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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.08.2000
Aktenzeichen: 27 U 18/00
Rechtsgebiete: StVG, BGB, PflVG, ZPO, StGB, StVO


Vorschriften:

StVG § 7
StVG § 17
StVG § 18
BGB § 823
BGB § 847
BGB § 823 Abs. 1
PflVG § 3
ZPO § 286
ZPO § 287
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 540
ZPO § 708 Nr. 10
StGB § 223
StVO § 21 a Abs. 1
StVO § 21 a
Leitsatz:

Wird ein nicht angegurteter Fahrzeugführer bei einer Frontalkollision mit einem entgegenkommenden Pkw mit dem Kopf so heftig gegen die Windschutzscheibe seines Pkw geschleudert, dass diese eine Bruchspinne davon trägt, ist die Frage, ob eine etwa 1 1/2 Stunde später (infolge eines plötzlichen Zusammenbruches) festgestellte Hirnblutung auf dem Unfall beruht, auch dann der haftungsausfüllenden Kausalität (§ 287 ZPO) zuzuordnen, wenn der Kopfanstoss nicht zu äußerlich sichtbaren Verletzungen geführt hat.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES GRUND- UND TEILURTEIL

27 U 18/00 OLG Hamm 4 O 397/98 LG Arnsberg

Verkündet am 08.08.2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2000 durch den Vorsitzenden, Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung seiner weitergehenden Berufung - das am 15. November 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Der mit der Klage verfolgte materielle Schadensersatzanspruch ist dem Grund nach zur Hälfte gerechtfertigt.

Die Beklagten werden außerdem dem Grunde nach verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld unter Berücksichtigung eines hälftigen Eigenverschuldensanteils zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen Zukunftsschaden aus dem Verkehrsunfall vom 16. Februar 1996 in Brilon zur Hälfte und den immateriellen Zukunftsschaden unter Berücksichtigung eines hälftigen Eigenverschuldensanteils zu ersetzen, soweit die diesbezüglichen Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Wegen des Streits zur Höhe des Schmerzensgeldes und des materiellen Schadens wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Berufung vorbehalten bleibt.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil beschwert beide Parteien mit mehr als 60.000,- DM.

Tatbestand:

Der 1937 geborene Kläger begehrt von den Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz - erstinstanzliche Schmerzensgeldvorstellung: 250.000,- DM - sowie Feststellung der uneingeschränkten künftigen Ersatzpflicht aufgrund eines Begegnungsunfalls vom 16.02.1996 auf der Bundesstraße 251 bei B, bei dem er mit seinem PKW Subaru mit dem von dem Beklagten zu 1) geführten, bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW Mercedes kollidierte, als der Beklagte zu 1) unter Mißachtung des Vorrangs des Klägers zeitgleich mit diesem in eine Engstelle an einer Eisenbahnüberführung einfuhr.

Der in einem gesonderten Rechtsstreit geltend gemachte Fahrzeugschaden des Klägers wurde von der Zweitbeklagten aufgrund rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Arnsberg vom 21.01.1997 (4 O 57/97), das nach Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens eine alleinige Haftung der Beklagten annahm, uneingeschränkt erstattet.

Der Kläger, der bei dem Unfall keine wesentlichen äußeren Verletzungen erlitt, brach etwa 1 1/2 Stunden nach dem Unfall mit körperlichen Ausfallerscheinungen zusammen. Bei der folgenden computertomografischen Untersuchung wurde festgestellt, dass er auf der rechten Hirnseite eine intracerebrale Blutung erlitten hatte. Nach einer noch am gleichen Tag vorgenommenen Schädelöffnung fiel der Kläger in ein elftägiges Koma. Im Anschluss an einen sechswöchigen Klinikaufenthalt - die intracerebrale Blutung hatte zu einer vollständigen halbseitigen Körperlähmung auf der linken Seite geführt - wurde der Kläger am 27.03.1996 in eine Klinik zur Frührehabilitation verlegt. Nach einer Anschlußrehabilitation konnte der Kläger am 10.08.1996 nach Hause entlassen werden. Er ist infolge der Hirnblutung erwerbsunfähig und zu 90 % schwerbehindert.

