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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.10.2000
Aktenzeichen: 22 U 33/00
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 164 I
BGB § 185 I
GBO § 19
Leitsatz:

1. Die in einem notariellen Kaufvertrag erteilte Vollzugsvollmacht beschränkt sich auf die Vertragsdurchführung zwischen den Vertragsparteien.

Die Auflassung an nur einen von zwei im Vertrag genannten Erwerbern und einen Dritten (an Stelle des zweiten Erwerbes) ist durch die Vollzugsvollmacht nicht gedeckt und daher insgesamt unwirksam.

2. Ein wirksamer Eigentumsübergang durch Eintragung des Letzterwerbers auch ohne die Zwischeneintragung der Vorerwerber im Wege der sog. "Kettenauflassung" setzt denknotwendig und auch tatsächlich eine ununterbrochene Kette von Auflassungen voraus.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 33/00 OLG Hamm 6 O 459/99 LG Dortmund

Verkündet am 16. Oktober 2000

Skrzypek, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober durch die Richter am Oberlandesgericht Gottwald und Aschenbach und den Richter am Amtsgericht Dr. Kirsten

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 24. November 1999 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Eintragung der Verfügungsbeklagten als Miteigentümer zu je 1/2 an dem im Grundbuch von Lünen Blatt 12464 verzeichneten Grundstück Gemarkung, Flur, Flurstück, Gebäude- und Freifläche, Heinestraße, Größe 891 m² angeordnet.

Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Verfahrenskosten tragen die Parteien wie folgt:

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin tragen die Verfügungsbeklagten zu je 34% und die Verfügungsklägerin zu 32%.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfügungsbeklagten zu 2) trägt dieser zu 68% und die Verfügungsklägerin zu 32 %. Der Verfügungsbeklagte zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten allein.

Tatbestand:

(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Die Verfügungsklägerin verkaufte eine noch zu vermessende Teilfläche ihres Grundstücks durch notariellen Kaufvertrag vom 21.02.1995 nebst Ergänzung vom 07.08.1996 an den Verfügungsbeklagten zu 1) und zum Preis von 250.000,00 DM. Der Kaufpreis war nicht bar zu erbringen, sondern sollte durch die Übereignung einer noch auf dem Grundstück bis zum 31.03.1998 zu errichtenden Eigentumswohnung beglichen werden.

In § 8 des Kaufvertrages bevollmächtigten die Vertragsparteien die dort namentlich genannten Rechtsanwaltsgehilfinnen und zwar jede für sich allein,

"alle zur Durchführung und Abwicklung dieses Vertrages erforderlichen Anträge zu stellen, die gestellten Anträge zu ändern oder ganz oder teilweise zurückzunehmen. Die Vollmacht berechtigt insbesondere dazu, berichtigende oder ergänzende Erklärungen zu diesem Vertrag abzugeben und entgegenzunehmen, soweit dies notwendig sein sollte, um den Vertrag durchzuführen; dies gilt insbesondere für alle Erklärungen, die möglicherweise dem Grundbuchamt gegenüber abzugeben sind....

Sie sind auch berechtigt, die Auflassung zu erklären..."

Durch notarielle Urkunde vom 19.09.1996 übertrug der Miterwerber seine Rechte aus dem Kaufvertrag - insbesondere den Anspruch auf Übereignung - unentgeltlich auf den Verfügungsbeklagten zu 1). Dieser übertrug wiederum durch notarielle Urkunde vom 29.11.1996 einen 1/2-Anteil am Grundstück und seine diesbezüglichen Rechte gegenüber der Verfügungsklägerin auf den Verfügungsbeklagten zu 2).

Am 23.05.1997 wurden die Verfügungsbeklagten als Eigentümer zu je 1/2 in das Grundbuch eingetragen. Die Eintragung erfolgte aufgrund einer Auflassung vorn 14.04.1997, die eine Rechtsanwaltsgehilfin unter Bezug auf die ihr in den Urkunden vom 21.02.1995, 19.09.1996 und 29.11.1996 erteilten Vollmachten namens der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten erklärt hatte.

