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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.10.2000
Aktenzeichen: 22 U 64/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 284
BGB § 285
BGB § 278
BGB § 433 Abs. 1
1.

Der Verkäufer eines Grundstücks, der die Verschaffung lastenfreien Eigentums und damit auch die Löschung von in Abt. II des Grundbuchs eingetragenen Nacherbenvermerken schuldet, kommt nicht in Schuldnerverzug, wenn er dem mit einem umfassenden Vollzugsauftrag ausgestatteten Notar eine Liste der Nacherben überreicht und der Notar tätig wird, um Löschungsbewilligungen der Nacherben zu erlangen, die auch tatsächlich dem Grundbuchamt vorgelegt werden. Mit entsprechendem Sachvortrag genügt der Verkäufer seiner Darlegungspflicht gemäß § 285 BGB.

2.

Der Käufer muß in diesem Fall darlegen, welche weitergehenden Maßnahmen erforderlich waren und vom Verkäufer oder Notar unterlassen wurden.

3.

Im Rahmen des Vollzugs des Kaufvertrags ist der insoweit beauftragte Notar Erfüllungsgehilfe des Verkäufers.

4.

Zur Fälligkeit des Eigentumsverschaffungsanspruchs.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 64/00 OLG Hamm 8 O 467/98 LG Hagen

Verkündet am 26. Oktober 2000

Oberdorf, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2000 durch den Richter am Oberlandesgericht Gottwald, den Richter am Oberlandesgericht Aschenbach und den Richter am Amtsgericht Dr. Kirsten

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Februar 2.000 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 35.234,00 DM.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz von Zinsschäden, die ihr in der Zeit vom 01.10.1995 bis zum 29.10.1997 aus Anlass der Abwicklung des notariellen Kaufvertrages vom 14. August 1995 (UR-Nr. 171/95 des Notars durch die verzögerte Löschung von nicht übernommenen Nacherbenvermerken entstanden sind.

A.

Die in der Berufungsinstanz geltend gemachte Forderung in Höhe von 35.234,00 DM steht der Klägerin aus dem notariellen Kaufvertrag vom 14. August 1995 weder als Verzugsschadensersatzanspruch gem. §§ 284, 285, 286 Abs. 1 BGB noch als Anspruch auf Gewährleistung für Rechtsmängel gem. §§ 434 ff. BGB zu.

I.

Verzugsschadensersatzansprüche der Klägerin gemäß §§ 284, 285, 286 Abs. 1 BGB bestehen nicht, weil ein von den Beklagten zu vertretender Verzug mit der Erfüllung einer ihnen obliegenden Leistung nicht festgestellt werden kann.

1)

Zwar hatte die Klägerin gegen die Beklagten gem. § 433 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Verschaffung unbelasteten Eigentums an dein verkauften Grundstück, der entgegen der Auffassung des Landgerichts auch spätestens am 01.10.1995, mithin zu Beginn des Zeitraums, für den Schadensersatz beansprucht wird, fällig war.

Nach § 271 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger, die Klägerin, die Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Eine Leistungszeit war im Kaufvertrag für den Anspruch auf Eigentumsverschaffung - im Gegensatz zum Anspruch auf den Kaufpreis - nicht bestimmt. Die Auflassung wurde auch sogleich in Ziff. VI des Vertrages erklärt, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch bewilligt und beantragt. Der - bei gleichzeitigem Verzicht der Parteien auf das eigene Antragsrecht gegenüber dem Grundbuchamt - mit dem weiteren Vollzug des Vertrages beauftragte Notar (Ziff. VII des Vertrages) wurde auch nicht ausdrücklich angewiesen, den Umschreibungsantrag bei dem Grundbuchamt erst später zu stellen. Diese Beschränkung des Treuhandauftrages kann zwar möglicherweise auch durch Auslegung ermittelt werden, weil es dem Sicherungsbedürfnis der Beklagten entspricht, ihr Eigentum nicht eher zu verlieren, als dass der Kaufpreis auflagenfrei auf dem Notaranderkonto zur Verfügung steht. Ob mit dieser Beschränkung des Treuhandauftrages - was nahe liegt - gleichzeitig eilt Hinausschieben der Fälligkeit des Eigentumsverschaffungsanspruches auf den 01.10.1995 gewollt war, muss nicht entschieden werden, da die Klägerin Verzugsschaden ohnehin erst ab dem 01.10.1995 begehrt.

