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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: 15 W 295/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1835 Abs. 3
BGB § 1836 a
FGG § 56 g

Entscheidung wurde am 06.03.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert und ein amtlicher Leitsatz hinzugefügt
Die Tätigkeit eines als Berufsbetreuer bestellten Rechtsanwalts in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren ist grundsätzlich nur dann vergütungsfähig, wenn diese Tätigkeit als Aufgabenkreis der Betreuung besonders bestimmt worden ist.
Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 414,12 Euro festgesetzt.

Gründe: I. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 26.02.2002 den Beteiligten zu 1) als Berufsbetreuer der Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, soweit dies im Rahmen der Gesundheitsfürsorge erforderlich ist, Wohnungsangelegenheiten und insoweit Rechts- und Behördenangelegenheiten bestellt. Durch Beschluss vom 30.09.2003 hat das Amtsgericht die Betreuerbestellung des Beteiligten zu 1) mit der Maßgabe einer Überprüfungsfrist bis zum 28.09.2008 verlängert und den Aufgabenkreis dahin neu gefasst, dass er nunmehr die Gesundheitsfürsorge, die Aufenthaltsbestimmung, soweit dies im Rahmen der Gesundheitsfürsorge erforderlich ist, Vermögensangelegenheiten sowie Behörden- und Rechtsangelegenheiten umfasst. Die Betroffene wurde am 18.06.2004 bei einem Ladendiebstahl in einer T-Filiale angetroffen. In dem daraufhin eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren (43 JS 1569/04 StA Essen) hat sich der Beteiligte zu 1) als Verteidiger der Betroffenen gemeldet, Akteneinsicht genommen sowie eine Einstellung des Verfahrens gem. § 153 Abs. 1 StPO erwirkt, die ihm mit Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 10.09.2004 mitgeteilt worden ist. Der Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz vom 11.11.2004 bei dem Amtsgericht die Festsetzung einer Vergütung nebst Aufwendungsersatz für seine Tätigkeit in dem Zeitraum vom 19.03.2004 bis zum 11.11.2004 zum Gesamtbetrag von 963,80 Euro mit der Maßgabe beantragt, dass der Betrag wegen Mittellosigkeit der Betroffenen aus der Staatskasse zu erstatten ist. In dem Betrag enthalten ist ein Aufwendungsersatzanspruch für berufsspezifische Dienste im Rahmen des genannten Ermittlungsverfahrens (§ 1835 Abs. 3 BGB), den der Beteiligte zu 1) in Höhe von drei Gebühren nach Nr. 4100, 4104 und 4141 VV RVG zuzüglich Auslagenpauschale und MWSt. zu einem Gesamtbetrag von 450,08 Euro berechnet hat. Das Amtsgericht hat durch Beschluss des Rechtspflegers vom 17.12.2004 eine aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung nebst Aufwendungsersatz in Höhe von 507,11 Euro festgesetzt, den weitergehenden Antrag des Beteiligten zu 1) wegen des von ihm beanspruchten Aufwendungsersatzes in Höhe von 450,08 Euro jedoch zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 06.01.2005 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 20.07.2005 in teilweiser Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts dem Beteiligten zu 1) eine weitergehende Vergütung für den Zeitaufwand einer Arbeitsstunde (31,00 Euro zuzüglich MWSt., insgesamt 35,96 Euro) zuerkannt, jedoch sein weitergehendes Rechtsmittel zurückgewiesen. Ferner hat das Landgericht die sofortige weitere Beschwerde zugelassen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), die er mit Schriftsatz vom 08.08.2005 zunächst bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt hat, der noch innerhalb der Beschwerdefrist an das Oberlandesgericht Hamm weitergeleitet worden ist. II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56 g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, dass seine sofortige erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer gem. § 56 g Abs. 5 S. 1 FGG zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) ausgegangen. Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand. Das Landgericht hat - insoweit in Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts - dem Beteiligten zu 1) für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen die Betroffene eine Betreuervergütung (§ 1836 a BGB a.F. in Verbindung mit § 1 BVormVG) im Umfang einer Stunde zuerkannt, ihm jedoch einen weitergehenden Aufwendungsersatz wegen berufsspezifischer Dienste als Rechtsanwalt in diesem Verfahren (§ 1835 Abs. 3 und 4 BGB) versagt. Dem Umfang nach kann der Berufsbetreuer nur für solche Tätigkeiten eine Vergütung bzw. Aufwendungsersatz beanspruchen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben in den ihm übertragenen Aufgabenkreisen für erforderlich halten durfte. Für Tätigkeiten außerhalb seiner Befugnisse kann der Betreuer auch dann weder eine Vergütung noch Aufwendungsersatz erhalten, wenn diese den Wünschen der Betroffenen entsprochen haben oder sich für sie als nützlich erwiesen hat (BayObLGZ 1994, 4, 6 = FamRZ 1994, 779; OLG Frankfurt NJW-RR 2005, 1166). Allerdings kommt es für die Entscheidung, ob eine Tätigkeit zur Wahrnehmung der Betreueraufgaben erforderlich ist, darauf an, ob der Betreuer selbst diese Tätigkeit zur pflichtgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten durfte (BayObLGZ 1996, 47, 50 = FamRZ 1996, 1169; OLG Frankfurt a.a.O.). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass nach diesen Grundsätzen die Tätigkeit eines Berufsbetreuers in einem gegen den Betroffenen geführten Strafverfahren nur dann vergütungsfähig ist, wenn eine solche Tätigkeit als Aufgabenkreis der bestehenden Betreuung besonders bestimmt worden ist. Der bloße Zusammenhang zwischen der der Betroffenen vorgeworfenen Straftat und der psychischen Krankheit, die den Anlass für die Einrichtung der Betreuung bildet, sowie die allgemeine Annahme, dass die Verurteilung in einem Strafverfahren zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe in aller Regel Auswirkungen auf das Vermögen oder den künftigen Aufenthaltsort der Betroffenen haben könnte, reicht grundsätzlich nicht aus, um einen tragfähigen Zusammenhang zu den Aufgabenkreisen der Vermögenssorge bzw. Aufenthaltsbestimmung oder Wohnungsangelegenheiten herzustellen (BayObLG FamRZ 1999, 740, 741; OLG Frankfurt a.a.O.). Dies gilt auch für den hier ergänzend angeordneten Aufgabenkreis "Behörden- und Rechtsangelegenheiten". Bereits diese Begriffswahl deutet lediglich auf die Wahrnehmung zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Rechte und Pflichten des Betroffenen hin, etwa bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen, wie sie sich insbesondere aus der Gewährleistung seiner laufenden Lebenshaltung ergeben können. Die Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen in einem gegen ihn geführten Strafverfahren liegt jedoch begrifflich nicht mehr in diesem Rahmen, weil es sich nicht um eine "Behördenangelegenheit", sondern insgesamt um ein einheitliches gerichtliches Verfahren nach der StPO handelt. Ein Vergütungsanspruch bzw. ein Anspruch auf Aufwendungsersatz kann dem Betreuer deshalb für eine Tätigkeit in einem Strafverfahren gegen den Betroffenen im Grundsatz nur erwachsen, wenn das Vormundschaftsgericht zuvor ggf. auf eine von dem Betreuer vorgenommene Anregung den Aufgabenkreis der Betreuung nach § 1908 d Abs. 3 BGB auf die Verteidigung der Betroffenen oder eine sonstige Tätigkeit in dem Strafverfahren erweitert hat (OLG Frankfurt a.a.O.). Diese Grundsätze mögen es unter besonderen Umständen des Einzelfalls nicht ausschließen, dass der Betreuer gleichwohl seine Tätigkeit in einem Strafverfahren für erforderlich halten darf, etwa in dem in der Rechtsprechung wiederholt behandelten Beispielsfall, dass er von dem Strafgericht durch Ladung zur Hauptverhandlung zur Mitwirkung an der Aufklärung der persönlichen Verhältnisse des angeklagten Betroffenen herangezogen wird (OLG Zweibrücken BtPrax 2001, 128; OLG Dresden BtPrax 2002, 219). Solche besonderen Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Der Beteiligte zu 1) war durch nichts gehindert, zunächst das Vormundschaftsgericht auf das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen die Betroffene hinzuweisen und dessen Prüfung abzuwarten, ob eine Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung angeordnet werden sollte. Im Rahmen der dem Vormundschaftsgericht obliegenden Amtsermittlungspflicht konnte dieses sich ohne weiteres durch Einsichtnahme in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten selbst über das Gewicht des gegen die Betroffene erhobenen Vorwurfs unterrichten und die Erforderlichkeit weiterer Maßnahmen abschätzen. In diesem Zusammenhang lag es durchaus nahe, dass bereits eine Unterrichtung der Staatsanwaltschaft über die für die Betroffene angeordnete Betreuung und das in diesem Zusammenhang erstattete Sachverständigengutachten zu einer Einstellung des Verfahrens führen und sich eine Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung als entbehrlich erweisen konnte. Auf die von dem Landgericht weiter erörterte Frage, unter welchen Voraussetzungen ein als Rechtsanwalt bestellter Berufsbetreuer auch als Verteidiger der Betroffenen tätig werden und als solcher im Wege des Aufwendungsersatzes Gebühren nach dem RVG beanspruchen kann, kommt es danach nicht mehr an. Der Senat sähe keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Möglichkeit, dass ein als Betreuer bestellter Rechtsanwalt im Rahmen der ihm übertragenen gesetzlichen Vertretung auch als Verteidiger des Betroffenen tätig werden kann, ohne dass es dann noch einer rechtsgeschäftlichen Verteidigerbestellung bedarf. Dies setzt jedoch die Bestimmung eines entsprechenden Aufgabenkreises der Betreuung voraus, an der es hier - wie bereits ausgeführt - fehlt. Die Wertfestsetzung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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