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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.03.2002
Aktenzeichen: 15 W 358/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 25 Abs. 2
WEG § 8

Entscheidung wurde am 31.07.2002 korrigiert: der Leitsatz wurde geändert
1) Sieht die Teilungserklärung ein Stimmrecht in der Eigentümerversammlung nach Anzahl der Sondereigentumseinheiten vor, so führt die Unterteilung eines Wohnungseigentums nicht zu einer Stimmrechtsvermehrung.

2) Allein der Umstand, daß das Sondereigentum an drei räumlich selbständigen Wohnungseinheiten besteht, läßt nicht eine Auslegung der Teilungserklärung zu, daß die Unterteilung des betreffenden Wohnungseigentums zu einer Stimmrechtsvermehrung führen solle.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 358/01 OLG Hamm

in der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 12. März 2002 auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) vom 29. Oktober 2001 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 11. September 2001 und auf die weitere Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) und 4) vom 17. Oktober 2001 gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts vom 11. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Christ und Oellers

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses teilweise abgeändert wird Außergerichtliche Kosten des Erstbeschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die weitere Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten zu 3) und 4) tragen die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 10.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) bis 4) sind Wohnungseigentümer der vorbezeichneten Wohnungseigentumsanlage, wobei die Beteiligten zu 2) a) und b) Erben des verstorbenen früheren Wohnungseigentümers und Beteiligten Y sind.

Mit der ursprünglichen Teilungserklärung vom 30.11.1990 hatte die Beteiligte zu 3) Wohnungseigentum für 4 Wohnungseigentumseinheiten begründet. In dieser Teilungserklärung heißt es in § 15:

"Das Stimmrecht der Wohnungseigentümer wird mit einer Stimme pro Eigentumswohnung bemessen."

Unter dem 29.05.1992 ist diese Teilungserklärung dahin geändert worden, daß die Aufteilung des Eigentums statt in 4 in 3 Miteigentumsanteile erfolgte.

Die Beteiligte zu 3) hat mit notarieller Erklärung vom 05.08.1996 ihr Wohnungseigentum aufgeteilt in der Weise, daß aus ihrem Wohnungseigentum zwei Wohnungseigentumseinheiten geschaffen wurden. Die zweite, neu geschaffene Wohnungseigentumseinheit hatte die Beteiligte zu 3) sodann an die Beteiligte zu 4) veräußert.

Die Beteiligten streiten über die Stimmrechtsverhältnisse in der Wohnungseigentumsanlage nach dieser Veräußerung. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1) und des früheren Beteiligten Y festgestellt, daß den Beteiligten zu 3) und 4) hinsichtlich ihrer Wohnungseigentumsanteile nur je 1/2 Stimmrecht zusteht. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluß vom 11.09.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4), die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 29.10.2001 bei dem Landgericht eingelegt haben.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 3) und 4) folgt bereits daraus, daß ihre sofortige Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) ausgegangen. Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand.

Der Senat tritt der Rechtsauffassung des Landgerichts bei, dass den Beteiligten zu 3) und 4) nur jeweils lediglich 1/2 Stimmrecht zusteht.

Im vorliegenden Fall gilt für das Stimmrecht nach § 15 der Teilungserklärung weder das Wertprinzip (Bemessung des Stimmrechtes nach Miteigentumsanteilen) noch das Kopfprinzip des § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG, sondern das sogenannte Objektprinzip, wonach auf jedes Wohnungseigentum grundsätzlich eine Stimme entfällt. Damit stellt sich die vom Landgericht zutreffend aufgeworfene Frage, ob durch die Unterteilung eines Wohnungseigentums eine Stimmrechtsvermehrung eintritt oder das - selbständige - Stimmrecht der Erwerber aufzuteilen ist.

Gegen die von dem Beteiligten zu 3) und 4) vertretene Auffassung, die Erwerber hätten jeweils ein (volles) Stimmrecht mit der Folge, daß eine Stimmrechtsvermehrung stattfindet, bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Durch die Unterteilung eines Miteigentumsanteils darf sich nämlich grundsätzlich der Status der übrigen Wohnungseigentümer nicht verändern; auch muß bei Abstimmungen die ursprüngliche Stimmenzahl deshalb grundsätzlich gleichbleiben. Die Rechtsstellung der übrigen Miteigentümer darf nämlich nach der Begründung von neuem Wohnungseigentum durch Teilung des bisherigen Wohnungseigentums nicht verschlechtert werden. Diese Auffassung entspricht der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1990, 521; BayObLG NJW-RR 1991, 910; KG NZM 1999, 850, 852; OLG Köln WE 1992, 259, 260; Bärmann-Merle, WEG, 8. Aufl., § 25 Rdn. 40; Bärmann-Pitt, a.a.O., § 8 Rn. 43; Staudinger/Rapp, WEG, 12. Aufl., § 6 Rn. 5; Staudinger/Bub a.a.O., § 25 Rdn. 159).

