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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: 15 W 424/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1 S. 2
WEG § 16 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 1

Entscheidung wurde am 11.06.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert und ein Leitsatz wurde hinzugefügt
1) Die Bestimmung einer Teilungserklärung, die Wohnungseigentümer seien im Verhältnis der Wohnflächen zur Deckung der "Aufwendungen für die Wasserversorgung" verpflichtet, ist als Vereinbarung eines Verteilungsschlüssels für die Kosten des Bezugs von Frischwasser zu verstehen, die eine mehrheitliche Beschlussfassung über eine anderweitige Kostenverteilung nach Maßgabe der Kaltwasser-Entscheidung des BGH (NJW 2003, 3476) ausschließt.

2) Dies gilt auch für eine Beschlussfassung, die innerhalb einer Mehrhausanlage eine Vorab-Verteilung der Kosten nach Maßgabe des in den einzelnen Gebäuden angefallenen Verbrauchs vorsieht.


Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde sowie die den Beteiligten zu 1) und 2) in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden den Beteiligten zu 3) auferlegt.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.)

Die Beteiligten zu 3. 5. sind Wohnungseigentümer der eingangs bezeichneten Wohnungseigentumsanlage. Die Beteiligten zu 1. und 2. haben ihr Wohnungseigentum im Laufe des Beschwerdeverfahrens veräußert.

Gegenstand des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde ist noch die Gültigkeit des in der Eigentümerversammlung vom 12.03.2003 zu TOP 1 (betreffend das Anerkenntnis der Jahresgesamt und Einzelabrechnung für das Jahr 2002) gefassten Beschlusses bezüglich der Abrechnungspositionen Entwässerung und Wasser.

Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren darüber hinaus Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit von in der Eigentümerversammlung vom 14.04.1992 zu TOP 5 (betreffend die Umlage des Wassergeldes je Haus) und der Eigentümerversammlung vom 25.02.1993 zu TOP 5 (betreffend die Änderung des Verteilungsschlüssels für die Enwässerungskosten) gefassten Beschlüsse. Diesen Anträgen hat das Amtsgericht Schwelm mit Beschluss vom 05.01.2003 entsprochen und die vorgenannten Beschlüsse für nichtig erklärt. Insoweit haben die Beteiligten den amtsgerichtlichen Beschluss nicht angefochten.

Bei der Wohnungseigentumsanlage BStr. 1 5 handelt es sich um drei Häuser mit insgesamt 22 Wohneinheiten. Für jedes der Häuser ist eine separate Hauptwasseruhr vorhanden.

In § 10 der Teilungserklärung vom 18.01.1980 ist hinsichtlich der Tragung von Lasten und Kosten geregelt, dass die Wohnungseigentümer u. a. hinsichtlich der Aufwendungen für die Wasserversorgung im Verhältnis ihrer Wohnflächenanteile zur Deckung der Kosten verpflichtet sind. Wegen der Einzelheiten wird auf § 10 der Teilungserklärung vom 18.01.1980 (Blatt 37 ff der Akte) verwiesen. Die Abrechnung der Kosten der Wasserversorgung erfolgte bis zu den in den obengenannten Beschlüssen vom 14.04.1992 und 25.02.1993 genannten Zeitpunkten nach dem Verhältnis der Gesamtwohnflächenanteile der Wohnungseigentümergemeinschaft und ab den oben genannten Zeitpunkten nach Wohnflächenanteilen pro Haus.

In der Jahreseinzel und Gesamtabrechnung für das Jahr 2002 waren nach Wohnflächenanteilen pro Haus umgelegte Be und Entwässerungskosten enthalten.

Hinsichtlich der Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 12.03.2003 zu den Tagesordnungspunkten TOP 1 und TOP 8 haben die Beteiligten zu 1) und 2) mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.03.2003 beantragt, diese Beschlüsse für nichtig, hilfsweise für unwirksam zu erklären.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 05.01.2003 entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 12.03.2003 zu den Tagesordnungspunkten TOP 1 und 8 für nichtig erklärt. Zur Begründung hat das Amtsgericht hinsichtlich der Abrechnung der Be und Entwässerungskosten ausgeführt, es ergebe sich aus der Teilungserklärung, dass die Miteigentümer die Kosten im Verhältnis ihrer Wohnflächenanteile, wobei die Fläche der drei Häuser insgesamt gemeint sei, zu tragen hätten.

