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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.03.2003
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 187/03
Rechtsgebiete: StPO, OWiG


Vorschriften:

StPO § 267
OWiG § 9
Zum Umfang der tatsächlichen Feststellungen eines Urteils in OWi-Sachen, wenn der Betroffene als Geschäftsführer einer GmbH in Anspruch genommen wird.
Beschluss

Bußgeldsache

wegen Verstoßes gegen die Satzung der Stadt H. über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 15. Juli 2002 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wetter (Ruhr) vom 20. Juni 2002 und auf den Antrag des Betroffenen vom 28. Januar 2003 auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wetter (Ruhr) vom 16. Januar 2002 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 03. 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter (§ 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts Wetter (Ruhr) vom 16. Januar 2003 wird aufgehoben.

Der Beschluss des Amtsgerichts Wetter (Ruhr) vom 20. Juni 2002 wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen ebenfalls aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Wetter (Ruhr) zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 20. Juni 2002 gegen den Betroffenen wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 der im Sinne der Bestimmungen des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. September 1995 erlassenen Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen - Sondernutzungssatzung - vom 03. September 1987, zuletzt geändert durch Satzung vom 07. März 1989, 10. Juli 1997 und 05. November 2001 eine Geldbuße in Höhe von 300,00 Euro festgesetzt. Gegen diesen zunächst am 09. Juli 2002 mit einer Rechtsmittelbelehrung "sofortige Beschwerde" zugestellten Beschluss hat der Betroffene mit Schreiben seines Verteidigers vom 15. Juli 2002, das am 16. Juli 2002 beim Amtsgericht Wetter eingegangen ist, ein als "sofortige Beschwerde" bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt und dieses begründet. Nachdem die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung festgestellt worden war, hat der Betroffene zunächst mit Schreiben vom 13. September 2002, das am 14. September 2002 bei dem Amtsgericht eingegangen ist, und sodann nach erneuter Zustellung des Beschlusses mit Rechtsmittelbelehrung "Rechtsbeschwerde" am 01. Oktober 2002 mit Schreiben vom 07. Oktober 2002, das am 08. Oktober 2002 bei dem Amtsgericht Wetter eingegangen ist, "Rechtsbeschwerde" eingelegt.

Mit Beschluss vom 16. Januar 2003 hat das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil nicht begründet, verworfen. Gegen diesen dem Verteidiger am 23. Januar 2003 zugestellten Beschluss hat der Betroffene mit Schreiben vom 28. Januar 2003, das am 29. Januar 2003 bei dem Amtsgericht eingegangen ist, die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts über die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde beantragt.

II.

Der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, so dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 16. Januar 2003 aufzuheben war.

Das Amtsgericht hätte das Rechtsmittel des Betroffenen nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in diesem Zusammenhang ausgeführt:

"Aufgrund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung hatte der Betroffene mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 15.07.2002 fristgerecht ein Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 20.06.2002 eingelegt und dieses als "sofortige Beschwerde" bezeichnet. Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels ist gem. § 300 StPO unschädlich, wenn nur ein bestimmtes Rechtsmittel statthaft und die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels offensichtlich bezweckt ist (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 300 Rdnr. 2 m.w.N.). Das mit Schreiben vom 15.07.2002 eingelegte Rechtsmittel ist daher gem. § 300 StPO als rechtzeitig eingelegte Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 1 OWiG umzudeuten. Da vor Fristbeginn zugleich mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde diese begründet werden kann (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 345 Rdnr. 3), ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Wetter eine Begründung der Rechtsbeschwerde bereits mit Schreiben des Verteidigers vom 15.07.2002 (BI. 33, 34 d.A.) erfolgt."

Dem tritt der Senat nach eigener Prüfung bei.

III.

Die somit zulässige Rechtsbeschwerde hat auch entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft, die die Verwerfung des Rechtsmittels nach § 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 349 Abs. 2 StPO beantragt hat, in der Sache Erfolg.