Der Kläger hat behauptet, die intracerebrale Hirnblutung sei ausschließlich auf den Verkehrsunfall vom 16.02.1996 zurückzuführen. Eine ursächliche Vorerkrankung habe bei ihm nicht bestanden. Infolge dieser intracerebralen Blutung sei er physisch und psychisch zu einem häuslichen Pflegefall geworden. Er erleide deshalb in der Zeit seit Beendigung der Lohnfortzahlung im März 1996 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres im Februar 2002 einen Verdienstausfallschaden von insgesamt 61.537,38 DM.

Der Kläger hat beantragt,

1)

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 16.02.1996 sowie weitere 61.537,83 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2)

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche zukünftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 16.02.1996 in B auf der B 251 bei km 0,2 zu bezahlen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben eine Kausalität zwischen Unfall und Hirnblutung bestritten und insoweit behauptet, der Kläger habe keine auf den Verkehrsunfall zurückzuführenden Verletzungen erlitten. Es sei insbesondere infolge der Kollision nicht zu einer Berührung des Kopfes des Klägers mit dem Fahrzeug gekommen. Anderenfalls sei diese allein darauf zurückzuführen, dass der Kläger nicht angegurtet gewesen sei. Es sei im übrigen nicht auszuschließen, dass der Unfall Folge des Schlaganfalls des Klägers gewesen sei. Dieser beruhe jedenfalls auf beim Kläger anlagebedingt vorliegenden Gefäßanomalien.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. S mit im wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Das Gericht habe aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S nicht die notwendige Gewissheit dafür gewinnen können, dass die intracerebrale Blutung Folge des Verkehrsunfalls gewesen sei. Der Sachverständige sei zwar zu der Einschätzung gekommen, dass die Hirnblutung "wahrscheinlich" als Unfallfolge anzusehen sei. Dies reiche aber für eine Beantwortung der Kausalitätsfrage zu Gunsten des insoweit beweispflichtigen Klägers nicht aus. Der Sachverständige habe die Möglichkeiten gesehen, dass neben dem Unfallgeschehen eine vorbestehende Gefäßsklerose mitgewirkt habe, dass der Kläger bei dem Unfall möglicherweise eine Schädelprellung ohne äußere Verletzungen erlitten habe oder dass - was ebenfalls nicht ausgeschlossen werden könne - eine Vorschädigung die Blutung herbeigeführt habe. Die angesprochenen Erwägungen des Sachverständigen würden keine einigermaßen zwingende Festlegung für oder gegen eine Ursächlichkeit des Unfalls für die intracerebrale Blutung tragen. Diesbezüglich sei auch das von dem Sachverständigen "in erster Linie" für die Kausalität sprechende Zeitmoment (Zusammenbruch des Klägers 1 1/2 Stunden nach dem Unfall) nicht ausreichend. Der Sachverständige habe zwar auch ausgeführt, dass die Symptome bei intracerebralen Hämatomen bis zu 8 Wochen posttraumatisch klinisch in Erscheinung treten könnten. Das bedeute aber nur, dass der Zusammenbruch des Klägers erst 1 1/2 Stunden nach dem Unfall dessen Ursächlichkeit nicht schon ausschließe. Eindeutigeres für die Ursächlichkeit des Unfalls könne hieraus jedenfalls deshalb nicht hergeleitet werden, weil der Sachverständige eine Prädisposition des Klägers für eine zufällige intracerebrale Blutung nicht habe ausschließen können. Der Sachverständige habe insoweit ausgeführt, es sei auch möglich, dass die Blutung zeitlich zufällig mit dem Unfallereignis zusammen getroffen sei, er halte das bei Wertung der vorliegenden Befunde und des zeitlichen Ablaufs nur nicht für wahrscheinlich. Da keine Beweiserleichterungen für den Kläger eingriffen, genüge diese Bewertung nicht zur hinreichend sicheren Feststellung der Ursächlichkeit zwischen Unfall und intracerebraler Blutung.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren begrenzt auf ein Schmerzensgeld von 100.000,- DM sowie auf Ersatz des Verdienstausfalls bis Februar 2000 weiterverfolgt. Er hält die Beweisanforderungen des Landgerichts für überzogen und verweist insoweit auf die seiner Auffassung nach zutreffende Bewertung durch den Sachverständigen sowie insbesondere erneut darauf, dass bei ihm vor dem Unfall keine arterielle Hypertonie vorgelegen habe. Nicht hinreichend berücksichtigt worden sei bislang, dass er - der Kläger - infolge der Kollision mit dem Kopf heftig gegen die Windschutzscheibe gestoßen sei, wie eine dort unstreitig durch den Unfall entstandene Bruchspinne belege. Durch diesen Anstoß, der trotz eines angelegten Sicherheitsgurtes möglich sei, habe er eine Schädelprellung ohne äußeres Trauma erlitten.