2)

Fraglich ist aber schon, ob die Beklagten durch eine Mahnung zur Erfüllung ihrer Leistungsverpflichtung angehalten worden sind (§ 284 Abs. 1 BGB).

Zur Begründung des Verzuges ist im vorliegenden Fall eine Mahnung nicht entbehrlich. Für einen Verzug ohne Mahnung ist nichts vorgetragen. Die Leistung war weder nach dem Kalender bestimmt (§ 284 Abs. 2 S. 1 BGB), noch war ausnahmsweise eine Mahnung nach Treu und Glauben verzichtbar (dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 284 Rdnr. 24). Denn die Beklagten haben bis zur endgültigen Eigentumsumschreibung weder die Eigentumsverschaffung noch dazu notwendige Mitwirkungshandlungen ernsthaft und endgültig verweigert.

Die danach erforderliche Mahnung ist die nach Fälligkeit an den Schuldner gerichtete bestimmte und eindeutige Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu erbringen (Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 284 Rdnr. 15, 16, 17). Die von der Klägerin behaupteten Telefonate ihres Ehemannes mit den Beklagten zu 1) und zu 2) erfüllen die Anforderungen an eine derartige Leistungsaufforderung jedenfalls nicht. Die Telefonate sollen zwischen Vertragsschluss und Nutzungsübergang am 01.10.1995 erfolgt sein. Geht man von einem Hinausschieben der Fälligkeit auf den 01.10.1995 aus, waren die Mahnungen vor diesem Zeitpunkt somit ohnehin wirkungslos. Abgesehen davon sind telefonische Mahnungen vor dem 01.10.1995 aber auch nicht schlüssig vorgetragen. Soweit die Klägerin nämlich behauptet, ihr Ehemann habe die Beklagten jeweils auf die Löschung der Nacherbenvermerke angesprochen und um Erledigung gedrängt, wird nicht hinreichend klar, welche Leistungshandlung damit eingefordert wurde. Denn zum damaligen Zeitpunkt gingen die Parteien nach Übereinstimmenden Vortrag noch davon aus, dass die Löschung der Nacherbenvermerke durch einfache Grundbuchberichtigung herbeigeführt werden könnte. Wenn der Ehemann der Klägerin insoweit "um Erledigung drängte", war die erforderliche Leistungshandlung bereits vorgenommen worden. Denn die Parteien hatten in Ziff. VI des Vertrages die Löschung u.a. der Nacherbenvermerke bewilligt und beantragt und dem Notar in Ziff. VII einen Vollzugsauftrag erteilt. Mehr war von den Beklagten nicht gefordert und konnte auch nicht geleistet werden. Insbesondere konnten die Beklagten gegenüber dem Grundbuchamt auch nicht mehr selbst aktiv werden und den Löschungsantrag bei dem Grundbuchamt einreichen, weil beide Parteien in Ziff. VII auf ihr eigenes Antragsrecht verzichtet hatten. Dass der Ehemann der Klägerin die Beklagtest schon zu dieser Zeit ausdrücklich aufforderte, dem Notar oder dem Grundbuchamt die Löschungsbewilligungen der Nacherben vorzulegen, ist nicht vorgetragen. Entsprechender Vortrag wäre aber auch nicht plausibel, da die Parteien erst aufgrund der Zwischenverfügung des GBA vom 15.11.1995 davon Kenntnis erhielten, dass die Vorlage von Löschungsbewilligungen erforderlich ist. Bis dahin waren sie noch - wie ausgeführt -, davon ausgegangen, dass eine bloße Grundbuchberichtigung möglich sei. Auch das Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 2.11.1995, in dem die Vorlage von Löschungsbewilligungen erstmals schriftlich angesprochen wurde, spricht dafür, dass den Parteien erst nach dem 15.11.1995 die Problematik bewußt wurde. Auch die Beklagten weisen darauf hin, dass in den Telefonaten nur allgemein dazu aufgefordert wurde, auf den Notar einzuwirken, damit dieser den Vollzugsauftrag zügig abwickle.

