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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.09.2004
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. VIII 186/04
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 99
Zum besonderen Umfang des Verfahrens im Sinne von § 99 BRAGO.
Beschluss

Strafsache

gegen I.H.

wegen Betruges (hier: Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die bestellte Verteidigerin).

Auf den Antrag der Rechtsanwältin P. aus Dortmund vom 18. Juni 2004 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung der ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 09. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Tenor:

Der Antragstellerin wird anstelle ihrer gesetzlichen Gebühren in Höhe von 300 EURO eine Pauschvergütung in Höhe von 600 € (in Worten: sechshundert EURO) bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin war der ehemaligen Angeklagten, der die Beteiligung an mehreren Betrugstaten ihres mitangeklagten Ehemannes vorgeworfen wurde, als Pflichtverteidigerin beigeordnet. Die Antragstellerin beantragt für ihre für ihre Mandantin erbrachte Tätigkeiten die Gewährung einer Pauschvergütung, die sie im Wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten begründet:

Die Antragstellerin ist für die ehemalige Angeklagte bereits im Vorverfahren tätig geworden. Die Beiordnung erfolgte am 11. September 2003. Die Antragstellerin hat für die ehemalige Angeklagte mehrere Schreiben und Anträge verfasst und Akteneinsicht genommen. Der Umfang der Akten betrug rund 300 Seiten. Die Antragstellerin hat außerdem mehrere Besprechungen mit der ehemaligen Angeklagten geführt, die insgesamt über 10 Stunden gedauert haben. Gegenstand des Verfahrens waren zunächst 42 Betrugstaten zu Lasten von Verkehrshaftpflichtversicherungen. Vier dieser Taten sind dann zur Anklage gebracht worden. Im Vorfeld der Hauptverhandlung hat die Antragstellerin ein Rechtsgespräch mit dem Gericht geführt. Nach diesem Gespräch hat die ehemalige Angeklagte ein Geständnis abgelegt. Die Hauptverhandlung beim Schöffengericht Recklinghausen hat dann nur noch gut 2 Stunden gedauert.

Wegen des weiteren Umfangs der Inanspruchnahme und der von dem Antragstellerin für die ehemalige Angeklagte erbrachten Tätigkeiten wird auf die der Antragstellerin bekannt gemachte Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 16. August 2004 Bezug genommen.

Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren der Antragstellerin betragen 300 EURO. Die Antragstellerin hat eine Pauschvergütung von 1.300 EURO DM, beantragt.

Der Vorsitzende des Schöffengerichts hat eine Beurteilung des Schwierigkeitsgrades des Verfahrens nicht abgegeben. Der Vertreter der Staatskasse ist der Auffassung gewesen, das Verfahren sei weder "besonders schwierig" noch "besonders umfangreich" im Sinne von § 99 Abs. 1 BRAGO gewesen.

II.

Der Antragstellerin war gemäß § 99 Abs. 1 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen

1.

Das Verfahren war allerdings nicht "besonders schwierig". "Besonders schwierig" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, § 51 RVG, Rn. 19 ff. mit weiteren Nachweisen; Burhoff StraFo 1999, 261, 264; vgl. u.a. Senat AGS 2003, 257). Das ist vorliegend nicht der Fall. Insoweit liegt zwar eine Einschätzung des Vorsitzenden des Schöffengerichts nicht vor (vgl. zu deren grundsätzliche Maßgeblichkeit Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56). Der Senat kann diese Frage vorliegend jedoch selbst beurteilen. Insoweit ist er mit dem Vertreter der Staatskasse der Auffassung, dass das Verfahren nicht als "besonders schwierig" anzusehen ist. Das vorliegende Verfahren mag zwar als so genanntes "Scheppermann"Ž-Verfahren" schwierig gewesen sein, der Grad des Besonderen ist aber noch nicht erreicht. Auch die Vielzahl der den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bildenden Fälle hat das Verfahren noch nicht zu einem "besonders schwierigen" im Sinne von § 99 Abs. 1 BRAGO gemacht.

2. Das Verfahren war jedoch für die Antragstellerin schon "besonders umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. Insoweit schließt sich der Senat der anderen Einschätzung des Vertreters der Staatskasse nicht an.

Bei den bei der Beurteilung des "besonderen Umfangs" zu berücksichtigenden Tätigkeiten hat der Senat insbesondere die zeitintensiven Besprechungen der Antragstellerin im Ermittlungsverfahren, für die sie mehr als 10 Stunden aufgewendet hat, berücksichtigt. Auch konnte nicht das mit dem Gericht geführte Rechtsgespräch außer Betracht bleiben. Insoweit ist von besonderer Bedeutung, dass dies zu einer Abkürzung des Verfahrens geführt hat, was nach ständiger Rechtsprechung des Senats bei der Bewilligung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen ist (vgl. u.a. OG Hamm StraFo 2000, 214, Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, § 51 RVG Rn. 68). Dabei übersieht der Senat nicht, dass die Hauptverhandlung beim Schöffengericht mit einer Dauer von rund 2 Stunden für ein Verfahren beim Amtsgericht im durchschnittlichen Bereich liegt. Dies wiegt jedoch die übrigen zeitaufwändigen Tätigkeiten der Antragstellerin nicht vollständig auf. Insgesamt war damit unter weiterer Berücksichtigung aller von der Antragstellerin erbrachten Tätigkeiten, wie ihrer Schreiben und Anträge und der Akteneinsicht, nach allem von einem "besonders umfangreichen" Verfahren auszugehen.

3. Bei der Bemessung der somit der Antragstellerin wegen des "besonderen Umfangs" zu gewährenden Pauschvergütung hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Besonderes Gewicht hatten dabei neben der einerseits nur durchschnittlichen Dauer des Hauptverhandlungstermins die zeitaufwändigen Besprechungen im Ermittlungsverfahren. Auch waren bei der Bemessung der Pauschvergütungen (nunmehr) die von der Antragstellerin erbrachten Fahrtzeiten von Dortmund nach Recklinghausen zu berücksichtigen (vgl. dazu Senat in StraFo 1999, 143 = wistra 1999, 156 = AGS 1999, 72). Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen hat der Senat eine Pauschvergütung von 600 € als angemessen und erforderlich angesehen.

Die Bewilligung einer höheren Pauschvergütung kam nicht in Betracht. Bei der Bemessung konnte nämlich die nur durchschnittliche Dauer des Hauptverhandlungstermins nicht übersehen werden. Insbesondere konnte der Antragstellerin nicht die von ihr beantragte Pauschvergütung von 1.300 EURO bewilligt werden. Mit einer Pauschvergütung in dieser Höhe wäre die Wahlverteidigerhöchstgebühr, die vorliegend 990 EURO betragen hätte, weit überschritten worden. Die Bewilligung einer Pauschvergütung in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr oder sogar noch darüber hinaus ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu § 99 BRAGO jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit für den ehemaligen Angeklagten den Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat. Das ist vorliegend indes nicht der Fall und wird auch von der Antragstellerin im Grunde nicht geltend gemacht. Demgemäss ist der weitergehende Antrag abgelehnt worden.

Ende der Entscheidung

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