Rate an die L150,00 DM
./. Unterhalt für D502,00 DM
 2.291,00 DM
davon 3/7981,85 DM
./. 6/7 von 600,- DM514.28 DM
Bedarfslücke467,57 DM

Also ist nicht der Anspruch der Klägerin auf quotenmäßige Beteiligung am anrechenbaren Einkommen des Unterhaltspflichtigen ausgeschlossen, sondern nur das Recht auf Wahrung des Existenzminimums festgeschrieben worden.

3. Berechnung des Quotenunterhalts:

Bei der Berechnung des Quotenunterhalts ist nach Zeitabschnitten zu unterscheiden.

3.1 März 2002 bis Juli 2002:

Die Verzugsvoraussetzungen, die gemäß den §§ 323 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 1585b Absatz 2 BGB eine Abänderung schon für die Zeit vor Rechtshängigkeit der Klage ermöglichen, sind ab Zugang des Schreibens vom 14.03.2002 gegeben. Zur Berechnung ist Folgendes auszuführen:

3.1.1 Einkommen des Beklagten:

a)

Das gesetzliche Nettoeinkommen im Jahre 2002 hat nach der Lohnabrechnung für Dezember 2002 40.007,43 € betragen. Davon ist die gemäß dem Sozialplan wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährte betriebliche Abfindung in Höhe von 10.226,00 € abzuziehen. Dann ergibt sich ein laufendes Nettoeinkommen von 29.781,43 €, das sind monatsanteilig 2.481,78 €. Zieht man davon den Nettoanteil der vermögenswirksamen Leistungen ab (51,68 % von 26,67 € = 13,78 €), so verbleiben 2.468,00 €.

Dem Einwand des Beklagten, dieses Einkommen dürfe nur teilweise in die Berechnung einbezogen werden, weil er nach dem Ende der Ehezeit zum Werkstattleiter aufgestiegen sei, was einen Karrieresprung bedeute, folgt der Senat nicht.

Verbesserungen des Einkommens nach der Scheidung sind jedenfalls dann in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen, wenn ihnen eine Entwicklung zu Grunde liegt, die aus der Sicht des Scheidungszeitpunkts mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. So liegt es hier. Der Beklagte hat zwar dargelegt, dass er die neue Position nur auf Grund von Fortbildungsmaßnahmen hat erreichen können, deren Intensität war aber gering, begann bereits unmittelbar nach der Scheidung im Jahre 1996 und beschränkte sich nach der unbestrittenen Berechnung der Klägerin auf insgesamt 27 Tage. Der Aufstieg zu einem verantwortungsvolleren, mit der nächsthöheren Lohngruppe verbundenen Posten beruhte daher nicht auf aus dem üblichen Rahmen fallenden Bildungsanstrengungen, sondern war nach Einschätzung des Senats hauptsächlich in der allgemeinen Tüchtigkeit des Beklagten begründet und damit schon in der Ehezeit angelegt.

b)

Der mögliche Vorteil aus der Inanspruchnahme des Realsplittings ist dem Beklagten zwar nicht in der von der Klägerin beanspruchten Höhe, wohl aber in Höhe von monatlich 155,82 € zuzurechnen.

aa)

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Unterhaltspflichtige nur insoweit zur Inanspruchnahme des Realsplittings verpflichtet, als die Höhe des Unterhalts unstreitig ist (BGH FamRZ 1999, S 372). Folglich war dem Beklagten die Ausschöpfung des Realsplittings bis zum Höchstbetrag im Jahre 2002 noch nicht möglich, weil er jede Verpflichtung zur Erhöhung der titulierten Unterhaltszahlungen in Abrede stellte.

Wegen des titulierten und vom Beklagten nicht angegriffenen Betrages von monatlich 299,10 € war hingegen die Inanspruchnahme des Realsplittings möglich und auch geboten, obwohl der mögliche Realsplittingvorteil im Vorprozess noch nicht geltend gemacht worden war. Dennoch ist insoweit keine Präklusion gemäß § 323 Abs. 2 ZPO eingetreten, weil die Inanspruchnahme des Realsplittings bei Streit über die Höhe des Unterhalts erst für die Zeit nach Urteilserlass verlangt werden kann. Die Klägerin ist deshalb nicht gehindert, nunmehr die Berücksichtigung des Realsplittings zu verlangen, die in Höhe des titulierten Betrages auch tatsächlich in Anspruch genommen worden ist.

