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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.05.2007
Aktenzeichen: 27 U 229/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004 Abs. 1
StGB § 186
StGB § 187
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 21. September 2006 verkündete Urteil der III. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 24. Mai 2006 wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO)

A. Die zulässige Berufung ist begründet.

Dem Verfügungskläger steht kein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 und 2 BGB, §§ 186, 187 StGB wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in sein von Art. 1 und Art. 2 GG garantiertes und als sonstiges Recht i.S.v. § 823 I BGB vor objektiv rechtswidrigen Eingriffen geschütztes (vgl. hierzu BGHZ 13, 334 = NJW 1954, 1404; BGHZ 95, 212 = NJW 1985, 2644) Persönlichkeitsrecht zu, weil die Unterlassung ehrverletzender Meinungsäußerungen nur dann verlangt werden kann, wenn es sich hierbei nicht um eine durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckte subjektive Wertung, sondern entweder um eine nicht dem Grundrechtsschutz unterfallende Schmähkritik, Formalbeleidigung oder die Menschenwürde antastende Äußerung (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2000, 1036, 1038 m.w.N.), und eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung nur dann untersagt werden kann, wenn es sich um eine unwahre, ggf. auch nur nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptung oder um eine zwar wahre Tatsachenbehauptung handelt, an deren Verbreitung aber ausnahmsweise kein schützenswertes Interesse besteht. Letzteres ist indes nur dann der Fall, wenn die Aussage entweder die Intim- oder Privatsphäre oder eine vertrauliche Sphäre betrifft und sich nicht durch ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit rechtfertigen lässt, oder wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zum Interesse an der Verbreitung der Wahrheit besteht (vgl. BVerfG NJW 1999, 1322; 2000, 2413; BGH NJW 1999, 2893). Im Übrigen muss die Wiedergabe wahrer Tatsachen grundsätzlich hingenommen werden.

Keine dieser Anspruchsvoraussetzungen liegt vor. Dabei kann es dahinstehen, ob es sich bei der beanstandeten Äußerung um eine Tatsachenbehauptung handelt oder ob sie den Regeln für Meinungsäußerungen zu unterstellen ist.

I. Vom Vorliegen (nur) einer Tatsachenbehauptung wäre dann auszugehen, wenn man den inhaltlichen Gehalt der Mitteilung nur darin sieht, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) dem Verfügungskläger fristlos gekündigt und dass sie den Ausspruch der Kündigung auf einen von ihr angenommenen Vertrauensbruch gestützt habe.

In diesem Falle handelte es sich auch um eine wahre Tatsache, weil es zutrifft, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) dem Verfügungskläger aus dem von ihr genannten Grunde gekündigt hat. Ob dieser geltend gemachte Kündigungsgrund rechtlicher Prüfung standhält, ist für die Wahrheit dieser Information ohne Bedeutung.

Die oben genannten Voraussetzungen, unter denen auch die Verbreitung wahrer Tatsachen untersagt werden kann, liegen dagegen nicht vor. Intim- oder Privatsphäre des Verfügungsklägers sind ersichtlich nicht betroffen. Aber auch soweit das Rundschreiben geeignet sein kann, ein nachteiliges Licht auf den Verfügungskläger zu werfen und damit einen Schaden anzurichten, fällt die stets gebotene Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Grundrecht der Verfügungsbeklagten aus Art. 5 GG (vgl. dazu BGH NJW 1997, 2513) zugunsten letzterer aus. Unzweifelhaft bestand und besteht unternehmensintern ein Bedürfnis, über das sofortige Ausscheiden des Verfügungsklägers zu informieren. Zweifelhaft kann allenfalls sein, ob die Verfügungsbeklagten gehalten gewesen zu wären, über den Grund der Trennung vollständig zu schweigen. Es liegt indessen auf der Hand, dass sich den Empfängern auch bei der Miteilung eines sofortigen vorzeitigen Ausscheidens ohne jede Angabe von Gründen (mindestens) aufgedrängt hätte, dass es zu einem Zerwürfnis zwischen der Geschäftsleitung und dem Verfügungskläger gekommen ist und die Geschäftsleitung ihm deshalb kein Vertrauen mehr entgegenbringt. Im Übrigen wäre der Spekulation Tür und Tor geöffnet gewesen. Im Unterschied zu dieser Variante ist der etwaige zusätzliche Grundrechtseingriff durch die Angabe "gravierender Vertrauensbruch" jedenfalls gering. Es handelt sich um eine durchaus zurückhaltende Formulierung, die entgegen der Ansicht des Verfügungsklägers nicht den Schluss auf den Vorwurf einer Straftat zulässt. Das Wort "gravierend" verdeutlicht in diesem Zusammenhang nur, dass die Verfügungsbeklagten dem Verhalten ein solches Gewicht beimaßen, dass es aus ihrer Sicht eine fristlose Kündigung tragen konnte. Auch der von den Verfügungsbeklagten weiter vorgetragene Gesichtspunkt, dass die schlichte Mitteilung einer Trennung vom Verfügungskläger, die auch auf einem einvernehmlichen Ausscheiden hätte beruhen können, nicht verdeutlicht hätte, dass der Verfügungskläger für evtl. Anfragen nicht mehr zur Verfügung steht, ist nachvollziehbar und jedenfalls ein sachlicher Gesichtspunkt.

