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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.12.1999
Aktenzeichen: 13 U 111/99
Rechtsgebiete: StVG, StVO, PlfVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

StVG § 7
StVG § 17
StVG § 18
StVG § 17 Abs. 1
StVO § 5 Abs. 2 S. 1
StVO § 2 Abs. 2
StVO § 1 Abs. 2
StVG § 17 Abs. 1 S. 2
PflVG § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847
BGB § 421
BGB § 249 ff.
BGB § 823
BGB § 897
BGB § 849
BGB § 284
BGB § 286
BGB § 288
ZPO § 91a
ZPO § 92 Abs. 1 S. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 111/99 OLG Hamm 4 O 18/99 LG Paderborn

Verkündet am 13. Dezember 1999

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Zumdick und den Richter am Landgericht Lopez Ramos

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 20. April 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 10.096,47 DM nebst 11,75 % Zinsen aus 7.866,67 DM für die Zeit vom 17.11.1998 bis 14.1.1999, 11,75 % Zinsen aus 10.096,47 DM für die Zeit vom 15.1.1999 bis 22.1.1999, 11,75 % Zinsen aus 5.063,78 DM für die Zeit vom 23.1.1999 bis 16.3.1999 sowie 4 % Zinsen für den genannten Zeitraum aus 5.032,69 DM, 11,75 % Zinsen aus 10.096,47 DM für die Zeit vom 17.3.1999 bis 17.5.1999 sowie 8,75 % Zinsen aus 10.096,47 DM seit dem 17.5.1999, abzüglich am 26.1.1999 gezahlter 5.000,00 DM zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 34 % und die Beklagten 66 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Beklagten in Höhe von 5.096,47 DM und den Kläger um 4.998,24 DM.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 8.11.1998 gegen 17.00 Uhr auf der K 20 zwischen ereignete und an welchem u.a. der Kläger mit seinem Opel Kadett und der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Motorrad Yamaha beteiligt waren, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Der Kläger befuhr die K 20 von in Richtung . Im Bereich einer S-Kurve, die aus Sicht des Klägers mit einer Linkskurve beginnt, kam es aus streitiger Ursache zu einer Streifkollision zwischen dem Pkw des Klägers und dem entgegenkommenden Motorrad des Beklagten zu 1). Dieser hatte zuvor den vor ihm fahrenden Audi des Zeugen überholt. Durch die Kollision geriet der Pkw des Klägers ins Schleudern, so daß der Pkw mit dem Pkw des Zeugen B sowie mit einem weiteren hinter diesem fahrenden Motorrad (des Zeugen K ) kollidierte. Die K 20 steigt in Richtung des Beklagten zu 1) im Unfallbereich an. Die Straße ist im Unfallbereich rund 5 m breit. Eine Mittelmarkierung ist nicht vorhanden.

Der Kläger begehrt materiellen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 14.094,71 DM unter Einschluß einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 738,00 DM, die hinsichtlich des Tagessatzes im Streit ist. Darüber hinaus verlangt der Kläger die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000,00 DM mit der Behauptung, er habe unfallbedingt eine HWS-Zerrung mit anschließender vegetativer Begleitsymptomatik erlitten. Die Beklagte zu 2) hat nach Klagezustellung auf den geltend gemachten materiellen Schadensersatz einen Betrag in Höhe von 5.000,00 DM gezahlt.

Der Kläger behauptet, das Motorrad des Beklagten zu 1) sei ihm auf seiner Fahrspur entgegengekommen. Die Kollision habe sich im Eingangsbereich der Kurve ereignet.

Demgegenüber behaupten die Beklagten, der Beklagte zu 1) habe das Überholmanöver bereits vor Beginn der Rechtskurve Vollständig abgeschlossen und sich wieder komplett auf seiner Fahrspur befunden, als es zur Kollision mit dem Pkw des Klägers gekommen sei. Dieser sei offensichtlich zu schnell gefahren und habe die Kurve geschnitten.