Hätte der Beklagte im Jahr 2002 einen monatlichen Freibetrag in Höhe des titulierten Unterhalts von 299,10 € eintragen lassen, wäre sein Einkommen um monatlich 155,82 € gestiegen (nach Gutdeutsch, familienrechtliche Berechnungen (WinFam), Version 5.3 VV).

c)

Hingegen ist das Einkommen des Beklagten nicht um die für 2001 festgesetzte und im Jahr 2002 ausgezahlte Steuererstattung zu erhöhen. Die Einbeziehung der Steuererstattung ist im Vorprozess nur zur Berechnung der Leistungsfähigkeit, nicht aber für die Bedarfsberechnung verlangt worden. Die Klägerin ist deshalb mit der Forderung nach Einbeziehung der über das Realsplitting hinausgehenden Steuererstattung präkludiert.

d)

Präkludiert ist die Klägerin auch mit der Forderung, bei der Einkommensberechnung den Gegenwert der Kohlelieferungen zu berücksichtigen, die der Beklagte neben den bar gezahlten Bezügen erhalten hat und erhält (bis einschließlich 2006 acht Tonnen Deputatkohle pro Jahr, was nach den Preisen für 2005 einem Gegenwert von 1.641,44 € (8 * 205,18 €) entspricht).

Da der Anspruch auf die Lieferung von acht Tonnen Deputatkohle nach den ergänzenden Erklärungen im Senatstermin auch schon im Zeitpunkt der abzuändernden Entscheidung bestand, aber dennoch nicht einkommenserhöhend geltend gemacht worden ist, kann dieses Versäumnis im Abänderungsverfahren nicht korrigiert werden.

e)

Berufsbedingte Aufwendungen:

Die Klägerin hat bei ihrer Berechnung berufsbedingte Aufwendungen von 32,72 € (Gewerkschaftsbeitrag) und 70,40 € (Fahrtkosten), zusammen also 103,12 € abgezogen. Das ist nicht zu beanstanden.

f)

Die Klägerin erkennt Grundstückslasten von 838,- € an und verrechnet diese mit dem objektiven Mietwert, den sie auf Grund eines eingeholten Gutachtens mit 650,- € beziffert. So kommt sie zu einem negativen Wohnwert von 188,- €, den sie einkommensmindernd abzieht. Dieser Betrag wird in der Berufungsinstanz nicht beanstandet und ist daher für die Zeit bis zur alleinigen Übernahme des Hauses durch den Beklagten im Juli 2002 abzuziehen.

3.1.2 Einkommen der Klägerin:

a)

Wie bereits ausgeführt, muss sich die Klägerin auch dann weiterhin ein Einkommen aus einer Geringverdienertätigkeit zurechnen lassen, wenn sie im Jahr 2002 gänzlich erwerbsunfähig gewesen sein sollte. Der zuzurechnende Verdienstes ist wegen der allgemeinen Lohnentwicklung auf die im Jahr 2002 gültige Freigrenze für Geringverdiener in Höhe von 325,- € anzuheben.

b)

Der Klägerin daneben eine fiktive Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuzurechnen, wie der Beklagte das fordert, kommt nicht in Betracht. Voraussetzung wäre die Feststellung, dass sie es vorwerfbar unterlassen hat, einen tatsächlich gegebenen Rentenanspruch im Klagewege durchzusetzen. Das ist nicht möglich. Der Rentenantrag ist mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit keine drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt habe. Der Beklagte hält diese Argumentation deshalb für falsch, weil die Erwerbsunfähigkeit bereits im Jahre 1975 bei der Geburt der Tochter Sandra eingetreten sei und zum damaligen Zeitpunkt die rententechnischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente noch vorgelegen hätten. Wollte die Klägerin aber so argumentieren, müsste sie beweisen, dass schon im Jahr 1975 die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente vorgelegen haben. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil der Krankheitsverlauf nach dem eigenen Vortrag des Beklagten schwankend war und schlechte mit guten Phasen abwechselten. Unter diesen Umständen ist ausgeschlossen, für einen weit in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt sichere Feststellungen über eine irreversible Erwerbsunfähigkeit zu treffen.

