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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 752/04 (1)
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 356 a
Zur Anhörungsrüge im Revisionsverfahren, wenn der Betroffene/Angeklagte eine Gegenerklärung zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft nach § 349 Abs. 3 StPO angekündigt hat.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen M.A.

wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, (hier: Antrag gemäß § 356 a StPO)

Auf den Antrag des Betroffenen auf Nachholung rechtlichen Gehörs gemäß "§ 33 a StPO" vom 07. März 2005 gegen den Beschluss des Senats vom 08. Februar 2005 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen am 12. 05. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Betroffenen auf Nachholung des rechtlichen Gehörs wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Durch Senatsbeschluss vom 08. Februar 2005 ist die Rechtbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 24. August 2004 gemäß § 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG als unbegründet verworfen worden, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerdebegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hatte. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung war die Frist des § 349 Abs. 3 StPO, § 79 OWiG zur Einreichung einer schriftlichen Gegenerklärung auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft bereits seit zwei Wochen abgelaufen. Die Verteidigerin des Betroffenen hatte zwar mit Schriftsatz vom 12. Januar 2005 mitgeteilt, sie werde sich noch zu dem "Schriftsatz der Generalstaatsanwaltschaft" äußern; die angekündigte Stellungnahme ging jedoch bis zur Beschlussfassung durch den Senat nicht ein, sondern erfolgte vielmehr erst mit Schriftsatz vom 15. Februar 2005.

Der Betroffene wendet sich mit seinem Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs "gemäß § 33 a StPO" gegen den Beschluss des Senats vom 08. Februar 2005. Er beruft sich unter näherer Darlegung darauf, dass seine Verteidigerin in ihrem Schreiben vom 12. Januar 2005 zum Ausdruck gebracht habe, eine Gegenerklärung zu der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft abgeben zu wollen. Dadurch, dass der Senat den angekündigten Schriftsatz seiner Verteidigerin nicht abgewartet habe, sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör "erheblich" verletzt worden.

II.

1.

Der Antrag, der fälschlicherweise auf § 33 a StPO gestützt wird, ist als Antrag auf nachträgliches Gehör gemäß § 356 a StPO auszulegen. Er war bereits als unzulässig zu verwerfen.

Die Regelung in § 356 a StPO, die durch das zum 01. Januar 2005 in Kraft getretene Anhörungsrügegesetz neu eingeführt worden ist, geht § 33 a StPO als speziellere Norm vor. Danach wird, wenn das Gericht den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, das Verfahren durch Beschluss in die Lage versetzt, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand, § 356 a Satz 1 StPO. Die Neuerung gilt über § 46 OWiG bzw. § 79 Abs. 3 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren (vgl. zur Anhörungsrüge im Strafverfahren ausführlich Burhoff in ZAP Heft 8/2005, F. 22, S. 409 ff.).

Der Rechtsbehelf ist im Gegensatz zu § 33 a StPO befristet. Er muss gemäß § 356 a Satz 2 StPO innerhalb einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angebracht werden. Die Kenntnis muss sich dabei nur auf die tatsächlichen Umstände beziehen, aus denen sich die Gehörsverletzung ergeben kann (vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) BT-Drucksache 15/3706, S. 18). Weil das Revisionsgericht/Rechtsbeschwerdegericht den Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte Kenntnis von diesen tatsächlichen Umständen erlangt, nicht selbst zuverlässig feststellen kann, da er sich in der Regel nicht aus den Akten ergibt, muss der Betroffene den Zeitpunkt der Kenntniserlangung mitteilen.

Der Betroffene hat im Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 07. März 2005 mitgeteilt, der in Rede stehende Senatsbeschluss sei am 21. Februar 2005 zugestellt worden. Demzufolge ist die Wochenfrist hier verstrichen und die Anhörungsrüge damit verspätet gestellt. Sie hätte spätestens bis zum 28. Februar 2005 eingereicht werden müssen, tatsächlich ist sie jedoch erst am 07. März 2005 beim Senat eingegangen.

2.

Die Anhörungsrüge hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg. Es fehlt nämlich an der von § 356 a Abs. 1 StPO geforderten Entscheidungserheblichkeit.