Mit notarieller Urkunde vom 27.04.1999 bewilligte der Verfügungsbeklagte zu 1) die Eintragung einer brieflosen Grundschuld auf seinen 1/2-Miteigentumsanteil zu Gunsten des Verfügungsbeklagten zu 2). Die Eintragung der Grundschuld erfolgte am 05.05.1999.

Die Verfügungsklägerin, die den Kaufvertrag vom 21.02.1995 aus verschiedenen Gründen für nichtig hält, begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung sowie Abtretungsvormerkung bzgl. der Grundschuld, Hilfsweise die Eintragung entsprechender Widersprüche.

Das Landgericht hat die Verfügungsklage abgewiesen. Die Berufung der Verfügungsklägerin hat teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Verfügungsklägerin ist wegen des Hilfsantrags zu 1) begründet. Im übrigen hat sie keinen Erfolg.

I.

Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagten keinen Anspruch auf die von ihr mit dem Hauptantrag begehrte Eintragung einer Auflassungsvormerkung (§§ 883, 885 I 1 BGB) zur Sicherung des von ihr behaupteten Rückauflassungsanspruchs.

Ein Anspruch auf Rückübereignung - sei es aus Vertrag oder aus Bereicherungsrecht - setzt voraus, dass die im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Verfügungsbeklagten auch tatsächlich Eigentum an dem streitigen Grundstück erworben haben. Dies ist mangels wirksamer Auflassung (§ 925 BGB) nicht der Fall.

Die zur Eintragung der Verfügungsbeklagten führende Auflassung vom 14.04.1997 ist unwirksam und konnte daher einen Eigentumswechsel nicht Herbeiführen.

Die Auflassung vom 14.04.1997 hat eine Rechtsanwaltsgehilfin des beurkundenden Notars namens der Verfügungsklägerin erklärt, ohne dass diese Erklärung von der ihr in der Kaufvertragsurkunde vom 21.02.1995 durch die Verfügungsklägerin erteilte Volllmacht gedeckt gewesen ist.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der durch die Klägerin im Vertrag vorn 21.02.1995 erteilte Vollmacht bestehen nicht, da sich diese ausdrücklich auf die Vornahme des Verfügungsgeschäftes (Auflassung) bezieht. Eine Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes - wie sie von der Klägerin behauptet wird - berührt die für das Verfügungsgeschäft erteilte Vollmacht grundsätzlich nicht.

Die Rechtsanwaltsgehilfin hat jedoch bei der von ihr erklärten Auflassung die Grenzen der ihr erteilten Vollmacht überschritten. Gem. § 8 des Kaufvertrages ist die Vollmacht zwar umfassend erteilt, jedoch auf den Vollzug des Vertrages beschränkt. Daher konnte die Rechtsanwaltsgehilfin eine Auflassung namens der Verfügungsklägerin wirksam nur gegenüber den im Kaufvertrag genannten Erwerbern erklären. Der Verfügungsbeklagte zu 2) ist nicht Partei des Vertrages vom 21.02.1995. Ihm gegenüber konnte daher namens der Klägerin eine Auflassung nicht wirksam erklärt werden. Dies muss auch dann gelten, wenn dem Verfügungsbeklagten zu 2) durch die Folgeverträge der Anspruch auf Übereignung des 1/2-Miteigentum an dem Grundstück abgetreten wurde. Eine Erweiterung der Vollmacht auch auf diese Fälle entspricht nicht dem Zweck der Vollmacht, die nur der reibungslosen Vertragsabwicklung dienen soll und widerspricht dem Interesse der Verkäuferin, die eine Vollmacht nur zur Abwicklung des von ihr bei Vertragsschluss zu überblickenden und einzuschätzenden Geschehensablaufes erteilt hat. Die Übertragung von Rechten auf Dritte ist hiervon nicht erfasst.