3.1.3 Bedarfsberechnung

a)

Da zum Lebensbedarf auch die Kosten für eine Versicherung gegen Krankheit gehören, § 1578 Abs. 2 BGB, hat der Beklagte nicht nur für den Elementarbedarf der Klägerin, sondern auch für den von ihr zu zahlenden Krankenkassenbeitrag aufzukommen, der im Jahr 2002 gemäß den vorgelegten Unterlagen 111,- € pro Monat betragen hat. Dieser Beitrag ist vorab vom Einkommen des Beklagten abzuziehen, bevor der Quotenunterhalt berechnet wird. Also ergibt sich folgende Berechnung des Bedarfs:

 Nettoeinkommen des Beklagten(nach Abzug der vwL)2.468,00 €
+ möglicher Realsplittingvorteil155,82 €
+ Steuervorteil0,00 €
 2.623,82 €
./. berufsbedingte Aufwendungen103,12 €
./. negativer Wohnwert188,00 €
verfügbares Einkommen2.332,70 €
./. Krankenkassenbeitrag für die Klägerin111,00 €
./. fiktiv anzurechnendes Einkommen der Klägerin 325,00 €
Differenz1.896,70 €
davon 3/7812,87 €

b)

Aus diesem Betrag ist der gemäß § 1578 Abs. 3 geschuldete Altersvorsorgeunterhalt zu berechnen, der bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abänderung zusätzlich geltend gemacht werden kann, auch wenn er nicht Bestandteil der abzuändernden Verurteilung war. Die Berechnungsgrundlagen ergeben sich aus der Bremer Tabelle:

 812,87 €* 117%951,06 €
davon 19,1%181,65 €

korrigierter Elementarunterhalt:

 verfügbares Einkommen des Beklagten2.332,70 €
./. Krankenkassenbeitrag für die Klägerin111,00 €
./. Altersvorsorgeunterhalt181,65 €
./. fiktiv anzurechnendes Einkommen der Klägerin 325,00 €
Differenz1.715,05 €
davon 3/7735,02 €

Die Klägerin kann also 111,00 € + 181,65 € + 735,02 € = 1.027,67 € verlangen. Der Betrag ist auf 1.028,00 € aufzurunden.

3.1.4 Leistungsfähigkeit:

Die Leistungsfähigkeit des Beklagten ist nicht tangiert. Ihm bleiben - schon ohne Berücksichtigung des Vorteils der Deputatkohle und der tatsächlich geflossenen Steuererstattung - als Selbstbehalt 2.332,70 €./. 1.028,- € = (1.304,70 €, das ist mehr als der angemessene Selbstbehalt von 1.000,- €.

3.2 Ansprüche für die Zeit von August bis Dezember 2002:

Die Berechnung ändert sich, weil das Haus, dessen Nutzung die Ehe geprägt hat, verwertet worden ist, indem der Beklagte im Juli 2002 den daran bestehenden Miteigentumsanteil der Klägerin übernommen hat. In diesen Fällen darf nach der Rechtsprechung des Senats kein Ehegatte gegenüber einem Verkauf der Immobilie an Dritte schlechter gestellt werden. Es ist daher so zu rechnen, als sei der beim Verkauf an einen Dritten erzielbare Erlös zur Tilgung der Schulden verwendet und der überschießende Erlös geteilt worden. Also entfällt die Berücksichtigung von Grundstückslasten, während sich die beiderseits möglichen Zinseinkünfte bei der Berechnung des Ehegattenunterhalt wertneutral auswirken und ausgeblendet werden können (Wendl/Staudigl/Gerhard, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 1, Rdnr. 394, 385).

Also entfällt ab August 2002 die Berücksichtigung des negativen Wohnwerts, so dass sich folgende Neuberechnung des Bedarfs der Klägerin ergibt:

a)

 Nettoeinkommen des Beklagten(nach Abzug der vwL)2.468,00 €
+ möglicher Realsplittingvorteil155,82 €
+ Steuervorteil0,00 €
 2.623,82 €
./. berufsbedingte Aufwendungen103,12 €
./. negativer Wohnwert0,00 €
verfügbares Einkommen des Beklagten2.520,70 €
./. Krankenkassenbeitrag für die Klägerin111,00 €
./. fiktiv anzurechnendes Einkommen der Klägerin325,00 €
Differenz2.084,70 €
davon 3/7893,44 €

