Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 12/04
Rechtsgebiete: BKatV


Vorschriften:

BKatV § 4
Der Senat hält daran fest, dass bei der Verhängung eines Fahrverbotes den Ausführungen des Tatrichters entnehmen lassen muss, ob er sich der Möglichkeit bewusst gewesen ist, ob nicht allein deshalb von der Verhängung des Fahrverbots - bei gleichzeitiger (weiterer) Erhöhung der festgesetzten Geldbuße - abgesehen werden konnte, weil bei diesem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf diese Weise erreicht werden kann.
Beschluss

Bußgeldsache

wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 24. September 2004 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 02. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2, 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe verworfen, dass der Betroffene eines Verstoßes gegen §§ 41 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG schuldig ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Lüdenscheid zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 3 Abs. 3, 49 StVO in Verbindung mit §§ 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 130 EURO verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen richtet sich die nicht näher ausgeführte Rechtsbeschwerde, mit der die formelle und materielle Rüge erhoben worden ist. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel gem. §§ 349 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat teilweise - zumindest vorläufig - Erfolg. Das angefochtene Urteil war im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.

1. Die formelle Rüge ist unzulässig, da sie nicht den an eine formelle Rüge gem. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu stellenden Anforderungen entspricht. Der Betroffene hat nichts dazu vorgetragen, warum das amtsgerichtliche Verfahren fehlerhaft war.

2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils richtet, war die Rechtsbeschwerde gem. §§ 349 Abs. 2, 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß den §§ 41 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG. Die Geschwindigkeitsermittlung auf der Grundlage des vorliegend verwendeten Lasermessgeräts LR 90-235/P ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung als sog. standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 39, 291 = DAR 1993, 474; NJW 1998, 321 = DAR 1998, 110) anerkannt (siehe auch Senat in DAR 1998, 244 = MDR 1998, 836 = StraFo 1998, 273 = VRS 95, 141 mit weiteren Nachweisen). Demgemäss sind die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ausreichend und war das Rechtsmittel insoweit zu verwerfen.

Der Senat hat allerdings die vom Amtsgericht angeführte Liste der verletzten Vorschriften berichtigt, da das Amtsgericht einen Verstoß gegen § 41 (Zeichen 274) StVO und nicht gegen § 3 Abs. 3 StVO festgestellt hat.

3. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs des angefochtenen Urteils lässt einen Rechtsfehler erkennen, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit führt.

Die Erhöhung der Regelgeldbuße von 100 EURO auf 130 EURO ist allerdings nicht zu beanstanden. Der Betroffene ist bereits straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten und durch Bußgeldbescheid vom 15. Mai 2002 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaft um 21 km/h mit einer Geldbuße von 40 EURO belegt worden. Dem trägt die maßvolle Erhöhung der Geldbuße Rechnung.

Die Ausführungen des Amtsgerichts zum verhängten Fahrverbot sind jedoch lückenhaft (§ 267 Abs. 1 StPO).

Es ist jedoch insoweit nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht ein sogenanntes "Augenblicksversagen" (vgl. dazu BGHSt 43, 214 und aus der Rechtsprechung des Senats u.a. Senat in NZV 2001, 90 = DAR 2001, 85; siehe auch NZV 1999, 215 = VRS 96, 382 = zfs 1999, 311 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Senats) nicht angenommen hat. Vielmehr ist es zutreffend, wenn der Tatrichter davon ausgeht, dass es auf die Geschwindigkeitsüberschreitung am Tattag ankommt und es deshalb unerheblich ist, ob und wann die die Höchstgeschwindigkeit begrenzenden Schilder aufgestellt worden sind. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Betroffene nach seiner eigenen Einlassung die Strecke täglich fährt und das Verkehrsschild bereits 14 Tage vor dem ihm hier zur Last gelegten Verkehrsverstoß aufgestellt worden sein soll.