Der Kläger beantragt, abändernd

1.

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, nicht unter 100.000,- DM, nebst 4 % Zinsen seit dem 16.02.1996 sowie 40.763,31 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2.

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm als Gesamtschuldner allen weiteren immateriellen und materiellen Schaden aus dem Unfall vom 16.02.1996 zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und halten an ihrer Überzeugung fest, dass der Unfall nicht ursächlich für die Hirnblutung gewesen sei. Die bestrittene Behauptung, der Kläger habe infolge der Kollision eine Schädelprellung erlitten, stehe im Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen, keine äußeren Verletzungen erlitten zu haben. Ein Kopfaufprall an die Windschutzscheibe sei technisch ausgeschlossen, wenn der Kläger angeschnallt gefahren sei. Die Bruchspinne in der Scheibe sei durch die Karosserieverformung oder durch eine äußere Beschädigung verursacht worden. Im übrigen verbleiben die Beklagten dabei, die intracerebrale Blutung könne auch auf organischer Vorschädigung des Klägers - arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus oder vorbestehende Gefäßsklerose - beruhen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten 12 Js 220/96 StA Arnsberg und 4 O 54/97 LG Arnsberg waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2000 ein mündliches Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B eingeholt und den Sachverständigen Dr. S zur ergänzenden Erläuterung seines erstinstanzlich erstatteten schriftlichen Gutachtens angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Vermerk des Berichterstatters zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat zum Teil Erfolg.

Die Beklagten schulden dem Kläger dem Grunde nach gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 847 BGB, 3 PflVG hälftigen Ersatz des Verdienstausfallschadens sowie ein unter Berücksichtigung eines hälftigen Eigenverschuldensanteils angemessenes Schmerzensgeld, weil die am Unfalltage beim Kläger eingetretene intracerebrale Hirnblutung Folge des Unfalls vom 16.02.1996 war (I.), den Kläger allerdings trotz der grundsätzlich außer Streit stehenden Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall ein Eigenverschulden wegen Verletzung der Anschnallpflicht belastet (II.), das bei der haftungsbestimmenden Abwägung zu einer hälftigen Anspruchskürzung bezüglich der nun streitigen Schadensersatzansprüche führt (III.). Der Rechtsstreit bedarf zur Höhe des materiellen und immateriellen Schadens noch der weiteren Aufklärung durch das Landgericht, während das Feststellungsbegehren bereits entscheidungsreif ist (IV).

I.

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme beider Instanzen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger infolge der Fahrzeugkollision mit dem Kopf mit erheblicher Wucht gegen die Windschutzscheibe seines Pkw gestoßen ist und dabei eine Schädelprellung erlitten hat (1.), die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ursächlich für die etwa 1 1/2 Stunden später festgestellte Hirnblutung war (2.).

1.