Aus diesem Betrag ist der Altersvorsorgeunterhalt zu berechnen:

 893,44 € * 119 %1.063,20 €
davon 19,1%203,07 €

korrigierter Elementarunterhalt:

 verfügbares Einkommen des Beklagten2.520,70 €
./. Krankenkassenbeitrag für die Klägerin111,00 €
./. Altersvorsorgeunterhalt203,07 €
./. fiktiv anzurechnendes Einkommen der Klägerin325,00 €
Differenz1.881,63 €
davon 3/7806,41 €

Die Klägerin kann also 111,00 € + 203,07 € + 806,41 € = 1.120,48 €, aufgerundet 1.121,00 € verlangen.

c)

Die Leistungsfähigkeit des Beklagten ist weiterhin nicht tangiert. Ihm bleiben als Selbstbehalt 2.520,70 € ./. 1.121,- € = 1.399,70 €, wiederum deutlich mehr als der angemessene Selbstbehalt von 1.000,- €.

3.3 Ansprüche der Klägerin für 2003:

3.3.1 Einkommen des Beklagten in 2003:

a)

Der Beklagte hat nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes bei der D Anpassungsgeld vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie Aufstockungszahlungen seiner früheren Arbeitgeberin erhalten. Aus den vorgelegten Unterlagen errechnet sich folgendes Durchschnittseinkommen:

 Januar bis Juni6 * 2,028,91 €12.173,46 €
Juli bis Dezember6 * 2.050,10 €12.300,06 €
Zuschuss der D gemäß der Dezemberabrechnung989,86 €989,86 €
Einmalzahlung November296,48 €./. 81,29€ 215,19 €
  25.678,57 €

Durchschnittlich sind das 2.139,88 €. Da vom monatlichen Anpassungsgeld nach dem Bescheid des Bundesamtes für Wirtschaft jeweils noch der vom Beklagten zu zahlende Anteil an der Pflegeversicherung sowie der Beitrag zur IGBCE einbehalten worden ist/diese Abzüge aber nicht exakt beziffert worden sind, sind sie vom Senat zu schätzen. Sie haben ab Juli 2003 monatlich 17,86 € betragen, denn das Anpassungsgeld von monatlich 2.050,10 € ist ab diesem Zeitpunkt nur in Höhe von 2.032,24 € ausgezahlt worden, wie sich aus den vorgelegten Kontoauszügen ergibt. Also ist von durchschnittlichen Einkünften von 2.139,88 € ./. 17,86 € - 2.122,02 € auszugehen.

b) Realsplitting:

Aus dem Steuerbescheid für 2003 ergibt sich, dass der Beklagte die Steuern, die er auf die Leistungen der D im Januar und November 2003 zahlen musste, wegen der Geltendmachung des Realsplittings und der Vorsorgepauschale komplett erstattet bekommen hat. Da die Klägerin nach den obigen Ausführungen aber nur Anspruch auf Teilhabe am Realsplitting hat, stellt der Senat nur die Steuererstattung in die Berechnung ein, die bei Abzug der Werbekostenpauschale und des Freibetrags für gezahlte Unterhaltsbeträge angefallen wäre:

Der Beklagte hätte dann 15.896,- € ./. 1.044,- € ./. 3.590,- € - 11.262,- € versteuern und 911,- € Einkommenssteuern zahlen müssen. Von den tatsächlich gezahlten Steuern in Höhe von 1.324,76 € wären ihm also 413,76 € erstattet worden. Das sind monatsanteilig 34,48 €.

c)

Berufsbedingte Aufwendungen fallen weg.

3.3.2

Fiktive Einkünfte der Beklagten sind im bisherigen Umfang zu berücksichtigen. 3.3.3 Bedarfsberechnung:

a)

Der vom Beklagten vorweg zu tragende Krankenkassenbeitrag der Klägerin ist nach den Unterlagen auf monatlich 112,66 € gestiegen. Unter Beachtung der Tatsache, dass der Beklagte nicht mehr erwerbstätig ist und deshalb keinen Erwerbstätigenbonus mehr beanspruchen kann, ist der Bedarf der Klägerin nunmehr nach dem Halbteilungsgrundsatz zu berechnen:

 Einkommen des Beklagten aus Anpassungsgeld pp.2.122,02 €
Steuererstattung34,48 €
zusammen2.156,50 €
./. Krankenkassenbeitrag der Klägerin112,66 €
./. fiktive Einkünfte der Klägerin (6/7 von 325,00 €)278,57 €
Differenz1.765,27 €
davon 1/2882,64 €

b)

Aus dem Betrag von 882,64 € ist der Altersvorsorgeunterhalt zu berechnen:

 882,64 €* 119%1.050,34 €
davon 19,5%204,82 €

korrigierter Elementarunterhalt:

 verfügbares Einkommen des Beklagten2.156,50 €
./. Krankenvorsorgeunterhalt112,66 €
./. Altersvorsorgeunterhalt204,82 €
./. fiktiv anzurechnendes Einkommen der Klägerin278,57 €
Differenz1.560,45 €
davon 1/2780,23 €

Insgesamt sind also zu zahlen: 112,66 € + 204,82 € + 780,23 € = 1.097,71 €, aufgerundet 1.098,- €.

c)

Der Anspruch sinkt also gegenüber dem des Jahres 2002 um 23,- €. Dem steht gegenüber, dass der Beklagte aus Anlass der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses folgende Abfindung bekommen hat:

 Dezember 200210.266,00 €
Januar 200314.609,68 €
./. darauf gezahlte Steuern1.324,76 €
verbleiben23.550,92 €

Da Abfindungen Lohnersatzfunktion haben und der Wahrung des sozialen Besitzstandes dienen, muss der Beklagte diesen Betrag einzusetzen, um seine Einkünfte so aufzustocken, dass er in bisheriger Höhe Unterhalt zahlen kann (Kalthoener/ Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Auflage, Rdnr. 794).

Auf den Verbrauch der Abfindung zur Übernahme des gemeinsamen Hauses kann sich der Beklagte nicht berufen. Zwar kann die Abfindung auch zur Tilgung vorhandener Schulden oder für unabweisbar notwendige Anschaffungen eingesetzt werden, nicht aber wie hier zur Vermögensbildung. Der Beklagte muss sich daher so behandeln lassen, als stünde ihm die Abfindung noch zur Verfügung, was er durch Verkauf des übernommenen Hauses jederzeit wieder realisieren kann, denn bei einem Verkehrswert des Grundstücks von rund 170.000,- € ergibt sich unter Berücksichtigung der noch bestehenden Belastungen von 53.381,39 € und 47.400,- € ein realisierbarer Erlös von 69.000,- €.

Um in bisheriger Höhe Unterhalt zahlen zu können, ist nur erforderlich, das laufend verfügbare Einkommen um monatlich 40,00 € zu erhöhen, wie die folgende Berechnung zeigt:

 bisher verfügbares Einkommen2.156,50 €
Aufstockung40,00 €
zusammen2.196,50 €
./. Krankenkassenbeitrag der Klägerin112,66 €
./. fiktive Einkünfte (6/7 von 325,00 €)278,57 €
Differenz1.805,27 €
davon 1/2902,64 €

Aus diesem Betrag ist der Altersvorsorgeunterhalt zu berechnen:

 902,64 € * 120%1.083,17 €
davon 19,5%211,22 €

korrigierter Elementarunterhalt:

 verfügbares Einkommen des Beklagten2.196,50 €
./. Krankenvorsorgeunterhalt112,66 €
./. Altersvorsorgeunterhalt211,22 €
./. fiktiv anzurechnendes Einkommen der Klägerin278,57 €
Differenz1.594,05 €
Davon 1/2797,03 €

Unter Einsatz der Abfindung sind also zu zahlen: 112,66 € + 211,22 € + 797,03 € = 1.120,91 €, gerundet 1.121,- €.

3.3.4 Leistungsfähigkeit:

Da dem Beklagten unter Berücksichtigung der Abfindung monatlich 2.196,50 € zur Verfügung stehen, bleiben ihm zum eigenen Verbrauch 1.075,50 € und damit (auch ohne Einbeziehung der Deputatkohle) weiterhin mehr als der angemessene Selbstbehalt.