Zutreffend ist das Amtsgericht auch im Übrigen davon ausgegangen, dass ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Verhängung des nach der lfd. Nr. 11.1.7 der Tabelle 1 a "Geschwindigkeitsüberschreitungen" der BußgeldkatalogVO vorgesehenen Regelfahrverbots rechtfertigen würde (vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., 25 StVG Rn. 15 ff. m.w.N.; sowie insbesondere BGHSt 38, 231 = NZV 1992, 286), nicht vorliegt. Dazu reichen die Tatumstände und die sich aus der Person des Betroffenen ergebenden Umstände weder allein noch gemeinsam aus. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Umstände, die die Tat aus der Mehrzahl der sonstigen Fälle, die dem Regelfall unterliegen, mildernd herausheben könnten, nicht erkennbar sind.

Auch die Ausführungen und die Feststellungen des Amtsgerichts zu der Frage, ob nicht in der Persönlichkeit des Betroffenen Umstände gegeben sind, die ausnahmsweise das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots rechtfertigen würden, halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen verneint, dass für den Betroffenen durch die Verhängung des Fahrverbots eine besondere Härte eintritt. Der Betroffene ist Frührentner und aus beruflichen Gründen nicht auf die Fahrerlaubnis angewiesen.

Zu beanstanden ist aber, dass sich den Ausführungen des Tatrichters nicht entnehmen lässt, dass er sich der Möglichkeit bewusst gewesen ist, ob nicht allein deshalb von der Verhängung des Fahrverbots - bei gleichzeitiger (weiterer) Erhöhung der festgesetzten Geldbuße - abgesehen werden konnte, weil bei diesem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf diese Weise erreicht werden kann. Dazu sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu zuletzt Senat in NZV 2002, 140 = VRS 102, 64 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Senats), die der wohl herrschenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung entspricht (ständige Rechtsprechung seit BGHSt 38, 125 = NZV 1992, 117; siehe dazu insbesondere auch OLG Köln NZV 2001, 391 mit zahlreichen Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung sowie OLG Naumburg zfs 2001, 382; OLG Rostock zfs 2001, 383) und an der der Senat festhält, entsprechende Ausführungen im tatrichterlichen Urteil erforderlich.

Vorliegend ist auch keiner der Ausnahmefälle gegeben, in denen der Senat in der Vergangenheit das ausdrückliche Ansprechen der Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot als nicht erforderlich angesehen hat. Angenommen hat der Senat dies in der Vergangenheit dann, wenn der Begründung des amtsrichterlichen Urteils im Übrigen eindeutig zu entnehmen ist, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg durch eine Erhöhung der Geldbuße bei gleichzeitigem Wegfall des Fahrverbots nicht erreicht werden kann (vgl. u.a. Senat in NZV 2000, 136 = MDR 2000, 269 = DAR 2000, 177 = VRS 98, 222; VRS 96, 458 = NZV 1999, 391; DAR 1997, 117 = VRS 93, 217; in NZV 95, 83 Ls. = VRS 88, 301; NZV 2002, 140 = VRS 102, 64). Dabei haben jedoch in den bisher entschiedenen Fällen in der Regel bei den Betroffenen bereits mehrere Voreintragungen vorgelegen, aufgrund derer bereits meist einmal eine erhöhte Geldbuße verhängt worden war, so dass deshalb die Annahme gerechtfertigt war, dass bei solchen Betroffenen eine (nochmalige) bloße Erhöhung der Geldbuße als Denkzettelmaßnahme nicht ausreichend sein würde (vgl. die o.a. Rechtsprechung) oder es hat sich um einen so schweren Verkehrsverstoß gehandelt, dass allein deshalb die Annahme gerechtfertigt war, dass bei einem solchen Betroffenen allein die Erhöhung der Geldbuße nicht mehr ausreichend ist, um ihn für die Zukunft vor ähnlichen Verkehrverstößen zu warnen und zu verkehrsgerechtem Verhalten anzuhalten (Senat in NZV 2002, 140 = VRS 102, 64 für eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 60%). Vorliegend ist der Betroffene bislang jedoch "nur" einmal straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Der in der Vergangenheit bereits abgeurteilte Verstoß war auch mit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 21 km/h nicht so schwerwiegend, dass allein deshalb nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Betroffene nicht auch noch mit einer noch weiter erhöhten Geldbuße beeindruckt und für die Zukunft zu verkehrsgerechtem Verhalten angehalten werden könnte.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG.

Ende der Entscheidung

Zurück