Der Kläger ist infolge des Fahrzeugzusammenpralls mit seiner Stirn gegen die Windschutzscheibe seines Pkw geprallt, wobei diese eine sog. Bruchspinne davongetragen hat. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. ist aufgrund des Unfallverlaufs und der an der Windschutzscheibe des Pkw des Klägers festzustellenden Bruchspinne von. einem heftigen Kopfanprall auszugehen.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Behauptung eines solchen Anstoßes durch den Kläger nicht im Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vortrag steht. Vielmehr ist von ihm stets ein solcher heftiger Anstoß gegen die Frontscheibe behauptet worden. Unstreitig war insoweit nur, dass hierdurch keine äußerlich sichtbaren Verletzungen hervorgerufen worden sind, woraus sich allerdings keineswegs ein erstinstanzliches Geständnis (§ 288 ZPO) des Klägers ergibt, keine äußeren Verletzungen erlitten zu haben.

Auch die möglichen Äußerungen des Klägers gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten, er habe keine Verletzung erlitten, ist für die Feststellung einer objektiven Verletzung ohne Belang, da der Kläger der Kopfprellung - angesichts nicht sichtbarer Verletzungen - möglicherweise keine Bedeutung Zugemessen und eine entsprechende Mitteilung gegenüber den Polizeibeamten oder dem Unfallgegner aufgrund der von ihm selbst nicht für schwerwiegend erachteten Folgen für nicht erforderlich gehalten hat. Ohne weiteres denkbar ist auch, dass er auf diese aus seiner Sicht nicht wesentliche Verletzung deshalb nicht hingewiesen hat, um nicht auf seinen Verstoß gegen die Pflicht zur Anlegung des Sicherheitsgurtes aufmerksam zu machen. Ein Schluß auf das Fehlen einer Verletzung kann jedenfalls aus dem Verhalten des Klägers nach dem Unfall nicht hergeleitet werden.

Für einen Kopfanprall sprechen wesentlich die Lage und das Schadensbild der unstreitig im Zusammenhang mit dem Unfall beschädigten Windschutzscheibe des Pkw Subaru. Diese Beschädigung in Form einer sogenannten Bruchspinne, die bereits in der Verkehrsunfallanzeige aufgeführt und von den Polizeibeamten bildlich festgehalten worden ist, entspricht nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. B dessen besondere Sachkunde dem Senat aufgrund einer Vielzahl von Gutachten bekannt ist, dem typischen Schadensbild infolge eines Kopfinnenanpralls, wobei die Lage der zum Lenkrad etwa nach links versetzten Bruchspinne exakt der kollisionsbedingten Impulsrichtung und bezüglich ihrer Höhe der Größe des Klägers entspricht. Typisch für eine Beschädigung einer Verbundglasscheibe durch Kopfanstoß von innen ist auch, dass lediglich die Aussenscheibe der beiden elastischen, übereinander verklebten Scheiben gerissen ist. Der Sachverständige hat zu den möglichen Ursachen dieser Beschädigung überzeugend erläutert, dass sie auf keinen Fall durch eine Karosserieverformung entstanden sein kann und dass sich auch bei einer äußeren Gewalteinwirkung auf die Frontscheibe ein anderes Schadensbild ergebe, nämlich ein im Kern der Kollision sichtbarer milchiger Glasbrei, den der Sachverständige auf den vorliegenden Lichtbildern des Fahrzeugs nicht zu erkennen vermochte. Dass der Sachverständige, der den Schaden nur aufgrund der vorliegenden Lichtbilder begutachten konnte, danach die theoretische Möglichkeit einer von außen eingetretenen Beschädigung der Scheibe auf Vorhalt des Beklagtenvertreters nicht gänzlich ausschliessen wollte, steht der Feststellung eines Kopfanpralls nach Überzeugung des Senats nicht entgegen. Unabhängig davon, dass der Sachverständige dabei verblieben ist, er könne keine Anzeichen einer solchen Beschädigung erkennen, es handele sich vielmehr um das typische Bild einer durch einen stumpfen Kopfanprall verursachten Bruchspinne, ist eine andere Ursache des Schadens auch deshalb nicht vorstellbar, weil jeglicher Anhaltspunkt für eine von außen wirkenden Beschädigung der Scheibe, die nach den Erläuterungen des Sachverständigen allenfalls durch einen spitzen Gegenstand hervorgerufen sein könnte, fehlt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, durch welchen Gegenstand dieser Art die Scheibe bei der Kollision von außen beschädigt worden sein könnte. Im übrigen spricht für den vom Gutachter angenommenen stumpfen Kopfanprall, dass die Polizeibeamten an der Innenseite der Frontscheibe einen Schmierfleck in der Größe etwa eines 5 DM-Stückes wahrgenommen haben, der zwanglos auf, einen Kopfanstoß zurückzuführen sein kann. Hinzu kommt schließlich, dass der Sohn des Klägers unbestritten am Tage nach dem Unfall Haarreste an den Sonnenblende des Fahrzeuges bemerkt hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hält der Senat es für erwiesen, dass der Kläger bei dem Unfall mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geprallt und diese hierdurch beschädigt worden ist. Insoweit bedarf es nicht des Ausschlusses letzter Zweifel. Denn auch das für die Überzeugungsbildung im Sinne des § 286 ZPO erforderliche Beweismaß verlangt keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH in NJW 1994, 802 und in NJW 1989, 2948).

