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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.03.2003
Aktenzeichen: 15 W 63/03
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
FGG § 22 Abs. 2
1) Die Beschlußanfechtungsfrist wird auch durch eine nicht unterschriebene Antragsschrift gewahrt, wenn keine Zweifel daran bestehen, daß das Schriftstück von dem Antragsteller stammt und seinem Willen entspricht.

2) Nimmt der Antragsteller seinen Antrag auf den Hinweis des Gerichts, die Beschlußanfechtungsfrist sei wegen der fehlenden Unterschrift nicht gewahrt, zurück, so kann ihm für einen erneuten Beschlußanfechtungsantrag keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Denn Wiedereinsetzung kann nur zur Heilung einer tatsächlich eingetretenen Fristversäumung, nicht jedoch zur Beseitigung der Folgen einer Rücknahmeerklärung bewilligt werden.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 63/03 OLG Hamm

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 25. März 2003 auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 19. Februar 2003 gegen den Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 27. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Lohmeyer

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten dieser Instanz findet nicht statt.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 900,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) bis 8) sind die Miteigentümer der vorbezeichneten Wohnungseigentumsanlage. In der Eigentümerversammlung vom 21.03.2002 wurde in Abwesenheit der Beteiligten zu 1) zu Tagesordnungspunkt 11 der Beschluß gefaßt, "das Abrechnungsergebnis 1997 gegen die Rücklage aufzulösen".

Die Beteiligte zu 1) hat mit einem dem Amtsgericht am 16.04.2002 übermittelten Telefax mit Datum vom 17.04.2002 beantragt, "den Beschluß der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 21.03.2002 zu Tagesordnungspunkt 11 für ungültig zu erklären" (95 II 94/02 AG Essen). Die Telekopie gibt eine Unterschrift der Beteiligten zu 1) nicht wieder. Nach einem Hinweis auf die fehlende Unterschrift hat die Beteiligte zu 1) ihr Schreiben vom 17.04.2002 im Original mit Unterschrift dem Amtsgericht - dort eingehend am 25.04.2002 - erneut übersandt und in der Folgezeit ihren Antrag näher begründet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 22.07.2002 hat die Beteiligte zu 1) durch Erklärung zur Niederschrift ihren Antrag zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 05.08.2002 hat die Beteiligte zu 1) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlußanfechtungsfrist mit der Begründung beantragt, die Niederschrift über die Eigentümerversammlung sei ihr erst am 19.04.2002 zugegangen. Mit weiterem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22.08.2002 hat die Beteiligte zu 1) erneut Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlußanfechtungsfrist und zugleich die Ungültigerklärung des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 21.03.2002 beantragt sowie angeregt, zunächst nur über die Wiedereinsetzung zu entscheiden. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, ihr sei in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 22.07.2002 der Hinweis erteilt worden, ihr Beschlußanfechtungsantrag vom 17.04.2002 sei im Hinblick auf die fehlende Unterschrift unzulässig. Dieser Hinweis sei jedoch sachlich unrichtig. Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 11.11.2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen (95 II 248/02 AG Essen).

Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 04.12.2002 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht durch Beschluß vom 27.01.2003 zurückgewiesen hat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die sie mit einem dem Oberlandesgericht am 19.02.2003 übermittelten Telefax ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag eingelegt hat.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 2 S. 3, 27 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Gegenstand des Rechtsmittels ist die isolierte Entscheidung über den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlußanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG. Die Vorschrift des § 22 Abs. 2 FGG bezieht sich zwar unmittelbar nur auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde, findet jedoch nach gefestigter Auffassung auf die Versäumung der materiell-rechtlichen Ausschlußfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG entsprechende Anwendung (vgl. etwa BGHZ 54, 65, 79; BayObLGZ 1989, 13, 15 = NJW-RR 1989, 656, 657; Senat OLGZ 1985, 147, 150). Dementsprechend unterliegt die isolierte Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag gem. §§ 22 Abs. 2 S. 3 FGG der sofortigen ersten Beschwerde, folglich auch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts der sofortigen weiteren Beschwerde (§ 27 Abs. 1 FGG). Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt daraus, daß ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht. Denn das Landgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1) zu Recht für unbegründet erachtet.

Nach § 22 Abs. 2 S. 1 FGG kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde versäumt worden ist. Auch im Rahmen der entsprechenden Anwendung der Vorschrift auf die Beschlußanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG kann die Wiedereinsetzung deshalb ausschließlich die Fristversäumung heilen. Die Gewährung der Wiedereinsetzung setzt daher in jedem Fall die vorrangige Feststellung der Fristversäumung voraus (Keidel/Sternal, FG, 15. Aufl., § 22, Rdnr. 31; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233, Rdnr. 9). Schon an dieser Grundvoraussetzung fehlt es hier, weil die Beteiligte zu 1) - entsprechend ihrem eigenen, insoweit zutreffenden Beschwerdevorbringen - durch ihr dem Amtsgericht in dem Vorverfahren 95 II 94/02 per Fax übermitteltes Schreiben vom 17.04.2002 einen ordnungsgemäßen Beschlußanfechtungsantrag gestellt und dadurch die Frist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG gewahrt hat.