Das Landgericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen E und B sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen . Mit dem angefochtenen Urteil hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen stehe fest, daß sich der Kläger zum Kollisionszeitpunkt in der Mitte der Fahrbahn bzw. bereits mit der linken Seite auf der Gegenfahrbahn befunden habe. Demgemäß sei eine Haftungsquote von 75 % zu 25 % zu Lasten des Klägers angemessen. Demnach stünden dem Kläger unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu 2) geleisteten Zahlung in Höhe von 5.000,00 DM keine Ansprüche mehr zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein ursprüngliches Klageziel in vollem Umfange weiterverfolgt. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und greift insbesondere die Ausführungen des Sachverständigen an. Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B K , und E sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des, Sachverständigen Dipl.-Ing. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat zum Teil Erfolg. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet.

Die Beklagten sind gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PflVG, 823 Abs. 1, Abs. 2, 847, 421, 249 ff. BGB verpflichtet, dem Kläger aufgrund des Verkehrsunfalls vom 08.11.1998 2/3 seines materiellen Schadens; mithin 9.396,97 DM, zu ersetzen (I.). Des weiteren steht dem Kläger (unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 1/3) ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 700,00 DM zu (II.). Dies führt zu einem Gesamtanspruch von insgesamt 10.096,47 DM abzüglich von der Beklagten zu 2) nach Rechtshängigkeit auf den materiellen Schaden geleisteter 5.000,00 DM.

I.

Der Unfall vom 8.11.1998 auf der K 20 zwischen und ist durch unfallursächliches schuldhaftes Verhalten sowohl des Beklagten zu 1) als auch des Klägers verursacht worden. Die gemäß § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile führt zum Ergebnis, daß der Unfall überwiegend von dem Beklagten zu l) verursacht worden ist. Dies führt zu einer Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Beklagten.

1. Dem Beklagten zu 1) ist ein schuldhafter Verstoß gegen § 5 Abs. 2 S. 1 StVO anzulasten.

a) Nach dieser Vorschrift darf nur überholt werden, wenn während des ganzen Überholvorganges eine Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Dies bedeutet, daß nur mit äußerster Sorgfalt überholt werden darf. Dieser Sorgfaltsmaßstab ist nicht beachtet, wenn nicht die gesamte Überholstrecke schon vorher überblickt werden kann. Insbesondere muß der Überholer überblicken können, daß der gesamte Vorgang vom Ausscheren bis zum Wiedereingliedern mit ausreichendem Abstand unter Berücksichtigung etwaigen Gegenverkehrs für einen durchschnittlichen Fahrer ohne jede Wagnis gefahr- und behinderungslos möglich sein wird. Muß der Fahrer zum Überholen die Gegenfahrbahn benutzen, darf er nur Überholen, wenn er diese auf der gesamten zum Überholen benötigten Strecke zuzüglich des Weges überblicken kann, den ein etwaiges mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit entgegenkommendes Fahrzeug zurücklegt. Das Überholen ist erst mit dem Wiedereingliedern nach rechts mit ausreichendem Abstand beendet (vgl. Jagusch-Hentschel, 35. Aufl. zu § 5 StVO, Rdnr. 23, 25 m.w.N. ).

b) Nach dem Ergebnis der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Beklagte zu 1) objektiv und subjektiv diese Sorgfaltspflichten verletzt hat. Die dem Beklagten zu 1) zur Verfügung stehenden Sichtverhältnisse ließen die Durchführung eines jede Behinderung ausschließenden Überholvorganges nicht zu.

aa) Nach den nachvollziehbaren, auf die Unfallspuren und die Beschädigungsbilder der beteiligten Fahrzeuge beruhenden Ausführungen des Sachverständigen, denen der Senat folgt, ereignete sich die Kollision zwischen dem Krad des Beklagten zu 1) und dem Fahrzeug des Klägers ca. im Bereich der aus den Anlagen A 8, A 23, A 26 und B 1 ersichtlichen "0,4 km"-Markierung. Nach der vom Sachverständigen durchgeführten Geschwindigkeitsrückrechnung betrug die Kollisionsgeschwindigkeit des Krades 50 bis 65 km/h und die Kollisionsgeschwindigkeit des Fahrzeuges des Klägers rund 65 - 70 km/h. Geht man von einer Überholgeschwindigkeit des Krades von 65 km/h aus, befanden sich der Pkw des Zeugen B und das Krad des Beklagten zu 1) rund 85 m vor der späteren Kollisionsstelle (und rd. 70 m vor der "0Position") auf einer Höhe (Anlage C 1 zum Gutachten). Die dem Beklagten zu 1) kurz vor diesem Zeitpunkt (Überholentschluß) zur Verfügung stehende Sichtweite betrug jedoch keinesfalls die bei den gefahrenen Geschwindigkeiten erforderliche Strecke, um einen jede Behinderung ausschließenden Überholvorgang durchzuführen. Diese beträgt nach den Ausführungen des Sachverständigen bei einer mittleren Ausgangsgeschwindigkeit von 70 km/h rd. 200 bis 240 m. Aus dem unteren Lichtbild der Anlage B 4 zum Gutachten wird jedoch anschaulich deutlich, daß die Sichtweite lediglich rund 100 m betrug.

