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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.01.2008
Aktenzeichen: 3 Ws 26/08
Rechtsgebiete: StPO, UVollzO


Vorschriften:

StPO § 119
UVollzO § 22
Zur Frage des Vorliegens sachlicher Gründe, um ggf. vom Gebot der strikten Trennung von Untersuchungshaftgefangenen und Strafgefangenen abzusehen.
Beschluss

Strafsache

gegen P.A.

wegen Mordes

Auf die unter dem 19.12.2007 eingelegte Beschwerden der Angeklagten vom 17.10.2007 gegen den Beschluss der Vorsitzenden der X. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 10.10.2007 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 01. 20 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Die Angeklagte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 19.09.2006 seit dem 21.09.2006 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Mit dem Haftbefehl wird ihr zur Last gelegt, gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten C. ud dem früheren Mitangeklagten B. ihren damaligen Chef und Lebensgefährten F. ermordet zu haben, indem sie dessen Tötung in Auftrag gab, die maßgeblichen Hinweise für die Durchführung der Tat gab und B. und C.den Zugang zum Tatort, in dessen unmittelbarer Nähe sie sich zur Tatzeit aufhielt, verschaffte.

Nach Beginn der Hauptverhandlung vor der Schurgerichtskammer des Landgerichts Bielefeld ordnete deren Vorsitzende durch Verfügung vom 30.03.2007 hinsichtlich des Vollzuges der Untersuchungshaft u. a. gegenüber der Angeklagten die Sicherungsmaßnahme "kein Umschluss" und "Einzelfreigang" an. Nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin wurde diese Anordnung auf ihre Beschwerde unter dem 30.04.2007 dahingehend abgeändert, dass in Bezug auf sie lediglich noch die Vorschriften der Nr. 22, 23 UVollzO einzuhalten seien. Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 18.07.2007 beantragte die Beschwerdeführerin, ihr zu gestatten, an gemeinsamen Veranstaltungen sowie am gemeinsamen Freigang der Frauenabteilung der JVA Bielefeld-Brackwede I teilzunehmen. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, in der vorgenannten Justizvollzugsanstalt sei die gängige Praxis dergestalt, dass Freizeitveranstaltungen und Sportveranstaltungen bzw. der gemeinsame Freigang in der Frauenabteilung (gemeint ist ersichtlich der Aufenthalt im Freien) ausschließlich von Untersuchungsgefangenen und Strafgefangenen gemeinsam durchgeführt würden. Durch die strikte Anwendung der Nr. 22 und 23 der UVollzO sei sie - die Beschwerdeführerin - von diesen Veranstaltungen ohne rechtfertigenden Grund ausgeschlossen.

Durch Beschluss der Vorsitzenden der X. Strafkammer - Schwurgerichtskammer - des Landgericht Bielefeld vom 14.08.2007 wurde die Erteilung der beantragten Genehmigung versagt und zur Begründung ausgeführt, nach Nr. 55 Abs. 2, 22 UVollzO komme ein gemeinsamer Hofgang der Angeklagten mit Strafgefangenen nicht in Betracht, da der bereits erstinstanzlich verurteilte frühere Mitangeklagte B. ebenfalls in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I einsitze und daher nicht auszuschließen sei, dass Informationen ausgetauscht würden, wie es ein anderer Mitbeteiligter der vorgeworfenen Straftat bereits versucht habe. Aus den vorgenannten Gründen komme auch keine Teilnahme der Angeklagten an Gemeinschaftsveranstaltungen mit Strafgefangenen sowie dem Sommerfest in Betracht. Es treffe außerdem nicht zu, dass die Angeklagte sich bislang beanstandungsfrei in der Haftanstalt geführt habe, da ihr aufgrund ihres Verhaltens - sie sei wiederholt Anweisungen des Personals nicht nachgekommen - bereits ein Verweis erteilt worden sei.

Durch Urteil der X. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 19.09.2007 wurde die Angeklagte wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Angeklagte hatte dagegen Revision eingelegt.