1. Soweit der Betroffene rügt, es sei nicht ersichtlich, dass er vom Gericht gem. § 72 Abs. 1 OWiG darauf hingewiesen worden sei, dass das Gericht beabsichtige, durch Beschluss zu entscheiden und er die Möglichkeit des Widerspruchs gegen eine Entscheidung durch Beschluss habe, hat diese Rüge allerdings keinen Erfolg. Insoweit ist der Senat mit der Generalstaatsanwaltschaft der Auffassung, dass diese Rüge - wenn nicht schon unzulässig erhoben - so doch jedenfalls unbegründet ist, da ein schriftlicher Hinweis mit Fristsetzung von zwei Wochen entsprechend § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG am 02. Mai 2002 durch das Amtsgericht erteilt worden ist. Die Zustellung dieses Hinweises an den Betroffenen ist am 04. Mai 2002 erfolgt.

2. Die Rechtsbeschwerde hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg. Die vorgenommene Prüfung der angefochtenen Entscheidung lässt nämlich Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen, die zur Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht Wetter führen. Die tatrichterlichen Feststellungen sind lückenhaft (§ 267 StPO).

Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene hat als Geschäftsführer der J.K. GmbH im Stadtgebiet H. mit insgesamt 7 Plakaten für die Messe "Bauen und Wohnen 02" vom 08.03. - 10.03.2002 in der Stadthalle H. geworben. Die Plakate wurden von folgenden Standorten demontiert:

2 Plakate an einem Verkehrszeichen an der Hengsteyseestraße B 54 unter der Brücke

1 Plakat von einer Laterne in der Wetterstraße

1 Plakat von einer Laterne in der Hauptstraße in Höhe Hausnummer 5

2 Plakate vom Brückengeländer an der Hengsteyseestraße - Einmündung Zweibrücker Hof

1 Plakat von einer Laterne in der Hengsteyseestraße (Abfahrt B 54 aus Richtung Hagen).

Mit Schreiben vom 06.02.2002 hatte der Betroffene von der DSM Deutsche StädteMedien Nordwest GmbH die Erlaubnis zum Ausstellen von jeweils einem Plakat an 6 verschiedenen, bestimmten Stellen im Stadtgebiet H. erhalten. In den Auflagen und Nebenbestimmungen wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Plakate nur auf dem Boden aufgestellt und nicht mit Draht oder ähnlichem Material an Beleuchtungsmasten im Luftraum über den Gehwegen angebracht werden dürfen.

Bereits mit Schreiben vom 07.01.2002 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld von 100,-- EUR. wegen unerlaubten Plakatierens im Stadtgebiet H. festgesetzt.

Auf den Bußgeldbescheid der Stadt H. vom 04.04.2002, eingegangen beim Betroffenen am 08.04.2002 hat der Betroffene mit Schreiben vom 09.04.2002 Einspruch eingelegt. Er ist der Auffassung, als Geschäftsführer der Jo Kogel GmbH müsse er die Buße nicht bezahlen, da er die geschilderte Ordnungswidrigkeit nicht begangen und nicht angeordnet habe...."

Diese Feststellungen sind lückenhaft. Sie tragen nicht die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 der Satzung (muss wohl ergänzt werden: der Stadt H.) in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG.

An die Urteile in Ordnungswidrigkeitensachen sind zwar, worauf auch der Senat bereits wiederholt hingewiesen hat (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 20. November 2002 in 2 Ss OWi 898/02, http://www.burhoff.de) keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. u.a. BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; siehe die weiteren Nachweise bei Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rn. 42). Sowohl in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch in der der Oberlandesgerichte besteht die Tendenz, die Anforderungen an die Urteilsgründe in den bußgeldrechtlichen Massenverfahren nicht zu überspannen und den Begründungsaufwand auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Maß zu beschränken (vgl. Cierniak NZV 1998, 293; Göhler, a.a.O., BGH, a.a.O.; ähnlich schon Senat in VRS 96, 458 = NZV 1999, 391 mit weiteren Nachweisen). Es entspricht jedoch der allgemeinen Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass die Urteilsgründe aber zumindest so beschaffen sein müssen, dass das Rechtsbeschwerdegericht die richtige Rechtsanwendung anhand der Urteilsgründe nachprüfen kann (vgl. die zahlreichen Rechtsprechungsnachweise bei Göhler, a.a.O.). Das bedeutet, dass den tatrichterlichen Ausführungen u.a. alle subjektiven und objektiven Tatbestandsmerkmale entnommen werden können müssen.

