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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: 15 VA 6/02
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 1309
EGBGB Art. 13
Eine Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses gem. § 1309 Abs. 2 BGB kommt grundsätzlich erst in Betracht, wenn die Verlobten den ihnen zumutbaren Schritt unternommen haben, die Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils durch das Gericht des Heimatlandes herbeizuführen (wie OLG Köln StAZ 1989, 260).
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 VA 6/02 OLG Hamm

In dem Verfahren

betreffend den Antrag des Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm wegen Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses,

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 18. Februar 2003 auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Beteiligten zu 1) vom 21. November 2002 über die Rechtmäßigkeit der Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Engelhardt

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf 500,00 Euro festgesetzt.

Der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Beteiligte zu 1) ist jugoslawischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo. Er beabsichtigt, die am 18.09.1977 in Frankreich geborene deutsche Staatsangehörige R aus Münster zu heiraten. Diese war in erster Ehe mit dem im Kosovo geborenen jugoslawischen Staatsangehörigen Herrn M verheiratet. Ihre am 15.08.1997 in Osnabrück geschlossene Ehe ist durch das seit dem 01.07.2002 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Osnabrück geschieden worden.

Nach Anmeldung der Eheschließung hat der Beteiligte zu 1) am 14.08.2002 zur Niederschrift des Standesbeamten des Standesamtes Münster beantragt, ihm Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses zu erteilen, da sein Heimatstaat kein Ehefähigkeitszeugnis ausstelle.

Der Beteiligte zu 2) hat mit Verfügung vom 16.08.2002 den Standesbeamten um Mitteilung gebeten, ob der geschiedene Ehegatte der Frau R noch jugoslawischer Staatsangehöriger sei; in diesem Falle müsste nämlich das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Osnabrück durch das zuständige jugoslawische Gericht anerkannt werden, weil andernfalls nach dem für den Beteiligten zu 1) maßgeblichen jugoslawischen Recht das Ehehindernis des Verbots der Doppelehe bestehe. Gegebenenfalls müsse daher eine rechtskräftige Entscheidung des jugoslawischen Gerichts herbeigeführt und nachgereicht werden.

Demgegenüber hat der Beteiligte zu 1) die Auffassung vertreten, durch das rechtskräftige Scheidungsurteil sei das Ehehindernis der Doppelehe nicht mehr gegeben. Auf Grund von Art. 13 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB sei deutsches Recht anzuwenden, weil die Versagung der Eheschließung mit der Eheschließungsfreiheit unvereinbar sei und es darauf ankomme, ob die Scheidung im Inland anerkannt werde.

Mit Schreiben vom 10.09.2002 hat der Beteiligte zu 2) darauf hingewiesen, Art. 13 Abs. 2 EGBGB könne nicht angewandt werden, weil die dort genannte Voraussetzung, dass die Verlobten die ihnen zumutbaren Schritte zur Erfüllung der Voraussetzungen der Eheschließung unternehmen müssten, nicht erfüllt seien. Das Betreiben des Anerkennungsverfahrens sei dem Beteiligten zu 1) zumutbar, weil in vergleichbaren Fällen regelmäßig Anerkennungsentscheidungen jugoslawischer Gerichte über deutsche Scheidungsurteile vorgelegt würden. Nachdem der Beteiligte zu 1) daraufhin um die Übersendung eines rechtsmittelfähigen Bescheids gebeten hat, hat der Beteiligte zu 2) mit Verfügung vom 14.10.2002 den Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 21.11.2002 hat der Beteiligte zu 1) einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der Beteiligte zu 2) hat hierzu Stellung genommen.

II.

Der Antrag des Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Nach § 1309 Abs. 2 BGB kann der Präsident des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Standesbeamte, bei dem die Eheschließung angemeldet ist, seinen Sitz hat, Befreiung von dem Erfordernis eines Ehefähigkeitszeugnisses nach Abs. 1 der genannten Vorschrift erteilen. Lehnt er eine Befreiung ab, so ist hiergegen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das OLG nach §§ 23 ff. EGGVG gegeben (Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Auflage, § 1309 Rn. 14). Die Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist gewahrt.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Da der Beteiligte zu 1) jugoslawischer Staatsangehöriger ist und die Voraussetzungen der Eheschließung für ihn gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB jugoslawischem Recht unterliegen, benötigt er nach § 1309 Abs. 1 BGB für die Eheschließung mit seiner deutschen Verlobten ein Zeugnis seines Heimatstaates, dass der Eheschließung nach jugoslawischem Recht kein Ehehindernis entgegensteht. Dieses Zeugnis kann der Beteiligte zu 1) nicht beibringen, weil die jugoslawischen Behörden ihren aus dem Kosovo stammenden Staatsangehörigen derzeit kein Ehefähigkeitszeugnis ausstellen (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rn. 9). Daher kann der Beteiligte zu 2) dem Beteiligten zu 1) unter den Voraussetzungen des § 1309 Abs. 2 BGB Befreiung von der Beibringung dieses Zeugnisses erteilen. In diesem Rahmen hat er an Stelle der ausländischen Behörde zu prüfen, ob der Verlobte nach seinem Heimatrecht die beabsichtigte Ehe eingehen darf oder ob ihr Ehehindernisse entgegenstehen (vgl. BGHZ 56, 180; OLG Köln StAZ1989, 260; Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rn. 13).