Auch Mahnungen durch den Notar liegen nicht vor. Nach der Behauptung der Klägerin soll der Notar die Beklagten zwar "bereits im August/September 1995 wiederholt aufgefordert haben, parallel zu dem Grundbuchberichtigungsantrag und der Beschwerde sämtliche Nacherben anzuschreiben, um Löschungsbewilligungen zu erhalten". Dieser Vortrag ist allerdings zu unbestimmt, als dass er einer Beweisaufnahme zugänglich wäre. Nachdem der Klägerin aufgegeben worden war, ihren Sachvortrag zu präzisieren, hat sie ihre Behauptungen nicht wieder aufgegriffen. Darüber hinaus ist der Vortrag auch widersprüchlich, weil im August 1995 zwar der Grundbuchberichtigungsantrag eingereicht worden, ein Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung dieses Antrages aber noch nicht anhängig war. Darauf, ob der Notar überhaupt als Beauftragter der Klägerin anzusehen und deshalb für die Klägerin gegenüber den Beklagten Mahnungen aussprechen konnte, kommt es folglich hier nicht an.

Soweit die Klägerin mit der Berufungsbegründung die später trotz Auflage nicht mehr präzisierte Behauptung aufgestellt hatte, der Makler habe Mahnungen ausgesprochen, kann auch hiermit der Verzug der Beklagten nicht begründet werden. Der Makler hat zwar mehrfach mit Schreiben in das Geschehen eingegriffen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass er in Vertretung der Klägerin handelte. Die Beklagte konnten die Schreiben daher als Bemerkungen eines interessierten Dritten, der im Hintergrund eine Gefahr für seinen Provisionsanspruch sah, zur Kenntnis nehmen, mussten aber keine auf sich bezogene Mahnung der Klägerin erkennen.

Somit kommen als Mahnungen ausschließlich die Schreiben des von der Klägerin und ihres Ehemannes bevollmächtigten Rechtsanwaltes in Betracht, namentlich das Schreiben vom 23.11.1995 an den Beklagten zu 3). Die Annahme einer Mahnung ist aber zweifelhaft, weil dieses Schreiben zwar einerseits die Probleme anspricht, die sich daraus ergeben, dass das Grundbuchamt mit der Zwischenverfügung vom 15.11.1995 nunmehr die Vorlage von Löschungsbewilligungen verlangt, andererseits aber lediglich zur Stellungnahme bis zum 01.12.1995 aufgefordert und nachgefragt wird, ob nicht der Beklagte zu 3) ein Ersatzobjekt zur Beleihung zur Verfügung stellen kann. Nur dem letzten Absatz - der Aufforderung, sich um eine Löschungsbewilligung der Nacherben zu bemühen - könnte eine Mahnung entnommen werden. Allerdings spricht gegen eine Mahnung, die die geschuldete Leistung verlangt, dass erklärt wird, die Herbeischaffung der Löschungsbewilligungen liege "im Interesse der Beklagten", diese "sollten sich sofort nach Erhalt des Schreibens darum bemühen". Das Schreiben enthält daher statt einer eindeutigen Aufforderung zur Leistung eher einen wohlmeinenden Rat und einen Appell, an der Überbrückung der "Hängepartie" bis zur Löschung der Nacherbenvermerke, die nach den auch zu diesem Zeitpunkt noch vorherrschenden Vorstellungen der Parteien, wie das von ihnen mit aller Kraft in zwei Instanzen betriebene Beschwerdeverfahren zeigt, durch Grundbuchberichtigung erfolgen sollte, mitzuwirken.

Die weiteren in der Berufungsinstanz, vorgelegten Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin an den Bevollmächtigten der Beklagten scheiden als Mahnungen von vorn herein aus. Das Schreiben vom 15.02.1996 enthält im Zusammenhang damit, dass die Klägerin den Beschluss des Landgerichts Bochum v. 22.01.1996, mit dem die Beschwerde gegen die Verfügung des Grundbuchamtes vom 04.12.1995 zurückgewiesen wurde, angefochten hat, lediglich einen Hinweis darauf, dass "nichtsdestotrotz" die Verpflichtung zur lastenfreien Umschreibung allein die Beklagten treffe. In diesen Zusammenhang werden die Beklagten aufgefordert, sich wegen der Beleihung eines Ersatzobjektes mit der Sparkasse Bochum in Verbindung zu setzen. Eine Aufforderung zur Vornahme einer geschuldeten Leistungshandlung enthält das Schreiben aber nicht. Noch weniger enthält das Schreiben vom 05.03.1996 eine Mahnung. Es wird lediglich um Hilfe im Beschwerdeverfahren gebeten und erneut die Forderung nach einer Ersatzbeleihung gestellt. Im Schreiben vom 15.08.1996 wird nur die bisherige Situation analysiert und ein Lösungsvorschlag unterbreitet, der schließlich in die notarielle Zusatzvereinbarung vom 15.11.1996 mündete.