Der Kopfanstoß hat zumindest zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des Wohlbefindens des Klägers, somit zu einer Körperverletzung im Sinne der §§ 823 Abs. 1 BGB, 223 StGB (vgl. hierzu OLG Köln in NJW 1997, 2191; Tröndle, StGB-Kommentar, 48. Aufl., Rn. 3 zu § 223) geführt. Insoweit ist aus den bereits angeführten Gründen unerheblich, dass er selbst diese Verletzung nicht sofort an der Unfallstelle den Polizeibeamten mitgeteilt hat, da diese Verhalten keine Rückschlüsse auf das subjektive Befinden des Klägers nach dem Unfall erlaubt. Dass es infolge des Kopfanstoßes beim Kläger zu einer nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens gekommen ist, ergibt sich schon allein aus der Intensität des Aufpralls. Hierzu hat der Sachverständige Dipl. Ing. B unter anderem gestützt auf das Ergebnis eines praktischen Versuchs, erläutert, dass der Kopf des Klägers mit einer Beschleunigung von deutlich über 35 g, wahrscheinlich sogar mit einer noch deutlich höheren Beschleunigungsbelastung von bis zu 100 g, gegen die Frontscheibe geprallt ist, so dass unter Berücksichtigung des Kopfgewichtes von einer Aufprallkraft von zwischen 150 und 450 Kilogramm auszugehen ist. Der Sachverständige hat diesbezüglich zur Erläuterung plastisch geschildert, dass der Aufprall des Kopfes infolge des Unfalls deutlich schwerer gewesen sei als etwa bei einem Anstoß eines Fußgängers gegen ein Hindernis. Vergleichbar sei ein solcher Anstoß nur dann, wenn ein Fußgänger bei einer Laufgeschwindigkeit von zumindest 10 km/h mit seinem Kopf frontal und ungeschützt gegen ein hartes Hindernis laufe. Angesichts der Stärke dieser Krafteinwirkung auf den Körper des Klägers kann nicht mehr von einem Vorfall im "Harmlosigkeitsbereich" (vgl. hierzu OLG Hamm in NJW 2000, 879) ausgegangen werden, zumal schon das Verabreichen einer Ohrfeige auch ohne Feststellung von Verletzungsfolgen als Körperverletzung zu bewerten ist (BGH in NJW 1990, 3157).