Der Wirksamkeit dieses Antrags steht nicht entgegen, daß die Telekopie die Unterschrift der Beteiligten zu 1) unter dem Schreiben vom 17.04.2002 nicht wiedergibt. Denn die Vorschrift des § 130 Nr. 6 ZPO, derzufolge bestimmende Schriftsätze von der Person, die sie verantwortet, unterschrieben und im Falle der Übermittlung per Telefax die Kopie die Unterschrift wiedergeben muß, ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anwendbar. Für die Wahrung der Form des § 21 Abs. 2 S. 1 FGG für Einlegung einer Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift ist nach anerkannter Auffassung eine Unterschrift des Beteiligten unter dem Schriftstück nicht zwingend erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn aus der Beschwerdeschrift mit ausreichender Sicherheit hervorgeht, daß sie von dem Beschwerdeführer herrührt und seinem Willen entspricht (BGHZ 48, 88, 95 = NJW 1967, 2059, 2060; BayObLGZ 1987, 275, 277; OLG Frankfurt Rpfleger 1975, 306; Keidel/Sternal, a.a.O., § 21, Rdnr. 31). Dementsprechend können auch für den Beschlußanfechtungsantrag nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG nach einhelliger Auffassung keine weitergehenden Anforderungen gestellt werden (BayObLG ZMR 1999, 349; KG WE 1986, 121; OLG Frankfurt AnwBl. 1985, 327; Staudinger/Bub, BGB, 12. Bearb., § 23 WEG, Rdnr. 302; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 23, Rdnr. 174 b). Diesen Anforderungen genügt das dem Amtsgericht übermittelte Telefax, zumal es den Absender eindeutig erkennen läßt. Im übrigen ist der Gegenstand des Anfechtungsantrags, nämlich der Beschluß zu Tagesordnungspunkt 11 der Eigentümerversammlung vom 21.03.2002, hinreichend bestimmt bezeichnet. Die - ohnehin nicht zwingend vorgeschriebene - nähere Begründung des Antrags konnte späterem Vorbringen vorbehalten werden.

Der Gesichtspunkt, daß die Beteiligte zu 1) ihren Beschlußanfechtungsantrag im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 22.07.2002 durch Erklärung zur Sitzungsniederschrift zurückgenommen hat, ermöglicht nicht die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dies gilt selbst dann, wenn die Rücknahmeerklärung entsprechend der nicht näher aufzuklärenden Darstellung der Beteiligten zu 1) auf einem Hinweis des Amtsgerichts beruht, der Beschlußanfechtungsantrag sei wegen der fehlenden Unterschrift auf dem Telefax unwirksam. Denn die Wiedereinsetzung kann entsprechend den obigen Ausführungen nur zur Heilung einer tatsächlich eingetretenen Fristversäumung, nicht jedoch allein zum Zweck der Korrektur eines möglicherweise fehlerhaften Hinweises des Gerichts gewährt werden. Der Beteiligten zu 1) geht es der Sache nach ausschließlich darum, die Rechtsfolgen ihrer Rücknahmeerklärung rückgängig zu machen und das Verfahren so fortzusetzen, als ob sie ihren Antrag nicht zurückgenommen hätte. Die Rücknahmeerklärung ist als Verfahrenshandlung weder widerruflich noch anfechtbar. Ein Widerruf einer Verfahrenshandlung ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen von Restitutionsgründen im Sinne des § 580 ZPO möglich (Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 11 Rdnr. 34; Zöller/Greger, a.a.O., vor § 128 Rdnrn. 21, 24); dafür bestehen hier jedoch keine Anhaltspunkte. Ausgehend von ihrem eigenen Vorbringen hat die Beteiligte zu 1) durch ihre Rücknahmeerklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht darauf verzichtet, die ihr in Form eines Hinweises bekanntgegebene Rechtsauffassung des Amtsgerichts durch Einlegung eines Rechtsmittels durch die höhere Instanz nachprüfen zu lassen. Die verfahrensrechtlichen Folgen dieser von der Beteiligten zu 1) selbst getroffenen Entscheidung können nicht durch die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rückgängig gemacht werden.

Da die sofortige weitere Beschwerde ohne Erfolg bleibt, entspricht es billigem Ermessen im Sinne des § 47 S. 1 WEG, die Beteiligte zu 1) mit den Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu belasten. Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten erscheint demgegenüber nicht angemessen (§ 47 S. 2 WEG), zumal die übrigen Beteiligten in dem Verfahren nicht anwaltlich vertreten sind.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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