Dem wird die angefochtene Entscheidung in keiner Weise gerecht.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen "als Geschäftsführer der J.K. GmbH" verurteilt und seiner Entscheidung damit ersichtlich § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zugrunde gelegt. Dabei hat es jedoch offenbar übersehen, dass allein die Eigenschaft des Betroffenen als Geschäftsführer der GmbH nicht genügt, um ihn für das nicht ordnungsgemäße Plakatieren ordnungswidrigkeitenrechtlich haften zu lassen. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG setzt vielmehr als objektives Tatbestandsmerkmal weiter voraus, dass der Inanspruchgenommene als vertretungsberechtigtes Organ der juristischen Person "handelt". Welche (Tat-)Handlung dem Betroffenen aber zur Last gelegt wird, lässt sich der angefochtenen Entscheidung bislang nicht entnehmen. Der Tatrichter teilt lediglich mit, dass der Betroffene als Geschäftsführer "geworben" hat. Dieser Formulierung lässt aber keinen Rückschluss darauf zu, von welcher Tathandlung das Amtsgericht ausgeht. Hat der Betroffene die offensichtlich ordnungswidrig angebrachten Plakate selbst angebracht oder hat er es ggf. nur unterlassen, seine Angestellten auf die bestehenden Ordnungsbestimmungen hinzuweisen und entsprechend zu überwachen?

Das Amtsgericht wird die - nach Auffassung des Senats insoweit noch möglichen - Feststellungen zu treffen haben. Gelangt es erneut zu einem Schuldspruch, wird es zu beachten haben, dass, wenn dem Betroffenen möglicherweise nur der Vorwurf der nicht genügenden Beaufsichtigung gemacht werden kann, dann nur fahrlässige Begehungsweise in Betracht kommen könnte.

IV.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Dem angefochtenen Urteil lässt sich bislang eine konkrete Tatzeit bzw. ein konkreter Tatzeitraum nicht entnehmen.

2. Auch der Rechtsfolgenausspruch dürfte derzeit zu beanstanden sein. Der Senat hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass bei der Verwertung von Voreintragungen eines Betroffenen grundsätzlich das Datum des Erlasses des Bußgeldbescheides und das seiner Rechtskraft anzugeben sind (zu vgl. Senatsentscheidung vom 15. Oktober 1996, 2 Ss OWi 1131/96; zuletzt Senat im Beschluss vom 22. Januar 2003 in 2 Ss OWi 1148/02, ZAP EN-Nr. 173/2003 = http://www.burhoff.de). Auch diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, da das Amtsgericht lediglich mitteilt, dass gegen den Betroffenen mit Schreiben (?) vom 7. Januar 2003 wegen unerlaubten Plakatierens ein Bußgeld von 100 EURO verhängt worden sei. Diese Ausführungen ermöglichen es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht, Feststellungen zur Verwertbarkeit der zu Lasten des Betroffenen berücksichtigten Voreintragung zu treffen, da nicht erkennbar ist, ob es sich um eine Bußgeldentscheidung handelt und ob diese zum Zeitpunkt des dem Betroffenen nun zur Last gelegten Verstoßes bereits rechtskräftig war.

3. Der Senat weist außerdem darauf hin, dass es sich empfehlen dürfte, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen darzustellen. Es ist immerhin eine Geldbuße von 300 EURO festgesetzt worden.

4. Schließlich lässt sich dem Tenor der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen, von welcher Schuldform das Amtsgericht ausgegangen ist (vgl. dazu u.a. OLG Hamm VRS 98, 440).

Ende der Entscheidung

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