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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 15 W 343/07
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 51a
GmbHG § 51b
ZPO § 727
Eine gegen die betroffene Gesellschaft im Verfahren nach den §§ 51a, 51b GmbHG ausgesprochene Verpflichtung zur Einsichtsgewährung in Bücher und Schriften sowie zur Erteilung von Auskünften kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nicht gem. § 727 ZPO gegen den Insolvenzverwalter umgeschrieben werden.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 343/07 OLG Hamm

In dem Verfahren

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.01.2008 auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 28.06.2007 gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen vom 24.05.2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgwiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden der Beteiligten zu 1) auferlegt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Beschluss vom 18.05.2007 wurde die eingangs genannte GmbH dazu verpflichtet, dem Wirtschaftsprüfer G Einsichtnahme in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu gewähren sowie ihrer zu 1) beteiligten Gesellschafterin Auskunft darüber zu erteilen, ob die Gesellschaft andere Unternehmungen oder Unternehmensbeteiligungen erworben hat und um welche es sich ggf. handelt.

Mit Beschluss vom 22.08.2006 (162 IN 74/06) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und der Beteiligte zu 2) zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 05.12.2007 beantragte die Beteiligte zu 1), ihr eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses vom 18.05.2007 gegen den Beteiligten zu 2) zu erteilen.

Mit Beschluss vom 24.05.2007 wies die Rechtspflegerin des Landgerichts den Antrag zurück. Gegen diese ihren Verfahrensbevollmächtigten am 14.06.2007 zugestellte Entscheidung legte die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 28.06.2007, der am selben Tag bei dem Landgericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde ein. Die Rechtspflegerin half der Beschwerde mit Beschluss vom 18.09.2007 nicht ab und legte sie deshalb dem Senat zur Entscheidung vor.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Zuständig für die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen für und gegen einen Rechtsnachfolger gemäß § 727 ZPO ist nach § 20 Nr. 12 RPflG der Rechtspfleger. Gegen dessen Entscheidung im ersten Rechtszug, mit der dieser die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung bzw. Titelumschreibung ablehnt, ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 727 ZPO kann gegen den Rechtsnachfolger des in dem Beschluss bezeichneten Schuldners eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden, wenn die Rechtnachfolge bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. Dabei wird der Begriff der "Rechtsnachfolge" weit verstanden, weil nach dem Zweck der Vorschrift ein neuer Prozess verhindert werden soll (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 727 Rn. 3).

Ein Wechsel der Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite liegt vor, wenn die Person, auf die der Titel umgeschrieben werden soll, den Anspruch des im Titel bezeichneten Schuldners erfüllen muss.

Grundsätzlich ist ein Insolvenzverwalter, gegen den vollstreckt werden soll, als Rechtsnachfolger des Insolvenzschuldners im Sinne des § 727 ZPO anzusehen (BGH Rpfleger 2005, 610 = DNotZ 2006, 44), so dass ein Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes beantragen kann (vgl. BGH Rpfleger 2006, 423 = DNotZ 2005, 840; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 727 Rn. 13; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 727 Rn. 8 "Insolvenz").

Vorliegend besteht jedoch eine Besonderheit, die sich aus der Natur des für Beteiligte zu 1) titulierten Anspruchs ergibt. Es geht hier um ein Informationserzwingungsverfahren nach § 51 b GmbH, in dem eine Gesellschafterin ihren individuellen mitgliedschaftsrechtlichen Informationsanspruch zunächst gegen die Gesellschaft geltend gemacht und tituliert bekommen hat und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter aufgrund einer Titelumschreibung durchsetzen will. Dies ist nicht möglich, weil die titulierte Auskunftspflicht der Gesellschaft nicht identisch ist mit der Auskunftspflicht des Insolvenzverwalters, dessen Befugnis zur Ausübung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts des Schuldners nach § 80 Abs. 1 InsO durch den Insolvenzverfahrenszweck bestimmt und beschränkt ist (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbH, 9. Aufl., Vor § 64, Rn. 63).