3)

Selbst wenn man unter Vernachlässigung der aufgezeigten Bedenken in dem Schreiben vom 23.11.1995 eine Mahnung sehen wollte, die gemäß § 425 Abs. 2 BGB aber ohnehin nur den Verzug des Beklagten zu 3) begründen könnte, da das Schreiben ausschließlich an diesen gerichtet war, so sind die eingetretenen Verzögerungen jedenfalls nicht von den Beklagten zu vertreten (§ 285 BGB).

Die Beklagten haben die gebotenen Handlungen zur Erfüllung ihrer Leistungsverpflichtung rechtzeitig vorgenommen. Als Verkäufer waren sie gemäß § 433 Abs. 1 BGB zur Verschaffung unbelasteten Eigentums verpflichtet, schuldeten dabei allerdings nicht den Eigentumsübergang selbst, sondern nur die von ihnen dazu vorzunehmenden Handlungen. Bei Grundstücken muss der Verkäufer - neben der Abgabe der nach §§ 873, 925 BGB erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen - insbesondere gegenüber dem Grundbuchamt alle notwendigen Erklärungen abgeben, darüber hinaus z.B. notwendige Voreintragungen herbei führen und Eintragungshindernisse beseitigen (Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 433 Rdnr. 10). Für die lastenfreie Übereignung, mithin für die Löschung des Nacherbenvermerks, schuldeten die Beklagten daher die Beibringung der Löschungsbewilligungen der Nacherben. Insoweit war aber schon gemäß Ziff. VII des notariellen Vertrages dem Notar ein umfassender Vollzugsauftrag erteilt worden. Er war beauftragt, sämtliche zur Wirksamkeit und zum Vollzug des Vertrages erforderlichen Genehmigungen und Zustimmungen einzuholen. Da der Auftrag einschränkungslos erteilt war, umfasste er auch das Anfordern der Löschungsbewilligungen bei den Nacherben. Die Verpflichtung der Beklagten beschränkte sich dann darauf, den Notar hierbei durch Erteilung der notwendigen Auskünfte zu unterstützen. Unstreitig haben die Beklagten diese Verpflichtung aber im November 1995 erfüllt, indem sie dem Notar ein Verzeichnis mit Namen und Anschriften der Nacherben bzw. deren Rechtsnachfolgern zur Verfügung stellten. Dies kommt auch in dem Schreiben des Bevollmächtigten der Beklagten an den Notar vom 08.12.1995 zum Ausdruck.

Dass der Notar Verzögerungen zu vertreten hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, daß Notare als Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) angesehen werden können, wenn sie - wie hier - außerhalb ihrer Urkundstätigkeit aufgrund eines besonderen Auftrags im Rahmen sonstiger Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiet vorsorgender Rechtspflege tätig werden (BGHZ 62, 119, 121 f.; BGH, NJW 1984, 1748, 1749; BGH, NJW 1993, 3061, 3064; BGH, MDR 1993, 693, 695). Der Notar ist aber im Anschluss an die Übergabe des Verzeichnisses auch tätig geworden und konnte dem Grundbuchamt bereits am 27.02.1996 die ersten Löschungsbewilligungen vorlegen, wobei eine bereits vom 11.12.1995 - mit Unterschriftsbeglaubigung vom 21.12.1995 - datierte, die andere undatiert war. In der Folgezeit reichte der Notar in unregelmäßigen Abständen - auch während des Beschwerdeverfahrens - immer wieder Löschungsbewilligungen ein, die letzte am 08.09.1997.