Ohne Aussagekraft für die Frage des Vorliegens einer Schädelprellung ist, dass während der stationären Behandlung der Hirnblutung keine Folgen einer solchen Prellung, etwa eine Schwellung oder einer Verfärbung im Stirnbereich, aufgefallen sind. Unabhängig davon, dass nicht feststeht, ob es zu solchen sichtbaren Verletzungsfolgen gekommen ist, können diese ohne weiteres übersehen worden sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die optischen Anzeichen der Prellung nach Darstellung des Sachverständigen Dr. S häufig erst mit einer Verzögerung von etwa einem Tag sichtbar werden, dass der Kopf des Klägers am Tag nach dem Unfall aufgrund der Operation bandagiert war und dass zu diesem Zeitpunkt möglicherweise nicht mehr auf derartige Veränderungen geachtet worden ist, und zwar unter Umständen auch deshalb, weil die akut zu behandelnde Hirnblutung des Klägers von den behandelnden Ärzten, wie dem ersten Arztbericht des Prof. Dr. B zu entnehmen ist, als spontane Blutung infolge arterieller Hypertonie bewertet wurde.

2.

Aufgrund des feststehenden starken Anstoßes des Kopfes gegen die Windschutzscheibe und der dadurch eingetretenen Verletzung des Klägers ist die Frage, ob diese Primärverletzung sofort oder mit einer kurzen Verzögerung zu der intracerebralen Hirnblutung geführt hat, der sich nach § 287 ZPO beurteilenden hafungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen (vgl. hierzu BGH in NJW-RR 1987, 339; Dannert in NZV 1999, 453). Es genügt daher für die Überzeugungsbildung eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit der Kausalität der ursprünglichen Verletzung für die Hirnblutung.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat aufgrund des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen Dr. S davon überzeugt, dass die Hirnblutung ohne den Unfall und die kollisionsbedingte Schädelprellung zu diesem Zeitpunkt nicht aufgetreten wäre. Der Sachverständige nimmt an, dass es infolge des Kopfanstoßes zu kleineren Gewebezerreißungen gekommen ist, die zu einer Blutunterversorgung des betroffenen Gehirnbereichs und hierdurch wiederum zum weiteren Zerreißen von Gefäßen geführt haben. Er hat ausgeführt, die beim Kläger vorliegende intracerebrale, d.h. die Hirnsubstanz selbst betreffende Blutung, sei zwar - anders als zweifellos auf Verletzungen zurückzuführende epidurale und subdurale Blutungen - nicht eine typischerweise verletzungsbedingte Hirnblutung, jedoch durchaus häufiger auf traumatische Ursachen zurückzuführen. Im Falle des Klägers bewerte er die Wahrscheinlichkeit einer unfallbedingten Blutung bei Annahme eines Kopfanstoßes gegen die Windschutzscheibe mit 2/3 zu 1/3. Hierfür sei neben der zeitlichen Nähe zum Unfall ausschlaggebend, dass beim Kläger keine besondere Prädisposition für eine spontane Hirnblutung vorgelegen habe, so dass die statistische Wahrscheinlichkeit einer solchen Blutung ausgerechnet im typischen posttraumatischen Intervall äußerst gering sei. Diesbezüglich hat der Sachverständige überzeugend erläutert, dass die bei der stationären Aufnahme des Klägers vom behandelnden Arzt festgestellte und zunächst als Ursache der Hirnblutung angenommene Hypertonie Sekundärfolge der Blutung gewesen sei und dass beim Kläger vor Auftreten der Blutung jedenfalls kein relevanter Gefäßstatus vorgelegen habe. Der Kläger sei trotz einer "gewissen" Hypertonie, die allerdings in diesem Umfang bei sicher 50 % aller Menschen im Alter von mehr als 50 Jahren vorliege, keineswegs ein Risikopatient gewesen. Auch ein beim Kläger vorliegender Diabetes mellitus sei kein Risikofaktor für Hirnblutungen. Eine spontane Hirnblutung in zufälligen zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall halte er deshalb für sehr unwahrscheinlich, zumal die Lokalisation der Blutung im hinteren rechten Bereich des Gehirns für eine spontane hypertoniebedingte Blutung nicht typisch sei, jedoch zu einem Kopfanstoß im vorderen linken Bereich des Kopfes ("contre coup") passe. Der zeitliche Ablauf des Auftretens der Blutung innerhalb von 1 1/2 Stunden nach dem Unfall liege durchaus im üblichen Bereich derartiger Kausalverläufe. Insgesamt komme er zur Einschätzung, dass die Blutung wahrscheinlich Unfallfolge sei, möglicherweise auf dem Boden einer - rechtlich bedeutungslosen (vgl. hierzu BGH in NJW 1996, 991 m.w.N.) - vorbestehenden Gefäßsklerose, dass also die Blutung ohne den Unfall zu diesem Zeitpunkt nicht aufgetreten wäre. Dass die Blutung zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall stehe, sei möglich, aber nicht wahrscheinlich. Unter Berücksichtigung dieser von Sachkunde des Gutachters getragenen Ausführungen ist der Senat insbesondere im Hinblick auf das Fehlen typischer relevanter Risikofaktoren und im Hinblick auf die unmittelbare zeitliche Nähe zum Unfall davon überzeugt, dass es sich nicht um ein zufälliges Zusammentreffen zweier Schicksalsereignisse beim Kläger handelte, sondern dass die Hirnblutung auf den Unfall zurückzuführen ist.