Zwar besteht auch während der Insolvenz ein mitgliedschaftsrechtlicher Informationsanspruch der Beteiligten zu 1) nach § 51 a Abs. 1 GmbHG. Deren Informationsrecht erlischt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vollständig, auch ruht es nicht bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Jedoch muss die Beurteilung der Voraussetzungen und des Umfangs des Informationsrechts des Gesellschafters dem Funktionswandel seiner Gesellschafterstellung Rechnung tragen, die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt. § 51 a Abs. 1 GmbHG gewährt dem Gesellschafter ein umfassendes, mitgliedschaftliches individuelles Informationsrecht, das ihm sowohl die sachgerechte Ausübung seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung ermöglichen als auch seinem mitgliedschaftlichen Eigeninteresse hinsichtlich der Bewertung und Verwertung seines Gesellschaftsanteils dienen soll (Senat FGPrax 2002, 75 = NJW-RR 2002 = NZG 2002, 178, 1396 m.w.N. aus der Literatur). Die Durchführung des Insolvenzverfahrens führt zu einer inhaltlichen Einschränkung des Informationsanspruchs des Gesellschafters, die sich in erster Linie in dem Bereich auswirkt, in dem das Informationsrecht der sachgerechten Ausübung des Gesellschafterstimmrechts dient. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht die Gesellschafterversammlung als Organ der Gesellschaft zwar fort, jedoch wird das Verwaltungsrecht der Gesellschafter durch das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters verdrängt. Dieser unterliegt bei der insolvenzrechtlichen Abwicklung des Gesellschaftsvermögens aufgrund seiner unabhängigen Stellung nicht der Aufsicht der Gesellschaftsorgane (Scholz/K. Schmidt, a.a.O., Rn. 59, 63). Die gesamte Tätigkeit des Insolvenzverwalters kann damit nicht Gegenstand eines Informationsanspruches des Gesellschafters nach § 51 a GmbHG sein, weil ihm insoweit irgendwelche Kontrollrechte nicht zustehen (Gerhardt, ZIP 1980, 941, 945 f.). Dem alleinigen Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegt ferner die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Dritte für die Gesellschaft. Folglich ist das Informationsrecht des Gesellschafters auch dann ausgeschlossen, wenn es ihm darum geht, durch Einsichtnahme in die Geschäftsbücher Informationen über den Bestand noch geltend zu machender Ansprüche der Gesellschaft gegen Dritte zu gewinnen. Das Informationsrecht des Gesellschafters muss sich deshalb sachlich auf Angelegenheiten beschränken, die seine persönliche vermögensrechtliche Stellung als Mitglied der Gesellschaft betreffen. Seinem Einsichtsrecht können in diesem Zusammenhang nur diejenigen Bücher und Schriften der Gesellschaft unterliegen, die der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Verfahrens übernommen hat, nicht jedoch spätere Geschäftsvorgänge, die auf seiner eigenen Tätigkeit beruhen. Bereits im Hinblick auf diese sachlichen Einschränkungen des Informationsrechtes nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann von einer Identität des nach dem Titel von der Gesellschaft zu erfüllenden Anspruchs mit dem gegen einen Insolvenzverwalter bestehenden Anspruchs nicht ausgegangen werden. Offen bleiben kann daher, ob das Informationsrecht des Gesellschafters darüber hinausgehend weiteren Einschränkungen unterliegt, die sich aus den Zwecken des Insolvenzverfahrens ergeben, durch Verwertung des Gesellschaftsvermögens eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger herbeizuführen, § 1 S. 1 InsO (vgl. Senat a.a.O.).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat gleichzeitig die Entscheidung des Landgerichts von Amts wegen um die hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten notwendige Kostenentscheidung ergänzt, die sich zu Lasten der Beteiligten zu 1) aus § 91 Abs. 1 ZPO ergibt. Das Verbot der Schlechterstellung des Beschwerdeführers steht einer Korrektur der Kostenentscheidung nicht entgegen.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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