3.4 Ansprüche der Klägerin für 2004:

3.4.1 Einkommen des Beklagten:

a)

Das Anpassungsgeld und die Aufstockung durch die frühere Arbeitgeberin haben pro Monat 2.050,10 € + 66,38 € = 2.116,48 € betragen. Sonderzahlungen sind nicht mehr erfolgt. Nach Abzug des Eigenanteils zur Pflegeversicherung sind folgende Beträge ausgezahlt worden:

 Januar bis März (3 * 2.099,06 €)6.297,18 €
April bis Juni (3 * 2.081,63 €)6.244,89 €
Juli2.068,63 €
August bis Dezember (5 * 2.080,50 €)10.402,50 €
zusammen25.013,20 €
davon 1/122.084,43 €

b)

Vorteile aus dem Realsplitting entfallen, weil der Beklagte keine Steuern mehr zahlt.

c)

Wie oben berechnet, muss der Betrag von 2.084,43 € auf 2.196,50 € aufgestockt werden, um Unterhalt in bisheriger Höhe zahlen zu können. Das sind pro Monat 112,07 €, die aus der Abfindung von ursprünglich 23.550,92 € ohne weiteres aufzubringen sind (in 2003 sind davon nur 12 * 40,00 € = 480,00 € verbraucht worden).

3.4.2

An der Einkunftssituation der Klägerin hat sich nichts verändert.

3.4.3

Es bleibt daher bei dem für 2003 errechneten Anspruch von 1.121,- €. Dass sich der Krankenkassenbeitrag der Klägerin monatsdurchschnittlich um rund 1,- € erhöht hat, was zu geringen Veränderungen führen könnte, rechtfertigt keine Neuberechnung.

3.5 Ansprüche für Januar und Februar 2005:

Der Beklagte erhält aus Anpassungsgeld und Aufstockungszahlungen der Arbeitgeberin monatlich nunmehr 2.080,50 €. Um den zur Beibehaltung der bisherigen Unterhaltszahlungen erforderlichen Betrag von 2.196,50 € zu erreichen, sind aus der Abfindung (die sich in 2004 um 12 * 112,07 € = 1.344,84 € verringert hat) monatlich 116,00 € aufzuwenden.

Es bleibt also unter Berücksichtigung der Pflicht zur Aufstockung der laufenden Einkünfte aus der Abfindung bei einem Anspruch von 1.121,00 €.

3.5 Ansprüche ab März 2005:

Der Beklagte macht geltend, es müsse nunmehr berücksichtigt werden, dass die Klägerin in einer beschützten Werkstatt arbeite, Kosten durch die dortige Verpflegung erspare und von der Gemeinde Mettingen Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz erhalte. All dies ändert aber _nichts am errechneten Unterhaltsanspruch von 1.121,00 €, der bis zum Verbrauch der Abfindung weiterhin zu zahlen sein wird.

a)

Die Klägerin erhält zwar seit dem 01.04.2005 Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII (bisher: Grundsicherungsgesetz) in Höhe von monatlich 177,87 €, diese sind aber subsidiär und erhöhen ihr Einkommen nicht, denn in dieser Höhe sind die gegen den Beklagten gerichteten Unterhaltsansprüche gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf die Stadt Mettingen übergegangen. Der in § 94 Abs. 1 Satz 3 angeordnete Ausschluss des Übergangs von Unterhaltsansprüchen des Beziehers von Grundsicherungsleistungen betrifft nur Ansprüche gegenüber Eltern und Kindern, nicht aber Ansprüche gegenüber getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Auflage, Rdnr. 188d).

Die übergegangenen Ansprüche können auf Grund der mit der Stadt Mettingen vereinbarten Inkassozession vom 11.06.2003 weiterhin von der Klägerin geltend gemacht werden.

b)

Das von der Knappschaft zur Wiedereingliederung gezahlte Übergangsgeld von monatlich 213,60 € übersteigt das der Klägerin fiktiv zugerechnete Einkommen von 325,- € nicht, auch wenn man das Mittagessen im Wert von 2,50 € pro Arbeitstag mit monatlich 45,83 € (2,50 € * 220 Arbeitstage : 12 Monate) hinzurechnet. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation ergibt sich daraus also nicht.