Der von den Beklagten insoweit hervorgehobene Umstand, dass nach den erstinstanzlichen Ausführungen des Sachverständigen von den traumatisch bedingten Blutungen nur ein geringer Anteil von 10 % intracerebral verlaufen, ist für die Bewertung der Kausalität ohne Aussagekraft, da diese Zahl in keinem Einzelfall die Annahme einer solchen Blutung ausschließt und auch zur Wahrscheinlichkeit nichts besagt.

Dem Antrag der Beklagten, ihnen zu der ergänzenden mündlichen Erläuterung des schriftlichen Gutachtens Dr. S eine Schriftsatzfrist zu gewähren, war nicht zu entsprechen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der medizinisch nicht sachkundigen Partei unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nach einem mündlichen ärztlichen Sachverständigengutachten Gelegenheit zu geben ist, zu schwierigen medizinischen Fragen Stellung zu nehmen, falls eine sofortige Stellungnahme der Partei in der mündlichen Verhandlung nicht möglich und zumutbar ist (vgl. etwa BGH in NJW 1988, 2302). Vorliegend waren allerdings den Beklagten bereits infolge des erstinstanzlich erstellten schriftlichen Gutachtens dessen entscheidenden Aussagen und die hierdurch aufgeworfenen medizinischen Fragen bekannt, so dass ihnen bei entsprechender Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung eine sofortige Reaktion auf die Ausführungen des Gutachters zuzumuten war. Wesentliche neue, im schriftlichen Gutachten nicht angeklungene medizinische Gesichtspunkte oder Fragestellungen, auf die sich die Beklagten nicht hätten vorbereiten können und die die Einholung eines anderweitigen sachverständigen Rats erforderlich gemacht hätten, sind bei der mündlichen Erläuterung des Sachverständigen nicht zutage getreten.

II.

Die Verletzung des Klägers beruht wesentlich auch auf seinem Verstoß gegen § 21 a Abs. 1 StVO. Dieser Verstoß gegen die Anschnallpflicht wird durch den heftigen Kopfanprall gegen die Windschutzscheibe belegt, da dieser zur Hirnblutung führende Kopfanprall des Klägers, wie der Sachverständige Dipl. Ing. B überzeugend ausgeführt hat, bei angelegtem Sicherheitsgurt technisch nicht möglich gewesen wäre. Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Ausführungen, die auch vom Kläger - wie seitens seines Prozeßbevollmächtigten nach Erstattung des Gutachtens klargestellt worden ist - nicht weiter angegriffen werden sollen, bestehen für den Senat nicht. Da somit feststeht, dass der für die Hirnblutung und die hieraus geltend gemachten Schäden ursächliche Kopfanprall bei Benutzung des Sicherheitsgurtes ausgeschlossen gewesen wäre, kommt es auf die möglicherweise bestehende tatsächliche Vermutung dafür, dass es bei Beachtung des § 21 a StVO nicht zu einer derart schweren Verletzung gekommen wäre (vgl. BGH in NZV 1990, 386; Palandt, 59. Aufl., Rn. 22 zu § 254 BGB), nicht mehr an.