Unter Hinweis darauf, dass aufgrund der am 19.09.2007 erfolgten Verurteilung keinerlei Gründe mehr ersichtlich seien, die gegen einen Kontakt der Angeklagten mit anderen Häftlingen bei gemeinsamen Veranstaltungen sprechen könnten, beantragte der Verteidiger der Angeklagten mit Schriftsatz vom 25.09.2007 erneut, der Angeklagten zu gestatten, an gemeinsamen Veranstaltungen wie Sport, Frauenkaffee, sowie am gemeinsamen Aufenthalt im Freien der Frauenabteilung der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I teilzunehmen. Dieser Antrag wurde durch Beschluss der Strafkammervorsitzenden vom 10.10.2007 abgelehnt, soweit die Einhaltung der Nr. 22 der UVollzO nicht gewährleistet sei. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den vorangegangenen Beschluss vom 14.08.2007 Bezug genommen und außerdem ausgeführt, die erfolgte erstinstanzliche Verurteilung der Angeklagten gebe keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung, da das Urteil vom 19.09.2007 noch nicht rechtskräftig sei. Dementsprechend bestehe weiterhin die Gefahr, dass unter Umgehung der Kontrollabsprachen Beeinflussungen stattfinden könnten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Angeklagten vom 17.10.2007, die mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 19.12.2007 eingelegt worden ist und der die Vorsitzende der Strafkammer nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde der Angeklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Gem. § 119 Abs. 1 StPO darf der Untersuchungsgefangene nicht nur nicht mit anderen Gefangenen in dem selben Raum untergebracht werden, sondern soll er auch sonst von Strafgefangenen, soweit dies möglich ist, getrennt gehalten werden. In Nr. 22 UVollzO wird dieses Trennungsgebot konkretisiert. Die von der Strafkammervorsitzenden angeordnete Trennung der Angeklagten von Strafgefangenen bei gemeinsamen Veranstaltungen entspricht daher der gesetzlichen Regelung mit der Folge, dass der Angeklagten grundsätzlich kein Anspruch darauf zusteht, an Gemeinschaftsveranstaltungen mit Strafgefangenen teilnehmen zu können. Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht aus Art. 3 GG unter dem Gesichtspunkt herleiten, dass anderen Untersuchungshäftlingen eine solche Teilnahme gestattet wird. Denn es sind im vorliegenden Fall sachliche Gründe gegeben, die die von der Strafkammervorsitzenden angeordnete strikte Einhaltung der Vorschrift der Nr. 22 UVollzO hier rechtfertigt. Strafgefangene unterliegen in Bezug auf ihre Außenkontakte einer deutlich geringeren Aufsicht und Einschränkung. Bei einer Teilnahme der Angeklagten an gemeinsamen Veranstaltungen mit Strafgefangenen besteht daher die Gefahr, dass dieser Umstand ausgenutzt wird, um unkontrollierte Kontakte nach außen oder zu Insassen der Justizvollzugsanstalt aufnehmen zu können, wobei hier insbesondere zu berücksichtigen ist, dass der frühere Mitangeklagte B. sich ebenfalls in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I befindet, dass dieser sich geständig zu Sache eingelassen hat und dass dessen Aussage für die Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 19.09.2007 von nicht unerheblicher Bedeutung war. Als Ausfluss der Sicherung des Strafverfahrens, insbesondere der Verhinderung von Verdunkelungsgefahr ist gemäß § 119 Abs. 3 StPO in Verbindung mit Nr.22 Abs. 2 UVollzO ausdrücklich normiert, dass ein Kontakt von Untersuchungsgefangenen mit anderen Gefangenen, die der Täterschaft, Teilnahme oder Begünstigung bezüglich derselben Tat verdächtigt, bereits abgeurteilt oder als Zeugen beteiligt sind, zu verhindern ist. Unkontrollierte Kontakte zwischen der Angeklagten und dem früheren Mitangeklagten B. würden nicht nur die Gefahr etwaiger Absprachen, sondern auch die, dass die Angeklagte versuchen könnte, auf den früheren Mitangeklagten B. einzuwirken, um ihn zu einer für sie günstigen Aussage zu veranlassen, in sich bergen. Es bestehen hier auch konkrete Anhaltspunkte, dass die Angeklagte Kontakte zu Strafgefangenen zu vorgenannten Zwecken ausnutzen könnte. Bereits die Begehung der Tat, deren die Angeklagte dringend verdächtig ist, war durch diese auf Verdeckung angelegt. Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung hat sie die Tötung des Tatopfers durch Dritte, die ihr persönlich nicht bekannt waren und über die daher nicht unmittelbar eine Verbindung zu ihr hergestellt werden konnte, ausführen lassen, während sie selbst als die durch die Tat betroffene Mitarbeiterin und Lebensgefährtin agierte, die das Tatopfer gefunden hatte. Auch ihre mehrfach wechselnden Einlassungen dienten der Irreführung und Verdeckung. Hinzu kommt, dass aufgrund der Art der Tatbegehung - nach den Feststellungen der Strafkammer in dem Urteil vom 19.09.2007 hatte die Angeklagte die Ermordung ihres Lebensgefährten in Auftrag gegeben - davon auszugehen ist, dass sie auch über geeignete Kontakte verfügt, um gegebenenfalls über Dritte Einwirkungen auf den früheren Mitangeklagten B. oder andere Beweispersonen zu veranlassen. Unter diesen Umständen liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Angeklagte bei einer Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen mit Strafgefangenen den Umstand, dass deren Außenkontakte in einem deutlich geringerem Maße der Überwachung unterliegen, zu unkontrollierten Außenkontakten, wie zum Beispiel Nachrichten an Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt ausnutzen könnte, um über diese auf den Mitgefangenen B. oder aber auch auf andere Beweismittel Einfluss zu nehmen. Zu Recht weist die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass, soweit die Strafkammer ausweislich der Gründe des Urteils vom 19.09.2007 zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Zeugin Y. zugunsten der Angeklagten eine Falschaussage getätigt habe, eine entsprechende vorherige Einwirkung auf diese Zeugin durch die Angeklagte zwar nicht bewiesen, eine solche Annahme aber lebensnah sei.

Das erstinstanzliche Urteil vom 19.09.2007 schließt die oben aufgezeigten Gefahren nicht aus. Da die Angeklagte dagegen Revision eingelegt hat, besteht die Möglichkeit einer Urteilsaufhebung, die zu einer neuen Tatsachenverhandlung führen würde.

Die Anordnung der strikten Anwendung der Nr. 22 UVollzO stellt auch keine in ihren tatsächlichen Auswirkungen auf den grundrechtlich geschützten Lebensbereich der Angeklagten unverhältnismäßige Maßnahme dar. Sie führt nämlich nicht, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht worden ist, dazu, dass diese sich in faktischer lsolierhaft befindet. Vielmehr kann sie durchaus Kontakt zu anderen Untersuchungsgefangenen aufnehmen. Denn nach der von der Berichterstatterin eingeholten Auskunft des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I vom 29.01.2008 hat die Angeklagte die Möglichkeit, in der Untersuchungshaftabteilung gemeinsam mit anderen Untersuchungsgefangenen die Teeküche zu benutzen sowie am gemeinschaftlichen Fernsehen oder an einem Umschluss teilzunehmen.

Ende der Entscheidung

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