Aufgrund vorstehender Tatsachen kann im vorliegenden Fall das fehlende Verschulden der Beklagten festgestellt werden. Der Senat verkennt dabei nicht, dass sich der Schuldner nach § 285 BGB entlasten und sein fehlendes Verschulden nachweisen muss. Durch die unstreitige Übergabe der Verzeichnisse an den Notar im Rahmen des diesem erteilten Vollzugsauftrages sowie durch die danach entfalteten Tätigkeiten des Notars, die in der beigezogenen Grundbuchakte durch die fortlaufende Vorlage von Löschungsbewilligungen dokumentiert sind, haben sich die Beklagten aber ausreichend exculpiert. Allein aus den Besonderheiten des Sachverhaltes erklären sich die gleichwohl eingetretenen Verzögerungen. Der Nacherbenvermerk betraf insgesamt 19 Personen, Nichten und Neffen des Erblassers, Nichten und Neffen der Ehefrau des Erblassers, zwei Schwestern und eine Schwägerin des Erblassers, die dieser in seinem Testament vom 08.12.1950 zu Nacherben nach dem Tod seiner als befreiter Vorerbin eingesetzten Ehefrau bestimmt hatte. Der Erbfall war am 08.12.1955, der Nacherbfall am 07.12.1973 eingetreten. Bis zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Klägerin waren bezüglich der Nacherben zahlreiche Veränderungen eingetreten. Es mussten nicht nur die aktuellen Anschriften, sondern für zwischenzeitlich verstorbene Nacherben die Ersatznacherben ermittelt und deren Berechtigung in grundbuchlicher Form (§ 29 GBO) nachgewiesen werden. Dass dieser Vorgang Zeit - im konkreten Fall fast 2 Jahre - in Anspruch nahm, zumal einige Nacherben/Ersatznacherben unstreitig inzwischen im Ausland lebten und allen Betroffenen die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit der Löschung des Nacherbenvermerks verdeutlicht werden musste, ist ohne weiteres nachvollziehbar. Die hierdurch eingetretenen Verzögerungen und Erschwernisse haben zwar die Klägerin belastet, waren aber andererseits auch vorhersehbar. Angesichts dieser Sachlage kann die Klägerin den zur Entlastung der Beklagten führenden Tatsachen nicht einfach pauschal entgegen halten, sie hätten neben dem Notar tätig werden und die Nacherben zur Abgabe der Löschungsbewilligungen bewegen müssen. Mehr als eine bloße Wiederholung der Anschreiben des Notars wäre nicht herausgekommen. Es ist nicht zu erkennen, dass die Angelegenheit dadurch hätte beschleunigt werden können; im Gegenteil war mit Reibungsverlusten und damit Verzögerungen zu rechnen. Die Klägerin hätte daher die Exculpation der Beklagten konkret widerlegen und im Einzelnen vortragen müssen, was die Beklagten zur Förderung der Angelegenheit noch hätten tun können. Dass der Notar die Beklagten z.B. vergeblich zu weiteren Mitwirkungshandlungen (Erteilung von Auskünften, Vorlage von Unterlagen pp.) aufgefordert hätte, wird aber von der Klägerin ebensowenig behauptet, wie dass der Notar zögerlich gearbeitet hätte und deshalb die Beklagten den Notar hätten drängen müssen.

II.

Die geltend gemachte Forderung besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung für Rechtsmängel.

Ansprüche der Klägerin gemäß §§ 434, 440 Abs. 1, 325 ff. BGB bestehen nicht, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der §§ 325 ff. BGB vorliegen. Zwar ist der Verkäufer nach § 434 BGB verpflichtet, dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegenüber dem Käufer geltend gemacht werden können. Die Beklagten haben ihre Pflicht zur lastenfreien Eigentumsverschaffung aber erfüllt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Freiheit von Rechten Dritter ist nämlich nicht der Kaufvertragsabschluss, sondern der Eigentumsübergang (Palandt/Putzo, BGB 59. Aufl., § 434 Rdnr. 3). Im Zeitpunkt der Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des verkauften Grundstücks am 29.10.1997 waren die Nacherbenvermerke infolge der Löschungsbewilligungen der Nacherben gelöscht; dass gleichwohl materiell noch Nacherbenrechte bestehen und von der Klägerin übernommen wurden, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

Ziff. V des notariellen Kaufvertrages, in dem die Gewährleistung geregelt ist, wiederholt lediglich die ohnehin in § 434 BGB vorgeschriebene Verpflichtung zur Verschaffung lastenfreien Eigentums, so dass hierin entgegen einer von der Klägerin in I. Instanz geäußerten Ansicht keine eigenständige Anspruchsgrundlage zu sehen ist.