Der Senat hat in seinem Beschluss vom 08. Februar 2005 zum Nachteil des Betroffenen keine Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen dieser nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 06. Januar 2005 zutreffend zu dem Vorbringen des Rechtsbeschwerdeführers Stellung genommen und ihre Stellungnahme dem Betroffenen bzw. seiner Verteidigerin gemäß § 349 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG zugestellt. Gemäß § 349 Abs. 3 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG hatte der Betroffene Gelegenheit, binnen zwei Wochen nach Zustellung hierzu eine Gegenerklärung abzugeben. Durch diese Verfahrensweise ist der Anspruch auf rechtliches Gehör im Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend gewahrt (vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 14 f.). Eine weitergehende Beteiligung des Rechtsbeschwerdeführers verlangt Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Januar 2002 - BvR 1225/01 = NStZ 2002, 487). Die Frist des § 349 Abs. 3 S. 2 StPO zur Abgabe einer Gegenerklärung kann auch nicht verlängert werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 349 Rdnr. 17); ihre Überschreitung ist allerdings, da sie keine Ausschlussfrist ist, unschädlich. Allerdings war der Senat nach Fristablauf nicht gehalten, die Gegenerklärung abzuwarten, auch wenn sie - wie vorliegend - in Aussicht gestellt worden ist (vgl. BGHSt 23, 102). Es sind immerhin zwischen Fristablauf und Beschlussfassung vorliegend noch weitere zwei Wochen verstrichen, ohne dass ein Schriftsatz eingegangen ist.

Im Übrigen ist das Rechtsbeschwerdegericht auf die Sachrüge hin ohnehin zur umfassenden Prüfung des angefochtenen Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht verpflichtet (§ 352 Abs. 1 StPO). Entgegen der Auffassung des Betroffenen zwingt der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) das Rechtsbeschwerdegericht nicht dazu, auf jegliche Ausführungen zur Sachrüge einzugehen.

III.

Da der Betroffene mit seinem Antrag "nach § 33 a StPO" vorliegend tatsächlich eine Rücknahme des von ihm beanstandeten Senatsbeschlusses unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung erstrebt, könnte es sich entgegen dem Wortlaut des Antrags auch um bloße Gegenvorstellungen gegen die Senatsentscheidung handeln.

Aber auch als Gegenvorstellung hat der Rechtsbehelf keinen Erfolg. Ein nach § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 StPO ergangener Beschluss kann grundsätzlich weder aufgehoben noch abgeändert werden (vgl. BGH, Beschluss v. 12, Januar 2005 - 2 StR 418/04; Beschluss vom 20. Juni 2002 - 4 StR 72/02) und auch nicht nachträglich mit einer Begründung versehen werden (vgl. BGHR StPO § 349 Abs. 2 Beschluss 2).

IV.

Der hilfsweise gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gleichfalls als unzulässig zu verwerfen.

Dem Antrag ist schon nicht zu entnehmen, inwieweit überhaupt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt wird. Eine Fristversäumnis liegt nämlich nicht vor: der damalige Verteidiger des Betroffenen - Rechtsanwalt Heß - hat fristgerecht Rechtsbeschwerde gegen das beanstandete Urteil eingelegt und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben, deren Begründung das Gesetz nicht vorschreibt. Die Begründung des Rechtsmittels erfolgte sodann fristgemäß innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO, 79 Abs. 3 OWiG durch Schriftsatz seiner jetzigen Verteidigerin vom 25. Oktober 2004.

Soweit der Betroffene in seiner Beschwerdebegründung die Verletzung formellen Rechts gerügt hatte, hätte diese Verfahrenrüge entsprechend den formellen Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG begründet werden müssen. Dies ist hier nicht erfolgt, so dass die Verfahrensrüge unzulässig war. Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 08. Februar 2005 im Einzelnen Stellung genommen.

Angesichts dieser Sachlage kann nur vermutet werden, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der nicht formgerecht angebrachten Verfahrensrüge beantragt werden soll. Diesem Antrag kann aber nicht entsprochen werden. Könnte nämlich der Angeklagte/Betroffene, dem erst durch die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO formale Mängel in der Begründung seiner Verfahrensrügen aufgezeigt werden, diese unter Hinweis auf Verteidigerverschulden nachbessern, würde damit die Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO für den Bereich zunächst nicht formgerecht angebrachter Verfahrensrügen im Ergebnis außer Kraft gesetzt, da den Betroffenen an derartigen Mängeln regelmäßig keine Schuld trifft und so stets auf entsprechenden Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren wäre (vgl. BGHR, StPO, § 44 Verfahrensrüge 1; vgl. auch Beschluss des erkennenden Senats vom 27. Juni 2001 in 2 Ss 921/00, http://www.burhoff.de).

Ende der Entscheidung

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