Der Beteiligte zu 2) hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses lägen nicht vor: Nach jugoslawischem Recht (Artikel 44 des Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen in Serbien) könne niemand eine neue Ehe schließen, solange seine frühere Ehe nicht beendet sei. Die 1997 in Osnabrück geschlossene Ehe der Verlobten des Beteiligten zu 1) werde auch in Jugoslawien anerkannt, nicht hingegen ohne weiteres deren Ehescheidung im Jahr 2002. Vielmehr gelte die Ehe in Jugoslawien als fortbestehend und stehe daher der Eheschließung des Beteiligten zu 1) mit seiner Verlobten entgegen, solange das Scheidungsurteil nicht von einem jugoslawischen Gericht anerkannt werde. Dieses Ehehindernis verstoße nicht gegen den deutschen ordre public, weil auch das deutsche Recht das Erfordernis der Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile, die einen Deutschen beträfen, kenne (Art. 7 § 1 FamRÄndG). Dem Grundrecht der Eheschließungsfreiheit werde dadurch Rechnung getragen, dass deutsches Recht unter den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 EGBGB Anwendung finde. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen jedoch nicht vor, weil die Verlobten den ihnen zumutbaren Schritt, die Anerkennung des Scheidungsurteils durch ein jugoslawisches Gericht herbeizuführen, nicht unternommen hätten, obwohl in vergleichbaren Fällen regelmäßig zeitnah Anerkennungsentscheidungen jugoslawischer Gerichte vorgelegt würden.

Diesen Ausführungen stimmt der Senat zu. Art. 13 EGBGB setzt die in Art. 6 Abs. 1 GG garantierte Eheschließungsfreiheit durch (OLG Köln, a.a.O.; KG FamRZ 1999, 1129; Bamberger/Roth/Otte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 62; Palandt/Heldrich, a.a.O., Art 13 EGBGB Rn. 15 m.w.N.). Erforderlich ist nach Abs. 2 Nr. 2, deren Voraussetzungen kumulativ neben den Voraussetzungen des Abs. 2 Nrn. 1 und 3 vorliegen müssen (Palandt/Heldrich, a.a.O., Rn. 16; Soergel/Hadding, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 52), dass die Verlobten die zumutbaren Schritte unternommen haben, ein sie betreffendes Ehehindernis zu beseitigen. Der Beteiligte zu 2) hat wiederholt darauf hingewiesen, dass nach seinen Erfahrungen die jugoslawischen Gerichte Anträgen auf Anerkennung deutscher Scheidungsurteile nachgekommen seien. Diesem Vortrag ist der Beteiligte zu 1) nicht konkret entgegengetreten. Er hat lediglich erstmals in der Antragsschrift vom 21.11.2002 die schlichte Behauptung aufgestellt, jugoslawische Behörden bzw. Gerichte seien im Kosovo nicht mehr tätig; dem Vorbringen des Beteiligten zu 2) in der Erwiderung vom 08.01.2003, die Gerichte im Kosovo hätten seit längerer Zeit ihre Arbeit wieder aufgenommen, ist er nicht entgegengetreten. Unter diesen Umständen hätte der Beteiligte zu 1) zumindest den Versuch unternehmen müssen, eine Anerkennung des Scheidungsurteils seiner Verlobten zu erreichen. (OLG Köln, a.a.O.; MünchKom/Gindullis, BGB, 3. Auflage, § 10 EheG Rn. 4). Dass ihnen dies nicht zumutbar ist, ist nicht ersichtlich, wird aber auch nicht geltend gemacht.

Die unter Hinweis auf das Urteil des BGH vom 27.11.1996 -XII ZR 126/95 (FamRZ 1997, 542) erhobene Rüge des Beteiligten zu 1), in dem Bescheid vom 14.10.2002 werde übersehen, dass er ledig sei und nicht eine Doppelehe eingehe, geht an den Ausführungen des Beteiligten zu 2) vorbei. Dieser hat nämlich stets die Vorehe der Verlobten des Beteiligten zu 1), die in Jugoslawien noch Bestand habe, als Ehehindernis bezeichnet und nicht eine Vorehe des Beteiligten zu 1).

Da der Antrag unbegründet ist, liegen die Voraussetzung für eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen nach § 30 Abs. 2 EGGVG nicht vor und war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen, § 114 ZPO iVm. § 29 Abs. 3 EGGVG.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Verfahren beruht auf den §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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