Da das Grundbuch im Zeitpunkt der Eigentumsverschaffung bereinigt war, bestehen auch keine Ansprüche aus §§ 435, 440 Abs. 1, 325 ff. BGB. Daher kann auch dahin stehen, ob der Nacherbenvermerk überhaupt unter § 435 BGB fällt. Dies ist zweifelhaft, weil der Vermerk selbst kein dingliches Recht am Grundstück, sondern nur ein Sicherungsinstrument ist und die Nacherbenrechte gem. §§ 2113 ff. BGB vor einem Untergang durch gutgläubigen Erwerb schützt (Palandt/Edenhofer, BGB, 59. Aufl., Einf v § 2100 Rdnr. 9).

B.

Die Klägerin kann den Zahlungsanspruch auch nicht auf eine vertragliche Abrede vorn 15.08/10.09.1996 stützen.

Durch den Schriftwechsel der Anwälte vom 15.08./10.09.1996 ist keine Grundlage für einen vertraglichen Schadensersatzanspruch geschaffen worden. Soweit in denn Schreiben vom 15.08.1996 ein Angebot zur Verrechnung gegenseitiger Ansprüche gesehen wird, ist es nicht angenommen worden. Das Schreiben vom 10.09.1996 enthält nämlich Abänderungen, insbesondere auch hinsichtlich des der Klägerin zu erstattenden Anwaltshonorars; es liegt folglich eine Ablehnung verbunden mit einem neuen Angebot vor (§ 150 Abs. 2 BGB). Dass dieses angenommen wurde, kann nicht festgestellt werden. In der nachfolgenden notariellen Zusatzvereinbarungen vom 15.11.1996 wird eine Erstattungs- oder Abrechnungsregelung gerade nicht erwähnt. Das wäre aber zu erwarten gewesen, zumal ausdrücklich der auch in den o.g. Schreiben erwähnte Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt wird. Dass sich beide Parteien darüber hinaus Ansprüche wegen der aufgetretenen Verzögerungen vorbehalten, andere Regelung aber fehlen, spricht im Gegenteil eher gegen eine Annahme des in dem Schreiben 10.09.1996 zu sehenden Angebotes.

Außerdem ergibt sich auch aus dem Inhalt der Schreiben vom 15.08./10.09.1996 nicht, dass die Parteien einen neuen, selbständigen Rechtsgrund schaffen wollten. Es ging eher um Abrechnungsmodalitäten.

C.

Schließlich bestehen auch keine Ansprüche der Klägerin aus einem Verschulden der Beklagten bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 14. August 1995 (Haftung für culpa in contrahendo - c.i.c.). Zwar sind die Grundsätze der c.i.c. im vorliegenden Fall anwendbar, weil vorrangige Sachmängelgewährleistungsansprüche gem. §§ 459 ff. BGB nicht ersichtlich sind, die Haftung aus c.i.c. im Falle einer etwaigen Rechtsmängelhaftung nicht ausgeschlossen ist (BGH, NJW-RR 1992, 91; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 276 Rdnr. 80) und Verzugsschadensersatzansprüche gem. § 286 BGB Ansprüche aus c.i.c. ebenfalls nicht verdrängen. Die Beklagten haben aber bei Vertragsschluss weder nachweislich unrichtige Angaben gemacht noch haben sie eine Aufklärungspflicht verletzt.