Die Feststellungen des Sachverständigen werden durch die Aussage des Zeugen B vollumfänglich bestätigt. Der Zeuge B hat bekundet, daß sich der Beklagte zu 1) ungefähr auf der Höhe des Wäldchens (unteres Lichtbild der Anlage B 3 zum Gutachten) zum Überholen entschloß. Dies entspricht nahezu den aus dem Lichtbild der Anlage B 4 ersichtlichen Position. Geht man von einer Überholgeschwindigkeit von 75 km/h aus, so befanden sich der Pkw und das Krad des Beklagten zu 1) rund 60 m vor der späteren Kollisionsstelle (und 45 m vor, der "0-Position") auf einer Höhe. Dann konnte der Beklagte zu 1) die Fahrbahn ausweislich des oberen Lichtbildes der Anlage B 6 lediglich auf einer - erst recht nicht ausreichenden - Strecke von rd. 70 m einsehen.

bb) Der von dem Beklagten zu 1) eingeleitete Überholvorgang war zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht beendet.

Zwar steht nicht fest, daß sich der Beklagte zu 1) zum Kollisionszeitpunkt noch auf der Gegenfahrspur befunden hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen kann lediglich davon ausgegangen werden, daß sich die Kollision - bezogen auf den Querverlauf - im Bereich der (gedachten) Mittellinie ereignet hat. Eine nähere Eingrenzung konnte der Sachverständige nicht vornehmen. Demnach ist es möglich, daß der Zusammenstoß geringfügig auf der von dem Beklagten zu 1) oder auf der vom dem Kläger befahrenen Fahrspur stattfand. Jedoch ist es für die Entscheidung, ob der Überholvorgang zum Kollisionszeitpunkt bereits beendet war, nicht maßgeblich, wo sich die Kollision genau ereignet hat. Nach den Feststellungen des Sachverständigen befand sich der Pkw des Zeugen B zum Zeitpunkt der Kollision rd. 11 m von dem Krad des Beklagten zu 1) entfernt. Weiter ist zu berücksichtigen, daß die vom Sachverständigen festgestellte Kollisionsgeschwindigkeit des Krades 65 km/h betrug und sich die Kollision jedenfalls im Bereich der (gedachten) Mittellinie ereignete. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß sich der Beklagte zu 1) noch nicht ordnungsgemäß wieder mit ausreichendem Abstand in seine Fahrspur eingegliedert hatte, so daß die Kollision noch während des Überholvorgangs stattfand.

Diese aus den Feststellungen des Sachverständigen folgende Schlußfolgerung wird durch die Aussagen der Zeugen B und E bestätigt. Diese haben übereinstimmend bekundet, der Beklagte zu 1) habe sich noch nicht wieder nach rechts eingeordnet, als sich die Kollision ereignete. Der entgegenstehenden Aussage des Zeugen K vermag der Senat nicht zu folgen. Der Zeuge K hat nicht plausibel erklären können, warum er sich unmittelbar nach dem Unfall an Einzelheiten nicht hat erinnern können, jetzt die Erinnerung an den Fahrvorgang des Beklagten zu 1) aber vorhanden sein soll.

