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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.10.2000
Aktenzeichen: 13 U 118/00
Rechtsgebiete: VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 67 Abs. 2
VVG § 67
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 426 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 344
ZPO § 700 Abs. 1
Leitsatz:

Keine grobe Fahrlässigkeit, wenn PKW-Fahrer beim Bedienen eines CD-Wechslers mit seinem Fahrzeug von der Fahrbahn abkommt.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 118/00 OLG Hamm 8 O 426/98 LG Hagen

Verkündet am 18. Oktober 2000

Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Pauge und die Richterin am Landgericht Kirchhoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Dezember 1999 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des 1. Rechtszuges trägt die Klägerin mit Ausnahme der Kosten des Vollstreckungsbescheides vom 22. Oktober 1998, diese trägt die Beklagte.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin in Höhe von 19.484,41 DM.

Tatbestand:

Die Beklagte befuhr am März 1997 gegen 20.38 Uhr mit dem Pkw Audi Cabriolet 2,3 E des Zeugen D in H die H straße. Beim Bedienen eines CD-Wechslers kam sie mit dem Fahrzeug nach links von der Straße ab. Das Fahrzeug prallte gegen einen vor einer Garage abgestellten Pkw BMW und wurde erheblich beschädigt. Das Fahrzeug war bei der Klägerin kaskoversichert. Versicherungsnehmerin (und Halterin) war die Mutter des Zeugen D die Zeugin M D. Die Klägerin leistete an sie Ersatz in Höhe von 19.484,41 DM und verlangt diesen Betrag von der Beklagten ersetzt. Sie macht geltend, die Beklagte habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt.

Auf Antrag der Klägerin ist gegen die Beklagte am 22. Oktober 1998 ein Vollstreckungsbescheid ergangen, gegen den die Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen M und A D. Mit dem angefochtenen Urteil hat es den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagten komme das Familienprivileg des § 67 Abs. 2 VVG zugute, weil sie mit dem Zeugen D verlobt sei und mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebe. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Die Klägerin beantragt,

abändernd den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts H vom 22. Oktober 1998 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Beklagte persönlich gehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen D. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 19.484,41 DM aus gem. § 67 VVG übergegangenem Recht des Zeugen A D.

1.

Die Klägerin hat aufgrund des mit der Zeugin M D bestehenden Kaskoversicherungsvertrages an die Versicherungsnehmerin in Höhe der Klageforderung Ersatz geleistet. Da der Pkw nicht im Eigentum der Versicherungsnehmerin stand, lag eine Versicherung für fremde Rechnung des Versicherten (des Zeugen D) vor. Leistet der Versicherer Ersatz, geht bei einer Versicherung für fremde Rechnung der Anspruch des Versicherten gem. § 67 VVG auf den Versicherer über. Nach dem Vortrag der Klägerin hat der Versicherte (der Zeuge D) gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB, weil diese fahrlässig dessen Eigentum (Pkw) beschädigt hat.

2.

Handelt es sich - wie hier - um eine Fahrzeugversicherung, kann der Ersatzanspruch gegen den berechtigten Fahrer nur geltend gemacht werden, wenn von ihm der Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist (§ 15 Abs. 2 AKB). Die Beklagte war berechtigte Fahrerin. Eine vorsätzliche Eigentumsbeschädigung liegt nicht vor. Daß die Beklagte grob fahrlässig gehandelt hat, läßt sich nicht feststellen. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist. Das wäre hier der Fall, wenn der Unfall darauf zurückzuführen wäre, daß die Beklagte schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat und das nicht bedacht hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

3.

Nach ihrem eigenen, unwiderlegten Vortrag ist die Beklagte mit dem Pkw von der Straße abgekommen, als sie den im Fahrzeug eingebauten CD-Wechsler bediente, um von einer CD, zur nächsten zu wechseln. Der dazu notwendige Bedienungsvorgang entsprach der Bedienung eines herkömmlichen Autoradios. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme handelte sich bei dem CD-Wechsler um ein sogenanntes Kombigerät, bestehend aus einem im Armaturenbrett oder in der Mittelkonsole des Fahrzeugs eingebauten Bedienteil für Radio, Cassettenrecorder und CD-Wechsler. Das Wechsler selbst war, wie der Zeuge D bestätigt hat, im Kofferraum montiert. Seine Bedienung erfolgte durch einmaliges oder mehrmaliges Betätigen einer Taste des Bedienteils. Der Wechsel von der dritten zur vierten CD geschah beispielsweise durch einen einmaligen Tastendruck, der Wechsel von der dritten zur fünften CD durch einen zweimaligen Tastendruck. Ein Fahrzeugführer, der während der Fahrt ein solches Gerät in der beschriebenen Weise bedient, handelt im allgemeinen ebensowenig grob fahrlässig wie derjenige, der ein herkömmliches Autoradio bedient. Das mag unter besonderen Umständen, etwa wenn das Verkehrsgeschehen eine erhöhte Aufmerksamkeit des Fahrers verlangt, anders sein. Eine solche außergewöhnliche Situation hat hier aber nicht vorgelegen. Der schlechte Zustand der Straße genügt dafür nicht, auch nicht unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es zur Unfallzeit dunkel war und regnete. Diese Umstände mahnten zwar zu besonderer Vorsicht, welche die Beklagte möglicherweise mißachtet hat. Ihr Verhalten begründet aber nicht den Vorwurf, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt zu haben.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 19.484,41 DM aus gem. § 426 Abs. 2 BGB übergegangenem Recht des Zeugen D. § 426 Abs. 2 BGB findet hier keine Anwendung. Die Vorschrift setzt ein Gesamtschuldverhältnis voraus. Die Klägerin und die Beklagte haften dem Zeugen D gegenüber nicht gesamtschuldnerisch. Eine Gesamtschuld besteht nur, wenn zwischen den Verpflichtungen eine Gleichstufigkeit besteht. Sie liegt nicht vor, wenn es einen endgültig zur Leistung Verpflichteten und daneben einen nur zum vorläufigen Eintreten Verpflichteten gibt (Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 421 Rdn. 7). So läge der Fall hier. Die Beklagte wäre, wenn sie dem Zeugen D gegenüber ersatzpflichtig wäre, als Schadensverursacherin endgültig zur Leistung verpflichtet. Demgegenüber wäre die Klägerin als Versicherer nur vorläufig zur Leistung verpflichtet. Zwischen beiden besteht deshalb kein Gesamtschuldverhältnis.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 344, 700 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf 708 Ziff. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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