III.

Bei der haftungsbestimmenden Abwägung wiegt das Mitverschulden des Klägers bezüglich der hier in Rede stehenden materiellen und immateriellen Schäden schwer, weil diese Schäden bei Nutzung des Sicherheitsgurtes, der - wie dargelegt - einen Kopfanstoß verhindert hätte, nicht eingetreten wären. Der Kläger muß sich vorwerfen lassen, durch diesen Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene Eigensicherung eine wesentliche Verschärfung der Folgen des Unfalls, der sonst ausschließlich zu Sachschäden geführt hätte, verursacht zu haben, obgleich ihm das im Nichtanschnallen liegende besondere Verletzungsrisiko - wie jedem Verkehrsteilnehmer - sicher bekannt gewesen ist.

Hingegen belastet die Beklagten der schwere, die eigentliche Ursache des Unfalls darstellende Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1), der den Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit und Nichtbeachtung des Vorrangs des Klägers verursacht hat, wie seitens der Beklagten nicht weiter angegriffen wird.

Unter Berücksichtigung dieser für die Abwägung entscheidenden Umstände des Einzelfalles (vgl. BGH in NJW 1998, 1137; Geigel, Rn. 556), wonach einerseits ein deutliches Verschulden des Beklagten zu 1) vorliegt, andererseits gerade die in Rede stehende Verletzung bei Anlegen des Gurtes nicht eingetreten wäre, hält der Senat eine hälftige Haftung beider unfallbeteiligten Parteien für gerechtfertigt, so dass die Beklagten dem Kläger hälftigen materiellen Schadensersatz sowie ein unter Berücksichtigung eines hälftigen Eigenverschuldens angemessenes Schmerzensgeld schulden.

IV.

Wegen des Streits der Parteien zur Höhe des materiellen und immateriellen Schadens wird der Rechtsstreit gemäß §§ 538 Abs. 1 Nr. 3, 540 ZPO zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, weil insoweit weitere Aufklärungen zum Verdienstausfall sowie zum Schmerzensgeld erforderlich sind. Bezüglich des immateriellen Schadens fehlen bislang insbesondere noch aktuelle, tragfähige Feststellungen zum Heilungsverlauf und zu den bisher verbliebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die die Einholung eines aktuellen Gutachtens erforderlich machen, da das bisher erstellte Gutachten den bisherigen und den weiterhin zu erwartenden Heilungsverkauf nur am Rande darstellt und den zu den Akten gereichten Arztberichten des Prof. Dr. J vom 25.08.1998 und der Frau Dr. E vom 30.09.1998 weitere Beschwerden und stationäre Behandlungen zu entnehmen sind, die im bisherigen Gutachten keinen Anklang finden. Im Hinblick auf die Bedeutung der Sache für die Parteien hält der Senat insoweit eine eigene Sachentscheidung nicht für sachdienlich.

Bezüglich seines Feststellungsantrages hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt, die Feststellung nur bezüglich der künftigen Schäden und der nicht übergegangenen Ansprüche zu begehren. Unter Berücksichtigung dieser Klarstellung war festzustellen, dass die Beklagten dem Kläger entsprechend den festgestellten Haftungsanteilen zum Ersatz eventueller materieller oder immaterieller Zukunftsschäden verpflichtet sind. Derartige Schäden sind schon im Hinblick auf die Schwere der Verletzung nicht auszuschließen.

V.

Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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