2. Dem Kläger ist ein unfallursächlicher Verstoß gegen die aus § 2 Abs. 2 StVO folgende Pflicht, möglichst weit rechts zu fahren, anzulasten.

a) Bei dem in § 2 Abs. 2 StVO normierten Rechtsbegriff handelt es sich nicht um einen starren Begriff, sondern es sind verkehrsgerechte Abweichungen zulässig. Diese sind abhängig von der Örtlichkeit, der Fahrbahnart- und Beschaffenheit, der Geschwindigkeit, den Sichtverhältnissen, dem Gegenverkehr etc. Insoweit hat der Fahrer einen gewissen Beurteilungsspielraum, so lange er sich soweit rechts hält, wie es im konkreten Fall "vernünftig" ist. Dieser Spielraum (immer nur bezogen auf die rechte Fahrbahnhälfte) entfällt jedoch, wenn die Strecke unübersichtlich wird, wie z. B. an Kuppen oder in Kurven. Da die Gefahr besteht, daß die Unübersichtlichkeit der Strecke ein eventuell erforderlich werdendes rechtzeitiges Ausweichen nach rechts nicht mehr zuläßt, muß der Fahrer die äußerste rechte Fahrbahnseite einhalten (vgl. BGH VersR 1996, 1299 m.w.N.).

b) Der Kläger hat gegen diese besonderen Sorgfaltspflichten verstoßen.

aa) Zum Zeitpunkt unmittelbar vor der Kollision befand sich der Kläger in einer Situation, in der ihm der grundsätzlich gegebene Ermessensspielraum (s. o.) nicht mehr zur Verfügung stand und er gehalten war, äußerst rechts zu fahren. Dies folgt aus der Unübersichtlichkeit der vom Kläger zu durch fahrenden, nicht einsehbaren Kurve (vgl. dazu Lichtbilder Anlagen B 11, B 12 zum Gutachten).

bb) Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist der Kläger nicht äußerst rechts gefahren. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob er sich noch auf seiner Fahrspur oder eventuell geringfügig auf der Gegenfahrspur befand, als es zur Kollision kam (s. o). Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen befand sich der Kläger zum Kollisionszeitpunkt mit der linken Seite seines Pkw jedenfalls im Bereich der (gedachten) Mittellinie. Bei einer Fahrspurbreite von 2,50 m und einer Pkw-Breite von 1,70 m verblieben dem Kläger noch 80 cm, um weiter rechts zu fahren. Im Hinblick auf die konkrete Situation war dies auch unbedingt geboten. Da es sich bei der späteren Kollision lediglich um eine Streifkollision mit geringer Überdeckung handelte, hätte der Kläger den Unfall vermeiden können, wenn er bereits 10 cm weiter rechts gefahren wäre. Dazu hätte es lediglich eines Fahrens in der Mitte seiner Fahrspur bedurft. Dieses Fehlverhalten gereicht dem Kläger zum Vorwurf.

c) Weitere Verstöße sind dem Kläger jedoch nicht anzulasten. Es kann weder festgestellt werden, daß der Kläger zu schnell gefahren ist noch daß er entgegen § 1 Abs. 2 StVO zu spät reagiert hat. Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen konnte der Kläger erst 2 Sekunden vor der späteren Kollision bemerken, daß ein Fahrzeug aus der Gegenrichtung kam. Zu diesem Zeitpunkt konnte er jedoch nicht sehen, wo sich dieses Fahrzeug genau auf der Fahrbahn befand. Diese Erkenntnis hatte der Kläger erst eine Sekunde vor der späteren Kollision. Zu diesem Zeitpunkt war es dem Kläger jedoch allenfalls möglich, eine Ausweichbewegung nach rechts durchzuführen; zu einem Abbremsen war er nicht mehr in der Lage.

3. Die gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 StVG vorzunehmende Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge führt zu einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten. Der schuldhafte Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 5 Abs. 2 S. 1 StVO hat deutlich schwerwiegender zur Unfallverursachung beigetragen als der schuldhafte Verstoß des Klägers gegen § 2 Abs. 2 StVO. Unter Berücksichtigung der Sichtweiten, die dem Beklagten zu 1) bei Einleitung des Überholvorganges zur Verfügung standen, stellt sich das Verhalten des Beklagten zu 1), als Verkehrsverstoß von deutlichem Gewicht dar. Demgegenüber ist das Fehlverhalten des Klägers als erheblich weniger gewichtig einzustufen.