Eine wirksame Auflassung gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 1) ist - auch wenn er Vertragspartei des Kaufvertrag ist - gleichfalls nicht erfolgt, da die von der Verfügungsklägerin erteilte Vollzugsvollmacht nur eine Auflassung an beide im Kaufvertrag genannten Erwerber deckt. Die Auflassung eines 1/2-Miteigentumgsanteils nur an den Verfügungsbeklagten zu 1) entspricht nicht dem Vollzugsauftrag und ist daher nicht von der Vollzugsvollmacht gedeckt.

Ein wirksamer Eigentumsübergang an die Verfügungsbeklagten ist auch nicht im Wege einer sog. "Kettenauflassung" erfolgt, wonach die Eintragung des Letzterwerbers auch ohne die Zwischeneintragung der Vorerwerber wirksam ist. Die Wirksamkeit wird in diesen Fällen damit begründet, dass in der Auflassung für den Empfänger regelmäßig die Einwilligung (§ 185 I BGB) liegt, als Nichtberechtigter über das Grundstück zu verfügen (BGH NJW 1997, 936; BayObLG NJW-RR 1991, 465).

Dies setzt jedoch denknotwendig und auch tatsächlich eine ununterbrochene Kette von Auflassungen voraus, die der Beurkundung vom 14.04.1997 wie auch der vom 05.02.1997 nicht entnommen werden können. In der Urkunde vom 14.04.1997 hat die Vertreterin Erklärungen nur namens der Klägerin und der Verfügungsbeklagten abgegeben. Es fehlt somit eine Auflassung zwischen der Klägerin und Dr. K (dem weiteren Käufer aus dem Kaufvertrag vom 21.02.1995). Es fehlen in der Urkunde vom 14.04.1997 auch Auflassungserklärungen, zwischen und dem Verfügungsbeklagten zu 1) zur Umsetzung des Vertrages vom 19.09.1996 und zwischen den Verfügungsbeklagten zur Umsetzung des Vertrages vom 29.11.1996. Soweit in den Urkunden vom 19.09.1996 und 29.11.1996 bereits eine Auflassung durch die Vertragsparteien erklärt wurde, kann dies eine ununterbrochene Kette von Auflassungen nicht begründen, da zu diesen Zeitpunkten eine Auflassung seitens der Klägerin nicht erklärt war, so dass schon deshalb eine Einwilligung gem. § 185 I BGB nicht angenommen werden kann.

Eine solche Kette von Auflassungen lässt sich auch nicht aus der Urkunde vom 05.02.1997 entnehmen, in der unter Bezug auf die erteilten Vollmachten die Auflassung wie folgt erklärt wird: "Die Vertragsparteien sind sich einig, dass das Eigentum... auf die Käufer zu je 1/2 Anteil übergeht. Verkäufer und Käufer beantragen, die Rechtsänderung im Grundbuch einzutragen." Diese Erklärung ist zu unbestimmt, als dass sich ihr eine wirksame Auflassungserklärung entnehmen ließe. Demgemäß zu Recht hat das Grundbuch diese Erklärung auch beanstandet und sie nicht zur Grundlage der Eintragung gemacht.

Selbst wenn man eine ununterbrochene Auflassungskette annehmen würde, ist vorliegend ein wirksamer Eigentumsübergang zu verneinen, da es an der hierzu notwendigen Einwilligung der Klägerin (§ 185 I BGB) fehlt.

Die Auflassung des Verkäufers enthält dann keine Ermächtigung an den Käufer, das Grundstück ohne Zwischeneintragung an einen Dritten zu übertragen, wenn der Erwerb des Dritten einer vertraglichen Zweckbestimmung zuwiderliefe (BGH NJW 1997, 936). Dies ist hier der Fall.