4. Ausschluss/Beschränkung des Unterhaltsanspruchs gem. § 1579 Ziffer 7 BGB:

Die Auffassung des Amtsgerichts, dass dem Beklagten wegen der schon in der Ehezeit getragenen Doppelbelastung nicht zumutbar sei, mehr als den bisherigen Unterhalt an seine geschiedene Frau zu zahlen, hat der Senat gründlich erwogen, vermag ihr aber im Ergebnis nicht zu folgen. Zwar ist dieser nur zur Verteidigung des abzuändernden Urteils vorgebrachte Einwand entgegen der Auffassung der Klägerin nicht präkludiert, die aus der obergerichtlichen Rechtsprechung zitierten Präzedenzfälle, in denen Ansprüche auf Zahlung von Krankheitsunterhalt gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB gekürzt oder ausgeschlossen worden sind, sind aber mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Eine Fortentwicklung der unter § 1579 Ziffer 7 zu subsumierenden Fälle erscheint nicht geboten.

a)

Nach der Rechtsprechung des BGH gehört es geradezu typisch zum Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft und der daraus folgenden nachehelichen Solidarität, dass schicksalhafte Entwicklungen gemeinsam getragen werden müssen, auch wenn und soweit sie schon vorehelich angelegt waren und über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus gemäß § 1572 BGB fortwirken. Deshalb darf der Umstand einer vorehelichen Erkrankung, deren Vorliegen die Erfüllung des Tatbestandes des § 1572 nach der gesetzgeberischen Zielsetzung gerade nicht hindern soll, nicht gegenläufig auf dem Weg über die Härteklausel des § 1579 Ziffer 7 zum Ausschluss oder zur Begrenzung des Anspruchs herangezogen werden (BGH NJW 94, Seite 1286, 1287).

b)

Von der Frage, ob das Vorhandensein der Krankheit vor der Ehe den Anspruch ausschließen oder beschränken kann, ist die Frage zu unterscheiden, ob § 1579 BGB aus anderen Gründen eingreift. Die vom Amtsgericht und dem Beklagten angeführten Entscheidungen, die krankheitsbedingte Unterhaltsansprüche gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB ausgeschlossen oder begrenzt haben, sind aber sämtlich anders als der vorliegende Fall gelagert und rechtfertigen die angenommene Beschränkung des Anspruchs nicht:

aa)

Das Amtsgericht hat sich auf eine Entscheidung des OLG Oldenburg gestützt, wonach es die Grenzen der zumutbaren nachehelichen Solidarität überschreite, wenn die schweren Krankheitsfolgen nicht nur der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entgegenstünden, sondern darüber auch einen außergewöhnlich hohen Pflegebedarf erforderten, der jedes für den durchschnittlichen Bürger vorstellbare Maß übersteige. Das gelte zumindest dann, wenn sich die Eheschließung auf die berufliche Entwicklung des Berechtigten nicht nachteilig ausgewirkt habe (NJW 91, 3222). Ein solcher Extremfall liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat keinen besonderen Pflegebedarf, sondern kommt mit dem Existenzminimum aus. Darüber hinaus lässt sich auch nicht feststellen, dass sich die Eheschließung nicht nachteilig auf die berufliche Entwicklung der Klägerin ausgewirkt hat. Zum einen ist die psychische Erkrankung im Zusammenhang mit der ersten Geburt aufgebrochen. Die Frage, ob sie auch ohne die Ehe manifest geworden wäre, ist damit offen und wird nicht zu klären sein. Darüber hinaus ist nach dem eigenen Vortrag des Beklagten davon auszugehen, dass schon im Jahre 1975 die Wartezeit für eine Erwerbsunfähigkeitsrente erfüllt war. Hätte die Klägerin also ohne die Eheschließung bis zum Ausbruch der Krankheit weiter gearbeitet, hätte sie zumindest Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente gehabt, die nunmehr wegen der ehebedingten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nicht gezahlt werden kann. Insofern hat sie durch die Eheschließung Nachteile in ihrer Versorgungssituation erlitten.

bb)

Der BGH hat eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs aus § 1572 BGB in einem Fall bejaht, in dem die Ehe zwar nicht von kurzer Dauer war, die Eheleute tatsächlich aber nur wenige Monate zusammen gelebt und ihre Lebensverhältnisse noch nicht aufeinander eingerichtet hatten (BGH FamRZ 88, S. 930).

