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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.01.2002
Aktenzeichen: 2 Ws 310/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 172
Der Sachvortrag in der Antragsschrift eines Klageerzwingungsantrags genügt dem Erfordernis einer geschlossenen und aus sich heraus verständlichen Darstellung des Sachverhalts dann nicht, wenn sich der Sachverhalt erst aus der Kenntnisnahme und dem Inhalt der Anlagen erschließen kann.
Beschluss Ermittlungsverfahren (Klageerzwingungsverfahren)

gegen. S.S.

wegen Nötigung u. a., (hier: Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO),

Auf den Antrag des Antragstellers vom 15. Dezember 2001 auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschwerdebescheid des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 16. November 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. 01. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

Der Antragsteller wirft dem Beschuldigten unter anderem vor, ihm im Rahmen eines Polizeieinsatzes als verantwortlicher Polizeibeamter ohne hinreichenden Grund Handfesseln angelegt und ihn am Ort der polizeilichen Untersuchung festgehalten zu haben. Zumindest aber sei diese Maßnahme über den eventuell erforderlichen zeitlichen Rahmen hinaus unverhältnismäßig lange ausgedehnt worden. Es seien der Tatbestand der Nötigung, Beleidigung und eventuell auch Freiheitsberaubung gegeben.

Auf die im November 1999 gegenüber dem Polizeipräsidenten in Hagen erstattete Strafanzeige hat die Staatsanwaltschaft nach Durchführung von Ermittlungen das Verfahren unter dem 27. August 2001 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und dazu einen 3 1/2 Seiten umfassenden Einstellungsbescheid erstellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Generalstaatsanwalt in Hamm unter dem 16. November 2001 mit ergänzenden Darlegungen als unbegründet zurückgewiesen.

Der nunmehr - fristgerecht angebrachte - Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, weil er den Formerfordernissen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht in vollem Umfang entspricht.

Nach dieser Vorschrift muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der seiner Natur nach den Vorwurf gegen die Staatsanwaltschaft beinhaltet, sie habe ihre Amtspflichten verletzt, die Tatsachen und die Beweismittel angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen. Verlangt wird danach ein substantiierter Antrag. Dieses Erfordernis ist entsprechend einhelliger Rechtsprechung seit jeher dahin verstanden worden, dass der Antrag nicht nur eine in sich geschlossene und für sich - ohne Bezugnahme - verständliche Sachverhaltsschilderung enthalten muss, sondern darüber hinaus den Streitgegenstand nach Maßgabe des Ermittlungsverfahrens und der von der Staatsanwaltschaft erteilten Bescheide, also in seinem jetzigen Stand, zu erfassen hat.

Der Antrag muss dem Gericht ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten - und gegebenenfalls sonstige Beiakten und Anlagen - die Prüfung ermöglichen, ob der gegen die Staatsanwaltschaft erhobene schwerwiegende Vorwurf, sie habe als Institution der Rechtspflege eine ihrer wesentlichsten Aufgaben nicht erfüllt, zutrifft. Der Antrag nach § 172 Abs. 2 StPO ist nicht einer Strafanzeige gleichzusetzen. Es geht vielmehr um die Nachprüfung, ob durch die erfolgte Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft das Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 StPO verletzt worden ist.

Die erforderliche Sachverhaltsdarstellung muss auch - zumindest in groben Zügen - den Gang des Ermittlungsverfahrens enthalten. Hierzu gehört insbesondere der Vortrag, wie sich der Beschuldigte gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingelassen hat und ob es auch entlastende Zeugenaussagen oder andere Beweismittel gibt. Nur bei Kenntnis der Einlassung und Aussagen von Entlastungszeugen und möglicherweise weiterer Beweismittel, die der Darstellung des Antragstellers entgegenstehen, lässt sich der Erfolg des Begehrens des Antragstellers, nämlich die angestrebte Verurteilung des Beschuldigten, zutreffend beurteilen (vgl. dazu auch OLG Schleswig NStZ 1989, 286; OLG Düsseldorf VRS 82, 352).

Dazu, dass der Streitgegenstand in seinem jetzigen Stande erfasst wird, gehört zunächst eine in sich geschlossene Schilderung der vom Antragsteller als strafbar erachteten Handlung. Diese Sachverhaltsschilderung kann anerkanntermaßen nicht ganz oder teilweise durch eine Bezugnahme auf den Akteninhalt oder auf dem Antrag beigefügte Anlagen ersetzt werden. Eine solche Bezugnahme ist nur insoweit unschädlich, als die in Bezug genommenen Anlagen lediglich der näheren Erläuterung des für sich bereits uneingeschränkt verständlichen Antragsvorbringens dienen; eine Bezugnahme ist jedoch dann nicht zulässig, wenn erst durch Kenntnisnahme vom Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen oder sonstigen Schriftstücke die erforderliche geschlossene Sachverhaltsdarstellung erreicht wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. April 1999 in 2 Ws 568/98 und vom 22. Oktober 1997 in 2 Ws 532/96; OLG Celle NStZ 1997, 406; OLG Düsseldorf StV 1983, 498; OLG Koblenz OLGSt § 172 Nr. 15; KG OLGSt § 172 Nr. 28; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage, § 172 Rdnr. 27 bis 31 jeweils m. w. N.).

Eine solche Art der Darstellung würde nämlich, da nicht mehr die eigene Sachdarstellung tragendes Element des Antrages ist, zu einer Umgehung der Formvorschrift des § 172 StPO führen. Im Klageerzwingungsverfahren ist es nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, sich aus den Akten bzw. aus den der Antragschrift beigefügten Anlagen zusammenzustellen, was der Begründung des Antrags dienen könnte.

Aus diesem Grunde genügt der Sachvortrag in der Antragsschrift dem Erfordernis einer geschlossenen und aus sich heraus verständlichen Darstellung des Sachverhalts nicht.

Die Antragsschrift umfasst insgesamt 13 Seiten, von denen allerdings allein 6 Seiten die in die Antragsschrift fotokopierte Strafanzeige vom 11. November 1999 enthalten. Beigefügt sind der Antragsschrift hingegen 43 Seiten Anlagen. Bereits dieses Verhältnis macht deutlich, dass sich der Sachverhalt erst aus der Kenntnisnahme und dem Inhalt der Anlagen erschließen kann.

Da in der Antragsschrift zudem eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft und insbesondere jegliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdebescheid des Generalstaatsanwalts fehlt, ist eine Schlüssigkeitsprüfung hinsichtlich der Begründetheit des Klageerzwingungsbegehrens allein aus der Antragsbegründung heraus in wesentlichen Punkten nicht möglich.

Das Fehlen dieser zwingenden Zulässigkeitsvoraussetzungen führt zur Unzulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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