Nach dem Inhalt des Vertrages vom 21.02.1995 und seiner Ergänzung vom 07.08.1996 haben die Erwerber die Verpflichtung übernommen, auf dem Grundstück bis zum 31.03.1998 eine Eigentumswohnanlage zu errichten und der Klägerin hieraus eine Wohnung nebst Keller zu übereignen. Diese Verpflichtung kann der Erwerber mit Übertragung seiner Rechte nicht mehr erfüllen, so dass eine Gefährdung der Gegenleistung vorliegt, die eine Einwilligung ausschließt. Die Gegenleistung kann nur noch von dem Verfügungsbeklagten zu 1) erbracht werden, der auch im Innenverhältnis der Erwerber allein zur Errichtung verpflichtet ist. Dies gefährdet den gesamten Vertragszweck nicht unerheblich, da die Klägerin bei Scheitern der Bebauung allein auf Schadensersatzansprüche verwiesen ist.

II.

Die Verfügungsklägerin hat jedoch gegen die Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Eintragung eines Widerspruchs (§ 899 BGB) zur Sicherung ihres Anspruchs auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB).

Ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung besteht, da die Eintragung der Verfügungsbeklagten als Eigentümer im Grundbuch nicht der wirklichen Rechtslage entspricht (§ 894 BGB).

Wie oben dargelegt haben die Verfügungsbeklagten mangels wirksamer Auflassung kein Eigentum an dem streitbefangenen Grundstück erworben. Eigentümerin ist nach wie vor die Verfügungsklägerin, die als wahre Eigentümerin durch die Unrichtigkeit des Grundbuchs unmittelbar beeinträchtigt ist und daher dessen Berichtigung (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 59. Aufl., § 894 Rn. 6) und zur Sicherung ihres Anspruchs die Eintragung eines Widerspruchs im Wege einer einstweiligen Verfügung (§ 899 II 1 BGB) verlangen kann.

Die Glaubhaftmachung einer Anspruchsgefährdung (Verfügungsgrund) ist gem. § 899 II 2 BGB nicht erforderlich.

III.

Die Verfügungsklägerin hat gegen den Verfügungsbeklagten zu 2) weder einen Anspruch auf Eintragung einer Vormerkung (§§ 883, 885 I 1 BGB) zur Sicherung eines von ihr behaupteten Abtretungsanspruches bzgl. einer auf dem Anteil des Verfügungsbeklagten zu 1) zu Gunsten des Verfügungsbeklagten zu 2) eingetragenen Buchgrundschuld noch Anspruch auf Eintragung eines Widerspruchs (§ 899 BGB) gegen die genannte Rechtsposition.

Die Bewilligung der Grundschuld erfolgte durch notarielle Urkunde vom 27.04.1999 und die Eintragung im Grundbuch am 05.05.1999.

Für die Wirksamkeit der Grundschuld ist es unerheblich, dass der Verfügungsbeklagte zu 1) als Nichtberechtigter verfügt hat, da er bei Begründung der Grundschuld im Grundbuch als Eigentümer eingetragen war und der Verfügungsbeklagte zu 2) somit die Grundschuld gutgläubig erlangen konnte (§ 892 BGB). Eine Kenntnis des Verfügungsbeklagten zu 2) von der Unrichtigkeit des Grundbuchs ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

Die Verfügungsklägerin hat Umstände nach denen sie von dem Verfügungsbeklagten zu 2) die Abtretung oder Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Grundschuld verlangen kann, nicht schlüssig dargelegt. Die von ihr behauptete Unwirksamkeit des Kaufvertrag vom 21.02.1995 berührt die Wirksamkeit der Grundschuldbestellung aus den dargelegten Gründen nicht.

Folglich stimmt das Grundbuch mit der wirklichen Rechtslage über ein, so dass auch ein Anspruch auf Eintragung eines Widerspruchs nicht besteht (§§ 894, 899 BGB).

IV.

Von seiner Befugnis, das Grundbuchamt um die Eintragung des Widerspruchs zu ersuchen (§ 941 ZPO), hat der Senat keinen Gebrauch gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 I, 97 I ZPO.

Ende der Entscheidung

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