Unter diesen Umständen gibt es für die Annahme, dass es den Verfügungsbeklagten darauf angekommen sei, dem Verfügungskläger über diese notwendige Information hinaus grundlos weiteren Schaden zuzufügen, keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.8.1997 (BAG 9 AZR 61/96 =NZA 1998, 712) zugrunde lag, auf die der Verfügungskläger sich beruft, ist der hier vorliegende Sachverhalt nicht im Entferntesten vergleichbar. Dort ging es dem Beklagten ersichtlich darum, noch Jahre nach dem eigentlichen Anlass Rache und Vergeltung zu üben.

II. Geht man hingegen mit dem Landgericht davon aus, dass die Bewertung des Verhaltens des Verfügungsklägers als "gravierender Vertrauensbruch" im Vordergrund der Äußerung steht, ist das Ergebnis kein anderes. Gerade um einen wirksamen Grundrechtsschutz zu gewährleisten, erfasst die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG auch solche Äußerungen, in denen Tatsachen und Meinungen vermengt sind, die aber durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden, insbesondere wenn eine Trennung von wertenden und tatsächlichen Gehalten die Äußerung aufheben oder verfälschen würde (BVerfG NJW 1992, 1439, 1440). Eine Äußerung ist deshalb insgesamt den für die Meinungsäußerung geltenden Regeln zu unterstellen, wenn ihr tatsächlicher Gehalt gegenüber den in ihr enthaltenen wertenden Elementen deutlich zurücktritt (BGH NJW 2000, 1036, 1038 m.w.N.). Damit soll die Zulässigkeit entsprechender Äußerungen erweitert und nicht eingeschränkt werden. Grenze der Zulässigkeit ist dann vielmehr die so genannte Schmähkritik.

Eine solche liegt hier nicht vor. Wegen seines die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Selbst eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Von einer solchen kann vielmehr nur dann die Rede sein, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (BGH NJW 2002, 1192, 1193 m.w.N.; st. Rspr.). Davon kann hier nicht ansatzweise die Rede sein. Die Äußerung kann nicht als bloße persönliche Diffamierung angesehen werden; sie entbehrt keineswegs des erforderlichen Sachbezugs, indem sie aus Anlass einer ausgesprochenen fristlosen Kündigung das zur Kündigung herangezogene Verhalten bewertet. In einem Meinungsstreit muss man sich sogar scharfe, überspitzte, selbst polemische Kritik gefallen lassen, mögen andere diese auch für "falsch" oder "ungerecht" halten, solange nicht konkret unwahre Tatsachen behauptet werden (BGH a.a.O.). Bezüglich des bewerteten Verhaltens des Verfügungsklägers enthält die angegriffene Äußerung aber gerade keine hinreichend substanziierten und einem Wahrheitsbeweis zugängliche und somit auch keine falschen Tatsachen. Die wertende Mitteilung drückt vielmehr aus, warum nach Meinung der Verfügungsbeklagten ein Kündigungsgrund vorgelegen hat, und hat damit ausreichenden Sachbezug.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 6, 711, 713 ZPO.

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