4. Der ersatzfähige Unfallschaden des Klägers beläuft sich - wie von diesem vorgetragen - auf insgesamt 14.094,71 DM.

Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten gegen die Berücksichtigung der in diesem Betrag enthaltenen Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von täglich 82,- DM (insgesamt 738,00 DM). Der Einwand, bei der Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung sei im Hinblick auf das Alter des Fahrzeuges des Klägers lediglich der Tagessatz gemäß Gruppe D der Tabelle Sanden/Danner in Höhe von 72,00 DM heranzuziehen, ist nicht gerechtfertigt. Zwar war der Pkw des Klägers zum Unfallzeitpunkt bereits 9 Jahre alt. Nach Auffassung des Senats rechtfertigt jedoch allein dieser Umstand nicht die Feststellung, der Nutzungswert, der als Maßstab für die Bewertung der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung zu gelten hat, sei gemindert. Im Hinblick auf die konstruktionsbedingte Langlebigkeit heutiger Kraftfahrzeuge kann ohne das Hinzutreten besonderer Umstände(wie z. B. überdurchschnittlich hohe Laufleistung oder überdurchschnittlich hohe Beanspruchung aufgrund der Art der Weise des Einsatzes des Pkw) nicht ohne weiteres von einem lediglich eingeschränkten Nutzungswert ausgegangen werden. Solche Umstände sind jedoch vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Ausweislich des von dem Kläger eingereichten Schadensgutachtens vom 10. November 1998 befand sich sein Pkw im "guten" Zustand; Vorschäden waren nicht vorhanden und die Bereifung war neuwertig. Dementsprechend errechnet sich ein materieller Ersatzanspruch des Klägers in Höhe von 9.396,97 DM.

II.

Dem Kläger steht im Hinblick auf die schuldhafte Verursachung des Unfalls durch den Beklagten zu 1) gemäß §§ 823, 897 BGB auch ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes wegen der beim Unfall erlittenen Verletzungen zu.

Der Senat geht davon aus, daß der Kläger unfallbedingt eine HWS-Zerrung mit vegetativer Begleitsymptomatik erlitten hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Eintritt einer solchen Verletzung nicht bereits aufgrund des Unfallablaufes ausgeschlossen. Zwar hat es sich bei der Primärkollision zwischen dem Pkw des Klägers und dem Krad des Beklagten zu 1) lediglich um eine Streifkollision gehandelt. Es kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger unfallbedingt frontal mit dem Krad des Zeugen KM kollidiert ist. Darüber hinaus ist die von dem Kläger vorgetragene Verletzung ausweislich der ärztlichen Bescheinigung von Dr. vom 16.11.1998 röntgenologisch verifiziert worden. Auch hat der Kläger die Anschaffung der ihm von Dr. verschriebenen Schanz'schen Krawatte durch Vorlage der Rechnung vom 9. November 1998 (einen Tag nach dem Unfall) nachgewiesen.

Im Hinblick auf die durch die ärztliche Bescheinigung belegten Auswirkungen dieser Verletzung (MdE vom 8.11. bis zum 20.11. um 100 % und bis zum 30.11.1998 um 20 %, schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der HWS) erscheint dem Senat unter Berücksichtigung des Mitverursachungsbeitrages des Klägers ein Schmerzensgeld in Höhe von 700,00 DM angemessen.

III.

1. Dementsprechend errechnet sich ein Gesamtanspruch des Klägers in Höhe von 10.096,47 DM abzüglich am 26.1.1999 gezahlter 5.000,00 DM.

2. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 849, 284, 286, 288 BGB. Hierbei hat der Senat dem Umstand Rechnung getragen, daß Zinsen gemäß der Vorschrift des § 849 BGB, die auch für Ansprüche nach dem StVG gilt (BGH NJW 1983, 1614) nur bezüglich des Wertersatzes für den Entzug der Sache anwendbar ist und auch nur für die Zeit, für die keine Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht wird. Demgemäß war für den Beginn der Verzinsung auf den 17.11.1998 abzustellen und auch nur in Höhe von 2/3 des Wiederbeschaffungswertes von 11.800,00 DM, mithin 7.866,66 DM.

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91a, 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 546 Abs. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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