Hierfür spricht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGHZ 73, 150. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hatte der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung die Rechtsfrage nicht ausdrücklich offengelassen. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich betont, daß zur Wahrung des Status der übrigen Wohnungseigentümer die ursprüngliche Stimmenzahl durch eine Teilveräußerung von Wohnungseigentum keine Änderung erfahren dürfe. Es blieb lediglich offen, ob zur Erzielung dieses Ergebnisses in den Fällen, in denen die gesetzliche Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht abbedungen ist und daher jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat, die Vorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG entsprechend anzuwenden ist in dem Sinne, daß die Inhaber der verselbständigten Teilrechte zusammen nur eine Stimme haben oder ob die Stimme nach Bruchteilen aufzuteilen ist. Die Entscheidung des Kammergerichts NZM 2000, 671 steht dem nicht entgegen. In dem zugrundeliegenden Fall ist - anders als hier - die Geltung des Kopfstimmrechts gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG vereinbart worden.

Etwas Abweichendes ist hier auch nicht sinngemäß in der Teilungserklärung vereinbart. Da das ursprüngliche Wohnungseigentum der Beteiligten zu 3) im Rechtssinne zwar nur aus einer Wohnungseinheit, tatsächlich aber aus 3 Wohnungen (Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss) bestand, könnte die Auslegung der Teilungserklärung ergeben, dass für den Fall der wie hier vorgenommenen Unterteilung des Wohnungseigentums eine Stimmrechtsvermehrung eintreten soll. Die Auslegung der Teilungserklärung hat jedoch nach einem ausschließlich objektiven Maßstab zu erfolgen. Maßgebend sind allein der Wortlaut der Eintragung und ihr Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt (BGHZ 139, 288 = NJW 1998,3713,3714). Danach ist der Begriff der Eigentumswohnung im Rechtssinne zu verstehen, also als Einheit. Da die Beteiligte zu 3) nur eine Eigentumswohnung hatte, hatte sie auch nur eine Stimme. Dies kann nach Unterteilung zu keiner Änderung führen.

Die Rechtsbeschwerde hat jedoch insoweit Erfolg, als sie sich gegen die vom Landgericht getroffene außergerichtliche Kostenentscheidung wendet, welche den Beteiligten zu 3) und 4) die im Verfahren vor dem Landgericht entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) auferlegt hat. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt allgemein der Grundsatz, daß die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selber zu tragen haben. Die Kostenentscheidung ist eine Ermessensentscheidung; das Rechtsbeschwerdegericht kann sie nur daraufhin überprüfen, ob der Tatrichter die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, insbesondere ob er wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hat, sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder sonst von seinem Ermessen einem dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (BayObLG NZM 1999, 851, 852). Hier hat das Landgericht in seiner Begründung nur den Gesetzestext des § 47 WEG wiederholt, wonach es der Billigkeit entspreche, den Beteiligten zu 3) und 4) die außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 1) und 2) aufzuerlegen. Eine eigentliche Begründung hat es hierfür nicht gegeben. Insoweit leidet die Entscheidung des Landgerichts an einem Rechtsfehler. Dies führt dazu, daß der Senat nun selbst nach billigem Ermessen über die Frage der Kostenerstattung im Erstbeschwerdeverfahren zu entscheiden hat (vgl. BayObLG NZM a.a.O.)

Es entspricht in vorliegender Sache nicht billigem Ermessen, den Beteiligten zu 3) und 4) die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) des Erstbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Zu entscheiden war zwar über eine - wie ausgeführt - in Literatur und Rechtsprechung gefestigte Rechtsprechung. Es war allerdings noch zu überprüfen, ob sich nicht ein anderes Ergebnis durch eine Auslegung der Teilungserklärung ergibt. Darauf hat die Rechtsbeschwerde auch hingewiesen. Die Auslegung ist erst vom Senat vorgenommen worden. Die sofortige Beschwerde hat daher Gesichtspunkte aufzeigen können, die es hätten rechtfertigen können, von der gefestigten Rechtsprechung abzuweichen. Aus diesem Grunde entspricht es nicht billigem Ermessen, den Beteiligten zu 3) und 4) die außergerichtlichen Kosten des Erstbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Gleiches gilt daher auch für die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gemäß § 47 Satz 2 WEG.

Bezüglich der Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht es jedoch der Billigkeit, dass die Beteiligten zu 3) und 4) diese gem. § 47 Satz 1 WEG zu tragen haben, da das Rechtsmittel ohne Erfolg war.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Zusammen mit dem Landgericht hält der Senat eine Wertfestsetzung in Höhe von 10.000,00 DM für ausreichend. Gegenstand des Verfahrens ist ein Feststellungsantrag, wodurch zwar in Zukunft das Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft geklärt wird und der auch für künftige Eigentümerbeschlüsse von Bedeutung ist. Andererseits steht kein konkreter Eigentümerbeschluß im Räume, durch den die Beteiligten zu 1) und 2) bei - anderer Stimmenverteilung - konkrete Nachteile erlitten hätten. Dies ist auch im Schriftsatz vom 13.03.2001 nicht aufgezeigt worden.

Die weitere Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) und 4) gegen den Streitwertbeschluss vom 11.09.2001 ist unzulässig. Das Rechtsmittel ist als weitere Beschwerde im Sinne der §§ 9 Abs. 2 BRAO, 31 Abs. 3 S. 1, 14 Abs. 3 S. 2 KostO zu behandeln. Danach ist die weitere Beschwerde nur eröffnet, wenn sie das Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat. Daran fehlt es hier.

Ende der Entscheidung

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