Fehlende Verflechtung in diesem Sinn liegt hier aber nicht vor, weil die Ehe 20 Jahre gedauert hat und die Klägerin durch die Geburt der Kinder und die lange Einbindung in die Ehe vom Beklagten wirtschaftlich gänzlich abhängig geworden ist und keine eigenen Versorgungsansprüche aufbauen konnte, die sie bei Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit ohne die Eheschließung auch dann gehabt hätte, wenn es in gleicher Weise zum Ausbruch der Psychose gekommen wäre.

cc)

Das OLG Brandenburg (FamRZ 96, S. 866 ff.) hat angenommen, dass die Zubilligung eines zeitlich unbegrenzten Unterhaltsanspruchs gemäß § 1572 grob unbillig sei, wenn die den Unterhaltsanspruch begründende Krankheit bereits bei der Eheschließung bestanden habe, Nachteile des Unterhaltsberechtigten durch die Eheschließung nicht entstanden seien und der Verpflichtete nach der Trennung durch die Betreuung eines gemeinsamen Kindes doppelt belastet worden sei. Auch dieser Fall ist trotz der Parallelität bei der Doppelbelastung nicht vergleichbar, weil sich die Versorgungssituation vorliegend durch die Eheschließung sehr wohl nachteilig entwickelt hat und die Krankheit erst während der Ehe aufgetreten ist.

dd)

Schließlich ist auch die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung zitierte Entscheidung des OIG Hamm vom 23.09.1997 (FamRZ 1998, S. 371) nicht als Präzedenzfall für die Begründung einer Anspruchsbeschränkung geeignet. In diesem Urteil ist die Verwirkung gemäß § 1579 Nr. 7 BGB allein darauf gestützt worden, dass der Unterhaltsberechtigte mehrere Verwirkungstatbestände des § 1579 Nr. 1 bis 6 über einen längeren Zeitraum in besonders massiver Weise verwirklicht hatte, ohne dafür wegen verminderter Schuldfähigkeit verantwortlich gemacht werden zu können. Dass die Klägerin dem Beklagten in ähnlicher Weise geschadet oder das Leben schwer gemacht hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Doppellbelastung des Beklagten beruhte vielmehr allein darauf, dass sie ihre Aufgaben als Hausfrau krankheitsbedingt nicht wahrnehmen konnte.

c)

Also bleibt nur die Frage, ob allein die vom Amtsgericht zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemachte, von der Klägerin nicht zu vertretende Doppelbelastung des Beklagten während der Ehe als anderer, den übrigen Härtegründen gleichzustellender Grund im Sinne von § 1579 Ziffer 7 BGB zu werten ist, der eine Beschränkung der Unterhaltsansprüche rechtfertigen könnte. Diese Frage kann nach Auffassung des Senats nur verneint werden, auch wenn man mit dem Amtsgericht gebührend berücksichtigt, dass der Beklagte durch die unverkürzte Unterhaltspflicht möglicher Weise gezwungen wird, das während der Ehe gemeinsam errichtete und nach der Scheidung allein übernommene Haus zu veräußern. Der Beklagte hat die angesprochene Doppelbelastung nach eigenem Vortrag aus ehelicher Gesinnung auf sich genommen. Das ist anzuerkennen, kann aber kein Grund sein, die ebenso auf dem Eheversprechen beruhende nacheheliche Solidarität zu verkürzen. Ob etwas anderes gelten müsste, wenn die Doppelbelastung des Beklagten zu Nachteilen für seine Gesundheit und sein berufliches Fortkommen geführt hätte, bedarf keiner Entscheidung, denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die möglicher Weise eintretende Notwendigkeit, das Haus in Folge der bestehenden Unterhaltspflichten zu veräußern, kann bei der Bewertung der übernommenen Doppelbelastung keine Rolle spielen, denn das ist keine ungewöhnliche Folge des Zerbrechens der Ehe. Trennung und Scheidung machen vielmehr häufig erforderlich, ein während der Ehe angeschafftes Haus zu veräußern, weil die trennungsbedingte doppelte Haushaltsführung regelmäßig zu Mehrkosten führt, welche eine Fortsetzung der bisherigen Vermögensbildung unmöglich machen.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

6.

Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, besteht nicht, weil es zur Frage der Anwendung von § 1579 Ziffer 7 BGB keine abweichenden obergerichtlichen Entscheidungen gibt und eine Fortbildung des Rechts nicht geboten erscheint.

Ende der Entscheidung

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