Gegen den den Beteiligten zu 3) und 4) am 27.01.2004 zugestellten Beschluss haben sich diese mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 09.02.2004 gewandt. Die Kammer hat in öffentlicher Sitzung die Beteiligten persönlich angehört. Sodann hat sie durch den angefochtenen Beschluss die amtsgerichtliche Entscheidung teilweise abgeändert, hinsichtlich des Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung dahingehend, dass dieser bezüglich der Abrechnungspositionen Entwässerung, Wasser und Strom sowie Gartenpflege für ungültig erklärt wurde. Die weitergehende sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3), soweit das Landgericht den Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung hinsichtlich der Positionen Entwässerung und Wasser für ungültig erklärt hat.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs.1, 43 Abs.1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 3) ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerde im Umfang der sofortigen weiteren Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Die hinreichende Beschwer (§ 45 Abs.1 WEG) der Miteigentümer, die die Rechtsgültigkeit eines Eigentümerbeschlusse mit ihrem Rechtsmittel verteidigen, bedarf im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 17.07.2003 (NJW 2003, 3124) keiner näheren Begründung.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 3) ausgegangen. Auch in der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung stand.

Das Landgericht hat seine Entscheidung, soweit es um die Abrechnung der Kosten der Wasserversorgung und Entwässerung geht, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Eigentümerbeschluss hinsichtlich der Be- und Entwässerungskosten sei anfechtbar, da der angewandte Kostenverteilungsschlüssel nicht der Teilungserklärung entspreche und es an einer die Teilungserklärung abändernden Vereinbarung fehle. Die Auslegung des § 10 der Teilungserklärung ergebe, dass die Be- und Entwässerungskosten im Verhältnis der Wohnflächenanteile umzulegen sei. Für eine vorhergehende Verteilung dieser Kosten auf die einzelnen Häuser nach Verbrauch enthalte die Teilungserklärung keine Anhaltspunkte. Für eine abweichende Handhabung könnten die Beschlüsse der Eigentümerversammlungen vom 14.04.1992 und 23.02.1993 schon deshalb keine Grundlage sein, weil sie durch das Amtsgericht rechtskräftig für nichtig erklärt worden seien. Eine konkludente Vereinbarung aufgrund der abweichenden Verteilung in der Vergangenheit lasse sich nicht feststellen, u.a. da die entsprechenden Abrechnungsbeschlüsse nie einstimmig gefasst worden seien.

Das Landgericht ist damit zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Entscheidung wesentlich auf die Auslegung des § 10 der Teilungserklärung ankommt. Nach Maßgabe der auch in den Vorinstanzen bereits erörterten neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (insbes. BGH NJW 2003, 3476ff) sind die Kosten für die Frischwasserversorgung und die Entwässerung nämlich nicht zu den Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 16 Abs.2 WEG zu rechnen. Dies bedeutet, dass es der Gemeinschaft, soweit die Kostenverteilung nicht durch eine Vereinbarung geregelt ist, freisteht, per Mehrheitsbeschluss einen angemessenen Kostenverteilungsschlüssel zu bestimmen (§ 21 Abs.3 WEG; vgl. BGH a.a.O. S.3478). Darauf, dass aufgrund der rechtskräftigen amtsgerichtlichen Entscheidung davon auszugehen ist, dass die grundlegende Regelung durch den Mehrheitsbeschluss vom 23.02.1993 nichtig ist, käme es dabei nicht an. Denn diese Entscheidung würde die Gemeinschaft nicht hindern, durch den hier noch im Streit befindlichen Beschluss über die Abrechnung denselben Kostenverteilungsschlüssel zur Anwendung zu bringen, soweit er denn sachgerecht ist.

Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Landgerichts, dass die Kosten der Frischwasserversorgung und der Entwässerung durch § 10 der Teilungserklärung erfasst werden, und damit einer abweichenden Verteilung durch einen Mehrheitsbeschluss nicht zugänglich sind. Dabei unterliegt die Auslegung der Teilungserklärung (TE) durch das Landgericht der uneingeschränkten Nachprüfung durch den Senat. Die Teilungserklärung unterliegt als Teil der Grundbucheintragung der objektiven Auslegung, d.h. dass die Auslegung allein nach dem objektiven Sinn zu erfolgen hat, wie er sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung aus dem Wortlaut der Teilungserklärung ergibt (vgl. BGH NJW 1998, 3713, 3714).

Durch die Auslegung müssen hier zwei aufeinander aufbauende Fragen geklärt werden. Zunächst bedarf es der Feststellung, ob § 10 der TE die Frischwasser- und Abwasserkosten erfasst. Bejaht man dies, stellt sich die weitere Frage, ob die Kostenverteilung nach der Wohnfläche eine Vorab-Aufteilung nach Verbrauch auf die verschiedenen Gebäude zulässt.

Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Wortlaut § 10 Ziff.1 lit. a)ac) der TE die Verteilung (auch) der im Sondereigentum anfallenden Frischwasserkosten nach Wohnfläche vorschreibt. Dem Wortlaut nach ("Aufwendungen für die Wasserversorgung") erfasst die Regelung alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Wasserversorgung stehen, neben der Unterhaltung des Versorgungsnetzes also auch die Kosten des Bezugs. Anhaltspunkte für ein einschränkendes Verständnis enthält die TE nicht. Vielmehr zeigt die Regelung hinsichtlich der Stromkosten, dass bei der Konzeption der TE der Unterschied zwischen Gemeinschaftskosten und solchen des Sondereigentums durchaus beachtet wurde. Wenn dann hinsichtlich der Wasserversorgungsaufwendungen keine einschränkende Formulierung gewählt wurde, so legt dies den Rückschluss nahe, dass insoweit eine umfassende Regelung gewollt war.

Dahinstehen kann letztlich, ob man die Kosten der Entwässerung angesichts ihrer Koppelung an die Bezugsmengen der Frischwasserversorgung unter § 10 Ziff.1 lit.a)ac) der TE subsumiert. Denn jedenfalls fallen diese unter die inhaltsgleiche Regelung Ziff.1 lit. a)aa), da es sich bei den Entsorgungskosten um öffentliche Abgaben handelt (vgl. etwa § 1 KAG-NW).

Damit stellt sich die weitere Frage, ob die Regelung der TE eine Verteilung der Wasserversorgungs- und Entwässerungskosten allein nach Wohnflächen verlangt oder eine Vorab-Verteilung auf die einzelnen Gebäude nach Verbrauch zulässig ist. Auch insoweit teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass sich eine derartige Vorab-Verteilung mit der TE nicht in Einklang bringen lässt. Maßgebend hierfür ist insbesondere, dass die TE an keiner Stelle eine Regelung enthält, die an das Vorhandensein verschiedener Gebäude anknüpft. Vielmehr werden sämtliche Einheiten hinsichtlich Instandsetzung, Verwaltung etc. stets -unabhängig von der Zuordnung zu einem bestimmten Gebäude- gleich behandelt.

Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Landgericht eine wirksame Abänderung der TE verneint. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung. Es entspricht insbesondere der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass sich allein aus einer bestimmten Handhabung in der Vergangenheit keine konkludente Vereinbarung herleiten lässt, die Bindungswirkung für die Zukunft haben könnte.

Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind als Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden.

Da die sofortige weitere Beschwerde ohne Erfolg bleibt, entspricht es der Billigkeit, dass die Beteiligte zu 3) die Gerichtskosten des Verfahrens tragen (§ 47 S.1 WEG). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beteiligte zu 3) die sofortige weitere Beschwerde allein unter Bezugnahme auf ihren früheren Vortrag begründet haben, ohne sich mit der durchaus eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, entspricht es für die dritte Instanz allerdings der Billigkeit, dass sie den weiteren Beteiligten die in dieser Instanz entstandenen außergerichtlichen Auslagen erstatten (§ 47 S.2 WEG).

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs.3 WEG.

Ende der Entscheidung

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