Macht der Verkäufer oder eine Person, deren er sich zur Erfüllung seiner vorvertraglichen Pflichten bedient (§ 278 BGB), Angaben, die für den Kaufentschluß des anderen Teils von Bedeutung sein können, so müssen diese Angaben richtig sein. Anderenfalls verletzt er Sorgfalts- und Aufklärungspflichten (vgl. BGH NJW 1979, 1449; NJW 1988, 458; NJW 1998, 302). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Zusicherungen i. S. d. § 459 Abs. 2 BGB oder vertraglich bindende "Zusagen" gemacht wurden oder ob der Verkäufer oder sein Erfüllungsgehilfe aufgrund Beratungsvertrages zu einer wirtschaftlich umfassenden und objektiven Beratung verpflichtet war. Entscheidend ist vielmehr allein, ob objektiv unrichtige Angaben gemacht wurden, die für den Kaufentschluss von Bedeutung waren (BGH NJW, 1998, 302). Im vorliegenden kommen nur unrichtige Angaben über die Löschung des Nacherbenvermerks in Betracht. Hätten die Beklagten wider besseren Wissens vorgespiegelt, die Löschung des Nacherbenvermerks im Wege der Grundbuchberichtigung bereite keine Schwierigkeiten, weil die Nacherbenrechte weggefallen seien und dies in grundbuchlicher Form (§ 29 GBO) nachweisbar sei, wäre möglicherweise eine vorvertragliche Sorgfaltspflicht verletzt. Die Klägerin behauptet aber eine derartige Täuschung durch aktives Tun selbst nicht. Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien ist vielmehr davon auszugehen, dass nicht die Beklagten, sondern der Notar die Klägerin in dem Glauben ließ, eine einfache Grundbuchberichtigung sei möglich.

In Betracht kommt daher nur ein Anspruch aus c.i.c. wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Der Inhalt und Umfang vorvertraglicher Aufklärungspflichten bestimmt sich nach den konkreten Umständen, insbesondere den Gefahren, die dem Vertragspartner aus dem Vertragsabschluss typischerweise drohen, aber auch nach seiner Lebens- und Geschäftserfahrung. Eine Pflicht zur Aufklärung über alle für den Vertragspartner erheblichen Umstände besteht nicht; entscheidend ist, ob eine solche Aufklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall erwartet werden darf. Insbesondere ist über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind, so dass er nach der Verkehrsauffassung eine Mitteilung erwarten darf (BGH, NJW 93, 2107 m.w.N.). Danach muss zwar auch über solche rechtlichen Hindernisse bzw. tatsächlichen Umstände aufgeklärt werden, die den Vollzug des Vertrages behindern und dadurch die berechtigten Interessen der Partei so nachhaltig beeinträchtigen, dass sie für die Willensbildung von entscheidender Bedeutung sind. Die Beklagten hatten aber vor Vertragsschluss den Notar, wie sich aus dessen Schreiben vom 10.08.1995 ergibt, über den Nacherbenvermerk und das zugrundeliegende Testament informiert. Mehr war von ihnen als Laien auch im Verhältnis zur Klägerin nicht zu erwarten; der Notar, nicht sie hatten die Beurkundung vorzunehmen.

Anderes gilt nur dann, wenn die Beklagten vom Beschluss des LG Bochum vom 25.07.1961, durch den schon damals deutlich gemacht wurde, dass zur Löschung des Nacherbenvermerks eine Grundbuchberichtigung nicht ausreicht, sondern Löschungsbewilligungen erforderlich sind, Kenntnis gehabt hätten. Dann hätten sie nämlich die Schwierigkeiten im Vollzug des Vertrages voraussehen können und hierauf hinweisen müssen. Die Kenntnis der Beklagten ist aber nicht bewiesen. Sie selbst waren am damaligen Verfahren nicht beteiligt; die Beklagte zu 2) war damals erst 1 Jahr alt, der Beklagte zu 3) war noch gar nicht geboren. Es ist auch nicht behauptet worden, die Beklagten wären schon vor Vertragsschluss ins Besitz einer Beschlussabschrift gewesen. Die Klägerin behauptet nur, der Beklagte zu 1) habe Kenntnis gehabt, da das Verfahren seinerzeit von seiner Ehefrau geführt worden sei. Abgesehen davon, dass auch letzteres nicht stimmt und nicht die Ehefrau, sondern nur deren Vater am Verfahren beteiligt war, sind konkrete Anknüpfungstatsachen für eine Kenntniserlangung nicht vorgetragen. Der Senat hat daher davon abgesehen, den Beklagten zu 1) als Partei zu vernehmen.

D.

Da nach allem Schadensersatzansprüche der Klägerin schon dem Grunde nach nicht bestehen, erübrigt sich ein Eingehen auf die Schadenshöhe. Insoweit hat allerdings das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die geltend gemachten Schadenspositionen nicht nachvollziehbar dargelegt sind. Dies gilt auch für die Berufungsinstanz.

E.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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